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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.01.2001
Aktenzeichen: 5 TaBV 1/00
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG, LRTV II, LGRTV I, LGRT VI, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 92 Abs. 1
ArbGG § 98
BetrVG § 76
BetrVG § 76 Abs. 2
BetrVG § 76 Abs. 2 Satz 1
BetrVG § 76 Abs. 3
BetrVG § 76 Abs. 3 Satz 2
BetrVG § 76 Abs. 5
BetrVG § 76 Abs. 5 Satz 3
BetrVG § 76 Abs. 5 Satz 4
BetrVG § 77 Abs. 5
BetrVG § 87 Abs. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
BetrVG § 94 Abs. 1
BetrVG § 94 Abs. 2
LRTV II § 2
LRTV II § 2.2.1
LRTV II § 2.3.1
LRTV II § 2.3.3
LRTV II § 4
LRTV II § 6.1
LRTV II § 6.2
LRTV II § 6.2 Satz 2
LRTV II § 9
LRTV II § 10
LRTV II § 10.3.2
LGRT VI § 11
ZPO § 42
ZPO § 42 Abs. 3
ZPO § 47
ZPO §§ 1036 ff.
ZPO § 1037 Abs. 2
ZPO § 1037 Abs. 2 Satz 2
BGB § 133
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 TaBV 1/00

verkündet am 19. Januar 2001

In dem Beschlussverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm, den ehrenamtlichen Richter Benz und den ehrenamtlichen Richter Christophers auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin/Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 03.02.2000 - 2 BV 10/99 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 11.06.1999, der für die bei der Arbeitgeberin noch im Leistungslohn beschäftigten Arbeitnehmer mit Wirkung vom 01.07.1999 an den Zeitlohn eingeführt hat.

Die Arbeitgeberin, die Kraft Verbandszugehörigkeit an die Tarifverträge für die Metallindustrie in Nord-Württemberg/Nord-Baden gebunden ist, produziert in ihren vier Produktionsstätten in ... Baumaschinen mit rund 820 Arbeitnehmern, darunter etwa 420 gewerbliche Arbeitnehmer, von denen 171 im Leistungslohn beschäftigt wurden. Da eine Einigung über den von der Arbeitgeberin bereits seit längerem für die Leistungslöhner erstrebten Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes in den des Zeitlohns mit dem für alle vier Betriebsstätten einheitlich gewählten Betriebsrat nicht zu Stande kam, rief diese die Einigungsstelle an. In dem sich anschließenden Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG einigten sich die Beteiligten am 13.01.1999 vor dem Arbeitsgericht auf den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Stuttgart a. D. L. als Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Thema "Wechsel von Leistungslohn in Zeitlohn in allen Bereichen des Unternehmens (Leistungslöhner im Werk L. 38 Arbeitnehmer, in R. 21 Arbeitnehmer, in C. 83 Arbeitnehmer, in G. 29 Arbeitnehmer, Stand 10.12.1998)".

Die von den Beteiligten durch Antragsschrift der Arbeitgeberin vom 08.02.1999 (Bl. 71-91 bzw. 476-496 d. Akten 1. Instanz) und Antragsschrift des Betriebsrats vom 15.02.1999 (Bl. 92-101, 104 d. Akten 1. Instanz) jeweils nebst Anlagen vorbereitete konstituierende Sitzung der Einigungsstelle fand am 17.02.1999 in L. unter Vorsitz von Herrn L. mit jeweils vier Beisitzern der beiden Betriebsparteien statt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 17.02.1999 (Bl. 102, 103 d. Akten 1. Instanz, ABl. 158, 159) trugen u.a. die Betriebsparteien ihre Standpunkte vor. Anschließend besichtigten die Mitglieder der Einigungsstelle zunächst im Werk L. und sodann im Werk G. Arbeitsplätze, namentlich solche in der Dreherei/Bohrerei, Lackiererei und Montage, an denen Leistungslohn bezahlt wurde, aber auch solche, an denen im Zeitlohn gearbeitet wurde. In der zweiten Sitzung der Einigungsstelle am 17.03.1999 in L. nahm ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 17.03.1999 (Bl. 115-117 d. Akten 1. Instanz, ABl. 160-162) zunächst der Beisitzer Z. namens der Betriebsratsseite zum weiteren Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 05.03.1999 nebst Anlagen (Bl. 105-114 d. Akten 1. Instanz) Stellung. Gegen 10.30 Uhr begaben sich die Mitglieder der Einigungsstelle in das Werk C. und besichtigten dort Arbeitsplätze in der Vorfertigung, an der Abkantpresse, in der Handschweißerei sowie der Endmontage. Nach der Mittagspause bis circa 13.00 Uhr besichtigten die Mitglieder der Einigungsstelle im Werk R. eine Fertigungslinie, die Lackiererei und die Endmontage. Nach Fortsetzung der Verhandlung in L. traten nach Darlegung ihrer unterschiedlichen Regelungsvorstellungen Arbeitgeber- und Betriebsratsseite zu jeweils getrennten Beratungen zusammen, in deren Verlauf der Vorsitzende zunächst der Betriebsratsseite einen Einigungsvorschlag der Arbeitgeberseite (Bl. 118 d. Akten 1. Instanz) und sodann dieser einen Einigungsvorschlag der Betriebsratsseite übermittelte, die jeweils nicht die Zustimmung der Gegenseite fanden. In der anschließenden Beratung der Einigungsstelle schlug der Vorsitzende vor, sich auf der Basis des Vorschlags der Arbeitgeberseite mit der Maßgabe zu einigen, dass die Einkommenssicherung 130% des 1998 erreichten durchschnittlichen individuellen Leistungslohns nicht unterschreiten sollte. In der Sitzung der Einigungsstelle vom 31.03.1999, in deren Verlauf der Vorsitzende den Beisitzern der Betriebsratsseite den Entwurf einer ihm am Abend des 29.03.1999 von Arbeitgeberseite zugeleiteten Betriebsvereinbarung (Bl. 121, 122 d. Akten 1. Instanz) aushändigte, forderte die Betriebsratsseite zur Tatsachenfeststellung die Vorlage weiterer, im Protokoll vom 31.03.1999 (Bl. 119, 120 d. Akten 1. Instanz) aufgeführter Unterlagen, deren Vorlage an den Betriebsrat der Arbeitgeberin aufgegeben wurde. Es folgten schriftsätzliche Ausführungen der Betriebsratsseite vom 15.04.1999 (Bl. 125-134 d. Akten 1. Instanz), 21.04.1999 (Bl. 135-155 bzw. 497-517 d. Akten 1. Instanz) und 26.04.1999 (Bl. 187, 188 d. Akten 1. Instanz), die in der Sitzung der Einigungsstelle am 28.04.1999 mündlich ergänzt wurden, sowie schriftliche Ausführungen der Arbeitgeberseite vom 12.04.1999 und 23.04.1999 (ABl. 123, 124, 178-186 d. Akten 1. Instanz). Ausweislich des Protokolls vom 28.04.1999 (Bl. 176, 177 d. Akten 1. Instanz) konnten sich die Betriebsparteien in dieser Sitzung weder auf der Grundlage eines von Betriebsratsseite unterbreiteten Regelungsvorschlags noch auf der Grundlage eines von Arbeitgeberseite vorgelegten modifizierten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung (Bl. 473, 474 d. Akten 1. Instanz) einigen. Die Betriebsratsseite kündigte an, nach Prüfung des Vorschlags der Arbeitgeberseite einen ausformulierten Regelungsvorschlag vorzulegen, was mit Schriftsatz vom 17.05.1999 (Bl. 189-195 d. Akten 1. Instanz) geschah. Ausweislich des Protokolls vom 11.06.1999 (Bl. 197, 198 d. Akten 1. Instanz) nahmen die Betriebsparteien auf dieser Sitzung der Einigungsstelle zunächst zum schriftlichen Vorbringen seit der letzten Sitzung Stellung und berieten sodann getrennt, wobei der Vorsitzende zwischen den Gremien pendelte, um eine Annäherung der beiderseitigen Standpunkte und eine Einigung zu erreichen, was scheiterte. Nachdem auch nach Wiederaufnahme der Beratung in der Einigungsstelle der Versuch einer gütlichen Einigung erfolglos blieb, überreichte die Arbeitgeberseite ausweislich des Protokolls nach kurzzeitiger Unterbrechung dem Vorsitzenden den Entwurf einer Betriebsvereinbarung (Bl. 199-201 d. Akten 1. Instanz) mit dem Antrag, die Einigungsstelle möge diesem zustimmen. Die Betriebsratsseite übergab dem Vorsitzenden ebenfalls einen Antrag (Bl. 202 d. Akten 1. Instanz) zur Abstimmung, nämlich den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen und stattdessen über folgenden Antrag zu beschließen:

