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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.10.2007
Aktenzeichen: 5 TaBV 1/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 38 Abs. 2 S. 4
BetrVG § 38 Abs. 2 S. 5
BetrVG § 38 Abs. 2 S. 6
1. Nach § 38 Absatz 2 Satz 5, 6 in Verbindung mit Satz 4 BetrVG hat die Einigungsstelle darüber zu befinden, ob die Wahl eines freizustellenden Betriebsratsmitgliedes sachlich nicht vertretbar ist. Ihre Entscheidung kann vom Arbeitsgericht daraufhin überprüft werden, ob sie den unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich nicht vertretbar" verkannt oder den Minderheitenschutz beachtet hat.

2. Antragsbefugt im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sind nicht einzelne Betriebsratsmitglieder, die an der Freistellungswahl teilgenommen haben, sondern nur dasjenige Betriebsratsmitglied, das in seiner Rechtsposition Freistellung durch den Spruch der Einigungsstelle betroffen ist.

3. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung, mit der auf eine an sich dem Betriebsrat zustehende Freistellung verzichtet wird, ist nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn es dafür sachliche Gründe gibt, die der Annahme entgegenstehen, es sei einziger Zweck der Betriebsvereinbarung, das freigestellte Betriebsratsmitglied nachträglich seines Rechts zu entheben.


Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.11.2006 - Aktenzeichen 28 BV 149/06 - abgeändert:

Die Anträge werden abgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Zwischen den Beteiligten des Beschlussverfahrens sind die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs und einer Betriebsvereinbarung im Streit.

Im Betrieb der Antragsgegnerin (nachfolgend Arbeitgeberin) fanden am 08.05.2006 Wahlen zum Betriebsrat (Beteiligter Ziff. 6, weiterer Antragsgegner) statt. Die 654 wahlberechtigten Arbeitnehmer wählten 11 (drei weibliche, acht männliche) Betriebsratsmitglieder in der Zusammensetzung, die sich aus Seite 3 der Wahlniederschrift ergibt (vgl. Anlage 1, Bl. 10 und 12 der Akten 1. Instanz). In der konstituierenden Sitzung des Betriebsrates am 11.05.2006 wurden der Betriebsrat F. als Vorsitzender und die Betriebsrätin E. als Stellvertreterin gewählt. In der Sitzung vom 17.05.2006 fand die Wahl der zwei freizustellenden Betriebsratsmitglieder statt. Hierzu reichten die Antragsteller Ziff. 1 und 2 sowie zwei weitere Betriebsratsmitglieder eine Liste 1 als Wahlvorschlag ein, auf der der Betriebsrat H. (Antragsteller Ziff. 3) und die Betriebsrätin D. (Antragstellerin Ziff. 2) benannt sind (vgl. Anlage 3, Bl. 16 der Akten 1. Instanz). Gleichzeitig wurde geheime Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl beantragt. Die übrigen Betriebsratsmitglieder legten ihrerseits eine Liste vor, auf der der Betriebsratsvorsitzende und seine Stellvertreterin für die Freistellung vorgeschlagen wurden. Der Vorschlag der Minderheit (Liste 1) erhielt vier Stimmen, der Mehrheitsvorschlag (Liste 2) sieben Stimmen. Als freizustellende Betriebsratsmitglieder waren damit nach dem Höchstzahlverfahren nach d' Hondt der Betriebsratsvorsitzende F. (Liste 2) und der Betriebsrat H. (Liste 1) gewählt.

Die Arbeitgeberin forderte vom Betriebsrat eine Nachwahl, weil eine Beratung mit ihr vor der Wahl nicht stattgefunden habe. Abgestimmt gewesen sei, dass der bisherige stellvertretende Betriebsratsvorsitzende H. seine bisher inne gehabte Freistellung noch bis zum Jahresende 2006 fortführen werde, um sie dann an die neue stellvertretende Vorsitzende E. zu übergeben. Eine Wiederholungswahl fand nicht statt. Am 31.05.2006 rief die Arbeitgeberin die Einigungsstelle an, die am 13.06.2006 zusammentrat. Auf Betriebsratsseite nahmen der Betriebsratsvorsitzende F. sowie der Betriebsrat K. teil, der mit anderen am 17.05.2006 die Liste 1 vorgeschlagen und Verhältniswahl beantragt hatte. Entsprechend dem Antrag der Arbeitgeberin beschloss die Einigungsstelle:

"Die zweite Freistellung wird ab sofort von Herrn H. auf die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Frau E. übertragen".

Das Abstimmungsergebnis lautete im ersten Abstimmungsdurchgang drei Stimmen dafür, eine Stimme dagegen, eine Enthaltung (vgl. Protokoll der Einigungsstellensitzung gem. Anlage 5, Bl. 19 der Akten 1. Instanz).

Am 23.06.2006 leiteten die Antragsteller Ziff. 1 bis 4 das vorliegende Beschlussverfahren ein. Die Antragsschrift wurde der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat am 30.06.2006 zugestellt.

Mit Schreiben vom 11.07.2006 erklärte die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende gegenüber dem Betriebsrat ihren Verzicht auf die Freistellung unter der Voraussetzung, dass eine entsprechende Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber unterzeichnet werde (Bl. 65 der Akten 1. Instanz). Am 12.07.2006 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder", wegen deren gesamten Inhaltes auf Anlage AG 2, Bl. 39 und 40 der Akten 1. Instanz verwiesen wird. Auszugsweise lautet die Betriebsvereinbarung wie folgt:

1. Verzicht auf eine Freistellung

Der Betriebsrat verzichtet darauf, mehr als eine/n freigestellte(n) Betriebsrat/in zu wählen. Der Arbeitgeber nimmt den Verzicht an. Die bereits erfolgte Wahl des Vorsitzenden als freigestelltes Betriebsratsmitglied bleibt unberührt.

