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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 45/07
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 2
BGB § 612 Abs. 1
BGB § 612 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2b
ArbGG § 64 Abs. 6
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2
Steht der Ausbildungszweck in einem sechsmonatigen so genannten Praktikantenverhältnis nicht im Vordergrund, das heißt überwiegt der Ausbildungszweck nicht deutlich die für den Betrieb erbrachten Leistungen und Arbeitsergebnisse, ist eine Vergütung von 375,00 EUR monatlich sittenwidrig.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.2007 - Aktenzeichen 35 Ca 9620/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin aus beendetem Vertragsverhältnis.

Die am 00.00.1980 geborene Klägerin beendete im Jahr 2005 ihr Studium mit dem Abschluss Diplomingenieur (FH) für Innenarchitektur.

Bei der Beklagten handelt es sich um einen Fachverlag für A., I. und D.; zum Verlagsprogramm gehören Fachbücher und Zeitschriften.

Am 25.11.2005 schlossen die Parteien einen schriftlichen Vertrag folgenden Inhalts:

Praktikantenvertrag

... 1. Die V. K. GmbH stellt für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 einen Praktikumsplatz zur Verfügung. 2. Die Betreuung der Praktikantin erfolgt durch die Mitarbeiter der V. K. GmbH. 3. Der Praktikantin werden allgemeine Aufgaben aus dem Bereich der V. K. GmbH übertragen. 4. Die Vergütung für diesen Zeitraum beträgt pro vollem Monat brutto 375,00 EUR. 5. Die tägliche Beschäftigungszeit entspricht der betriebsüblichen Arbeitszeit. 6. Das Praktikum endet am 31.05.2006, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Die Beklagte stellte der Klägerin die Möglichkeit in Aussicht, nach Absolvieren eines Praktikums in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden.

Die Klägerin hatte während ihres Studiums für den AStA Kulturveranstaltungen administrativ und exekutiv betreut. Ihre Diplomarbeit hatte das Thema "Kommunikation in der Baubranche". Die Klägerin war bei der Beklagten daher absprachegemäß ausschließlich in der Abteilung GKT (G. für K.-T. in A. und B.) tätig. Die GKT ist im Bereich Veranstaltungsorganisation/Eventmanagement tätig und richtet Veranstaltungen wie A.preise, Workshops, Kongresse, Konferenzen und Roadshows aus. Die GKT als Fachabteilung der AIT, einer Fachzeitschrift für A., nimmt für diese eine spezielle Marketingfunktion zur Bindung der Anzeigenkunden wahr. Die GKT unterhält jeweils ein Büro in S. und in H. unter der Leitung des Herrn D., der zugleich Leiter der Redaktion ist. In S. sind zwei Projektleiter, Herr B. und Frau B., beschäftigt; es waren während des hier streitgegenständlichen Zeitraums insgesamt drei Praktikanten tätig. Für einzelne Veranstaltungen werden - falls erforderlich - Stundenkräfte zugebucht.

Wegen der einzelnen Projekte und der in deren Rahmen erbrachten Tätigkeiten wird auf den Tätigkeitsnachweis in Anlage BK 1, Bl. 44 der Akte 2. Instanz Bezug genommen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin im Zeitraum 01.12.2005 bis 31.05.2006 insgesamt 2.044,35 EUR brutto.

Vor dem 01.11.2005 war die Klägerin arbeitsuchend gemeldet und erhielt durchgehend und über den 31.05.2006 hinaus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Das Angebot der Beklagten gegen Ende des Praktikums, danach in einem Arbeitsverhältnis zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.000,00 EUR für sie tätig zu werden, lehnte die Klägerin ab.