"Jeder Arbeitsplatz/Arbeitsbereich in der Fertigung der vier inländischen Werke der Firma S. ist unter Berücksichtigung und Anwendung des LRTV II NW/NB im Besonderen des § 2.2.1 daraufhin zu überprüfen, ob Leistungslohnfähigkeit im Sinne des Tarifvertrages besteht oder nicht.

Der entsprechende Entlohnungsgrundsatz ist dann zu vereinbaren und anzuwenden."

Die Arbeitgeberseite beantragte, den Gegenantrag zurückzuweisen, da er die Kompetenz der Einigungsstelle überschreite und daher unzulässig sei. Der Vorsitzende stellte hierauf den Arbeitgeberantrag zur Abstimmung. Bei Stimmenthaltung des Vorsitzenden stimmten vier Beisitzer für und vier Beisitzer gegen den Antrag. Nachdem ausweislich des Protokolls vom 11.06.1999 Arbeitgeber- und Betriebsratsseite auf eine weitere Beratung über den Verhandlungsgegenstand verzichtet hatten, stellte der Vorsitzende den Arbeitgeberantrag zu erneuten Abstimmung, worauf dieser mit fünf Ja-Stimmen bei vier Nein-Stimmen angenommen wurde.

Der vom Vorsitzenden mit einer Begründung und unterhalb der Gründe mit seiner Unterschrift versehene Spruch der Einigungsstelle vom 11.06.1999, wegen dessen Inhalt auf Bl. 203-207 d. Akten 1. Instanz verwiesen wird, wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 23.06.1999 zugestellt.

