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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 5 Sa 71/07
Rechtsgebiete: TVG, MTV, ArbGG, ZPO, BGB
Vorschriften:
TVG § 3 Abs. 3 | |
TVG § 4 Abs. 5 | |
MTV § 15 | |
MTV § 15 Ziff. 3 | |
ArbGG § 64 Abs. 2b | |
ArbGG § 64 Abs. 6 | |
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2 | |
BGB § 133 | |
BGB § 147 | |
BGB § 157 |
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11.07.2007 - Aktenzeichen 24 Ca 2027/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um tarifliche Jahresleistung für 2006, die Entfernung einer Abmahnung und den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit.
Der Kläger ist seit dem 05.05.1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als K. tätig. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt 2.400,00 EUR.
Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 06.05.1986, in dem unter anderem folgendes geregelt ist:
§ 4
Es gelten der zwischen dem Bundesverband Druck e. V. einerseits und der Industriegewerkschaft Druck und Papier andererseits für die Druckindustrie jeweils vereinbarte Manteltarifvertrag und das jeweils vereinbarte Lohnabkommen. § 12
Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
Der Kläger war vor 20 Jahren Gewerkschaftsmitglied, danach jedoch nicht mehr. Die Beklagte, die ca. 50 Arbeitnehmer beschäftigt und keinen Betriebsrat hat, war ursprünglich Mitglied in der Vereinigung der grafischen Betriebe in Württemberg und Baden und anschließend in den Folgearbeitgeberverbänden Verband der Druckindustrie in Baden-Württemberg und Verband Druck und Medien in Baden-Württemberg.
Seit 22.07.2004 besteht für die Beklagte nur noch eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (vgl. hierzu Bl. 34 der Akte 1. Instanz). Am 22.07.2004 galten der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 06.02.1997 und das Lohnabkommen für die Druckindustrie vom 25.06.2003. Der Manteltarifvertrag vom 06.02.1997 enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 3 Arbeitszeit 1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 35 Stunden....
§ 5 Überstunden 1. Überstunden sind solche Arbeitsstunden, die über die nach § 3 vereinbarte tägliche Arbeitszeit hinausgehen.... 3. Überstunden können in Geld oder Freizeit abgegolten werden.
§ 9 Jahresleistung
1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden erhalten eine tarifliche Jahresleistung von 95 % des jeweiligen zum Fälligkeitszeitpunkt gültigen monatlichen Tariflohnes (tariflicher Stundenlohn x 152; neue Bundesländer: x 165) bzw. der tariflichen monatlichen Ausbildungsvergütung....
7. Die Auszahlung der Jahresleistung ist spätestens zum 31.12. eines jeden Jahres fällig. Der Auszahlungszeitpunkt wird im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt. Frühere Auszahlungen gelten als Vorschuss.
§ 15 Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Ansprüche 1. Ansprüche aus dem Manteltarifvertrag und den Lohntarifverträgen sind wie folgt geltend zu machen: a) ... b) Sonstige tarifliche Geldansprüche innerhalb von 8 Wochen nach dem Zeitpunkt, an dem sie hätten erfüllt werden müssen. 2. Eine Geltendmachung nach dem Ablauf der unter Ziff. 1 festgesetzten Fristen ist ausgeschlossen. 3. Ist ein tariflicher Anspruch rechtzeitig geltend gemacht und lehnt der andere Teil seine Erfüllung ab, muss der Anspruch innerhalb von 12 Wochen seit der ausdrücklichen Ablehnung rechtshängig gemacht werden. Eine spätere Klageerhebung ist ausgeschlossen.
Wegen des gesamten Inhalts des Manteltarifvertrages wird auf Bl. 105 bis 147, wegen des Lohnabkommens für die Druckindustrie wird auf Bl. 148 und 149 der Akten 1. Instanz Bezug genommen.
Nach dem 22.07.2004 wurden folgende neue Tarifverträge abgeschlossen: Der Manteltarifvertrag vom 15.07.2005 zwischen dem Bundesverband Druck und Medien und ver.di sowie die Lohnabkommen vom 15.07.2005 und vom 01.04.2006.
Entgegen der ab dem 01.04.1995 tariflich eingeführten 35-Stunden-Woche galt im Betrieb der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auch nach diesem Zeitpunkt die 37-Stunden-Woche: Sämtliche Arbeitnehmer einschließlich des Klägers hatten sich mit der Arbeitgeberin darauf geeinigt, dass es bei der 37-Stunden-Woche bleibe gegen Vorziehen einer Lohnerhöhung (vgl. hierzu Bl. 193 und 194 der Akten 1. Instanz). Auch nach dem 01.04.1995 betrug die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 37 Stunden und die Bezahlung setzte sich jeweils aus dem Stundenlohn nach Tarifgruppe 5 und einer übertariflichen Zulage zusammen.