Die Klägerin hat mit der am 09.10.2006 erhobenen Klage angemessene Vergütung gefordert. Sie sei nicht als einfache Praktikantin tätig geworden, sondern habe in den einzelnen Projekten als normale Arbeitskraft der jeweiligen Projektleitung zugearbeitet. Abgesehen von der konkreten Entscheidungsbefugnis und der finanziellen und konzeptionellen Verantwortung habe sie die gleichen Arbeiten wie die Projektleitung selbst ausgeübt. Über die notwendigen fachspezifischen Kenntnisse aus dem A.- und I.bereich habe sie bereits verfügt. Der A.preis F. (Farbe, Struktur, Oberfläche) etwa sei Anfang Juni 2006 nach einem Jahr Vorbereitungsarbeit durchgeführt worden und die Klägerin sei gerade für die zweite intensive Phase, das konkrete Abarbeiten der Massenarbeiten und die zeitintensive Organisationsumsetzung eingesetzt worden. Die im sogenannten Praktikantenvertrag vereinbarte Vergütung sei sittenwidrig; als angemessen sei das für die Zeit danach angebotene Entgelt von 2.000,00 EUR mit einem Abschlag von 250,00 EUR wegen im Praktikum nicht bestehender Entscheidungsbefugnisse und Projektverantwortung anzusetzen, also 1.750,00 EUR monatlich.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.455,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein wohlwollend formuliertes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.

Die Beklagte hat Klagantrag Ziff. 2 anerkannt. Hinsichtlich Klagantrag Ziff. 1 hat die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat eingewendet, dass im streitgegenständlichen Zeitraum der Vertragsdurchführung der Ausbildungszweck und nicht die entgeltliche Gegenleistung im Vordergrund gestanden habe. Nach Abschluss ihres Studiums hätten der Klägerin sämtliche Kenntnisse in den wichtigsten Bereichen des Verlagswesens gefehlt, die - zumindest oberflächlich - gerade im Rahmen von Berufspraktika vermittelt würden. Man habe der Klägerin in interessanten Projekten eine Einführung in das gesamte Gebiet der Abteilung gegeben, in der sie tätig war. Die Höhe der Vergütung sei für Praktika nicht unüblich und habe der Hinzuverdienstgrenze im Rahmen des Leistungsbezuges nach dem SGB II entsprochen. Die Forderung der Klägerin sei verwirkt, da sie fünf Monate nach Beendigung des Praktikums erst geklagt habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im überwiegenden Umfang stattgegeben und der Klägerin eine Vergütung in Höhe von 7.090,65 EUR brutto zugesprochen. Im übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin sei - unbeschadet der Bezeichnung im Vertrag - als Arbeitnehmerin und nicht als Praktikantin tätig gewesen. Ihre Arbeitsleistung habe im Vordergrund gestanden und nicht die Vermittlung bestimmter Kenntnisse und Fertigkeiten, da sie im gesamten Zeitraum ausschließlich der Abteilung GKT zugewiesen gewesen sei. Die sonstigen, bei der Beklagten im Verlagswesen zu vermittelnden vielfältigen fachspezifischen Aufgaben hingegen seien nicht Inhalt des Vertragsverhältnisses gewesen. Die im Praktikantenvertrag getroffene Vergütungsregelung erfülle den Tatbestand des Lohnwuchers im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB und sei deshalb nichtig: Bei der geschuldeten Arbeitszeit von 152,25 Stunden betrage der Stundenlohn 2,46 EUR brutto. Der Lohnwucher führe zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, die aber nicht zurückwirke - der Wucherlohn sei durch die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB zu ersetzen. Dabei sei von dem Maßstab auszugehen, nach dem die Beklagte die stundenweise zugebuchten Kräfte bei Abendveranstaltungen, etwa Hostessen, bezahle, da die Tätigkeit der Klägerin als zumindest gleichwertig anzusehen sei. Es sei daher ein Stundensatz von 10,00 EUR brutto anzusetzen. Damit stehe der Klägerin für die 35-Stunden-Woche eine Vergütung von 1.522,50 EUR brutto monatlich zu; auf den Gesamtbetrag von 9.135,00 EUR müsse sie sich bereits ausbezahlte 2.044,35 EUR brutto anrechnen lassen. Die Rückabwicklung hinsichtlich der bezogenen Leistungen nach dem SGB II finde zwischen dem Grundsicherungsträger und der Klägerin statt und sei nicht in Abzug zu bringen. Die Forderung sei auch nicht verwirkt, da weder für die Verwirklichung des Zeit- noch des Umstandsmoments Anhaltspunkte ersichtlich seien. Zur Erteilung des Zeugnisses hat das Arbeitsgericht die Beklagte durch Anerkenntnisurteil verpflichtet.