Mit seiner am 06.07.1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat der Betriebsrat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs geltend gemacht. Zur Begründung hat er auf Verfahrensfehler, Rechtsverstöße und eine nicht ordnungsgemäße Ermessensausübung hingewiesen. Der Einigungsstellenspruch sei entgegen § 76 Abs. 3 BetrVG nicht vom Vorsitzenden unterzeichnet, sondern lediglich dessen Begründung; eine durchgängige Nummerierung liege nicht vor. Außerdem habe der Vorsitzende in gravierender Weise das aus § 76 Abs. 2 BetrVG folgende Gebot der Unparteilichkeit verletzt. Nach der Ablehnung des Kompromisspapieres des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin habe sich der Einigungsstellenvorsitzende über einen längeren Zeitraum in das separate Besprechungszimmer der Arbeitgeberin begeben und mit dieser den später zur Abstimmung gestellten, von der Einigungsstelle mit der Stimme des Vorsitzenden wortwörtlich übernommenen Antrag unter Ausschluss der anderen Einigungsstellenseite vorabgestimmt und ausformuliert. Gegen diese mit dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs und dem Gebot einer unparteiischen Leitung der Einigungsstelle unvereinbaren Vorgehensweise habe der Beisitzer Z. der Betriebsratsseite kurz vor der Abstimmung ausdrücklich und förmlich protestiert und die Rüge der fehlenden Unparteilichkeit erhoben, was vom Vorsitzenden, der an keiner einzigen Stelle die Argumente des Betriebsrats bei seiner Verhandlungsführung berücksichtigt und entsprechende Kompromissvorschläge unterbreitet habe und der offensichtlich seine von Beginn an bestehende einseitige Positionierung zu Gunsten der Arbeitgeberin habe zu Ende bringen wollen, nur lächelnder Weise und in unkommentierter Form übergangen worden sei. Weitere rechtliche Möglichkeiten habe die Betriebsratsseite in Anbetracht der unmittelbar bevorstehenden Abstimmung nicht gehabt, um sich nicht den Vorwurf des Fernbleibens von der Abstimmung auszusetzen. Ein weiterer erheblicher Verfahrensfehler liege darin, dass entgegen § 76 Abs. 3 BetrVG in der ersten Abstimmungsrunde nur der Antrag der Arbeitgeberin zur Abstimmung gestellt worden sei und der Antrag des Betriebsrats zu keiner Zeit zur Abstimmung gelangt sei. Die Abstimmung über den Antrag des Betriebsrats sei auch nicht entbehrlich gewesen, da der Antrag der Arbeitgeberin erst in der zweiten Abstimmungsrunde eine Mehrheit gefunden habe und diese erst nach Abstimmung auch über den Antrag des Betriebsrats hätte durchgeführt werden dürfen. Da völlig offen sei, welches Abstimmungsergebnis der Antrag des Betriebsrats gefunden hätte, führe daher auch dieser Verfahrensverstoß zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Schließlich habe die Einigungsstelle in ihrem Spruch verfahrensfehlerhaft zahlreiche Punkte geregelt, die über den ihr übertragenen Regelungsgegenstand hinausgehen würden. In materiellrechtlicher Hinsicht hat der Betriebsrat im Wesentlichen geltend gemacht, dass § 2.2.1 LRTV II eine am einzelnen Arbeitsplatz orientierte und nicht eine betriebliche oder gar unternehmensweite Betrachtungsweise hinsichtlich des anzuwendenden, eine möglichst leistungsgerechte Entlohnung gewährleistenden Entlohnungsgrundsatzes gebiete und der Einigungsstellenspruch ferner nicht berücksichtige, dass Fließ-, Fließband- und Taktarbeit gemäß § 6.2 LRTV II überhaupt nicht im Entlohnungsgrundsatz Zeitlohn vergeben werden dürfe, für die beiden Mitarbeiter an der "T."-Stanzmaschine eine mit Schreiben vom 04.12.1998 (Bl. 384 d. Akten 1. Instanz) zum 31.12.1999 gekündigte Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 (Bl. 378-383 d. Akten 1. Instanz) und für die Arbeitsplätze an den CNC-Maschinen im Werk C. nach Maßgabe der Aktennotiz vom 08.06.1990 (Bl. 385 d. Akten 1. Instanz) eine Regelungsabrede Anwendung fänden. Weitere Rechtsverstöße lägen zudem darin, dass durch die lange Laufzeit des Einigungsstellenspruchs von 4 Jahren das jederzeitige Initiativrecht des Betriebsrats gemäß §§ 2.3.3 LRTV II, 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG völlig unverhältnismäßig eingeschränkt, unter Ziff. 2. des Spruchs tarifwidrig nicht der monatliche Grundlohn zum 01.04.1999, sondern der zum 31.12.1998 zu Grunde gelegt und unter Ziff. 4. des Spruchs die tarifliche Leistungszulage entgegen § 10.3.2 LRTV II in Höhe von 10% als Sockel- und in Höhe von 6% als variabler Betrag festgelegt werde. Der Spruch der Einigungsstelle entspreche schließlich auch nicht billigem Ermessen, da er regelungsbedürftige Fragen ungeregelt lasse und die mit ihm verbundene Lohneinbuße von 28% im Verhältnis zu der durch ihn bewirkten Entlastung der Arbeitgeberin völlig unverhältnismäßig sei.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11.06.1999 unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, Gründe, die die Unwirksamkeit des Spruchs zur Folge haben könnten, lägen nicht vor. Der Spruch sei vom Vorsitzenden ordnungsgemäß unterschrieben, da die Gründe integraler Bestandteil des Spruchs seien. Weder habe das Einigungsstellenmitglied Z. den Einigungsstellenvorsitzenden wegen seiner angeblichen Parteilichkeit gerügt noch habe dafür ein begründeter Anlass bestanden. Der Betriebsrat habe sowohl schriftlich als auch mündlich seine Argumente vor der Einigungsstelle ausgiebig vortragen können und habe dies auch getan. Im Rahmen des aus den Protokollen ersichtlichen Pendelverfahrens habe der Einigungsstellenvorsitzende auf beide Parteien einzuwirken versucht mit der Folge, dass die Arbeitgeberin in ihrem zur Abstimmung gestellten Antrag Zugeständnisse an den Betriebsrat gemacht habe. Auch das Abstimmungsverfahren am 11.06.1999 sei fehlerfrei durchgeführt worden. Bei dem Antrag des Betriebsrates habe es sich nicht um einen Sachantrag, sondern letztlich um einen Verfahrensantrag gehandelt, der jedenfalls nach fünf Sitzungstagen angesichts der der Einigungsstelle obliegenden Aufgabe, den ihr vorgelegten Regelungsstreit sachlich zu entscheiden, verspätet und daher unzulässig gewesen sei. Im Übrigen hätte der vom Betriebsrat behauptete Verfahrensverstoß am Ergebnis nichts geändert. Die Rüge, dass der Spruch ergänzende Regelungen enthalte, die nicht unter den der Einigungsstelle unterbreiteten Regelungsgegenstand gefallen seien, verwundere, da diese Regelungen von ihr zu Gunsten der Arbeitnehmer in das Verfahren eingeführte Punkte beträfen, über die fünf Tage lang verhandelt worden sei. Die Maxime der leistungsgerechten Entlohnung unter Berücksichtigung der betrieblichen Gesichtspunkte (§ 2.2.1 LRTV II) habe die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Fließ-, Fließband- und Taktarbeit im Sinne der Definition des § 6.1 LRTV II, die gemäß § 6.2 LRTV II nicht im Entlohnungsgrundsatz Zeitlohn vergeben werden dürfe, gebe es bei ihr nicht. Ein etwaiger Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 (T.-Stanzmaschine) könne lediglich eine Teilunwirksamkeit des Spruchs zur Folge haben. Gleiches gelte für eine etwaige zu lange Laufzeit des Spruchs. Dass gemäß Ziff. 2. des Einigungsstellenspruchs die Entgeltanpassung auf der Basis des monatlichen Grundlohnes zum 31.12.1998 vorgenommen werde, berühre den tariflichen Mindestverdienst nicht. Auch sei die Regelung unter Ziff. 4. des Spruchs aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, da diese den Vorgaben des §10 LRTV II entsprechen würde. Dass durch den Spruch ungeregelt gebliebene Fragen aufgeworfen würden, die sich nicht anderweitig lösen ließen, sei unzutreffend. Die Einkommensverluste der Arbeitnehmer seien Folge des gemäß §2.2.1 LRTV II geboten gewesenen Wechsels des Entlohnungsgrundsatzes. Diese seien jedoch abgemildert worden, sodass der Einigungsstellenspruch auch unter diesem Gesichtspunkt nicht wegen Überschreitung der Grenzen des Ermessens rechtsunwirksam sei.

Das Arbeitsgericht hat mit am 03.02.2000 verkündeten Beschluss (Bl. 564-587 d. Akten 1. Instanz), auf den auch zum Zwecke der Sachverhaltsdarstellung ergänzend mit der Maßgabe Bezug genommen wird, dass es auf Bl. 4 des Beschlusses statt 01.06.2000 richtigerweise 01.06.2003 heißen muss, dem Antrag entsprochen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass der Spruch der Einigungsstelle zum einen die Grenzen des dieser zustehenden Ermessens wegen des Umfangs der mit ihm verbundenen Lohnminderung von 12% ab 01.01.2000 und 24% ab 01.06.2003 jeweils ausgehend von einem bisherigen durchschnittlichen Leistungslohn von 144% angesichts der guten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens der Arbeitgeberin sowie seiner langen Laufzeit - erstmals kündbar nach dem 31.05.2004 zum 31.12.2004 - überschreite und dieser zum anderen entweder gegen § 6.2 Satz 2 in Verbindung mit § 6.1 LRTV II oder gegen den Verfahrensgrundsatz der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoße. Außerdem sei die Einigungsstelle für die Regelung des Wechsels von Leistungs- in Zeitlohn für die T.-Stanzmaschine wegen der noch bestehenden Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 nicht zuständig gewesen, sodass nach allem der Einigungsstellenspruch insgesamt rechtsunwirksam sei.