2. Ausnahmen

Der Arbeitgeber verpflichtet sich, die Stellvertretung des Betriebsratsvorsitzenden in folgenden Fällen von der Arbeit freizustellen:

- Vertretung in Abwesenheit (Urlaub, Krankheit, Seminar, etc.)

- auf Anforderung des Vorsitzenden

Die Antragsteller halten sich für berechtigt, den Spruch der Einigungsstelle anzufechten, weil nur so dem gesetzlich verankerten Minderheitenschutz des § 38 Abs. 2 Satz 6 i. V. m. Satz 1 BetrVG Rechnung getragen werden könne. Wie in einem Wahlanfechtungsverfahren würden die wahlberechtigten bzw. wählbaren Betriebsratsmitglieder den Minderheitenschutz und mithin eigene Rechte zum Schutz ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition geltend machen. Der Spruch der Einigungsstelle vom 13.06.2006 sei bereits deshalb unwirksam, weil diese unzuständig gewesen sei. Es hätten keine Gründe vorgelegen, welche die Freistellung des Betriebsrats H. als sachlich nicht vertretbar im Sinne des Gesetzes hätten erscheinen lassen. Der Arbeitgeberin gehe es einzig und allein darum, den Block der gewerkschaftszugehörigen- oder nahen Betriebsratsmitglieder zurückzudrängen. Ausschließlich aus diesem Grund sei auch die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 zustande gekommen: Es gehe nicht darum, die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder zu verringern, sondern darum, über einen in Wirklichkeit gerade nicht gegebenen Verzicht die Freistellung "auf Anforderung des Vorsitzenden" auf seine Stellvertreterin zu verlagern.

Die Antragsteller haben erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass der Spruch der von der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff. 6 eingesetzten Einigungsstelle vom 13.06.2006 unwirksam ist;

hilfsweise,

festzustellen, dass die zwischen der Antragsgegnerin und dem Beteiligten Ziff. 6 abgeschlossene Betriebsvereinbarung "über die Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder" vom 12.07.2006 unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin und der Beteiligte Ziff. 6 haben beantragt,

den Hauptantrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat dies auch in Bezug auf den Hilfsantrag beantragt.

Der Betriebsrat hat eingewendet, auf die Überprüfung der Entscheidung der Einigungsstelle per Beschluss vom 21.06.2006 verzichtet zu haben. Am 12.07.2006 habe er beschlossen, bis zu den Neuwahlen im Jahre 2010 auf eine zweite Freistellung zu verzichten. Die stellvertretende Vorsitzende werde nur bei Abwesenheit des Vorsitzenden freigestellt oder stundenweise auf Anforderung des Vorsitzenden.