Gegen dieses Urteil vom 22.03.2007, der Beklagten zugestellt am 19.06.2007, richtet sich ihre am 19.06.2007 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 17.09.2006 ausgeführte Berufung.

Die Beklagte hat gerügt, das Arbeitsgericht habe den zu den von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten geleisteten, weitgehend unstreitigen Sachvortrag einseitig und ohne hinreichenden Praxisbezug bewertet. Die Klägerin habe ohne jede konzeptionelle und finanzielle Verantwortung gearbeitet und ausschließlich unter der fachlichen Anleitung des jeweils Projektverantwortlichen, die/der die Arbeitsergebnisse geprüft, bewertet, den umsetzbaren Teil herausgefiltert, sodann vervollständigt und umgesetzt habe. Das vom Arbeitsgericht monierte Fehlen eines Praktikumsplanes sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unschädlich, ein Praktikum sei gerade nicht durch systematische Berufsausbildung gekennzeichnet. Die Beschränkung auf einen Unternehmensteil sei vielmehr Usus und die Klägerin sei dennoch nicht - wie ein normaler Arbeitnehmer im ersten Beschäftigungsjahr - nur in einem eng eingegrenzten Bereich beschäftigt worden. Das Arbeitsgericht habe fälschlich der Beklagten die Beweislast für den im Vordergrund stehenden Ausbildungszweck auferlegt und nicht der Klägerin für den Schwerpunkt als Arbeitsverhältnis. Die fehlende fachliche Eignung der Klägerin für eine Tätigkeit als Projektleiterin sei stets substantiiert bestritten worden. Das Arbeitsgericht habe bei seinen Bewertungen auch nicht dem Umstand Rechnung getragen, dass es zwischenzeitlich üblich sei, an Examina ein Praktikum anzuschließen, zu einem hohen Prozentsatz sogar ohne jede Bezahlung. Die Bewerbungschancen erhöhten sich dadurch erheblich, insbesondere bei einem fachfremden Praktikum, wie es vorliegend der Fall gewesen sei. Die Annahme der Sittenwidrigkeit der Vergütungsabrede sei unzutreffend, da entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts keine Zwangslage der Klägerin vorgelegen habe.

Die Beklagte beantragt:

Unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.2007, 35 Ca 9620/06, wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin hat das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen verteidigt und auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen. Auf die mangelnde Entscheidungsbefugnis der Klägerin komme es nicht an, da deren Vorhandensein nicht das Arbeitsverhältnis von einem Praktikum abgrenze und unabhängig davon keine Ausbildung, sondern die praktisch zu leistende Arbeit einer Sachbearbeiterin/Sekretärin eindeutig im Vordergrund gestanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des sonstigen Vorbringens der Parteien wird gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 08.02.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A

Die gem. § 64 Abs. 2b ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im übrigen zulässig (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO). Soweit das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hat, ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen.

B

Die Berufung kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Klägerin im Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 bei der Beklagten als Arbeitnehmerin tätig war und nicht als Praktikantin und dass die vereinbarte und geleistete Vergütung von 375,00 EUR brutto monatlich lohnwucherisch und die Abrede damit nichtig ist. Die durch das Arbeitsgericht im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB ermittelte übliche Vergütung von 1.522,50 EUR brutto steht der Klägerin auch nach Auffassung des Berufungsgerichts zu.

I.

Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Klägerin entgegen der Bezeichnung in der schriftlichen Vertragsurkunde vom 25.11.2005 nicht als Praktikantin, sondern als Arbeitnehmerin zu qualifizieren ist.

1. In richtiger Anwendung der Grundsätze höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses einerseits und eines Praktikantenverhältnisses andererseits, von deren erneuter Darstellung hier zur Vermeidung von Wiederholungen abgesehen wird, hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klägerin in Vollzeit ausschließlich in einer Abteilung der Beklagten weisungsabhängig tätig war, mit Aufgaben im Rahmen der Organisation von Veranstaltungen betraut wurde, damit für den Betrieb notwendige Arbeit geleistet und eine ansonsten erforderliche Arbeitskraft ersetzt hat.