Am 10.10.2003 fand im Betrieb der Beklagten eine Betriebsversammlung statt, an der der Kläger wegen beruflicher Verpflichtungen nicht teilnehmen konnte. In dem Protokoll dieser Betriebsversammlung vom 17.10.2003, welches den Arbeitnehmern bekanntgegeben wurde, heißt es unter anderem:
Es wurde dieses Jahr die Firma in eine AG umgewandelt, um die Zukunft der Firma nach innen wie nach außen abzusichern....Trotz der konjunkturell schlechten Wirtschaftslage hat die Firma Chancen weiterzubestehen. Drei Verlustjahre werden von R. M. abgedeckt, das heißt 2002 war ein Verlustjahr, so dass zwei weitere Jahre anstehen.
Das Paket für die nächsten zwei Jahre sieht wie folgt aus:
- Die tarifliche Jahresleistung 2003 wird 30 % des Tarifs betragen.
- Ab 01.01.2004 wird die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich eingeführt.
- Das Urlaubsgeld und die tarifliche Jahresleistung für 2004 und 2005 werden mit je 15 % vom Tarif garantiert. Sollte in 2004 und 2005 ein entsprechender Gewinn erzielt werden, so wird die tarifliche Jahresleitung anteilig nachbezahlt.
Dafür garantiert Herr M. bis Ende 2005 alle Risiken zu übernehmen, sofern keine dramatischen anderen Einbrüche bzw. Einschnitte anfallen.
Das Jahr 2004 wird schwierig werden. Die Chancen bis Ende 2005 sind groß, dass das Geschäft auf Jahre hinaus weiterlaufen kann.
Wegen des gesamten Inhalts des Protokolls wird auf Bl. 35 der Akten 1. Instanz verwiesen.
Ende 2003 erhielt der Kläger eine reduzierte Jahresleistung in Höhe von 900,00 EUR (Schreiben vom November 2003, Bl. 150 der Akten 1. Instanz). Im Januar 2004, mit der ersten Lohnabrechnung im Kalenderjahr 2004, erhielt der Kläger - wie alle Mitarbeiter - folgendes Schreiben:
...Bei der Betriebsversammlung am 10.10.2003 wurde besprochen, dass ab 01.01.2004 wieder die 40-Stunden-Woche eingeführt werden muss. Mit diesem Schreiben erhalten Sie nunmehr die erste Lohnabrechnung.
Folgendes ist hierzu noch zu sagen:
Der Stundenlohn bleibt gleich und wird nicht umgerechnet. Die Differenz zwischen den wöchentlich gemachten 37 Stunden und den nunmehr anfallenden 40 Stunden wird anteilmäßig hochgerechnet und beim letzten Arbeitstag als Minusstunden abgezogen. Anfallende Überstunden werden Ihnen ab der 41. Stunde mit dem Stundenlohn der 37-Stunden-Woche bezahlt. Außerdem möchten wir noch festhalten, dass für dieses Jahr jeweils 15 % Urlaubsgeld und 15 % der tariflichen Jahresleistung zur Auszahlung garantiert werden. Diese Maßnahmen sind für Sie zweifelsohne sehr harte Einschnitte. Leider zwingt uns aber das wirtschaftliche Umfeld diese Maßnahmen zu ergreifen, die letztlich einfach dringend notwendig sind, um die Arbeitsplätze erhalten zu können....
Wegen des gesamten Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 36 der Akten 1. Instanz verwiesen.
Seit Beginn des Jahres 2004 wurde dementsprechend verfahren, ohne dass der Kläger widersprochen hat. Bei den Abrechnungen der Beklagten wurden jeweils von den vom Kläger geleisteten 40 Stunden pro Woche im Durchschnitt drei Stunden wöchentlich abgezogen, die nicht vergütet wurden. Der Kläger erhielt seinen Lohn nach der Lohngruppe 5 des Lohnabkommens für die Druckindustrie, der Ende des Jahres 2004 14,97 EUR pro Stunde betrug (vgl. Bl. 149 der Akten 1. Instanz). Mit der Abrechnung November 2004 erhielt der Kläger eine reduzierte Jahresleistung in Höhe von 350,00 EUR (Brief November 2004, Bl. 151 der Akten 1. Instanz).
In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren (24 Ca 1328/06, Arbeitsgericht Stuttgart), in dem unter anderem auch die Differenz des Weihnachtsgeldes für 2005 eingeklagt wurde, haben sich die Parteien am 01.03.2006 dahingehend verglichen, dass dem Kläger über das bereits bezahlte Weihnachtsgeld für das Jahr 2005 kein darüber hinausgehender Anspruch auf Weihnachtsgeld zusteht (Ziff. 3 des Vergleiches vom 01.03.2006 in 24 Ca 1328/06).
