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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.03.2001
Aktenzeichen: 5 Sa 69/00
Rechtsgebiete: TV, AFG, BGB, TVG, SGB III, SGB X, MTV, UA, BUrlG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

TV § 2
TV § 2.6
TV § 2.6 Abs. 2
TV § 3.2
AFG § 101
AFG § 105a
AFG § 105a Abs. 2
AFG § 105a Abs. 3
BGB § 611
TVG § 1
SGB III § 125
SGB III § 125 Abs. 2
SGB III § 125 Abs. 3
SGB X § 103
MTV § 2.11
MTV § 18.1.2
MTV § 18.1.2 Abs. 2
UA § 2.3
UA § 2.6
UA § 2.9
UA § 3.1
UA § 4.1
UA § 4.5
BUrlG § 7
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 72a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Sa 69/00

verkündet am 16. März 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm und die ehrenamtlichen Richter Fuhry und Rewald auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 06.07.2000 - 3 Ca 445/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie der Berufungsinstanz angefallen ist, zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht für die Jahre 1998 und 1999 weder ein Anspruch auf die Sonderzahlung gemäß § 2 des Tarifvertrages über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (TV Sonderzahlung) noch ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß §2 des Urlaubsabkommens für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (UA) zu.

1. Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung

a) Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin ein Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung für die Jahre 1998 und 1999 nicht zusteht, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 21.08.1997 während der gesamten Kalenderjahre 1998 und 1999 im Sinne von § 2.6 TV Sonderzahlung geruht hat. Nach § 2.6 TV Sonderzahlung erhält ein Arbeitnehmer keine Leistung, der zwar - wie die Klägerin - die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und daher an sich anspruchsberechtigt ist, wenn sein Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin, welches rechtlich nicht beendet ist, ruht kraft Vereinbarung, wie das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat.

b) Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führen zwar weder langandauernde Erkrankung noch die Bewilligung von Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bereits als solche zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses, vielmehr bedarf es dazu einer Vereinbarung der Parteien über die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung desselben. Eine solche zumindest stillschweigend erfolgte Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ist aber immer dann mangels im Einzelfall entgegenstehender Anhaltspunkte zu vermuten, wenn ein Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit auf seinen Antrag hin nach Ausmusterung durch die Krankenkasse Arbeitslosengeld nach den §§ 105a, 101 AFG bezieht und der Arbeitgeber als Voraussetzung hierfür seine Verfügungsgewalt über den Arbeitnehmer und dessen Arbeitskraft nicht mehr beansprucht (vgl. BAG AP Nr.168, 181 zu § 611 BGB Gratifikation; AP Nrn. 92, 133 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; AP Nr. 3 zu §1 TVG Tarifverträge: Bergbau), wie dies nach den zutreffenden Feststellungen des Arbeitsgerichts unter 2. b) der Gründe, auf die verwiesen wird, im Streitfall seit dem 21.08.1997 der Fall ist.