Gegen diesen ihr am 03.02.2000 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 23.02.2000 Beschwerde eingelegt, die sie am 20.04.2000 innerhalb verlängerter Begründungsfrist ausgeführt hat. Sie meint unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, dass der von der Einigungsstelle beschlossene Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes von Leistungslohn in Zeitlohn unter Berücksichtigung der bei ihr gegebenen betrieblichen Verhältnisse im Einklang mit der Vorschrift des § 2.2.1 LRTV II stehe und die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Einigungsstelle hierbei wegen des Umfangs der mit diesem Wechsel verbundenen Lohnminderung die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten habe, verkenne, dass diese Lohnminderung allein Folge der tariflichen Bestimmungen sei, denen ein unterschiedliches Leistungsniveau (116% Zeitlohn, 130% Leistungslohn) zu Grunde liege und die für den Fall des Wechsels des Entlohnungsgrundsatzes gerade keine Absicherung der Arbeitnehmer vorsähen. Es sei daher sachfremd, wenn das Arbeitsgericht im Rahmen der Überprüfung nach § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG die Lohnhöhe und nicht die Lohngerechtigkeit zum Maßstab für die Berücksichtigung der Arbeitnehmerbelange und damit für den Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes mache. Allein der Umstand, dass eine Regelung denkbar sei, die die Belange der Arbeitnehmer noch umfassender berücksichtige als die unter Ziff. 2. des Einigungsstellenspruchs beschlossene Entgeltanpassung, mache diesen aber noch nicht ermessensmissbräuchlich. Hinsichtlich der langen Laufzeit des Einigungsstellenspruchs habe das Arbeitsgericht unberücksichtigt gelassen, dass diese gerade deshalb gewählt worden sei, um die in Ziff. 2. des Spruchs beschlossene Entgeltanpassung zu Gunsten der Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum abzusichern, sodass auch insoweit entgegen dessen Auffassung eine Ermessensüberschreitung nicht gegeben sei. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs auch entweder aus einem Verstoß gegen § 6.2 LRTV II oder aus einer Verletzung der Aufklärungspflicht hergeleitet, da das Arbeitsgericht, falls es den bestrittenen Vortrag des Betriebsrats, es würde Arbeitsplätze im Sinne von § 6.1 LRTV II bei der Arbeitgeberin geben, als ausreichend erachtet haben sollte, selbst den Sachverhalt hätte aufklären müssen. Soweit das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang rüge, dass die Einigungsstelle dem Beweisantrag des Betriebsrats nicht nachgekommen sei, beziehe es rechtsfehlerhaft den Weg der Entscheidungsfindung der Einigungsstelle in die rechtliche Überprüfung des Einigungsstellenspruchs mit ein. Jedenfalls sei die Nichtberücksichtigung eines Beweisantrags dann kein grober Verstoß gegen verfahrensrechtliche Grundsätze, wenn der Einigungsstellenvorsitzende sich von diesem keinen weiteren oder abweichenden Erkenntnisgewinn verspreche. Ein etwaiger Verstoß gegen die bereits zum 31.12.1999 gekündigt gewesene Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 (T.-Stanzmaschine), der nicht vorliege, weil der Betriebsrat damit einverstanden gewesen sei, dass die von dieser erfassten Arbeitsplätze in den Regelungsgegenstand mit einbezogen würden, könne allenfalls eine auf die Zeit bis zum 31.12.1999 beschränkte Teilunwirksamkeit des Spruchs vom 11.06.1999 zur Folge haben, sodass das Arbeitsgericht nach allem dem Feststellungsantrag zu Unrecht entsprochen habe.

Die Arbeitgeberin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis und in der Begründung für zutreffend und verweist unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens auf seine weiteren gegen die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vorgebrachten Einwendungen. Darüber hinaus macht er geltend, dass die unter Ziff. 4. des Einigungsstellenspruchs enthaltenen Regelungen zur Beurteilung der individuellen Leistungszulage ebenfalls den Tarifvertrag und zudem auch seine Mitbestimmungsrechte aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 10, 94 Abs. 1 und 2 BetrVG verletzen würden sowie die im Einigungsstellenspruch enthaltenen Entgeltregelungen mit § 11 LGRTV I unvereinbar seien.

Die Arbeitgeberin erwidert hierauf, dass ein Verstoß gegen § 11 LGRT VI nicht vorliege, weil der Einigungsstellenspruch den Fall der Abgruppierung und seiner Rechtsfolgen nicht regele. Die unter Ziff. 4. des Einigungsstellenspruchs enthaltenen Regelungen zur Beurteilung der individuellen Leistungszulage seien durch die Bestimmungen des § 10 LRTV II gedeckt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre vorbereitenden Schriftsätze vom 10.04.2000 (ABl. 34 - 69), 03.07.2000 (ABl. 82 - 106 bzw. 107-130, 133), 20.09.2000 (ABl. 138 - 157), 08.01.2001 (ABl. 179-181), 11.01.2001 (ABl. 191, 192) und 15.01.2001 (ABl. 193 - 195), ihre Erklärungen im Anhörungstermin am 19.01.2001 (ABl. 196, 197) sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend verwiesen.

II.

Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem innerhalb der Frist des §76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG eingereichten, auf die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 11.06.1999 gerichteten Antrag des Betriebsrats, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, zu Recht entsprochen.

1. Dem Arbeitsgericht kann allerdings nur im Ergebnis, nicht aber auch in der Begründung gefolgt werden.

a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts überschreitet der Einigungsstellenspruch nicht wegen des Umfangs der mit dem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes von Leistungslohn in Zeitlohn verbundenen Lohneinbußen die Grenzen des der Einigungsstelle zustehenden Ermessens.

Die Ermessensüberprüfung eines Einigungsstellenspruchs hat die Frage zum Gegenstand, ob die Regelung im Ergebnis die Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt und zu einem billigen Ausgleich bringt. Dabei ist zu beachten, dass die Regelung auch den Interessen Rechnung tragen muss, um derentwillen das Mitbestimmungsrecht besteht. Ein Verstoß hiergegen ist etwa dann anzunehmen, wenn der Spruch deutlich erkennbar keine sachgerechte Interessenabwägung enthält, weil die Einigungsstelle die Belange der einen Seite völlig übergangen hat (vgl. BAG AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; AP Nr. 65 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Maßgeblich für diese Beurteilung ist allein der Inhalt des Spruchs. Darauf, welche subjektiven Erwägungen die Entscheidung beeinflusst haben können, kommt es dagegen nicht an.

Vorliegend hatte die Einigungsstelle dem Schutzzweck der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung unter Berücksichtigung des Tarifvorrangs (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG) Rechnung zu tragen. Der Zweck dieses Mitbestimmungsrechts besteht darin, den Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung zu schützen. Es geht um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges sowie die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit, die durch die Mitbestimmung des Betriebsrats gesichert werden soll. Entsprechend dem Sinn des Ausschlusses des Mitbestimmungsrechtes bei einer bestehenden gesetzlichen oder tariflichen Regelung greift der Vorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur ein, wenn die gesetzliche oder tarifliche Regelung die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt und damit schon selbst dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts Genüge tut (BAG AP Nr. 56 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Dies ist vorliegend jedenfalls insoweit der Fall, als der LRTV II die im Betrieb zulässigen Entlohnungsgrundsätze und deren Anwendung sowie in Verbindung mit dem LGRT VI und dem jeweils gültigen Lohnabkommen regelt, welcher Lohn bei Anwendung dieser Entlohnungsgrundsätze jeweils tariflich geschuldet ist. Dies ist ferner insoweit der Fall, als § 2.2.1 LRTV II bestimmt, dass die Arbeit nach dem Entlohnungsgrundsatz entlohnt wird, der eine möglichst leistungsgerechte Entlohnung gewährleistet, wobei betriebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, zu denen auch die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gehört, die durch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gesichert werden soll.