Mit anwaltlichen Schreiben vom 29.11.2006 (Bl. 11 und 12 der Akten 1. Instanz) verlangte der Kläger unter anderem die Einhaltung der 37-Stunden-Woche oder aber Vergütung bzw. Abgeltung in Freizeit für die darüber hinaus wöchentlich geleisteten drei Stunden, da eine stillschweigende Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden nicht ohne Lohnausgleich erfolgen könne. Der Kläger verlangt im übrigen in diesem Schreiben für die Zeit ab 01.12.2006 die Abgeltung der von ihm geleisteten Überstunden nach den tariflichen Regelungen. Ausweislich der Abrechnung vom November 2006 wurde dem Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 330,00 EUR bezahlt (vgl. Bl. 13 der Akten 1. Instanz). Mit Schreiben vom 11.12.2006, dem Prozessbevollmächtigen des Klägers zugegangen am 13.12.2006, lehnte die Beklagte alle Ansprüche des Klägers ab.
Daraufhin verlangte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 15.12.2006 die Auszahlung des Differenzbetrages zwischen 330,00 EUR zum tariflichen Weihnachtsgeld in Höhe von aufgerundet 1.870,00 EUR unter Fristsetzung bis zum Monatsende Dezember 2006. Die Beklagte zahlte nicht.
Ab dem 11.12.2006 trug der Kläger in seine Tagesrapporte eine tägliche Grundarbeitszeit (Normalstunden) von 7,5 Stunden ein (vgl. Muster Bl. 215 der Akten 1. Instanz). Nach zunächst schriftlicher Aufforderung der Beklagten, dies abzustellen, die der Kläger nicht befolgte, erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22.12.2006 eine Abmahnung folgenden Inhalts:
Sie verstoßen gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Seit dem 11.12.2006 füllen Sie ihre Tageszettel falsch aus. Statt die tägliche Grundarbeitszeit von 8 Stunden einzutragen, vermerken Sie dort 7,5 Stunden. Das entspricht nicht der arbeitsvertraglichen Grundlage. Sie werden aufgefordert, in Zukunft ihre Tageszettel wie bisher auszufüllen, nämlich mit einer Grundarbeitszeit von 8 Stunden. Dadurch, dass Sie falsche Tageszettel einreichen, bereiten Sie uns mehr Arbeit bei der Tageszettelerfassung. Falls Sie weiterhin falsche Tageszettel abliefern, müssen Sie mit der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.
Mit seiner am 02.03.2007 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Klage verlangte der Kläger für 2006 die tarifliche Jahresleistung, begehrte Entfernung der Abmahnung vom 22.12.2006 aus der Personalakte und die Feststellung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden.
Der Kläger hat geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf tarifliche Jahresleistung aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung und der Bezugnahmeklausel in § 4 seines Arbeitsvertrages i. V. m. § 9 des Manteltarifvertrages zwischen dem Verband Druck und Medien und ver.di vom 06.11.1997. Es handele sich um eine Gleichstellungsabrede und somit seien die tarifvertraglichen Vorschriften maßgebend, welche zum Zeitpunkt des Entfallens der Tarifbindung der Beklagten am 22.07.2004 gegolten hätten. Kraft Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG bestünde der am 22.07.2004 geltende Zustand weiter. Eine einvernehmliche Änderung über die Höhe der Jahresleistung sowie die Wochenstundenzahl von 37 sei nicht erfolgt. Die von der Beklagten in der Betriebsversammlung vom 10.10.2003 mitgeteilten Arbeitsbedingungen seien zum einen nur einseitig festgelegt worden und zum anderen nur befristet gültig gewesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.870,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.01.2007 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 22.12.2006 erteilte Abmahnung aus seiner Personalakte zu entfernen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers auf 37 Stunden beläuft.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Feststellungsantrages bezweifelt und im übrigen die Auffassung vertreten, sämtliche klägerischen Ansprüche seien unbegründet. Die tarifliche Bindung habe mit dem 22.07.2004 ihr Ende gefunden. Ihre tarifvertragliche Bindung durch Nachwirkung sowie ihre Bindung durch eine Gleichstellungsabrede sei jeweils durch Neuabschluss eines Tarifvertrages und neue Regelungen eines Tarifvertragskomplexes nach dem 22.07.2004 komplett entfallen. Nachwirkung bedeute nicht Festschreibung auf den letzten tariflichen Stand vor Austritt, sondern Entfall der tariflichen Regelung wegen Neuregelung (Lohnfaktor "0"). Da weder die 35-Stunden-Woche noch die 37-Stunden-Woche mehr Geltung habe, handele es sich bei den zwischen der 37. und 40. Stunde liegenden Arbeitsstunden nicht um Überstunden. Der Kläger habe durch widerspruchslose Hinnahme der für ihn nachteiligen Veränderungen ab 2004 die von der Beklagten im Oktober 2003/Januar 2004 angebotenen geänderten Bedingungen (40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, 15 % Urlaubsgeld und reduzierte Jahresleistung) akzeptiert. Die Arbeitsbedingungen seien durch konkludentes Verhalten geändert worden. Daher sei die Abmahnung zu Recht erfolgt, denn der Kläger habe vertragswidrig eine zu geringe Stundenzahl in die Tageszettel eingetragen. Der Kläger habe durch Vergleichsabschluss im Verfahren 24 Ca 1328/06 seinen Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld grundsätzlich aufgegeben. Außerdem sei der Anspruch auf tarifliche Jahresleistung aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen, da nicht rechtzeitig geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage bis auf einen geringfügigen Teil des klägerseits aufgerundeten Zahlungsbetrages stattgegeben. Der Feststellungsantrag sei zulässig und ebenso wie der Leistungsantrag und das Verlangen des Klägers nach Entfernung der Abmahnung vom 22.12.2006 begründet. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass es sich bei der vertraglichen Bezugnahmeklausel in § 4 des Arbeitsvertrages um eine Gleichstellungsabrede handele, auf deren Grundlage die zum 22.07.2004 geltenden tariflichen Regelungen weiterhin Geltung hätten. Die nach Beendigung der Tarifgebundenheit der Beklagten eingetretenen Tarifänderungen entfalteten keine Wirksamkeit mehr, die bis zu diesem Zeitpunkt gültigen tariflichen Regelungen seien aufgrund der Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG weiterhin zwischen den Parteien gültig. Eine ausdrückliche einvernehmliche Änderung sei ebenso wenig erfolgt wie eine stillschweigende Zustimmung des Klägers zu den am 10.10.2003 bzw. mit Schreiben vom Januar 2004 mitgeteilten Vertragsänderungen. Im übrigen sei dem Protokoll vom 17.10.2003 klar zu entnehmen, dass alle Veränderungen zeitlich begrenzt auf zwei Jahre, die Kalenderjahre 2004 und 2005, ausgelegt und nicht auf Dauer vorgesehen gewesen seien. Auch ein Schweigen des Klägers zu diesen Maßnahmen hätte ihn also höchstens für die Jahre 2004 und 2005, nicht aber darüber hinaus binden können. Auch der Brief aus dem Monat Januar 2004 betreffe nur die Jahresleistung 2004. Weder seien die Ansprüche durch Ziff. 3 des Prozessvergleiches im Verfahren 24 Ca 1328/06 ausgeschlossen noch habe der Kläger die Ausschlussfrist nach § 15 Ziff. 3 des Manteltarifvertrages nicht eingehalten. Die Abmahnung vom 22.12.2006 sei aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, da sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte. Aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung betrage die Arbeitszeit des Klägers 37 Wochenstunden, da eine stillschweigende einvernehmliche dauerhafte Änderung/Verlängerung der Arbeitszeit von 37 auf 40 Wochenstunden nicht erfolgt sei. Aus den gleichen Gründen sei auch der Feststellungsantrag des Klägers begründet, da er nur zu einer Arbeitsleistung von 37 Wochenstunden verpflichtet sei.
Gegen dieses Urteil vom 11.07.2007, der Beklagten zugestellt am 03.08.2007, richtet sich ihre am 27.08.2007 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 05.11.2007 am 30.10.2007 ausgeführte Berufung. Die Beklagte hat das erstinstanzliche Urteil angegriffen, soweit das Arbeitsgericht die vertraglichen Änderungen ab 01.01.2004 nicht als Vereinbarungen qualifiziert hat, welche die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG beendet haben. Die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, die sich an die Nachbindung anschließende Nachwirkung stelle ein Instrument dar, zu dem wieder "zurückgekehrt werden könne", sei falsch. Eine vor Abschluss des Tarifvertrages vorhandene vertragliche Abmachung lebe wieder auf, wenn die Nachwirkung ende. Unsinnig sei jedoch, dass bei Beendigung einer "anderen Abmachung" im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG die Tarifnorm im Wege der Nachwirkung wieder auflebe, weil dies bedeute, dass die Wirkungen eines Tarifvertrages wieder eintreten könnten, ohne dass es eines tariflichen Neuabschlusses bedürfe. Damit werde auch der Bereich der Gleichstellungsabrede in unzulässiger Weise erweitert, da für den tarifgebundenen Mitarbeiter mit dem Ende der Nachwirkung hinsichtlich der Geltung der letzten Tarifnorm zu einem bestimmten Komplex die tarifliche Wirkung beendet sei. Der tarifvertraglich nicht gebundene Mitarbeiter könne und solle beim Altvertrag jedoch nicht besser gestellt werden als der tarifgebundene Mitarbeiter. Der Kläger habe im Anschluss an die Betriebsversammlung vom 10.10.2003 ohne Widerspruch weitergearbeitet und habe daher die seitens der Beklagten verkündeten inhaltlichen Veränderungen seines Arbeitsvertrages insgesamt akzeptiert. Damit sei die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG aufgehoben mit der Konsequenz, dass auch für die Zeit nach Ablauf der Jahre 2004 und 2005 die Aufhebung der Nachwirkung Geltung erlangt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die Nachwirkung auch nicht parteidisponibel und könne selbst dann nicht wiederhergestellt werden, wenn man in den ab 2004 geltenden arbeitsvertraglichen Veränderungen lediglich eine Art Befristung sehe. Auch wenn dann für die Zeit ab 2006 eine Regelungslücke bestehe, sei unter ergänzender Auslegung des hypothetischen Parteiwillens als Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhaltes jedenfalls eindeutig, dass die Beklagte gerade keine Tarifbindung mehr gewollt habe, da sie ansonsten den Übertritt in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht vollzogen hätte. Die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich sei ab Januar 2004 monatlich so vollzogen worden, ohne dass der Kläger nur ein einziges Mal reklamiert hätte.