Die Arbeitgeberin hat die fehlende Aktivlegitimation der Antragsteller gerügt. Es fehle ihnen an einer subjektiven Rechtsposition bzw. an einer eigenen Beschwer. Aus einer etwaigen Berechtigung zur Anfechtung der Freistellungswahl des Betriebsrats folge keine Anfechtungsbefugnis im Hinblick auf den Beschluss der Einigungsstelle vom 13.06.2006. Für die Zuständigkeit der Einigungsstelle seien Zweifel des Arbeitgebers an der Freistellungsentscheidung ausreichend. Inhaltlich sei der Spruch der Einigungsstelle nicht zu beanstanden, weil der Minderheitenschutz keine Priorität genieße. Bereits das Abstimmungsergebnis von drei zu eins belege, dass die Entscheidung den betrieblichen Erfordernissen entspreche. Einem Block von Betriebsratsmitgliedern gehe es darum, Gewerkschaftsinteressen trotz der angespannten Situation des Unternehmens durchzudrücken und rein gesellschaftspolitisch motivierte Themen auf dem Rücken des Unternehmens und der Belegschaft auszutragen. Der Hauptantrag der Antragsteller habe sich durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 erledigt. Für die Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds sei kein Raum mehr. Der Betriebsrat habe durch den Abschluss der verzichtenden Betriebsvereinbarung einen Sparbeitrag im Hinblick auf den zu erwartenden Arbeitsplatzabbau erbracht. Die Ausnahmeregelung solle lediglich sicherstellen, dass es nicht zu einem Verzicht auf die notwendige Zusammenarbeit des Betriebsratsvorsitzenden mit seiner Stellvertreterin komme.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.11.2006 dem Hauptantrag der Antragsteller, der Beteiligten Ziff. 1 bis 4 stattgegeben. Über den Hilfsantrag hatte es nicht (mehr) zu entscheiden. Zur Antragsbefugnis der Antragsteller hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Überprüfbarkeit des Einigungsstellenspruches dürfe nicht grundsätzlich für einzelne Betriebsratsmitglieder, die eine Minderheit im Gremium bildeten, ausgeschlossen sein. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es darum gehe, ob die Einigungsstelle Rechtsfragen zutreffend beantwortet hat und sich die Minderheit darauf berufe, das Mehrheitsstimmrecht in der Einigungsstelle nach § 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG führe zu einem Aushebeln des Minderheitsschutzes. Die Meinungsverschiedenheit bestehe vorliegend nicht zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin, sondern zwischen der Minderheit auf der einen Seite und Betriebsrat und Arbeitgeberin auf der anderen Seite. Das Verfahren nach § 38 Abs. 2 BetrVG müsse rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen entsprechen. Die Antragsteller Ziff. 1 und 2 hätten den Wahlvorschlag Liste 1 eingeführt und die Verhältniswahl beantragt, woraus sich ihre Antragsbefugnis ergebe. Der Antragsteller Ziff. 3, das Betriebsratsmitglied H., habe mit seiner Wahl einen hieraus abgeleiteten Individualanspruch auf Freistellung erworben. Die Antragsbefugnis des Antragstellers Ziff. 4 ergebe sich aus seiner Eigenschaft als Wahlbeteiligter. Der Hauptantrag sei auch begründet, da Gründe, die die Freistellung des gewählten Betriebsrats H. als sachlich nicht vertretbar erscheinen ließen, nicht gegeben seien. Weder der Wunsch nach einer weiblichen Freizustellenden noch das Begehren, es solle sich um den Vorsitzenden oder die Stellvertreterin bei der Person des zweiten freizustellenden Mitglieds handeln, seien zwingende betriebliche Notwendigkeiten, die der Freistellung des Betriebsrats H. entgegenstünden. Die Befürchtung zusätzlicher Kostenbelastung sei eine bloße Unannehmlichkeit, die nicht maßgeblich sei. Darüber hinaus hätte die Einigungsstelle - wenn überhaupt - die Kandidatin Nr. 2 der Liste 1, die Betriebsrätin D., anstatt des Betriebsratsmitglieds H. freistellen müssen, um den in der Verhältniswahl liegenden Minderheitenschutz angemessen zu berücksichtigen. Der Hauptantrag sei auch nicht deshalb erledigt, weil die Entscheidung der Einigungsstelle bereits aus anderen Gründen keine Wirksamkeit mehr entfalte. Die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 könne ein erledigendes Ereignis nicht darstellen, weil sie unwirksam sei. Der Betriebsratsbeschluss, der der Betriebsvereinbarung zugrunde liege sei rechtsmissbräuchlich, da die Betriebsratsmehrheit die Vertreter der Minderheitsliste bewusst habe ausschalten wollen. Dies habe bereits der Verfahrensablauf indiziert. Die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 sei darauf angelegt, die überraschende Freistellung eines Vertreters der Minderheitsgruppe zu verhindern. Darüber hinaus beinhalte die Betriebsvereinbarung auch keinen Verzicht auf eine Freistellung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG. Die Ausnahmen vom Verzicht auf eine Freistellung führten letztlich doch zu einer Freistellung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, weil sie über § 37 Abs. 2 BetrVG hinausgingen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 30.11.2006 Bezug genommen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 28.12.2006 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Landesarbeitsgericht am 23.01.2007 eingegangene und am 29.03.2007 ausgeführte Beschwerde. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, sowohl Haupt- als auch Hilfsantrag seien unzulässig. Das Arbeitsgericht gestehe den Antragstellern rechtsfehlerhaft eine Berechtigung zur Überprüfung des Spruchs der Einigungsstelle zu. Sie seien aber in ihrer betriebs-verfassungsrechtlichen Rechtsstellung gerade nicht betroffen und könnten daher nach der Systematik des § 76 BetrVG auch keinen Antrag auf Überprüfung des Spruchs der Einigungsstelle stellen. Das einzelne Betriebsratsmitglied erwerbe erst nach seiner Wahl gem. § 38 Abs. 2 BetrVG einen hieraus abgeleiteten individualrechtlichen Anspruch auf Freistellung, der jedoch gerade kein betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch sei. Das Arbeitsgericht habe insoweit Antragsbefugnis und Beteiligungsbefugnis verwechselt. Weiter folge die Unzulässigkeit auch daraus, dass gerade nicht die Minderheit als Ganzes die vorliegenden Anträge gestellt habe. Das Arbeitsgericht habe im Übrigen verkannt, dass der Einigungsstelle hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffes der "sachlichen Nichtvertretbarkeit" ein weiter Beurteilungsspielraum zustehe. Rechtsfehlerhaft setze das Arbeitsgericht seine eigene Auffassung, wonach die Freistellung des Betriebsratsmitglieds H. nicht sachlich unvertretbar sei, an die Stelle der Auffassung der Einigungsstelle. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sich der Hauptantrag im Hinblick auf die am 12.07.2006 abgeschlossene Betriebsvereinbarung erledigt. Dies führe bereits mangels rechtlichen Interesses der Antragsteller an der begehrten Entscheidung zur Unzulässigkeit des Hauptantrages auch aus diesem Grund. Unzutreffend sei die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 sei wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Hintergrund für den Abschluss dieser Betriebsvereinbarung sei seitens des Betriebsrats und der Arbeitgeberin der Umstand gewesen, dass im Unternehmen ein erheblicher Arbeitsplatz- und Personalabbau aufgrund des anstehenden Verlustes eines wesentlichen Kunden bevorgestanden habe. Mit der Betriebsvereinbarung habe der Betriebsrat ein Signal setzen wollen, dass auch er einen Betrag zur Kostensenkung und einen Sparbeitrag leiste. Zugleich hätte aber sichergestellt werden sollen, dass die notwendige Zusammenarbeit im Vertretungsfall gewährleistet und aufrechterhalten werde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Betriebsvereinbarung auch nicht die Freistellungswahl nach § 38 Abs. 2 BetrVG korrigieren sollen: Man habe nur den gesetzlichen Regelfall des § 37 Abs. 2 BetrVG wiedergegeben. Eine neue oder geänderte Teilfreistellung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden sei gerade nicht geschaffen worden.

Die Antragsgegnerin/Beschwerdeführerin beantragt,

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30.11.2006, Aktenzeichen 28 BV 149/06, wird abgeändert.

2. Die Anträge werden zurückgewiesen.

Der Betriebsrat/Beteiligte Ziff.6 schließt sich den Anträgen an.

