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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 4 TaBV 5/06
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB
Vorschriften:
BetrVG § 103 | |
BGB § 1360 a Abs. 4 Satz 1 |
Tenor:
1. D. Beteil. Ziff. 3 wird ab 16.02.2007 im zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt M. als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.
2. Auf die Verfahrenskosten sind Monatsraten in Höhe von 45,00 EUR zu zahlen.
3. Für d. Beteil. Ziff. 3 wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung über die Zahlungsbestimmungen kann geändert werden, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben (§ 120 Abs. 4 ZPO).
Die Erhebung der Kosten erfolgt durch gesonderte Rechnung. Ist die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung im Rückstand, kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben.
Gründe:
I.
Der Beteiligte Ziff. 3 (Arbeitnehmer) begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung in einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG. Beschwerdeführerin ist die Beteiligte Ziff. 1 (Arbeitsgeberin). Der Beteiligte Ziff. 3 ist in zweiter Ehe verheiratet. Er ist seiner Frau und zwei Kindern aus erster Ehe unterhaltsverpflichtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen verwiesen.
II.
Dem Beteiligten Ziff. 3 ist für die beabsichtigte Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt M. zu bewilligen. Auf die Verfahrenskosten hat der Beteiligte Ziff. 3 hierbei Monatsraten in Höhe von EUR 45,00 zu zahlen.
1. Die objektiven Bewilligungsvoraussetzungen sind gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht zu prüfen, weil die Beteiligte Ziff. 1 (Arbeitgeberin) das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt hat.
2. Der Beteiligte Ziff. 3 hat monatliche Raten von EUR 45,00 auf die Prozesskosten zu zahlen.
a) Der Beteiligte Ziff. 3 hat nach § 115 Abs. 1 ZPO kein Einkommen auf die Prozesskosten einzusetzen. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:
Der Beteiligte Ziff. 3 verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.124,43. Abzusetzen ist der Freibetrag für Erwerbstätige nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b ZPO in Höhe von EUR 173,00, der Freibetrag für die Partei selbst nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO von derzeit EUR 380,00 und die Unterhaltszahlungen an die geschiedene, nicht erwerbstätige Ehefrau des Beteiligten Ziff. 3 und die zwei gemeinsamen Kinder nach § 115 Abs. 1 Satz 8 ZPO in Höhe von EUR 810,00. Bereits nach Abzug der genannten Beträge hat der Kläger kein Einkommen auf die Prozesskosten einzusetzen, so dass es auf die weiteren angeführten Abzugsposten nicht mehr ankommt.
Der Umstand, dass die jetzige berufstätige Ehefrau des Beteiligten Ziff. 3 über ein deutlich höheres Nettoeinkommen (rd. EUR 2.575,00) als er selbst verfügt, ist im Rahmen der Einkommensberechnung unerheblich. Die Behandlung des Ehegatteneinkommens ist durch die Freibeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO abschließend geregelt. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung dieses Einkommens ist nicht zulässig (BAG, 05.04.2006 - 3 AZB 61/04 - AP ZPO § 115 Nr. 5; Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl. § 115 Rz. 7).
b) Der Beteiligte Ziff. 3 hat jedoch einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber seiner jetzigen Ehefrau nach § 115 Abs. 3 ZPO als Vermögen einzusetzen. Zum Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 3 ZPO zählt auch der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss. Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist gemäß § 1360 a Abs. 4 ZPO der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
aa) Bei dem vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren handelt es sich um eine "persönliche Angelegenheit" im Sinne der genannten Vorschrift. Mit Beschluss vom 05.04.2006 (a.a.O.) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass arbeitsrechtliche Bestandsstreitigkeiten zu den "persönlichen Angelegenheiten" zählen. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Hinblick auf die Bedeutung des Arbeitsverhältnisses für die Würde des Arbeitnehmers und seine Persönlichkeitsentfaltung handele es sich hierbei um Streitigkeiten, die über den Streit im Rahmen eines bloßen schuldrechtlichen Austauschverhältnisses hinausgingen.