Die Beklagte beantragt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11.07.2007 (berichtigt durch Beschluss vom 27.08.2007) mit dem Aktenzeichen 24 Ca 2027/07 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird (insgesamt) abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen verteidigt und eine die Nachwirkung beendende Regelung bestritten. Bereits in der Betriebsversammlung vom 10.10.2003 sei nur von vorübergehenden Einschnitten die Rede gewesen und die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass sie aus dem Arbeitgeberverband austreten, zumindest aber ihre Mitgliedschaft in eine solche ohne Tarifbindung umwandeln wolle. Dies habe der Kläger erst nach Erhebung der Klage im vorliegenden Verfahren erfahren. Weder das Protokoll der Betriebsversammlung vom 17.10.2003 noch das Schreiben der Beklagten vom Januar 2004 enthalte hinreichende Anhaltspunkte für einen Willen der Beklagten, die tarifliche Jahresleistung dauerhaft zu senken und die Wochenarbeitszeit dauerhaft anzuheben. Sie habe diesen Willen jedenfalls nicht nur nicht zum Ausdruck gebracht, sondern gezielt verborgen, so dass sie sich auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht darauf berufen könne, dass dies eine individualrechtliche Regelung mit die Nachwirkung beendender Wirkung sei. Die Beklagte hätte dann dem Kläger im Jahr 2003 zumindest die Absicht des Statuswechsels mitteilen müssen, zumal die Beklagte sowohl im Oktober 2003 als auch im Januar 2004 Mitglied im Arbeitgeberverband war und der Tarifbindung unterlag. Hätte der Kläger gewusst, dass die Beklagte eine dauerhafte Änderung beabsichtige, hätte er selbstredend widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des sonstigen Vorbringens der Parteien wird gem. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 25.01.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
A
Die gem. § 64 Abs. 2b ArbGG statthafte Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und ist auch im übrigen zulässig.
B
Die Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Jahressonderzahlung für 2006 in Höhe von 2.161,67 EUR brutto hat, auf die der bereits bezahlte Betrag von 330,00 EUR anzurechnen ist, so dass 1.831,67 EUR brutto verbleiben, dass seine wöchentliche Arbeitszeit 37 Stunden beträgt und die Abmahnung vom 22.12.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen ist.
I.
Soweit die Klage in geringfügigem Umfang von 38,33 EUR abgewiesen worden war (Berichtigungsbeschluss vom 27.08.2007), ist dies in Rechtskraft erwachsen.
II.
Mit den Ausführungen der Berufung wurde das arbeitsgerichtliche Urteil nur angegriffen, soweit es um die Frage der Anwendung der Bezugnahmeklausel des § 4 des Arbeitsvertrages i. V. m. § 9 Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie vom 06.02.1997 für die Zeit nach dem 31.12.2005 geht. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den erstinstanzlich noch strittigen Fragen der rechtzeitigen Geltendmachung der Forderung im Sinne des § 15 MTV und des grundsätzlichen klägerseitigen Verzichts auf Jahressonderzahlung/Weihnachtsgeld mit dem Vergleich vom 01.03.2006 im Verfahren 24 Ca 1328/06 hat die Berufung hingegen nicht angegriffen, so dass die Berufungskammer sich hiermit nicht zu befassen hatte.
1. Mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Bezugnahmeklausel in § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien eine Gleichstellungsabrede darstellt mit der Konsequenz, dass die zum 22.07.2004 geltenden tarifrechtlichen Regelungen zwischen ihnen solange weitergelten, bis sie einzelvertraglich abgeändert werden - ohne dass die Parteien an der weiteren dynamischen Entwicklung durch neue, nach dem 22.07.2004 abgeschlossene Tarifverträge teilnehmen. Auch diese Feststellungen des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit der Berufung nicht angegriffen.
2. Entgegen dem Vorbringen der Berufung ist das Arbeitsgericht weiter zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass zwar gem. § 3 Abs. 3 TVG die Nachbindung, nicht aber die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen Regelungen entfallen ist.
a) Die Tarifgebundenheit endet grundsätzlich durch die Beendigung der Mitgliedschaft in der tarifvertragschließenden Koalition. § 3 Abs. 3 TVG durchbricht die allgemeine Rechtswirkung einer Kündigung der Verbandsmitgliedschaft, welcher der Verbleib im Verband ohne Tarifbindung gleichsteht und dient dem Vertrauensschutz und der tariflichen Rechtssicherheit. Diese Nachbindung endet, sobald der Tariflohn im in Bezug genommenen Tarifgebiet geändert worden ist. Aus Gründen der Rechtsklarheit spricht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts viel dafür, jede Änderung des Tarifvertrages als Beendigung im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG anzusehen, auch hinsichtlich der unveränderten Bestimmungen (BAG, Urteil vom 17.05.2000, 4 AZR 363/99; BAG, Urteil vom 18.03.1992, 4 AZR 339/91, - jeweils Juris).
b) Nach diesen Grundsätzen hat die Nachbindung nach der am 22.07.2004 erfolgten Beendigung der Tarifbindung der Beklagten am 15.07.2005 geendet, da zu diesem Zeitpunkt ein neuer Manteltarifvertrag und ein neues Lohnabkommen zwischen dem Bundesverband Druck und Medien und ver.di abgeschlossen wurden und der zum Zeitpunkt des 22.07.2004 bestehende Tarifvertrag damit geendet hat.
3. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten die Normen eines Tarifvertrages nach seinem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG schließt sich auch bei einem Verbandsaustritt dem Ende der verlängerten Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG an (vgl. BAG, Urteil vom 07.11.2001, 4 AZR 703/00; BAG, Urteil vom 17.05.2000, 4 AZR 363/99, - jeweils Juris). Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG beschränkt sich darauf, bis zum Abschluss einer anderen Abmachung den materiell-rechtlichen Stand für das Arbeitsverhältnis beizubehalten, der bei Eintritt der Nachwirkung gegeben war. Die Nachwirkung hat nur zur Folge, dass die Tarifregelungen in dem Zustand statisch weiterwirken, den sie zu Beginn der Nachwirkung hatten. An künftigen Änderungen nehmen die nur noch nachwirkenden Tarifregelungen nicht mehr teil. § 4 Abs. 5 TVG erlaubt zwar eine Änderung der bisherigen Tarifnormen auch durch einzelvertragliche Abreden, will aber bis zu einer solchen Änderung den bisherigen materiellen Inhalt der Arbeitsbedingungen, soweit sie tarifvertraglich gegolten haben, erhalten und dient dazu, dem tariflichen Ordnungsprinzip Rechnung zu tragen (BAG, Urteil vom 07.11.2001, 4 AZR 703/00, a. a. O.).
Die gesetzliche Nachwirkung bezweckt mithin als eine Arbeitnehmerschutzvorschrift, die bisherigen tariflichen Regelungen für eine Übergangszeit (dispositiv) zu erhalten und hat damit eine Überbrückungsfunktion, durch welche vermieden wird, dass das Arbeitsverhältnis nun inhaltsleer und durch dispositive Gesetze sowie durch einseitige Arbeitgeberweisungen ersetzt wird (vgl. Kempen/Zachert, TVG, 4. Auflage 2006, § 4 TVG Rn. 533; BAG, Urteil vom 18.03.1992, 4 AZR 339/91, AP Nr.13 zu § 3 TVG; BAG, Urteil vom 13.07.1994, 4 AZR 555/93, AP Nr.14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit).
a) Eine die Nachwirkung beendende andere Abmachung kann eine einzelvertragliche Vereinbarung sein. Zu Recht ist das Arbeitsgericht vorliegend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine einvernehmliche Änderung des Vertragsinhalts zwischen den Parteien weder zur Höhe der Jahressonderleistung noch zum Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit zustande gekommen ist, welche die Nachwirkung der tariflichen Regelungen, wie sie zum Zeitpunkt des 22.07.2004 Geltung hatten, beendet hat.