2. Entgegen den Angriffen der Berufung spricht nicht gegen die Arbeitnehmereigenschaft, dass die Klägerin keine konzeptionelle und finanzielle Verantwortung trug und dass sie spezifische Fachkenntnisse nicht besaß, die sie zur Projektverantwortlichen befähigten. Entscheidend ist vielmehr, dass die in der Tätigkeitsbeschreibung Anlage BK 1 (Bl. 44 der Akte 2. Instanz) aufgelisteten Aufgaben durchgeführt wurden, dass deren Abarbeitung den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses bildete und dass nicht der Ausbildungszweck im Vordergrund stand, dessen nur nebensächlicher Ausfluss die erzielten praktischen Arbeitsergebnisse waren.

a) Die Parteien wollten nach übereinstimmender Darstellung im Termin der Berufungsverhandlung von vornherein ausschließlich den Einsatz der Klägerin in der Abteilung GKT. Sämtliche von der Beklagten aufgezählten Bereiche ihres Verlages, etwa in Redaktion, Lektorat und Vertrieb, also die verlagsspezifischen Aufgaben und Tätigkeiten sollte die Klägerin überhaupt nicht kennenlernen, das Vertragsverhältnis war von Anfang an beschränkt auf die Abteilung GKT und damit fest umrissen und wesentlich eingeschränkter als dies bei Durchlaufen sämtlicher Bereiche des Betriebes oder zumindest mehrerer Abteilungen der Fall wäre. Wie die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, lag der Grund hierfür in ihren Erfahrungen mit der Organisation von Veranstaltungen im Bereich der Fachhochschule und in der Thematik ihrer Diplomarbeit, die nicht in einem Entwurf bestanden hatte, sondern sich mit Kommunikation im Bauwesen befasst. Das Verlagswesen an sich war hingegen für die Klägerin völlig fachfremd, sollte ihr aber auch nach dem Willen beider Parteien gar nicht nähergebracht werden.

Zwar trifft es zu, dass das Bundesarbeitsgericht für ein Praktikantenverhältnis keine systematische Berufsausbildung verlangt, es muss aber der Ausbildungszweck im Vordergrund stehen (BAG, Urteil vom 13.03.2003, 6 AZR 564/01, Rn. 35 - Juris). Dies wiederum bedeutet, dass bei einer Gegenüberstellung der Anteile "Ausbildungszweck" und "für den Betrieb erbrachte Leistungen und Arbeitsergebnisse" das Erlernen praktischer Kenntnisse und Erfahrungen deutlich überwiegen muss. Zwar mag es, wie die Beklagte in der Berufungsbegründung unter 2.2 ausführt, so sein, dass Praktika häufig nur auf einen Unternehmensteil beschränkt werden und Praktikanten üblicherweise nicht in den Genuss kommen, in jeder Abteilung eingelernt zu werden. Allerdings liegt bei einem Durchlaufen sämtlicher Abteilungen eines unter Umständen größeren oder zumindest vielschichtigen Betriebes der Schwerpunkt zweifelsfrei auf dem Ausbildungszweck - selbst wenn in einzelnen Abteilungen (auch) verwertbare Arbeitsergebnisse produziert werden. Denn je breiter das Spektrum vermittelter Einblicke in Arbeitsabläufe, in betriebsorganisatorische Zusammenhänge ist und je mehr Ansprechpartner es gibt, die für ihren Bereich Kenntnisse vermitteln und ihre Praxiserfahrung weitergeben, desto klarer lässt sich der Ausbildungszweck erkennen. Vorliegend tritt der Ausbildungszweck demgegenüber deutlich in den Hintergrund, weil die Klägerin bei einer Praktikumsdauer von sechs Monaten zwei Ansprechpartner hatte, die beide Projektleiter waren und denen die Klägerin in der Durchführung der durchaus vielgestaltigen Projekte zugearbeitet hat.