Nach diesen tariflichen Regelungen kann dem Arbeitsgericht aber nicht darin gefolgt werden, wenn es schon im Hinblick auf den Umfang der mit dem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes von Leistungslohn in Zeitlohn verbundenen Lohneinbußen der vom Wechsel betroffenen Arbeitnehmer eine Überschreitung der Grenzen des der Einigungsstelle zustehenden Ermessens gesehen hat. Denn diese Lohneinbußen sind, worauf die Arbeitgeberin zutreffend hingewiesen hat, allein Folge der tariflichen Bestimmungen, denen gemäß §§4, 9, 10 LRTV II ein unterschiedliches Leistungsniveau zu Grunde liegt, die im Übrigen aber bezogen auf die jeweils abverlangte Arbeitsleistung von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Entlohnungsgrundsätze und der diesen jeweils entsprechenden Tariflöhne ausgehen. Letzteres ergibt sich auch daraus, dass die Tarifvertragsparteien für den gemäß §2.3.1 LRTV II grundsätzlich zulässigen Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes anders als für den Fall der Abgruppierung (§ 11 LGRT VI) keine Verdienstsicherung oder sonstige Übergangsregelung vorgesehen haben, nach deren Willen also bei einem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes die für den nunmehrigen Entlohnungsgrundsatz maßgeblichen tariflichen Bestimmungen ohne weiteres und uneingeschränkt zur Anwendung kommen sollen. Auch wenn man hieraus nicht die Schlussfolgerung zieht, dass sich das Mitbestimmungsrecht nach § 2.3.1. LRTV II nicht auch auf die Frage der Absicherung des Verdienstes bzw. der Abmilderung der Lohneinbußen als sogenannte "Annex-Regelung" erstreckt und die unter Ziff. 2. des Spruchs beschlossene Entgeltanpassung daher infolge der Sperrwirkung des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG unwirksam ist (vgl. dazu etwa BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung), erscheint angesichts dieser tariflichen Regelung jedenfalls die Annahme, die Einigungsstelle habe die Grenzen ihres Ermessens deshalb überschritten, weil durch die unter Ziff. 2. des Spruchs getroffene Entgeltanpassung die mit dem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes verbundenen Lohneinbußen nicht ausreichend kompensiert würden, nicht als gerechtfertigt. Denn auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Arbeitgeberin ihr Ziel der Abschaffung des Entlohnungsgrundsatzes Leistungslohn im vollen Umfang erreicht hat, kann auf Grund der unter Ziff. 2. des Spruchs getroffenen Entgeltanpassungsregelungen nach allem nicht die Rede davon sein, dass die Einigungsstelle die Belange der Arbeitnehmer völlig übergangen hat. Diese war insoweit vielmehr ersichtlich um einen angemessenen Interessenausgleich besorgt. Dass eine Regelung denkbar ist, die die insoweitigen Belange der Arbeitnehmer noch umfassender berücksichtigt, macht den Spruch der Einigungsstelle noch nicht ermessensmissbräuchlich. Das Arbeitsgericht übersieht in diesem Zusammenhang auch, dass das Initiativrecht, welches § 2.3.3 LRTV II sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat einräumt und welches die Arbeitgeberin im Streitfall ausgeübt hat, sich gemäß § 2.3.1 LRTV II auch und gerade auf den ganzen Betrieb bezieht, sodass auch nicht aus dem Umstand, dass die Einigungsstelle dem Begehren der Arbeitgeberin hinsichtlich des Wechsels des Entlohnungsgrundsatzes im vollen Umfang entsprochen hat, eo ipso eine Überschreitung der Grenzen ihres Ermessens folgt. Dabei kann mit dem Arbeitsgericht davon ausgegangen werden, dass die Arbeit, die bisher im Leistungslohn vergütet wurde, zumindest theoretisch auch weiterhin im Leistungslohn, also im Akkord- oder Prämienlohn, hätte vergeben werden können. Denn nur in diesem Fall bestand überhaupt die Möglichkeit und damit auch die Erforderlichkeit der Abwägung anhand der hierfür von §2.2.1 LRTV II vorgegebenen Kriterien der "möglichst leistungsgerechten Entlohnung" einerseits und der "betrieblichen Gesichtspunkte "andererseits, wobei der Einigungsstelle jedenfalls ein Beurteilungsspielraum zustand, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der Frage, nach welchem Entlohnungsgrundsatz die Arbeit nach §2.2.1 LRTV II zu entlohnen ist, um eine reine Rechtsfrage handelt (vgl. BAG AP Nr. 6 zu §106 BetrVG 1972).

b) Ein Überschreitung der Grenzen ihres Ermessens durch die Einigungsstelle liegt entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auch nicht darin, dass der Spruch nach der unter Ziff. 5. getroffenen Regelung erstmals nach dem 31.05.2004 zum Jahresende ordentlich kündbar ist.

Da der Spruch der Einigungsstelle nach seinem Rechtscharakter eine Betriebsvereinbarung ist, kann auch die Einigungsstelle gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG die Modalitäten der Kündigung in Abweichung vom Gesetz regeln (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub; AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Das Arbeitsgericht weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Einigungsstelle auch insoweit die Grenzen ihres Ermessens nicht überschreiten darf. Einen solchen Verstoß lässt der Spruch entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts aber schon deshalb nicht erkennen, weil dessen Laufzeit ersichtlich im Kontext zu den unter Ziff. 2. des Spruchs getroffenen Regelungen zur Abmilderung der mit dem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes verbundenen Lohneinbußen steht, deren letzte Stufe überhaupt erst ab dem 01.06.2003 beginnt und erkennbar zu Gunsten der Arbeitnehmer jedenfalls bis zum 31.12.2004 mit zwingender Wirkung abgesichert werden sollte. Außerdem betrifft die im Betrieb der Arbeitgeberin streitige Frage, welcher oder welche Entlohnungsgrundsätze in diesem anzuwenden sind, einen Gegenstand, der sowohl im Interesse der Arbeitnehmer als auch im Interesse der Arbeitgeberin eine auf einen längeren Zeitraum angelegte Regelung erfordert, die beiden Seiten Planungssicherheit bietet und den Betriebsfrieden gewährleistet. Sollte eine außergewöhnliche Änderung der Umstände zu Lasten eines Betriebspartners eintreten, so besteht immer die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung des Spruchs. Der Hinweis des Betriebsrates, dass ihm während der Laufzeit des Spruchs das Initiativrecht nach §2.3.3 LRTV II genommen werde, kann schon deshalb nicht zum Maßstab dafür genommen werden, ob der Spruch der Einigungsstelle insoweit die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschreitet, weil dieses Initiativrecht ebenso wie das aus § 87 Abs. 1 BetrVG immer seine Grenze an bestehenden Betriebsvereinbarungen findet, deren Änderung also nicht gegen den Willen des Betriebspartners notfalls über die Einigungsstelle durchgesetzt werden kann, wie gerade auch aus der Regelung des §77 Abs. 5 BetrVG folgt, nach der die Betriebspartner auch und gerade in Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hat, die ordentliche Kündigung der getroffenen Vereinbarung generell oder für eine gewisse Zeit ausschließen können. Insofern ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats also bereits verbraucht (vgl. etwa BAG AP Nr. 3 zu §87 BetrVG 1972 Initiativrecht).

c) Die Unwirksamkeit des Spruchs lässt sich auch nicht ganz oder teilweise daraus herleiten, dass die Einführung des Zeitlohns für alle ehemals im Leistungslohn beschäftigten Arbeitnehmer entweder gegen § 6.2 Satz 2 LRTV II verstößt oder aber eine Verletzung des Verfahrensgrundsatzes der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts durch die Einigungsstelle gegeben ist, wie dies das Arbeitsgericht angenommen hat. Denn hierbei handelt es sich um eine unzulässige Wahlfeststellung.