Die Antragsteller Ziff. 1, Ziff. 2, Ziff. 3 und Ziff. 4/Beschwerdegegner beantragen,

die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsteller haben sich darauf berufen, sehr wohl antragsbefugt zu sein, da sie als einzelne Betriebsratsmitglieder an der Freistellungswahl mitgewirkt hätten und daher in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen seien. Darüber hinaus seien sie dies auch als Vertreter der Minderheitenliste. In einem Wahlanfechtungsverfahren ergebe sich die Antragsbefugnis unmittelbar aus der Anfechtungsberechtigung ohne ein daneben erforderliches gesondertes Rechtsschutzinteresse. Zu Recht habe das Arbeitsgericht befunden, dass die Einigungsstelle durch ihren Spruch, die Freistellung des Betriebsratsmitglieds H. sei "sachlich nicht vertretbar", ihren Beurteilungsspielraum überschritten habe. Der Rechtsmittelverzicht vom 21.06.2006 mit sieben zu vier Stimmen könne nur für das Gremium selbst wirken, nicht jedoch für einzelne Betriebsratsmitglieder. Die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 sei von der Betriebsratsmehrheit bewusst zur Ausschaltung der Vertreter der Minderheitsliste von einer Freistellung abgeschlossen worden. Außerdem sei diese Betriebsvereinbarung auch aus einem anderen Grunde unwirksam, der vom Arbeitsgericht nicht gewürdigt geworden sei: Zum Zeitpunkt des 12.07.2006 seien der Betriebsratsvorsitzende F. und das Betriebsratsmitglied H. für die Dauer der gesamten Amtszeit des Betriebsrats freigestellt gewesen aufgrund der Wahl vom 17.05.2006. Inzidenterweise enthalte daher die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 die Abberufung der Freistellung des Betriebsratsmitglieds H.. Zwar sei diese grundsätzlich jederzeit möglich, nach § 38 Abs. 2 Satz 8 BetrVG i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG wäre dafür jedoch eine Mehrheit von 3/4 der Stimmen der Mitglieder des Betriebsrats in geheimer Abstimmung notwendig gewesen, da die Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt worden sei. Außerdem hätte die Besetzung der verbleibenden Freistellung eine Neuwahl erfordert. Beides sei hier nicht geschehen und dieser Mangel führe zusätzlich zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung und des ihr zugrundeliegenden Betriebsratsbeschlusses.

Der Betriebsrat hat ausgeführt, es sei bei dem Verzicht auf die zweite Freistellung um einen Beitrag zur Kostensenkung im Unternehmen gegangen. Nachdem ein wichtiger Kunde mit 12-monatiger Kündigungsfrist zum 30.06.2007 sein Vertragsverhältnis gekündigt habe, sei die wirtschaftliche Notwendigkeit auch eines Beitrages des Betriebsrats gesehen worden. Im Übrigen sei es auch die Zahl der Arbeitnehmer zurückgegangen, nämlich auf 580, so dass ohnehin fraglich erschienen sei, ob die Staffel nach § 38 Abs. 1 BetrVG über die gesamte Amtszeit des Betriebsrats Geltung haben würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in erster und zweiter Instanz nebst den Anlagen und das Protokoll über die Anhörung der Beteiligten vom 05.10.2007 gem. § 87 Abs. 2 i. V. m. §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO Bezug genommen.

B.

Die gem. § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Der Hauptantrag vom 23.06.2006 ist von Anfang an unzulässig, soweit er von den Antragstellern, den Beteiligten Ziff. 1, Ziff. 2 und Ziff. 4 gestellt wurde, da ihnen die Antragsbefugnis fehlt. Der Antragsteller Ziff. 3 hatte zwar zum Zeitpunkt der Antragstellung am 23.06.2006 über die erforderliche Antragsbefugnis verfügt, der ursprünglich zulässige Antrag wurde jedoch durch den Abschluss der rechtswirksamen Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 unzulässig, da das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers Ziff. 3 damit entfallen ist.

I.

Die Antragsteller, die Beteiligten Ziff. 1, Ziff. 2 und Ziff. 4 waren zur Einleitung des Beschlussverfahrens nicht antragsbefugt. Lediglich der Antragsteller und Beteiligte Ziff. 3 war am 23.06.2006 antragsbefugt.

1. Ein Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller die Antragsbefugnis besitzt. Die Antragsbefugnis entspricht der Prozessführungsbefugnis im Zivilprozess. Antragsbefugt ist nur, wer aus dem Rechtsverhältnis unmittelbar berechtigt und verpflichtet ist (Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Auflage 2004, § 81 Rn. 52). Unabhängig von einer persönlichen Betroffenheit ist ein einzelnes Betriebsratsmitglied berechtigt, die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 BetrVG anzufechten. Die Anfechtung kann darauf gestützt werden, dass wesentliche Wahlvorschriften, insbesondere der Grundsatz der Verhältniswahl verletzt sind (vgl. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 9. Auflage, § 38 Rn. 82; Fitting, BetrVG, 23. Auflage, § 38 Rn. 105 ff.). Die Überprüfung eines Spruchs der Einigungsstelle unterliegt regelmäßig nur der Antragsbefugnis des Arbeitgebers und des Betriebsrats, nicht aber einzelner durch den Spruch betroffener Arbeitnehmer. Einzelne Arbeitnehmer können beteiligungsbefugt sein, wenn sie durch die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle unmittelbar betroffen werden: Etwa Betriebsratsmitglieder in den Fällen der §§ 37 Abs. 6 Satz 4 und 38 Abs. 2 Satz 5 BetrVG (vgl. GK - BetrVG, Band II, 8. Auflage, § 76 Rn. 117 ff.; Fitting, a. a. O., § 76 Rn. 100). Hat der Spruch der Einigungsstelle eine Rechtsfrage, z. B. die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, zum Gegenstand, unterliegt er zeitlich unbefristet in vollem Umfang der gerichtlichen Rechtskontrolle (BAG, Beschluss vom 11.07.2000, 1 ABR 43/99, Juris). Die Einigungsstelle entscheidet über die Rechtsfrage, ob die Auswahl des/der Freizustellenden sachlich vertretbar ist, ob also bei der Auswahlentscheidung die zwingenden betrieblichen Notwendigkeiten ausreichend berücksichtigt worden sind (vgl. Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Auflage, § 38 Rn. 41). Der Anspruch auf Freistellung steht dem Betriebsrat, nicht jedoch von vorneherein dem einzelnen Betriebsratsmitglied zu (Fitting, a. a. O., § 38 Rn. 7; Erfurter Kommentar, 7. Auflage 2007, § 38 Rn. 1; Däubler/Kittner/Klebe, a. a. O., § 38 Rn. 5). Das einzelne Betriebsratsmitglied erwirbt erst nach einem entsprechenden Beschluss des Betriebsrates einen hieraus abgeleiteten Individualanspruch auf Freistellung.

