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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 28.07.2004
Aktenzeichen: 5 Ta 11/04
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 81
ZPO §§ 114 ff.
ZPO § 115
ZPO § 120 Abs. 4
ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124
ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 124 Nr. 2, 2. Alt.
ZPO § 127
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 172
ZPO § 571 Abs. 2
RPflG § 11 Abs. 1
RPflG § 20 Nr. 4 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 5 Ta 11/04

Stuttgart, den 28.07.2004

In dem Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm ohne mündliche Verhandlung am 28.07.2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 12.01.2004 - 1 Ca 384/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der der Klägerin bewilligten Prozesskostenhilfe.

Die Klägerin erhob im Juni 2002 eine Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht bewilligte der Klägerin im Gütetermin am 03.07.2002 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete ihr Rechtsanwalt S. bei. Im Anschluss hieran wurde der Rechtsstreit durch Prozessvergleich erledigt. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhielt eine Vergütung in Höhe von € 792,28 aus der Staatskasse.

Unter dem 29.10.2003 übersandte die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht Rechtsanwalt S. ein Schreiben mit der Bitte, bis zum 21.11.2003 eine Erklärung zu den derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Partei abzugeben, wozu der beigefügte Fragebogen (vgl. dazu das Muster ABl. 58) zur Vereinfachung verwendet werden könne. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass davon ausgegangen werde, dass Rechtsanwalt S. die Klägerin aufgrund der fortwirkenden Prozessvollmacht auch im Verfahren nach §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO vertrete, falls nicht bis zum 21.11.2003 mitgeteilt werde, dass das Mandat niedergelegt sei oder aus anderen Gründen nicht mehr bestehe; nur in diesem Falle werde die Klägerin persönlich angeschrieben und in das Verfahren einbezogen. Da eine Reaktion nicht erfolgte, setzte die Rechtspflegerin mit weiterem an Rechtsanwalt S. gerichteten Schreiben vom 01.12.2003 eine letzte Frist zur Abgabe der Erklärung über die derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bis zum 29.12.2003. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben werden könne, wenn die erbetenen Angaben nicht fristgerecht gemacht würden. Außerdem wiederholte sie den Hinweis, dass die Partei nicht persönlich angeschrieben werde, solange dem Gericht nicht ausdrücklich angezeigt werde, dass das Mandat nicht mehr bestehe.

Mit Beschluss vom 12.01.2004 hob die Rechtspflegerin beim Arbeitsgericht den Bewilligungsbeschluss vom 03.07.2002 gemäß § 124 Nr. 2 ZPO auf, weil eine Erklärung über die derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bei Gericht nicht eingegangen sei.

Gegen diesen Rechtsanwalt S. am 14.01.2004 zugestellten Beschluss hat dieser am 16.02.2004 (Montag) sofortige Beschwerde eingelegt und angekündigt, dass eine Begründung der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin/Klägerin persönlich erfolgen werde.

Mit Schreiben vom 09.03.2004 hat die Rechtspflegerin Rechtsanwalt S. unter Einräumung einer Frist bis zum 31.03.2004 an die ausstehende Beschwerdebegründung erinnert. Hierauf hat Rechtsanwalts, mit Schriftsatz vom 05.04.2004 mitgeteilt, dass kein Kontakt mehr zur Klägerin bestehe und gebeten, direkt zu korrespondieren. Dies hat die Rechtspflegerin mit Schreiben vom 06.04.2004 gegenüber Rechtsanwalt S. unter Einräumung einer Frist zur Begründung der sofortigen Beschwerde bis zum 19.04.2004 mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass die ihm von der Klägerin erteilte Prozessvollmacht für das Prozesskostenhilfenachprüfungsverfahren fortwirke und daher davon ausgegangen werde, dass er die Klägerin auch weiterhin in diesem Verfahren vertrete.