Auch soweit es um die Frage geht, ob der Inhalt des Spruchs gegen vorrangiges Recht verstößt, kommt es nicht darauf an, ob die Einigungsstelle ihrer Pflicht zur Aufklärung des für die Entscheidung erheblichen Sachverhalts im ausreichenden Maß nachgekommen ist, sondern allein darauf, ob die durch den Spruch getroffene Regelung auf Grund der damals gegebenen Umstände und betrieblichen Verhältnisse tatsächlich gegen vorrangiges Recht verstößt. Auch insoweit geht es daher um eine Kontrolle des Ergebnisses der Tätigkeit der Einigungsstelle, nicht aber um eine Kontrolle ihrer Tätigkeit selbst, da auch eine unterbliebene oder unvollkommene Aufklärung des Sachverhalts zu einem objektiv zutreffenden Ergebnis führen kann, sodass die Gerichte den Sachverhalt selbst aufzuklären haben, wenn nach dem Vorbringen der Beteiligten Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen vorrangiges Recht gegeben sind, was vorliegend aber nicht der Fall ist.

Die Fließ- und Taktarbeit setzt nach der Definition in § 6.1 LRTV II ebenso wie die Fließbandarbeit voraus, dass die Arbeitssysteme (Produktionseinrichtungen) und Arbeitsinhalte räumlich und zeitlich so aufeinander abgestimmt sind (§6.1 Satz 2 LRTV II), dass von der vorgeschriebenen Arbeitsmethode und von dem vorgeschriebenen Arbeitstempo nicht abgewichen werden "kann" (§6.1 Satz 3 LRTV II). Insbesondere aus dieser Verwendung des Wortes "kann" anstelle des Wortes "darf" folgt, dass unter der "zwangsläufig gesteuerten Folge von Arbeitsgängen", die ein Werkstück durchläuft und die von einem oder mehreren Menschen ausgeführt werden müssen (§6.1 Satz 1 LRTV II), nicht eine auf bloße Anweisungen oder Vorgaben beruhende, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht gekoppelte Folge von Arbeitsgängen zu verstehen ist, sondern die Folge der Arbeitsgänge wie bei der Fließbandarbeit durch dahingehende technische Einrichtungen so zwangsgesteuert sein muss, dass eine Abweichung von der vorgegebenen Arbeitsmethode und dem vorgegebenen Arbeitstempo (Taktzeit) nicht möglich ist, ohne dass es zu einer Störung des Produktionsablaufs bis hin zum Produktionsstillstand kommt. Dass es solche Arbeitsplätze im Betrieb der Arbeitgeberin gibt, behauptet aber auch der Betriebsrat nicht. Dass es im Betrieb der Arbeitgeberin in der Straßen-/Linienproduktion zu einem Stillstand kommt, wenn ein für die Produktion benötigtes Teil fehlt, beruht lediglich darauf, dass die einzelnen Arbeitsgänge aufeinander aufbauen. Eine zwangsläufig gesteuerte Folge von Arbeitsgängen im Sinne von § 6.1 LRTV II folgt daraus jedoch noch nicht.

d) Dagegen ist die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Einigungsstelle auf Grund der Betriebsvereinbarung "Prämienentlohnung an der T." vom 25.01.1994 die Zuständigkeit gefehlt habe, auch für die unter diese Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer mit Wirkung vom 01.07.1999 an den Zeitlohn einzuführen, entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin zutreffend. Zwar waren die Betriebspartner nicht daran gehindert, durch Betriebsvereinbarung unter ausdrücklicher oder stillschweigender Aufhebung der Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 auch für diese Arbeitnehmer bereits ab 01.07.1999 den Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes vorzunehmen. Der Einigungsstelle fehlte hierzu aber die Kompetenz, da im Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung insoweit kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gemäß § 2 LRTV II oder § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestand, dieses vielmehr für die Dauer der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994, die erst am 31.12.1999 endete, verbraucht war. Ob die Einigungsstelle im Hinblick darauf, dass die Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 damals bereits gekündigt war, befugt gewesen wäre, die unter diese Betriebsvereinbarung fallenden Arbeitnehmer mit Wirkung vom 01.01.2000 an in ihren Spruch mit einzubeziehen, kann dahinstehen. Denn eine auf die Zeit bis zum 31.12.1999 beschränkte Teilunwirksamkeit kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die unter Ziff. 2. des Spruchs vorgesehene Entgeltanpassung für diesen Fall keine Regelung enthält und auch nicht ohne weiteres angenommen werden kann, dass die Einigungsstelle für die hiervon betroffenen Arbeitnehmer keine der ersten Stufe der Entgeltanpassung entsprechende Regelung vorgesehen hätte. Soweit die Arbeitgeberin die Kompetenz der Einigungsstelle zur Einbeziehung auch der an der T.-Stanzmaschine beschäftigten Arbeitnehmer daraus herleitet, dass die Betriebsparteien den der Einigungsstelle unterbreiteten Regelungsgegenstand einvernehmlich auf diese erstreckt hätten, rechtfertigt dieses keine andere Beurteilung. Denn dass die Betriebsparteien die Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 wirksam aufgehoben hätten, was lediglich durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung hätte geschehen können, behauptet die Arbeitgeberin nicht.

e) Allein mit der somit vom Arbeitsgericht zu Recht in Bezug auf die unter die Betriebsvereinbarung vom 25.01.1994 fallenden Arbeitnehmer angenommene, nicht auf die Zeit bis zum 31.12.1999 beschränkte Teilunwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs lässt sich dessen insgesamte Unwirksamkeit aber nicht begründen, weil der Einigungsstellenspruch auch dann, wenn man die an der T.-Stanzmaschine eingesetzten Arbeitnehmer von seinem Geltungsbereich ausnimmt, eine in sich geschlossene, sinnvolle Regelung enthält. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Einigungsstelle von einem Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes von Leistungs- in Zeitlohn überhaupt Abstand genommen hätte, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass ein solcher Wechsel für die Arbeitsplätze an der T.-Stanzmaschine jedenfalls für die Zeit bis zum 31.12.1999 aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, zumal es sich hierbei lediglich um wenige Arbeitsplätze handelte.