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist lediglich für den Antragsteller Ziff. 3 eine Antragsbefugnis gegeben, nicht jedoch für die Antragsteller Ziff. 1, 2 und 4. Mit der Wahl vom 17.05.2006 zum zweiten freigestellten Betriebsratsmitglied gem. § 38 Abs. 1 BetrVG hat der Antragsteller Ziff. 3, das Betriebsratsmitglied H., einen individualrechtlichen Anspruch auf Freistellung erworben. Diese Rechtsstellung des Antragstellers Ziff. 3 lebt dann wieder auf, wenn der Spruch der Einigungsstelle vom 13.06.2006 unwirksam ist. In dieser, durch die Wahl erworbenen Rechtsstellung ist der Antragsteller Ziff. 3 unmittelbar betroffen durch den Spruch der Einigungsstelle, mit dem an seine Stelle die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende E. gesetzt wurde. Den Antragstellern Ziff. 1, 2 und 4 vorliegend eine Antragsbefugnis einzuräumen würde bedeuten, die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Rechtsüberprüfung systemwidrig auszuweiten. Auf betriebsratsinterne Wahlen findet § 19 BetrVG analoge Anwendung, so auch auf die Wahl der von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder (vgl. BAG vom 15.01.1992, EZA § 19 BetrVG 1972 Nr. 37). Die Wahl vom 17.05.2006 bietet unstreitig keine Gründe für eine Anfechtung, da sie korrekt verlaufen ist und aus Sicht der Antragsteller Ziff. 1, 2, 3 und 4 zu einem korrekten Ergebnis nach durchgeführter Verhältniswahl geführt hat. Die Möglichkeit zur Anrufung der Einigungsstelle nach § 38 Abs. 2 Satz 4 BetrVG stellt ein Schutzrecht des Arbeitgebers und seiner Interessen dar .Im Falle der Überprüfung der bereits erfolgten Wahl des/der freizustellenden durch die Einigungsstelle ist die durchgeführte Wahl lediglich eine Vorstufe, während die Einigungsstelle eine verbindliche Regelung schafft (vgl. GK-BetrVG, 8. Auflage Band I, § 38 Rn. 104). Der Gegenstand der Einigungsstelle ist festgelegt auf die Überprüfung der sachlichen Nichtvertretbarkeit, so dass grundsätzlich (mindestens) ein konkretes Betriebsratsmitglied zur Disposition steht (je nach Anzahl der Freizustellenden gegebenenfalls auch mehrere Gewählte). Bestätigt die Einigungsstelle die Bedenken des Arbeitgebers, ist das/die zur Disposition stehende(n) Betriebsratsmitglied/er unmittelbar betroffen, niemand sonst. Denn nur das bereits zur Freistellung gewählte Mitglied hat eine schützenswerte Rechtsposition, einen individuellen Anspruch gegen den Arbeitgeber, den es in der Vorstufe, mit der Wahl der Freistellung erworben hat (vgl. GK-BetrVG, a. a. O., § 38 Rn. 9; Fitting, a. a. O., § 38 Rn. 7). Diesen Individualanspruch betrifft die Entscheidung der Einigungsstelle unmittelbar, wenn sie die Bedenken des Arbeitgebers teilt und ein anderes Mitglied des Betriebsrates freistellt, wie es ihre Aufgabe ist (vgl. Fitting, a. a. O., § 38 Rn. 66; GK- BetrVG, a. a. O., § 38, Rn. 58 ff.). Auch für die Mindermeinung von Kreutz in GK-BetrVG, 8. Auflage, § 76 Rn. 149, der sich das Arbeitsgericht angeschlossen hat, wird unmittelbare Betroffenheit durch die Feststellung der Einigungsstelle sowohl für die Antragsbefugnis wie für die Beteiligungsbefugnis im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Überprüfung des Spruchs der Einigungsstelle vorausgesetzt.

Nicht zuletzt würde eine den Antragstellern Ziff. 1, 2 und 4 zugestandene Antragsbefugnis auch dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, Popularverfahren auszuschließen (Fitting, a. a. O. Nach § 1 Rn.25; Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, a. a. O., Rn. 56).

II.

Dem Arbeitsgericht ist vollumfänglich in seinen Ausführungen zu folgen, soweit es den Spruch der Einigungsstelle vom 13.06.2006 für unwirksam erachtet hat, weil die Einigungsstelle die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraumes verletzt hat.