Mit Beschluss vom 22.04.2004 hat die Rechtspflegerin der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Auch im Verfahren vor dem Beschwerdegericht ist eine Begründung der Beschwerde trotz Fristsetzung bis zum 04.05.2004 weder durch Rechtsanwalt S. noch durch die gemäß Verfügung vom 23.06.2004 unter Gewährung einer weiteren Frist bis zum 16.07.2004 persönlich angeschriebene Klägerin erfolgt.

II. Die ersichtlich namens und in Vollmacht der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie form- und fristgerecht (§§ 569 Abs. 1 und 2, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt wurde. Dass sie nicht begründet wurde, steht deren Zulässigkeit nicht entgegen, da ein Begründungszwang nicht besteht (§ 571 Abs. 1 ZPO). Sie ist aber unbegründet, weil der angefochtene Beschluss gemäß § 124 Nr. 2 i.V.m. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO zu Recht ergangen ist.

Nach § 124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht durch den hierfür gemäß § 20 Nr. 4 c RPflG zuständigen Rechtspfleger die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat. Nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO hat sich die Partei auf Verlangen des Gerichts darüber zu erklären, ob eine Änderung der für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Ein solches Verlangen hat die Rechtspflegerin mit ihren Schreiben vom 29.10.2003 und 01.12.2003 an die Klägerin gerichtet. Zwar wird in diesen Schreiben nicht entsprechend dem Gesetzeswortlaut lediglich dazu aufgefordert, sich darüber zu erklären, ob und gegebenenfalls inwiefern eine Änderung in den für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeblichen Verhältnissen eingetreten ist. Vielmehr wird in den genannten Schreiben darüber hinausgehend eine Erklärung zu den derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin verlangt, also praktisch die Vorlage einer erneuten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wie der dem Schreiben vom 29.10.2003 beigefügte Fragebogen anschaulich belegt. Dies führt nach dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 4 ZPO jedoch nicht zur Fehlerhaftigkeit des Verlangens (a.A. Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 28 zu § 120 mit Nachweisen). Denn der Sinn und Zweck dieser Norm besteht ersichtlich darin, dass das Gericht durch die gemäß § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO von der Partei abzugebende Erklärung in die Lage versetzt werden soll, eigenständig zu überprüfen, ob eine Änderung in den für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgeblich gewesenen Verhältnissen eingetreten ist, die in entsprechender Anwendung von § 115 ZPO eine erstmalige Festsetzung oder eine Änderung bereits festgesetzter Zahlungen gebietet. Eine solche eigenständige Prüfung ist aber aufgrund einer bloßen, die Frage nach dem Eintritt einer Änderung der Verhältnisse bejahenden oder verneinenden Erklärung nicht möglich, sondern setzt konkrete Angaben zu den jetzigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen voraus, da sich der Eintritt einer Änderung in den Verhältnissen nur aufgrund eines Vergleichs der jetzigen mit denjenigen, die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich waren, feststellen lässt. Ausgehend hiervon kann es rechtlich aber keinen Unterschied machen, ob anhand eines Fragebogens die zur Feststellung einer Änderung erforderlichen Angaben "allgemein" abgefragt werden oder ob dies etwa unter Mitteilung der früher von der Partei gemachten Angaben jeweils verbunden mit der Aufforderung geschieht, mitzuteilen, ob und inwieweit bei diesen jeweils eine Änderung eingetreten ist und worin diese jeweils konkret besteht. Die Klägerin hätte daher dem Verlangen der Rechtspflegerin, sich zu ihren derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu erklären, nachkommen müssen. Da dies trotz Hinweises auf die Rechtsfolge des § 124 Nr. 2 ZPO nicht geschehen ist und die Klägerin die geforderte Erklärung auch nicht im Beschwerdeverfahren nachgeholt hat, was gemäß § 571 Abs. 2 ZPO zulässig gewesen wäre, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 124 Nr. 2, 2. Alt. ZPO für die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach wie vor gegeben.

2. Die angefochtene Entscheidung ist auch nicht etwa deshalb zu Unrecht ergangen, weil die Aufforderungen nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht an Rechtsanwalt S. hätten ergehen dürfen, sondern an die Klägerin persönlich hätten gerichtet werden müssen, so dass das dem angefochtenen Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Verfahren nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO aus diesem Grunde nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre. Vielmehr ist das Verfahren auch insoweit nicht zu beanstanden.