c) Der Einwand der Klägerin, der Annahme einer Ruhensvereinbarung stehe vorliegend entgegen, dass in der Zeit nach dem 21.08.1997 in Wirklichkeit weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestanden und das Arbeitsamt infolge Bewilligung von Übergangsgeld und sodann einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit praktisch keine Leistungen erbracht habe, verkennt die gesetzliche Konzeption des § 105a AFG (nunmehr § 125 SGB III). Denn nach dieser Vorschrift ist es für den Bezug von Arbeitslosengeld ohne Bedeutung, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht. Vielmehr soll durch das nach § 105a AFG gewährte Arbeitslosengeld gerade die Zeit bis zur Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen oder einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit überbrückt werden, weshalb gemäß § 105a Abs. 2 AFG (§ 125 Abs. 2 SGB III) der Anspruch auf das Arbeitslosengeld ruht, wenn der Arbeitslose nicht binnen einen Monats einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation stellt, und gemäß § 105a Abs. 3 AFG (§ 125 Abs. 3 SGB III) der Bundesanstalt für Arbeit ein Erstattungsanspruch entsprechend § 103 SGB X zusteht, wenn dem Arbeitslosen von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Maßnahme zur Rehabilitation Übergangsgeld oder aber eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zuerkannt wird. Gerade weil im Falle des § 105a AFG (§ 125 SGB III) Arbeitslosengeld nicht deshalb beantragt wird, um die Zeit bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit, sondern um die Zeit bis zur Bewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zu überbrücken, gehen die Arbeitsvertragsparteien daher dabei auch in der Regel davon aus, dass das gleichwohl rechtlich an sich fortbestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich nur noch formaler Natur ist und zumindest von diesem Zeitpunkt an eine Wiederbelebung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Frage kommen wird, was zum einen die Vermutung einer zumindest stillschweigenden Ruhensvereinbarung begründet und zum anderen erhellt, dass auf den Bestand der Ruhensvereinbarung die Bewilligung von Übergangsgeld oder Rente ohne jeden Einfluss ist. Vielmehr bedarf es zu deren Beseitigung einer dahingehenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, auf deren Abschluss ein Rechtsanspruch nicht besteht (vgl. BAG AP Nr. 133 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; AP Nr. 23 zu § 15 BErzGG). Für eine solche, die Ruhensvereinbarung aufhebende Vereinbarung ist im Streitfall aber weder etwas dargetan noch ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dieser daher für die Jahre 1998 und 1999 auch im Hinblick darauf, dass die Bundesanstalt für Arbeit für diese Jahre im Endeffekt keine oder lediglich zeitweise Leistungen erbracht hat, die tarifliche Sonderzahlung weder ganz noch anteilig zu.

d) Aus der entsprechenden Anwendung des § 2.6 Abs. 2 TV Sonderzahlung kann die Klägerin entgegen ihrer Ansicht weder für das Jahr 1998 noch für das Jahr 1999 einen Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung herleiten. Auch wenn man die durch die Beantragung von Arbeitslosengeld durch die Klägerin und den durch die Ausstellung der AFG-Bescheinigung von der Beklagten erklärten Verzicht auf die Verfügungsmacht über die Arbeitsleistung der Klägerin zumindest konkludent zu Stande gekommene Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses dem Ausscheiden aus dem Beruf wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2.6 Abs. 2 TV Sonderzahlung gleichstellt (vgl. dazu BAG AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bergbau), würde hieraus ein Anspruch auf die - volle - Sonderzahlung nur für das Jahr 1997 folgen. Denn von einem Ausscheiden aufgrund Ruhensvereinbarung wäre bereits seit dem 21.08.1997 auszugehen.

e) Zu Unrecht wendet sich die Klägerin schließlich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass ein etwaiger Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 1998 im Übrigen auch gemäß § 18.1.2 des Manteltarifvertrages für Beschäftigte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV) verfallen wäre, da die Klägerin den Anspruch erstmals mit Schreiben vom 16.09.1999 (Bl. 12 d. Akten 1. Instanz) gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. Ihre Auffassung, dass die Fälligkeit des Anspruchs auf die tarifliche Sonderzahlung dessen vorherige Abrechnung durch den Arbeitgeber voraussetze, findet im TV Sonderzahlung keine Stütze. Vielmehr tritt Fälligkeit des Anspruchs mangels einer anderweitigen Regelung durch Betriebsvereinbarung gemäß § 3.2 TV Sonderzahlung am 01.12. eines Jahres ein, so dass die Klägerin den Anspruch für das Jahr 1998 spätestens am 01.06.1999 gegenüber der Beklagten hätte geltend machen müssen. Dass sie hieran durch unverschuldete Umstände gehindert war (§ 18.1.2 Abs. 2 MTV), hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren bereits nicht schlüssig dargetan.