1. Betriebliche Notwendigkeiten sind nicht mit betrieblichen Interessen oder Bedürfnissen gleichzusetzen. Nicht entscheidend ist, was für den Betrieb zweckmäßig ist. Dem Betriebsrat (und damit im Falle des § 38 Abs. 2 Satz 4 und 5 BetrVG auch der Einigungsstelle) sind bei der Auswahlentscheidung nur Grenzen gesetzt, soweit dringende betriebliche Gründe bestehen, die den zwingenden Vorrang vor dem Interesse des Betriebsrats an der Freistellung gerade dieses Mitglieds haben. Weder die Wunschbesetzung der zweiten Freistellung mit einem weiblichen Betriebsratsmitglied noch die Kostenbelastung, wenn neben Vorsitzendem und dessen Stellvertreter noch ein weiteres Betriebsratsmitglied dem produktiven Prozess im Betrieb nicht zur Verfügung steht, was bei einer gewünschten Personalunion entfiele, sind solche dringenden betrieblichen Gründe. Den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts schließt sich die Kammer vollumfänglich an.

2. Soweit die Arbeitgeberin der Auffassung ist, das Arbeitsgericht hätte rechtsfehlerhaft seine Auffassung an die Stelle derjenigen der Einigungsstelle gesetzt, ist dies kein zum Erfolg führender Einwand. Der Spruch der Einigungsstelle über die Rechtsfrage (und um eine solche handelt es sich; vgl. nur GK-BetrVG,a. a. O. § 76 Rn. 138) der sachlichen Nichtvertretbarkeit der Auswahlentscheidung unterliegt einer umfassenden Rechtskontrolle. Das Arbeitsgericht hat die Rechtslage selbst zu entscheiden, der Spruch kann nicht nur wegen Unzuständigkeit der Einigungsstelle oder Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, sondern auch wegen unrichtiger Entscheidung der Rechtsfrage unwirksam sein (GK- BetrVG, a. a. O., § 76 Rn. 150; BAG vom 11.07.2000 , 1 ABR 43/99, Juris).

III.

Die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 13.06.2006 hat zur Folge, dass die Übertragung der Freistellung vom Antragsteller Ziff. 3, dem Betriebsratsmitglied H., auf die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende E. ex tunc unwirksam ist. Damit hatte zum Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens am 23.06.2006 der Antragsteller Ziff. 3 die Position eines freigestellten Betriebsratsmitglieds.

Die bereits unter I. festgestellte Antragsbefugnis des Antragstellers Ziff. 3 ist jedoch mit Abschluss der Betriebsvereinbarung über die Zahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder vom 12.07.2006 entfallen, da ab diesem Zeitpunkt ein Rechtsschutzinteresse des Beteiligten Ziff. 3 nicht mehr bestanden hat. Die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 ist nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.

1. Rechtsmissbrauch bezeichnet den Tatbestand der missbilligten Inanspruchnahme eines Rechts, unzulässige Rechtsausübung die Rechtsfolge, dass die Ausübung oder Durchsetzung (zumindest zeitweilig) verwehrt wird. Ein Fall von unzulässiger Rechtsausübung ist gegeben, wenn die Rechtsausübung als solche zu missbilligen ist, entweder weil die Rechtsausübung der Art oder den Begleitumständen nach ungehörig ist oder weil ihr überhaupt kein schutzwürdiges Interesse des Ausübenden zugrunde liegen kann, ihr einzig möglicher Effekt mithin die Benachteiligung der Betroffenen ist (vgl. Münchener Kommentar, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 4. Auflage 2003, Rn. 211). Diese Fallgruppe überschneidet sich zumindest teilweise mit der Schikane des § 226 BGB, dessen Tatbestand von dem weiteren des § 242 mit umfasst wird. Als objektives Merkmal muss nach der gesamten Sachlage bei verständiger Würdigung jeder sonstige Zweck als die Benachteiligung eines anderen ausgeschlossen ist. (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, a. a. O., § 242 Rn. 211; § 226 Rn. 3). Die Rechtsausübung ist missbräuchlich, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt, wenn also die Ausübung eines Rechts als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke dient (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, 66. Auflage 2007, § 242 Rn. 50). Ist nach Lage der gesamten Umstände ein anderer Zweck als Schadenszufügung objektiv ausgeschlossen, verstößt die Rechtsausübung gegen Treu und Glauben. Macht jemand subjektiv aus zu missbilligenden oder verwerflichen Gründen von seinem Recht Gebrauch, genügt dies nicht zur Annahme unzulässiger Rechtsausübung. Es muss vielmehr feststehen, dass die Rechtsausübung dem Berechtigten objektiv keinen Vorteil bringen kann, somit keinerlei schützenswertes Interesse dafür besteht und lediglich zur Schädigung eines anderen taugt.

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend weder in dem Beschluss des Betriebsrats, die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 mit dem Arbeitgeber abzuschließen noch in der Betriebsvereinbarung selbst eine unzulässige Rechtsausübung zu sehen.

a) Die Antragsteller Ziff. 1 bis 4, die gewerkschaftszugehörig oder gewerkschaftsnah zur Minderheit im Betriebsrat gehören, haben geltend gemacht, ausschließlicher Grund für den Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 und den in ihr vereinbarten Verzicht auf die zweite Freistellung gem. § 38 Abs. 1 BetrVG sei, die Minderheit im Betriebsrat zurückzudrängen. Das Arbeitsgericht ist dieser Auffassung gefolgt vor dem Hintergrund der Zeitabläufe: Nachdem der Spruch der Einigungsstelle vom 13.06.2006 durch die Antragsteller Ziff. 1 bis 4 angegriffen worden sei durch Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens, sei die Betriebsvereinbarung am 12.07.2006, also in einem sehr nahen zeitlichen Zusammenhang abgeschlossen worden. Das Gericht hat dabei darauf abgestellt, dass dieser Zeitablauf den Rechtsmissbrauch indiziert. Dies insbesondere deshalb, weil zu keinem vorherigen Zeitpunkt die zweite Freistellung aus Kostengründen in der Diskussion gewesen sei. Schließlich sei dann der Abschluss der Betriebsvereinbarung und der Verzicht hierauf als letztes Mittel gesehen worden, um die Freistellung des (unerwünschten) Betriebsratsmitglieds H. zu verhindern.