2. Dennoch war die Beschwerde der Arbeitgeberin im vollen Umfang zurückzuweisen, weil der Einigungsstellenspruch jedenfalls deshalb insgesamt unwirksam ist, da er an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet.

a) Ein zur Unwirksamkeit des Spruchs führender schwerer Verfahrensmangel liegt allerdings nicht schon deshalb vor, weil das Einigungsstellenmitglied Z. den Einigungsstellenvorsitzenden unmittelbar vor der Abstimmung über den dem Spruch zu Grunde liegenden Antrag der Arbeitgeberseite nach der bestrittenen Behauptung des Betriebsrats zumindest konkludent wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

Zwar kann auch der Einigungsstellenvorsitzende, der gemäß §76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unparteiisch zu sein hat, in entsprechender Anwendung von §§ 1036 ff. ZPO in Verbindung mit § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sich im Laufe des Einigungsstellenverfahrens Anhaltspunkte für dessen Parteilichkeit ergeben (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle). Dieses Ablehnungsrecht steht aber in entsprechender Anwendung von §§1037 Abs. 2, 42 Abs. 3 ZPO nur den Parteien, hier also den Beteiligten zu, nicht jedoch auch den Beisitzern der Einigungsstelle. Da die vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat bestellten Beisitzer nicht deren Vertreter sind (vgl. BAG AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972; AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle), kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Einigungsstellenmitglied Z. die Rüge der Besorgnis der Befangenheit namens und in Vollmacht des Betriebsrats erhoben hat. Der Annahme einer auch nur konkludenten dahingehenden Erklärung des Beisitzers Z. steht entgegen, dass die Rüge der Besorgnis der Befangenheit durch diesen nach dem Vorbringen des Betriebsrats kurz vor bzw. unmittelbar vor der Abstimmung der Einigungsstelle erhoben wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Einigungsstelle bereits in Abwesenheit der Betriebsparteien tätig zu sein hatte und ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 11.06.1999 auch tätig war. Dass der behaupteten Rüge auch ein entsprechender Beschluss des Betriebsrats zu Grunde lag, ist dessen Vorbringen noch weniger zu entnehmen.

Selbst wenn man zu Gunsten des Betriebsrats unterstellt, dass die Rüge der Besorgnis der Befangenheit ordnungsgemäß namens und in Vollmacht des Betriebsrats erhoben wurde, würde dies im Streitfall ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Spruchs führen. Zwar läge in der völligen Übergehung der Rüge durch die Einigungsstelle ein schwerer Verfahrensmangel, weil diese jedenfalls in entsprechender Anwendung von §1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Entscheidung über die Ablehnung hätte treffen müssen. In entsprechender Anwendung der zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Wartepflicht des §47 ZPO entwickelten Rechtsgrundsätze wäre dieser Verfahrensmangel aber als geheilt anzusehen. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist nämlich ein Verstoß gegen §47 ZPO dadurch nachträglich heilbar, dass das Ablehnungsgesuch später als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Unterbleibt eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch aus prozessualen Gründen, so ist über den Verstoß gegen §47 ZPO selbstständig im Rechtsmittelverfahren über die Hauptsache zu entscheiden (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., Rnrn. 4 - 7 zu §47). Hieraus folgt für den Streitfall, dass im Anfechtungsverfahren nach §76 Abs. 5 BetrVG eine sachliche Überprüfung der Befangenheitsgründe vorzunehmen ist, wenn über den Befangenheitsantrag eine Entscheidung in dem überwiegender Auffassung nach (vgl. BAG AP Nr. 2 zu §76 BetrVG 1972 Einigungsstelle) hierfür zu beschreitenden Verfahren nach §98 ArbGG nicht ergeht, weil der betroffenen Partei die Durchführung dieses Verfahrens nicht möglich oder zuzumuten war (so auch Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., Rn. 21 zu §76; a.A. LAG Köln AP Nr. 6 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle für den Fall der unrichtigen Behandlung des Befangenheitsgesuchs durch die Einigungsstelle), wovon vorliegend im Hinblick darauf, dass die Einigungsstelle unmittelbar nach der Anbringung des Befangenheitsgesuchs in der Sache einen Spruch gefällt hat, auszugehen ist.

Diese sachliche Überprüfung ergibt, dass die vom Betriebsrat vorgebrachten Ablehnungsgründe nicht geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Einigungsstellenvorsitzenden zu begründen (§42 Abs. 2 ZPO). Als solche kommen nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei ruhiger und vernünftiger Betrachtung Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Einigungsstellenvorsitzenden zu zweifeln. Solche sind im Streitfall weder dargetan noch glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 ZPO). Dass sich der Einigungsstellenvorsitzende am 11.06.1999 nach der Ablehnung des Kompromissvorschlags des Betriebsrats durch die Arbeitgeberin über einen längeren Zeitraum in das separate Besprechungszimmer der Arbeitgeberin begeben hat, könnte nach dem Verständnis einer ruhig und vernünftig denkenden, an einem Einigungsstellenverfahren beteiligten Betriebspartei nur dann Anlass geben, an dessen Unparteilichkeit zu zweifeln, wenn es sich hierbei um eine einseitige Verfahrensweise gehandelt hätte. Denn es ist gerade die Aufgabe eines Einigungsstellenvorsitzenden, notfalls auch in getrennten Beratungen mit den Betriebsparteien Einigungsmöglichkeiten auszuloten und auf diese jeweils einzuwirken, dass sich diese von ihren jeweiligen Vorstellungen zumindest teilweise lösen und sich den Vorstellungen der anderen Betriebspartei mit dem Ziel der Erreichung eines Konsenses annähern oder diese ihre Vorstellungen zumindest in Richtung einer Regelung fortentwickeln, der er im Falle des Scheiterns einer Einigung zwischen den Betriebsparteien und zwischen den Einigungsstellenmitgliedern bei der dann gemäß § 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG erforderlich werdenden Beschlussfassung seine Stimme geben kann. Dies folgt daraus, dass die Einigungsstelle unter Entscheidungszwang steht, also den ihr unterbreiteten Konflikt durch eine Sachentscheidung lösen muss, wobei gerade durch das in der Praxis übliche Verfahren der getrennten Beratung mit den Betriebsparteien am ehesten erreicht wird, dass die Einigungsstelle trotz Scheiterns der Einigungsbemühungen in die Lage versetzt wird, eine Regelung zu beschließen, die die Belange beider Seiten angemessen berücksichtigt. Davon, dass der Vorsitzende im Streitfall zu Lasten des Betriebsrats von dieser Verfahrensweise abgewichen ist und lediglich die getrennte Beratung mit der Arbeitgeberin gesucht hat, kann aber nicht ausgegangen werden. Vielmehr ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 11.06.1999, dessen Richtigkeit insoweit auch nicht bestritten ist, dass der Einigungsstellenvorsitzende zwischen den getrennt beratenden Gremien pendelte und unter Berücksichtigung weiterer Einigungsvorschläge der Betriebsparteien eine Annäherung der beiderseitigen Standpunkte und eine Einigung vergeblich zu erreichen suchte. Selbst wenn der Einigungsstellenvorsitzende entsprechend der ersichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellten Behauptung des Betriebsrats, die dieser demgemäß in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht am 16.01.2001 auch nicht weiter zu substanziieren vermocht hat, der Arbeitgeberseite bei der Formulierung des letztendlich angenommenen Antrags im Rahmen einer getrennten Beratung mit dieser geholfen hätte, wäre dieses Verhalten unter Berücksichtigung seiner vorstehend dargelegten Funktion, nach dem Scheitern der außerhalb und innerhalb der Einigungsstelle erfolgten Einigungsbemühungen wenigstens dafür Sorge zu tragen, dass der Einigungsstelle Regelungsvorschläge unterbreitet werden, denen er bei einer - im Streitfall erkennbar notwendig werdenden - zweiten Abstimmung seine Zustimmung geben kann, daher ebenfalls nicht geeignet, auch vom Standpunkt des Betriebsrats aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an dessen Unparteilichkeit zu begründen. Auch soweit der Betriebsrat dem Einigungsstellenvorsitzenden schließlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorwirft, ist sein Vorbringen nicht geeignet, den Verdacht der Befangenheit nahe zu legen. Denn dass den Betriebsparteien nicht nur in einem ausreichenden Maße Gelegenheit gegeben wurde, ihre gegensätzlichen Ansichten darzulegen und zum jeweiligen Vorbringen der Gegenseite Stellung zu nehmen, folgt nicht nur aus den Sitzungsprotokollen der Einigungsstelle, sondern auch aus dem im Tatbestand im einzelnen wiedergegebenen umfangreichen, der Vorbereitung der einzelnen Sitzungen der Einigungsstelle dienenden Schriftwechsel. Daraus, dass der Einigungsstellenvorsitzende den vom Betriebsrat gegen den Wechsel des Entlohnungsgrundsatzes vorgebrachten Argumenten nicht gefolgt ist, ergibt sich nicht, dass er diese nicht zur Kenntnis genommen hat, sondern nur, dass er diese anders gewertet und gewichtet hat als der Betriebsrat, was eine Befangenheitsbesorgnis nicht rechtfertigt.