aa) Das Schriftformerfordernis des § 12 des Arbeitsvertrages hindert grundsätzlich nicht die Möglichkeit, dass die Parteien den vereinbarten Formzwang für zweiseitige Rechtsgeschäfte jederzeit formlos aufheben; dies kann ausdrücklich oder konkludent geschehen (Erfurter Kommentar - Preis, 8. Auflage 2008, 230 BGB Rn. 41 mit weiteren Nachweisen). Ausreichend ist, dass die Parteien das formlos Vereinbarte übereinstimmend gewollt haben. Dies setzt jedoch auch Angebot und Annahme voraus. Schweigen stellt in der Regel keine Willenserklärung dar, wie aus § 147 BGB folgt. Ein Schweigen zu einer angetragenen nachteiligen Veränderung kann grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen als Zustimmung gewertet werden, wenn sich die Veränderung unmittelbar auswirkt und der Arbeitnehmer in Kenntnis dieser Auswirkung weiterarbeitet, obwohl nach der Verkehrssitte unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein ausdrücklicher Widerspruch zu erwarten gewesen wäre (BAG, Urteil vom 24.11.2004, 10 AZR 202/04, a. a. O.; LAG Hamm, Urteil vom 30.10.2006, 10 Sa 407/06 - Juris).
bb) Diese Grundsätze beachtend hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt, dass eine einvernehmliche stillschweigende Vertragsänderung jedenfalls für den streitgegenständlichen Zeitraum ab 2006 nicht erfolgt ist, weil die genannten strengen Voraussetzungen, die an eine stillschweigende Zustimmungserklärung zu stellen sind, nicht vorliegen. Den Erwägungen des Arbeitsgerichts schließt sich die Berufungskammer in vollem Umfang an. Zusätzlich ist noch auf die weiteren, hier maßgeblichen Umstände des Falles abzustellen.
aaa) Der Kläger hat ab 01.01.2004 wie im Protokoll der Betriebsversammlung vom 17.10.2003 vorgegeben gearbeitet. Er hat 40 Stunden wöchentlich gearbeitet, hat auch spätestens mit der Abrechnung und dem dazu erstellten Schreiben Ende Januar 2004 ersehen können, dass dies ohne Lohnausgleich erfolgt ist und dass die Jahresleistung 2003 lediglich 900,00 EUR betrug, wie angekündigt. Auch Ende des Jahres 2004 konnte aus der Betragshöhe der Jahressonderzahlung die Tatsache der Umsetzung der Mitteilungen aus dem Protokoll der Betriebsversammlung vom 17.10.2003 ohne weiteres erkannt werden.
bbb) Allerdings hat der Kläger damit nur hingenommen, dass in den zwei explizit vom Arbeitgeber benannten Jahren 2004 und 2005 diese Änderungen Gültigkeit erlangen sollten - in Abänderung der bis einschließlich Ende 2003 geltenden tarifvertraglichen Regelungen. Einen Fall der nach der Verkehrssitte nicht zu erwartenden ausdrücklichen Erklärung hat das Bundesarbeitsgericht auch darin gesehen, dass ein Änderungsangebot des Arbeitgebers gem. §§ 133, 157 BGB durch widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit nicht angenommen werden kann, so lange deren Folgen nicht hervortreten (BAG, Urteil vom 01.08.2001, 4 AZR 129/00, AP Nr.20 zu § 157 BGB). Für die Dauer von zwei Jahren war der Kläger mit den einseitig mitgeteilten Vertragsänderungen einverstanden. Kein Einverständnis konnte hingegen dem klaren Wortlaut des Protokolls der Betriebsversammlung vom 17.10.2007 zufolge für darüber hinausgehende Zeiträume nach dem Ende des Jahres 2005 erteilt werden. Für diese weitergehende Zeit war nämlich auch kein arbeitgeberseitiger Wille erkennbar.
ccc) Der Kläger konnte auch die Tragweite einer widerspruchslosen Hinnahme des arbeitgeberseitigen Vorschlages für den auf zwei Jahre befristeten Zeitraum nicht erkennen. Diese Tragweite ergab sich nämlich erst aus dem späteren Verbandsaustritt der Beklagten vom 22.07.2004. Weder war dem Kläger bei Erhalt des Protokolls vom 17.10.2003 noch am 01.01.2004 bekannt, dass der Arbeitgeber beabsichtigte, den Arbeitgeberverband zu verlassen bzw. Mitglied ohne Tarifbindung zu werden noch hat er davon am 22.07.2004 oder zu einem Zeitpunkt danach bis Ende 2005 Kenntnis erlangt. Weder konnte der Kläger in Ansehung des Protokolls vom 17.10.2003 noch später während der widerspruchslosen Hinnahme der einseitig vorgegebenen Vertragsbedingungen erkennen, dass sich ab einem bestimmten Zeitpunkt die tarifvertraglichen Regelungen nur noch in der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG befanden und nach tariflicher Lohnerhöhung und damit dem Ende der Nachbindung in der Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG. Unstreitig erfuhr der Kläger erst nach Klagerhebung im vorliegenden Verfahren, dass die Beklagte seit 22.07.2004 Mitglied ohne Tarifbindung im Arbeitgeberverband war.