b) Arbeitgeberin und Betriebsrat haben zur Begründung für den Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 den für sinnvoll und notwendig erachteten Beitrag des Betriebsrats zur Kostensenkung in wirtschaftlich schwieriger Situation des Unternehmens angegeben. Unstreitig, nämlich auch von den Antragstellern nicht bestritten, haben im Verlauf des Jahres 2006/2007 Wegfall von Arbeitsplätzen und Personalabbau stattgefunden. Es waren zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl am 08.05.2006 noch 654 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung am 05.10.2007 haben die Beteiligten des Verfahrens die Arbeitnehmerzahl mit 580 angegeben. Dies ist ein Personalabbau im Umfang von gut 10 %. Unstreitig ist außerdem, dass die Arbeitgeberin im Vorfeld der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder Zustimmung erteilt hatte zu der auch betriebsratsintern erfolgten Absprache, dass der frühere stellvertretende Betriebsratsvorsitzende H. noch bis zum Jahresende 2006 freigestellt bleibt und die Freistellung dann an die neue stellvertretende Betriebsratsvorsitzende E. übergeben würde. Unstreitig (und darüber hinaus Streitpunkt im Zusammenhang mit der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "sachliche Nichtvertretbarkeit") ist außerdem, dass die Arbeitgeberin die zweite Freistellung mit der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden mit Kostengesichtspunkten begründet hat. Eine wirtschaftliche Belastung wurde darin gesehen, dass neben Vorsitzendem und stellvertretender Vorsitzender, die zeitlich ohnehin erheblich durch Betriebsratsarbeit belastet sind, ein weiteres Betriebsratsmitglied durch die Freistellung quasi dem produktiven Prozess im Unternehmen entzogen sei. Zwar handelt es sich bei dieser Argumentation nicht um eine dringende betriebliche Notwendigkeit im Sinne des unbestimmten Rechtsbegriffes der sachlichen Nichtvertretbarkeit, wie bereits oben unter II. 1. ausgeführt wurde, aber es handelt sich um Erwägungen des Arbeitgebers, denen der Betriebsrat nach dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit gem. § 2 BetrVG durchaus Rechnung tragen kann, wenn er dies seinerseits für geboten hält. Die Kostenüberlegung war also bereits bei der vor der Freistellungswahl getroffenen Absprache zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat ein Kriterium, das zumindest aus Arbeitgebersicht erhebliche Bedeutung hatte und dem sich der Betriebsrat nicht verschließen wollte.

Auch in der letzten Wahlperiode waren Vorsitzender und Stellvertreter die freigestellten Betriebratsmitglieder. Ganz unabhängig von den Personen und auch unabhängig von Gewerkschaftsnähe oder -ferne war diese personelle Konstellation als solche offensichtlich von der Arbeitgeberin wieder gewollt - und nicht etwa erst nach der durchgeführten Freistellungswahl und in Ansehung der Personen oder der Mehrheitsverhältnisse.

Zwar ist zuzugeben, dass der Zeitpunkt zu dem die Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde, nämlich 12 Tage nach Kenntnis des Arbeitgebers und des Betriebsrates von der Einleitung eines Beschlussverfahrens zur Überprüfung des Spruchs der Einigungsstelle durch die Antragsteller Ziff. 1 bis 4 in enger zeitlicher Nähe steht. Allerdings haben Arbeitgeberin und Betriebsrat im Anhörungstermin zur Beschwerdeverhandlung am 05.10.2007 ausgeführt, dass um bestimmte Kunden teilweise über etliche Monate hinweg gekämpft wurde, um deren Wegfall zu verhindern und die Beschäftigungssituation und die Auftragslage zu sichern. Vor dem Hintergrund dieses dynamischen Prozesses darf es Arbeitgeber und Betriebsrat nicht verwehrt sein, Maßnahmen zu treffen, an die sie wenige Wochen zuvor noch nicht gedacht haben.

Die Kammer konnte vor diesen Hintergründen nicht erkennen, dass die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 ausschließlich zu dem Zweck abgeschlossen wurde, dass zweite freizustellende Betriebsratsmitglied H. seines diesbezüglichen Rechtes zu entheben oder die Minderheit im Betriebsrat zurückzudrängen.

c) Die Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil bei einer Abberufung des im Wege der Verhältniswahl gewählten Betriebsratsmitgliedes H. eine 3/4-Mehrheit erforderlich gewesen wäre. Die Abberufung als betriebratsinterner Vorgang ist Voraussetzung für eine Neuwahl eines (anderen) Freizustellenden (Fitting, a. a. O., § 38 Rn. 75 mit weiteren Nachweisen). Um zu verhindern, dass hierbei nach vorheriger Verhältniswahl der Minderheitenschutz umgangen wird, ist das qualifizierte Quorum zu beachten, wenn ein Austausch von freizustellenden Betriebsratsmitgliedern erfolgen soll. Vorliegend wird aber endgültig auf eine zweite Freistellung ganz verzichtet, so dass diesem Schutzgedanken keine Bedeutung zukommen kann. Für die Verzichtsentscheidung als Voraussetzung für den Abschluss der Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber reicht die Mehrheitsentscheidung aus, die hier wirksam herbeigeführt wurde.