b) Der Einigungsstellenspruch ist jedoch deshalb wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers unwirksam, weil die Einigungsstelle am 11.06.1999 über den vom Betriebsrat in dieser Sitzung gestellten Antrag nicht abgestimmt hat.

§ 76 BetrVG enthält für das Verfahren, das die Einigungsstelle zu beachten hat, keine umfassende Regelung. Vielmehr schreibt § 76 Abs. 3 BetrVG lediglich die mündliche Verhandlung, das Abstimmungsverfahren und die Niederlegung sowie Zuleitung der Beschlüsse vor. Damit gewährt das Betriebsverfassungsgesetz der Einigungsstelle im Interesse effektiver Schlichtung einen Freiraum, der jedoch nicht unbeschränkt ist, sondern durch allgemein anerkannte elementare Verfahrensgrundsätze begrenzt ist, wie sich aus dem Rechtsstaatsgebot des Artikel 20 GG und der Funktion der Einigungsstelle als eines normsetzenden Organs ergibt (vgl. etwa BAG AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972; AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle). Zu den danach von der Einigungsstelle zu beachtenden Grundsätzen gehört nach Auffassung des Beschwerdegerichts auch, dass über einen von mehreren zur Abstimmung gestellten Anträgen jedenfalls nicht in die zweite Abstimmung eingetreten werden darf, bevor nicht auch über die anderen Anträge eine - erste - Abstimmung herbeigeführt worden ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im Streitfall - von der einen Seite ein auf einen Beschluss in der Sache gerichteter Antrag und von der anderen Seite ein auf weitere Sachaufklärung abzielender Antrag zur Abstimmung gestellt wird, der schon von der Logik her an sich vor dem Sachantrag zu bescheiden ist. Denn bei einer solchen Konstellation ist ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten der Einigungsstellenmitglieder keineswegs von vornherein auszuschließen, womit es unvereinbar ist, mit der ausschlaggebenden Stimme des Vorsitzenden in der zweiten Abstimmung einen Spruch gemäß dem Sachantrag zu fällen, ohne dass die Einigungsstelle zuvor über den Verfahrensantrag abgestimmt hat.

Die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellten Einigungsstellenmitglieder sind - wie vorstehend bereits ausgeführt - nicht deren Vertreter, sondern trotz ihrer Nähe zu derjenigen Betriebspartei, die sie jeweils bestellt hat, frei von Weisungen. Sie sollen die streitige Regelungsfrage unabhängig von Festlegungen der Betriebsparteien und mit einer gewissen Distanz zu deren Positionen behandeln und entscheiden können (BAG AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle). Diese gewisse innere Unabhängigkeit der Beisitzer von der Betriebspartei, die sie jeweils bestellt hat, ist naturgemäß hinsichtlich bloßer Verfahrensfragen stärker ausgeprägt als hinsichtlich der streitigen Regelungsfrage selbst, sodass es durchaus denkbar ist, dass ein Einigungsstellenmitglied, welches zunächst für eine bestimmte Regelung in der Sache, die aber nicht die Stimmenmehrheit gefunden hat, gestimmt hat, in der anschließenden Abstimmung über den Verfahrensantrag auch für diesen stimmt, sei es, weil es - bezogen auf den Streitfall - für sich selbst noch einen gewissen Aufklärungsbedarf sieht, sei es, weil es sich von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts doch noch die Möglichkeit eines Kompromisses verspricht. Erst recht gilt dies für den Fall, dass zunächst der Verfahrensantrag zur Abstimmung gestellt wird, also für das Einigungsstellenmitglied noch nicht die innere "Zwangslage" besteht, eine von ihm möglicherweise noch für verbesserungsbedürftig gehaltene Sachregelung als geringeres "Übel" mittragen zu müssen. Aus diesem Grunde ist es daher verfahrensfehlerhaft, wenn der Einigungsstellenvorsitzende ausweislich Ziff. 3. der Gründe des Spruchs vom 11.06.1999 eine getrennte Abstimmung über den Antrag der Betriebsratsseite nicht für erforderlich gehalten hat, weil die mit seiner Stimme erfolgte Zustimmung zum Arbeitgebervorschlag zugleich dessen Ablehnung beinhaltet habe.

Eine andere Beurteilung ist im Streitfall auch nicht deshalb angezeigt, weil der Antrag der Betriebsratsseite so formuliert war, dass über diesen seinem Wortlaut nach erst nach Zurückweisung des Antrags der Arbeitgeberin zu beschließen war. Denn nach seinem Inhalt und insbesondere dem mit ihm verfolgten Zweck der weiteren Sachverhaltsaufklärung und einer erst daran anschließenden, dem Ergebnis dieser Sachaufklärung entsprechenden Sachentscheidung konnte dieser in entsprechender Anwendung von § 133 BGB vernünftigerweise jedenfalls nicht dahingehend verstanden werden, dass dieser nur dann zur Abstimmung kommen soll, wenn der Antrag der Arbeitgeberin auch in der zweiten Abstimmung unter der Teilnahme des Vorsitzenden keine Mehrheit findet und damit abgelehnt wird. Vielmehr war dieser als erkennbar zumindest gleichrangig gewollter Antrag jedenfalls vor der zweiten Abstimmung über den Antrag der Arbeitgeberin zur Abstimmung zu stellen, nachdem letzterer in der ersten Abstimmung keine Mehrheit gefunden hatte. Da dies nicht geschehen ist, liegt somit ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der zur Unwirksamkeit des Spruchs führt. Denn es ist völlig offen, welches Abstimmungsergebnis der Antrag der Betriebsratsseite gefunden und welchen Inhalt der Spruch der Einigungsstelle gehabt hätte, wenn diese gemäß dem Antrag der Betriebsratsseite verfahren wäre und zunächst weitere Sachverhaltsaufklärung vorgenommen hätte.

3. Die Beschwerde der Arbeitgeberin war daher, ohne dass es auf weiteres angekommen wäre, zurückzuweisen.

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 1 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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