Überträgt man diese Erwägung auf den hier vorliegenden Fall eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG, so betrifft dieses, im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ebenfalls eine "persönliche Angelegenheit". Das Zustimmungsersetzungsverfahren will einerseits verhindern, dass durch unbegründete außerordentliche Kündigungen des Arbeitgebers die Amtsausübung des Betriebsrats erschwert wird. Es schützt insoweit die kollektiven Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft (BAG, 11.07.2000 - 1 ABR 39/99 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 44). Andererseits dient das Zustimmungsersetzungsverfahren auch dem Individualschutz. Das Zustimmungserfordernis des Betriebsrats soll die Mitglieder betriebsverfassungsrechtlicher Organe vor unbegründeten außerordentlichen Kündigungen schützen (vgl. nur KR-Etzel, 8. Auflage, § 103 BetrVG Rz 7). Das Zustimmungsersetzungsverfahren und ein eventuell nachfolgender Kündigungsschutzprozess stehen daher in einem engen Zusammenhang. So wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend BAG, 24.04.1975 - 2 AZR 118/74 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 3; zuletzt BAG, 15.08.2002 - 2 AZR 214/01 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 48) durch die rechtskräftige Ersetzung der Zustimmung im Beschlussverfahren die bindende Feststellung getroffen, dass eine außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem damaligen Zeitpunkt berechtigt war. Aufgrund dieser Präklusionswirkung wird im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens eine Vorentscheidung für den Bestand des Arbeitsverhältnisses getroffen.
bb) Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss setzt weiter voraus, dass der Berechtigte bedürftig ist, also die Kosten des Rechtsstreits nicht selbst aufbringen kann, der Verpflichtete leistungsfähig ist und ihm die Zahlung auch nicht unzumutbar ist.
(1) Daran, dass der Beteiligte Ziff. 3 die Kosten des Rechtsstreits nicht selbst aufbringen kann, bestehen keine Zweifel. Insoweit kann auf die Ausführungen zu 2 a) verwiesen werden.
(2) Was die Leistungsfähigkeit des Ehegatten angeht, so ist die jetzige Ehefrau des Beteiligten Ziff. 3 im Grundsatz deswegen als leistungsfähig anzusehen, weil ihr - würde sie den vorliegenden Rechtsstreit selbst führen - keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden könnte. Sie verfügt über ein Nettoeinkommen von rund EUR 2.575,00. Setzt man die nur auf ihre Person entfallenden Abzugsbeträge sowie die anteiligen Abzüge wie Miete, Versicherungen (im Verhältnis der Ehegatteneinkünfte: 70 % : 30 %) ab, so beträgt das einzusetzende Einkommen EUR 980,00, die zu zahlende Rate folglich EUR 530,00. Nach § 115 Abs. 4 ZPO könnte der Ehefrau keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil die Kosten der Prozessführung (geschätzt EUR 1.500,00) vier Monatsraten nicht übersteigen.
Zur näheren Bestimmung der Leistungsfähigkeit ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, 04.08.2004 - XII ZA 6/04 - NJW-RR 2004, 1662) auf die gültigen Selbstbehaltsätze der unterhaltsrechtlichen Leitlinien zurückzugreifen. Gegenüber Ehegatten gilt grundsätzlich der eheangemessene Selbstbehalt (vgl. Ziff. 21.4 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland vom 01.07.2005). Dieser entspricht dem angemessenen Unterhaltsbedarf des Berechtigten nach Nr. 15 der Leitlinien zuzüglich des Erwerbstätigenbonus des Unterhaltspflichtigen, darf aber den notwendigen Selbstbehalt nicht unterschreiten. Der notwendige Selbstbehalt beträgt nach Ziff. 21.2 der Leitlinien bei Erwerbstätigen EUR 890,00. Für den Ehe angemessenen Selbstbehalt gilt nach Ziff. 15.2 der sogenannte Halbteilungsgrundsatz, wobei jedoch Erwerbseinkünfte nur zu 90 % zu berücksichtigen sind. Hieraus folgt, dass der Ehefrau des Beteiligten Ziff. 3 die Zahlung des Prozesskostenvorschusses in einem Einmalbetrag nicht zuzumuten ist. Das monatliche Nettoeinkommen der Ehefrau beläuft sich auf rund EUR 2.575,00. Zieht man hiervon die geschätzten Prozesskosten in zweiter Instanz von EUR 1.500,00 ab, so wäre der eheangemessene Selbstbehalt unterschritten.