Die Klägerin war im Ausgangsverfahren, dem Kündigungsschutzprozess, durch Rechtsanwalt S. als ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten. Dessen Prozessvollmacht war nicht auf das unmittelbare Hauptsacheverfahren beschränkt. Sie ermächtigte deshalb gemäß § 81 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Dazu zählt auch die für das Hauptsacheverfahren zu bewilligende und bewilligte Prozesskostenhilfe und das insoweitige Verfahren (vgl. Zöller-Vollkommer a.a.O., Rdnr. 8 zu § 81). So haben es auch die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter verstanden. Denn die Klägerin hat sich im Bewilligungsverfahren ebenfalls von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dass die erteilte Prozessvollmacht zwischenzeitlich aufgrund eines das Erlöschen der Prozessvollmacht bewirkenden Tatbestandes (§ 87 Abs. 1 ZPO) erloschen wäre, ist trotz dahingehender Hinweise der Rechtspflegerin nicht dargelegt, so dass diese zu Recht von einem Fortwirken der Prozessvollmacht auch für das Prozesskostenhilfenachprüfungsverfahren ausgegangen ist. Denn das Prozesskostenhilfeverfahren ist mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht beendet, sondern schließt auch das Nachprüfungsverfahren ein, weshalb die Prozessvollmacht insoweit auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens fortwirkt (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.07.2002 - 20 Ta 13/02 mit Nachweisen). Die gegenteilige Auffassung, nach der das Prozesskostenhilfenachprüfungsverfahren nicht mehr zum selben Verfahren im Sinne von § 172 ZPO gehöre, weil es sich bei der Abwicklung der Prozesskostenhilfe nicht um ein gerichtliches Nachverfahren, sondern um ein reines Verwaltungsverfahren handele (so etwa Zöller-Philippi a.a.O., Rdnr. 28 zu § 120; LAG Hamm, Beschluss vom 14.07.2003 - 4 Ta 820/02 - jeweils mit Nachweisen) überzeugt nicht. Denn das Gesetz trennt nicht zwischen einem Verfahren bis zur Entscheidung des Prozesskostenhilfeantrags und einem Abwicklungsverfahren für den Fall einer Bewilligung. Vielmehr bilden sowohl die Bewilligung selbst als auch die fortwährende Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers, die sich aus deren Veränderung ergebende Neufestsetzung der zu leistenden Ratenzahlungen (§ 120 Abs. 4 ZPO) und die Aufhebung der Bewilligung (§ 124 ZPO) den Gegenstand eines einheitlichen - gerichtlichen -Prozesskostenhilfeverfahrens. Dies ergibt sich einerseits aus der gesetzlichen Systematik der §§ 114 ff. ZPO, die den Verfahrensabschnitt der Bewilligung nicht als ein eigenständiges Verfahren von dem "Nachverfahren" gemäß §§ 120 Abs. 4, 124 ZPO abtrennt. Zum anderen wird dies klargestellt durch die Beschwerderegelung in § 127 ZPO, die lediglich ein "Verfahren über die Prozesskostenhilfe" kennt und damit keine Unterscheidungen in verschiedene selbständige, gerichtlich oder verwaltungsmäßig ausgestaltete Verfahren zulässt (LAG Baden-Württemberg a.a.O. mit Nachweisen).

Angesichts des Fortwirkens der Prozessvollmacht und der Einheitlichkeit des Prozesskostenhilfeverfahrens als gerichtliches Verfahren war das Arbeitsgericht daher auch bei der Anfrage nach § 124 Abs. 4 Satz 2 ZPO gemäß § 172 ZPO gehalten, diese nicht unmittelbar an die Klägerin, sondern - wie geschehen - an ihren Prozessbevollmächtigten zu richten.

3. Die sofortige Beschwerde der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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