Aus dem Wortlaut des Protokolls vom 17.10.2004 ergibt sich vielmehr, dass die Beklagte die von ihr angestrebten Änderungen in Beziehung zum Tarifvertrag setzt: Sie nennt keinen abstrakten Betrag, der als Jahressonderleistung ausgeworfen wird, sondern garantiert dies für das Jahr 2003 mit 30 %, für 2004 und 2005 mit 15 % "vom Tarif". Dies suggeriert die Weitergeltung des Tarifs lediglich mit einer Absenkung für einen befristeten Zeitraum bis zum Ende des Jahres 2005. Auch die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, die unter dem zweiten Spiegelstrich unter der Überschrift "Das Paket für die nächsten zwei Jahre" aufgeführt ist, ist erkennbar eben für diese zwei Jahre befristet. Auch die Zusage anteiliger Nachbezahlung bei entsprechendem Gewinn in 2004 oder 2005 suggeriert ein Weiterbestehen des Tarifvertrages. Für den Fall, dass das Betriebsergebnis besser ausfallen sollte, als Ende 2003 erwartet wurde, stellt diese Zusage auf Nachzahlung eine Art Stundung des tariflichen Anspruchs dar. Hingegen ergaben sich weder aus dem Protokoll der Betriebsversammlung vom 17.10.2003 noch aus dem Schreiben der Beklagten vom Januar 2004 irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass sie künftig eine "Flucht aus dem Tarifvertrag" anstrebte. Auch im Hinblick darauf, dass die Paketlösung immerhin den relativ langen Zeitraum von zwei Jahren umfasste, enthielt sie keine wie auch immer geartete Andeutung des Arbeitgebers, aus wirtschaftlichen Gründen künftig vom Tarifvertrag Abstand nehmen zu wollen. Die widerspruchslose Hinnahme der einseitig vorgegebenen Änderungen des Arbeitsvertrages erfolgte also auf Seiten des Klägers jedenfalls nicht in Ansehung des Endes der Tarifbindung (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2006, 2 Sa 354/06 unter Rn. 22 der Entscheidungsgründe [Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 4 AZR 92/07]).
b) Nach allem ist also entgegen den Ausführungen der Berufung nicht eine systemwidrige Rückkehr zur Nachwirkung erfolgt, sondern die Nachwirkung wurde zu keinem Zeitpunkt wirksam im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG beendet.
c) Fehl geht auch die Rechtsauffassung der Beklagten im Rahmen der Berufung, wenn sie geltend macht, der Bereich der Gleichstellungsabrede werde in unzulässiger Weise erweitert, weil für die tarifgebundenen Mitarbeiter mit Ende der Nachwirkung hinsichtlich der Geltung der letzten Tarifnorm zu einem bestimmten Komplex die tarifliche Wirkung beendet sei und die tarifvertraglich nicht gebundenen Mitarbeiter durch das Wiederaufleben der Nachwirkung besser gestellt würden. Selbst wenn man von einem Wiederaufleben der Nachwirkung ausginge, wäre dieser Einwand der Beklagten unberechtigt: Da sie seit 22.07.2004 Mitglied ohne Tarifbindung im Arbeitgeberverband ist, entfalten nach diesem Zeitpunkt abgeschlossene Tarifverträge auch für tarifgebundene Arbeitnehmer keine Wirkung. Eine Besserstellung der nichttarifgebundenen Arbeitnehmer durch die Gleichstellungsabrede ist damit nicht gegeben.
4. Da zwischen den Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 37 Stunden vereinbart ist, ist sowohl dem Feststellungsantrag des Klägers zu Recht stattgegeben worden als auch die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung vom 22.12.2006 aus der Personalakte verurteilt worden. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu diesen, in Konsequenz der grundsätzlichen Frage der geltenden Regelungen zwischen den Parteien ab dem 01.01.2006 entschiedenen Streitgegenstände wurde von der Beklagten mit dem Vorbringen der Berufung nicht angegriffen. Das Berufungsgericht schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts in vollem Umfang an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
IV.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision zuzulassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Von der hier zu entscheidenden Fragestellung waren immerhin zumindest 25 gewerbliche Arbeitnehmer betroffen, möglicherweise eine weitere Anzahl angestellter Mitarbeiter mit Arbeitsverträgen, die eine Gleichstellungsabrede enthalten.
Ende der Entscheidung
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