(3) Der Ehefrau des Beteiligten Ziff. 3 ist jedoch zuzumuten, den Prozesskostenvorschuss in Raten zu erbringen. In der oben zitierten Entscheidung vom 04.08.2004 (betreffend den Prozesskostenvorschussanspruch von minderjährigen Kindern) hat der Bundesgerichtshof entschieden, der Unterhaltsverpflichtete schulde einen Prozesskostenvorschuss auch dann, wenn er ihn zwar nicht in einer Summe zahlen könne, aber nach § 115 Abs. 1 und 2 ZPO für eine eigene Prozessführung zu Ratenzahlungen in der Lage sei. Wenn der Unterhaltsverpflichtete für ein von ihm selbst zu führendes Gerichtsverfahren Prozesskostenhilfe nur unter Anordnung von Raten erhalten würde und er über ein den notwendigen Selbstbehalt deutlich übersteigendes Einkommen verfüge, dann sei es nicht gerechtfertigt, den prozessführenden Unterhaltsberechtigen von jeder Ratenzahlungspflicht freizustellen. Daher könne dem Unterhaltsberechtigten Prozesskostenhilfe auch nur gegen entsprechende Ratenzahlung bewilligt werden. Diese Auffassung hat überwiegend Zustimmung gefunden (Palandt-Brudermüller, BGB, 66. Auflage, § 1360 a Rz 12; Zöller-Philippi, a.a.O., § 115 Rz. 70; Musielak-Fischer, ZPO, 5. Aufl., § 115 Rz. 37; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, Rz 371 f.; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Auflage, Rz 244). Die Kammer tritt dieser Auffassung ebenfalls bei.
(4) Der Höhe nach ist der Umfang des ratenweise zu leistenden Prozesskostenvorschusses wie folgt zu bestimmen: Die Leistungsfähigkeit der Ehefrau wird, wenn die Eheleute "aus einem Topf" wirtschaften, letztlich durch das Familieneinkommen bestimmt. Zieht man das gesamte Familieneinkommen heran und setzt die vom Vertreter der Staatskasse in seiner Stellungnahme vom 19.04.2007 aufgeführten Abzugsbeträge zuzüglich EUR 94,85 für die angegebenen Versicherungen ab, so ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen von knapp EUR 150,00 und eine daraus folgende Rate von EUR 45,00. Jedenfalls diesen Betrag kann die Ehefrau des Beteiligten Ziff. 3 monatlich als Prozesskostenvorschuss leisten, ohne dass ihr Selbstbehalt gefährdet und die Existenz der Familie insgesamt beeinträchtigt wäre.
cc) Weiteres Vermögen hat der Beteiligte Ziff. 3 nicht einzusetzen. Das derzeitige Sparguthaben überschreitet das sog. Schonvermögen nicht. Die zuvor auf den Konto angesparten Beträge wurden zum Teil für den Kauf des PKW Peugeot 207 verbraucht. Die Anschaffung dieses PKW während des laufenden Verfahrens war sachlich gerechtfertigt, nachdem der Beteiligte Ziff. 3 das zuvor verwendete Firmenfahrzeug nicht mehr für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen kann.
III.
Die Kammer hat gemäß § 574 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil soweit ersichtlich keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vorliegt, wonach die Rechtsverteidigung im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG eine "persönliche Angelegenheit" im Sinne des § 1360 a Abs. 4 BGB darstellt. Die Rechtsbeschwerde kann auch bei eigenen erstinstanzlichen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts zugelassen werden (Germelmann/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Auflage, § 78 Rz 38; Schwab/ Weth, ArbGG, § 78 Rz. 74).
Ende der Entscheidung
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