aa) Die Klägerin hat über einen Zeitraum von sechs Monaten eine einzige Abteilung kennengelernt, in der Veranstaltungen geplant und ausgerichtet werden. Sie hat zwar an den verschiedenen Projekten (A.preis F., Roadshow, Workshop in S., etc.) mitgewirkt, aber die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass jeweils umfassend zunächst eine Vermittlung praktisch notwendigen Wissens stattgefunden hätte, das danach erst angewendet werden konnte. Dass die Klägerin eingewiesen, angeleitet, kontrolliert wurde, dass ihre Arbeitsergebnisse auf ihre Richtigkeit oder Vollständigkeit hin überprüft wurden, liegt in der Natur der Sache sowohl bei einem Berufsanfänger als auch bei einem neu eingestellten (erfahreneren) Arbeitnehmer. Unbekannt ist zu Beginn einer Zusammenarbeit stets, inwieweit vorhandene Fähigkeiten und gestellte Erwartungen und Anforderungen sich decken.

bb) Die Beklagte hat nicht in einem überwiegenden zeitlichen Umfang der Klägerin praktisches Wissen, spezifische, nur in der Praxis erfahrbare Zusammenhänge vermittelt, sondern hat die von der Klägerin in ihrem Studium bereits erworbenen Grundlagen verwertet. Dass die Projektleiter, denen die Klägerin zugearbeitet hat, die Einweisung und die Kontrolle der Praktikantin als zeitaufwendig empfunden habe mögen, reicht ebenfalls nicht aus, dies als Ausbildung im weitesten Sinne zu qualifizieren. Gleichermaßen wäre diese Belastung auch in einem Probearbeitsverhältnis gegeben - dessen Dauer üblicherweise auch sechs Monate beträgt.

b) Auch die fehlende Projektverantwortung der Klägerin in konzeptioneller und finanzieller Hinsicht ändert hieran nichts - Verantwortungszuwachs und Steigerung der Aufgabenkomplexität sind typische Kennzeichen einer Fortentwicklung in einem Arbeitsverhältnis. Die Beklagte hat der Klägerin nach sechs Monaten die Stelle einer Projektleiterin (also mit Entscheidungsvollmacht) angeboten, was durchaus üblich ist nach positivem Verlauf einer Probezeit. Dass, wie die Beklagte in ihrem Berufungsvorbringen betont, die fachliche Eignung hierfür zu Beginn der Vertragsbeziehung nicht vorlag, zeigt eine gute Einarbeitung der Klägerin in die Materie, wie ihr aber die anfangs fehlende Eignung betreffend die künftig zu tragende Verantwortung beigebracht worden sein sollte und dass eben diese Ausbildung den Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses bildete, konnte die Kammer nicht erkennen.

3. Zu Unrecht hat die Beklagte beanstandet, dass das Arbeitsgericht die Beweislast unzutreffend festgelegt habe. In der schriftlichen Vereinbarung der Parteien sind keinerlei den Ausbildungszweck charakterisierende Regelungen festgehalten, wohl aber solche, die üblicherweise ein Arbeitsverhältnis kennzeichnen, nämlich die regelmäßige betriebliche tägliche Arbeitszeit und die Übertragung allgemeiner Aufgaben aus dem Bereich der Beklagten. Der ergänzend hier heranzuziehende Tätigkeitsnachweis (Anlage BK 1, Bl. 44 der Akte 2. Instanz) enthält die Bestätigung der Durchführung allgemein üblicher Aufgaben einer Sachbearbeiterin oder einer Sekretärin. Diese Arbeiten hätten bei Nichtbeschäftigung eines Praktikanten von einer anderen Person erledigt werden müssen, da sie notwendig waren und sie hätten auch erhebliche Kapazitäten gebunden, da die Klägerin vollzeitig damit befasst war. Es hätte angesichts dessen auch in der hier vorliegenden Fallkonstellation der Beklagten oblegen, den Anteil an Ausbildung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht zu schildern und in Beziehung zu setzen zu dem zeitlichen Umfang praktischer Arbeit. Nur damit wäre die üblicherweise notwendige Einweisung in die zu leistenden Tätigkeiten von einem im Vordergrund stehenden Ausbildungszweck zu unterscheiden gewesen. Immerhin handelt es sich hier um einen Zeitraum von sechs Monaten, in dem auch eine Verfestigung und Verstetigung einmal erworbener Kenntnisse eintritt, die umgehend der Tätigkeit selbst wieder zugute kommen. Insoweit bedeutet der eingeschränkte Einsatzrahmen für den Betrieb einen wesentlich höheren Ertrag aus den zu Beginn der Zusammenarbeit dort erlernten Abläufen, die dann letztlich ähnlich bleiben. Bei kürzerer Verweildauer eines Praktikanten in einzelnen Unternehmensbereichen hingegen ist ein solcher Ertrag entweder geringer oder gar nicht vorhanden.