3. Es kann auch in der vereinbarten Ausnahmeregelung der Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 keine Umgehung des Verzichts und eine "de-facto" - Freistellung für die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende durch die Voraussetzung "auf Anforderung des Vorsitzenden" gesehen werden. Die Regelung Ziff. 2 in der Betriebsvereinbarung gibt lediglich die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 2 BetrVG wieder, wonach Mitglieder des Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien sind, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Befreiung und Freistellung von der beruflichen Tätigkeit sind keine Gegensätze; sie bedeuten beide die Entbindung von der durch den Arbeitsvertrag festgelegten Funktion (GK, BetrVG, a. a. O., § 38 Rn. 7). Sie unterscheiden sich dadurch, dass nach § 37 Abs. 2 BetrVG eine Arbeitsbefreiung nur dann zulässig ist, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung von Betriebsratsaufgaben erforderlich ist, während nach § 38 Abs. 1 BetrVG die Erforderlichkeit unwiderleglich vermutet wird und nicht mehr zu prüfen ist (vgl. BAG vom 22.05.1973, EZA § 38 BetrVG 1972 Nr. 4; Erfurter Kommentar, 7. Auflage, § 38 BetrVG Anmerkung 1). Befreiung und Freistellung von der beruflichen Tätigkeit unterscheiden sich weiter hinsichtlich der Rechtsfolgen in der Weise, dass die Befreiung von der beruflichen Tätigkeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG in der Regel auf die Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe beschränkt und damit vorübergehend ist, die Freistellung dagegen auf Dauer unabhängig von der Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe erfolgt (GK-BetrVG, 8. Auflage, § 38 Rn. 7).

a) Zwar haben die Betriebspartner in der unter Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung vom 12.07.2006 formulierten Ausnahme den Begriff "freistellen" verwendet. Zugleich haben sie dies jedoch auf Fälle begrenzt, nämlich die Vertretung bei Abwesenheit wie Urlaub, Krankheit, Seminar, etc. des Vorsitzenden und auf Anforderung durch den Vorsitzenden. In ergänzender Auslegung zu Ziff. 1 der Betriebsvereinbarung kann dies nur dahingehend verstanden werden, dass die Arbeitsbefreiung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden der generellen Zulässigkeitsprüfung unterliegen soll: Sie muss nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung von Betriebsratsaufgaben erforderlich sein. Der erste Unterfall der Ausnahme (Vertretung in Abwesenheit des Vorsitzenden) durch die stellvertretende Vorsitzende gibt nur die Regelung des § 26 Abs. 2 BetrVG wieder, wonach im Falle der Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden sein Stellvertreter ihn vertritt. Dabei ist der stellvertretende Vorsitzende des freigestellten Vorsitzenden nicht automatisch selbst freigestellt (vgl. GK-BetrVG, a. a. O., § 26 Rn. 63). Grundsätzlich führt die zeitweilige Verhinderung des Vorsitzenden zu einer Aufspaltung seiner Vertretung: In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Betriebsrates tritt sein Stellvertreter an seine Stelle, im Übrigen rückt das nach § 25 Abs. 2 BetrVG in Betracht kommende Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach. Durch die Verhinderung verliert das Betriebsratsmitglied nicht seine Rechtstellung als freigestelltes Betriebsratsmitglied, so dass auch nicht für die Zeit der Verhinderung die Zahl der nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG freizustellenden Betriebsratsmitglieder unterschritten wird und anstelle des verhinderten Betriebsratsmitgliedes ohne Vorliegen besonderer Gründe ein Anderes freigestellt werden kann (BAG vom 22.05.1973, EZA § 38 BetrVG 1972 Nr. 4; Fitting, a. a. O., § 38 Anmerkung 27). Die Ausnahmeregelung unter Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung macht erkennbar von diesen Grundsätzen keine Ausnahme. Trotz der verwendeten Begriffe "freistellen" will sie nichts anderes regeln, als den Anspruch der stellvertretenden Vorsitzenden auf Arbeitsbefreiung aus konkretem Anlass nach § 37 Abs. 2 BetrVG.

b) Auch der zweite Unterfall der Ausnahmeregelung, nämlich die Anforderung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden durch den Vorsitzenden, eröffnet lediglich die durch konkreten Anlass erforderliche Arbeitsbefreiung. Der Begriff der Anforderung indiziert eine Begründungspflicht. Die Arbeitgeberin ist zur Arbeitsbefreiung der stellvertretenden Vorsitzenden nur verpflichtet, wenn der Betriebsratsvorsitzende dies verlangt und wenn die Erforderlichkeit dieses Verlangens für die jeweilige konkrete Aufgabe in dem Sinne besteht, dass die Arbeitsbefreiung der Durchführung dieser Aufgabe dient (Fitting, a. a. O., § 37, Rn. 21). Die Ausnahmeregelung kann weder dahingehend ausgelegt werden, dass die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende ihrer Verpflichtung enthoben ist, ihre jeweilige Arbeitsbefreiung einer Erforderlichkeitsprüfung zu unterziehen noch kann ihr entnommen werden, dass sie ihrer Abmeldeverpflichtung enthoben ist. Die Ausnahmeregelung nimmt der Arbeitgeberin auch nicht das Recht, etwa wegen betrieblicher Notwendigkeiten die Unabkömmlichkeit der Frau E. zu dem betreffenden Zeitpunkt ihrer Anforderung durch den Betriebsratsvorsitzenden geltend zu machen. Trotz des hier missverständlich verwendeten Begriffs "freistellen" statt "befreien" geht die Ausnahmeregelung nicht über § 37 Abs. 2 BetrVG hinaus.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin waren daher die Anträge auch des Antragstellers Ziff. 3 abzuweisen, da er seit dem 12.07.2006 kein Rechtsschutzinteresse mehr hatte.

IV.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 2 Abs. 2 GKG).

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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