f) Das Arbeitsgericht hat daher die auf Zahlung einer Sonderzahlung in Höhe von jeweils 1.579,50 DM brutto für die Jahre 1998 und 1999 gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

2. Anspruch auf Urlaubsabgeltung

a) Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend angenommen, dass der Klägerin gemäß § 2.3 UA kein Anspruch auf Abgeltung ihres Urlaubsanspruchs für die Jahre 1998 und 1999 zusteht. Dabei kann aufgrund des von ihr im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Gutachtens vom 10.09.1998 (Bl. 77-97 d. Akten) zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sie aufgrund ihrer Bluthochdruckkrankheit und ihres Übergewichts im gesamten Anspruchszeitraum nicht nur erwerbsunfähig, sondern auch arbeitsunfähig, also nicht in der Lage war, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in der Stanzerei der Beklagten unter Schicht- und Akkordbedingungen zu verrichten. Denn der geltend gemachte Abgeltungsanspruch steht der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den vorstehenden Ausführungen unter 1. der Gründe seit dem 21.08.1997 und damit während des gesamten maßgeblichen Zeitraums geruht hat.

b) Zwar führt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses gemäß § 2.9 UA nicht zu einem völligen Wegfall des Urlaubsanspruchs, sondern lediglich zu einer Verringerung des Urlaubsanspruchs um 1/12 des Jahresurlaubs für jeden weiteren vollen Monat, wenn das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes oder Vereinbarung zusammenhängend über drei Monate ruht, so dass die Klägerin in den Jahren 1998 und 1999 jeweils einen Urlaubsanspruch in Höhe von 3/12 des vollen Jahresurlaubs von 30 Arbeitstagen (§ 3.1 UA), also in Höhe von jeweils 8 Arbeitstagen (§ 2.6 UA) erworben hat. Dieser Anspruch ist aber gemäß § 2.11 MTV jeweils zum 31.03. des Folgejahres erloschen, da er infolge des fortbestehenden Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht bis zu diesem Zeitpunkt unter Befreiung von der Arbeitspflicht gewährt und genommen und auch nicht im Sinne dieser Tarifnorm erfolglos geltend gemacht werden konnte. Denn die Vereinbarung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses beinhaltet gerade die Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Folge, dass der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistung - hier der Arbeitsleistung - nicht mehr verlangen und durchsetzen kann.

c) Die Vorschrift des § 2.3 UA führt zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Nach dieser Vorschrift ist der Urlaub im fortbestehenden Arbeitsverhältnis abzugelten, wenn die Gewährung von Urlaub infolge längerer Krankheit nicht möglich ist (vgl. BAG AP Nrn. 12, 26, 47, 61, 64 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Auch wenn die Klägerin bis zum 31.03.1999 und 31.03.2000 jeweils arbeitsunfähig krank war, beruht die Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung bis jeweils zum 31.03. des Folgejahres aber nicht erst auf diesem Umstand, sondern bereits darauf, dass die Klägerin aufgrund der Ruhensvereinbarung überhaupt keine Arbeitspflicht mehr traf, von der sie einerseits zwecks Urlaubsgewährung hätte befreit und was andererseits infolge Krankheit hätte unmöglich werden können, wie dies § 2.3 UA ersichtlich voraussetzt.

d) Da das zusätzliche Urlaubsgeld nach § 4.1 UA Bestandteil der gemäß § 4.5 UA grundsätzlich vor Antritt des Urlaubs zu zahlenden Urlaubsvergütung ist, hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen also nicht zwischen dem Urlaubsentgelt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld differenziert wird, ist der in Höhe von jeweils 5.964,75 DM brutto für die Jahre 1998 und 1999 geltend gemachte Abgeltungsanspruch folglich jeweils im vollen Umfange unbegründet.

3. Dies hat die Zurückweisung der Berufung der Klägerin mit der auf § 97 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenentscheidung zur Folge.

4. Eine Veranlassung zur Zulassung der Revision bestand mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

Ende der Entscheidung

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