So hat die Beklagte lediglich ausgeführt, die Projektverantwortlichen hätten den "umsetzbaren Anteil" aus der geleisteten Tätigkeit der Klägerin herausgefiltert, vervollständigt und in die Umsetzung gebracht. Diese pauschale Behauptung erlaubt keinerlei Rückschluss auf den diesbezüglichen Umfang und ist auch ohne konkrete Nennung von Beispielen nicht einlassungsfähig für die Klägerin gewesen.

Gerade das Vertrautwerden mit den betrieblichen Abläufen und den Anforderungen, die an die Klägerin im Rahmen ihrer Zuarbeit für die Projektleiter gestellt wurden, sind vorliegend ein maßgebliches Kriterium, das gegen einen im Vordergrund stehenden Ausbildungszweck und für ein Arbeitsverhältnis spricht.

II.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der monatlichen Vergütung von 375,00 EUR brutto um Lohnwucher im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB handelt, die Vergütungsregelung deshalb nichtig ist und an ihre Stelle die übliche Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB zu treten hat.

1. Die Berufung hat lediglich beanstandet, dass das Arbeitsgericht unzutreffend eine Zwangslage der Klägerin und damit ein subjektives Moment angenommen habe, das vorliegend nicht gegeben sei. Da die Klägerin erst wenige Monate Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezogen habe, sei angesichts der Gesamtumstände die Annahme einer Zwangslage nicht gerechtfertigt.

2. Das Arbeitsgericht hat nicht nur den Bezug der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II an sich als die Zwangslage der Klägerin begründend erachtet, sondern insbesondere die von der Klägerin vorgetragene und von der Beklagten nicht bestrittene Bemerkung des Redaktionsleiters D. gegenüber der Klägerin, es finde sich immer wieder jemand, der sich darauf einlasse (vgl. Seite 9 der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts). Deutlicher kann kaum zum Ausdruck gebracht werden, dass der Arbeitgeber, der für sechs Monate über die Fähigkeiten einer diplomierten Fachhochschulabsolventin verfügen kann, die wirtschaftlich schwächere Lage des Vertragspartners zu seinem Vorteil nutzt unter Hinweis auf den Zwang der Verhältnisse. Auch ein Bezugszeitraum von wenigen Monaten von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vermag das Bild eines erfolgreichen akademischen curriculum vitae zu stören. Daher war für die Klägerin wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingender Bedarf gegeben, diesen ihre Erfolgsaussichten auf dem Arbeitsmarkt mindernden Zustand zu beenden. Der Klägerin ist außerdem ein reguläres Arbeitsverhältnis für die Zeit nach dem Praktikum in Aussicht gestellt worden. Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin dieses Angebot letztendlich ausgeschlagen hat und damit das Vorhandensein einer Zwangslage selbst widerlegt hat, wie die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung meint. Dass die Klägerin gegen Ende des Praktikums - aus welchen Gründen auch immer - nicht im Betrieb der Beklagten weiterhin tätig sein wollte, vermag die sechs Monate zuvor bestehende Zwangslage nicht zu entkräften. Im übrigen hatte die Klägerin nunmehr praktische Berufserfahrung vorzuweisen und konnte sich nach Beendigung der Tätigkeit bei der Beklagten auch in der Tat bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt versprechen. Dass dies ein aus einem Praktikantenverhältnis hervorgehender positiver und nützlicher Begleitumstand ist, ändert jedoch nichts an den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zum Tatbestand des Lohnwuchers im übrigen. Diese Ausführungen des Arbeitsgerichts hatte die Berufung nicht angegriffen, so dass die Berufungskammer sich hiermit auch nicht auseinanderzusetzen hatte.

III.

Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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