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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 17.04.2000
Aktenzeichen: 6 Sa 102/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 611 a
BGB § 611 a Abs. 1
BGB § 611 a Abs. 1 Satz 3
BGB § 611 a Abs. 2
BGB § 611 a Abs. 2 Satz 1
BGB § 611 a Abs. 3
BGB § 611 a Abs. 4
BGB § 611 b
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ArbGG § 61 b
ArbGG § 61 b Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 Sa 102/99

verkündet am 17.04.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg -6. Kammer- durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stolz, den ehrenamtlichen Richter Muhl und den ehrenamtlichen Richter Niefer auf die mündliche Verhandlung vom 17.04.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.08.1999 - 28 Ca 2626/99 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Entschädigung wegen Benachteiligung bei einer Einstellungsentscheidung.

Die Beklagte ist eine Holding AG, sie gehört zu einer Unternehmensgruppe, in der insgesamt 18 Gesellschaften verbunden sind, die sich mit Herstellung, Vertrieb und Verarbeitung von Fußbodenbelägen befassen.

Am 01.08.1998 erschien in der Stuttgarter Zeitung folgende Anzeige:

"Wir sind eine schnellwachsende Unternehmensgruppe in Württemberg mit mehr als einer halben Milliarde DM Umsatz. Im Rahmen der Umstrukturierung suchen wir:

Für eine einheitliche Ausrichtung des gesamten Personalwesens die Leiterin Personalwesen."

Mit Schreiben vom 04.08.1998 bewarb sich der Kläger auf die ausgeschriebene Stelle.

Die Wirtschaftsprüfer der Beklagten teilten mit Schreiben vom 13.08.1998 mit, dass der Kläger bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle nicht habe berücksichtigt werden können.

Der Kläger begehrte daraufhin am 18.08.1998 Auskunft über die Auftraggeberin für die Stellenausschreibung. Auf die Klage vom 13.11.1998 beim Landgericht Stuttgart (Az. 19 O 314/98) wurde am 14.01.1999 die Beklagte als Auftraggeberin mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 27.01.1999 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von DM 315.155,00 auf.

Mit der am 31.03.1999 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter.

Der Kläger hat vorgetragen, er sei bei der Bewerbung um die Personalleiterstelle auf Grund seines Geschlechtes als Mann benachteiligt worden. Das ergebe sich schon aus der Formulierung der Anzeige, mit der ausdrücklich eine Personalleiterin gesucht werde. Für die Benachteiligung spreche auch die kurzfristige Absage. Die Kürze der Zeitspanne lasse vermuten, dass eine inhaltliche Prüfung der Bewerbung nicht stattgefunden habe. Zwischenzeitlich sei eine Frau Werner als Personalleiterin der Beklagten tätig. Aus seinen Bewerbungsunterlagen ergebe sich auch, dass der Kläger der am besten qualifizierte Bewerber sei. Bei benachteiligungsfreier Auswahl wäre er eingestellt worden. Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte sich entschlossen habe, die Personalleiterstelle nicht zu besetzen, er hält im Übrigen eine solche Entscheidung für unerheblich.

Bei der Berechnung der Entschädigung geht der Kläger davon aus, dass er im angestrebten Arbeitsverhältnis einschließlich Kfz-Nutzung monatlich DM 17.421,00 brutto verdient hätte, somit begehrt er als Diskriminierungsentschädigung den vierfachen Betrag in Höhe von 69.684,00 DM. Er legt weiter zu Grunde, dass im angestrebten Arbeitsverhältnis eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Quartalsende üblich gewesen sei, die sich im konkreten Fall dann auf 9 Monate belaufen habe. Er begehrt somit Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von 9 Brutto-Monatsgehältern abzüglich des tatsächlichen anderweitigen Verdienstes, die Differenz belaufe sich auf 78.438,00 DM. Des Weiteren begehrt der Kläger ein Jahresgehalt in Höhe von DM 209.052,00 als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes, auf welchen er sich beworben habe. Dazu käme noch der Ersatz von Kosten in Höhe von 50,00 DM, die ihm durch die Bewerbung und die Geltendmachung seiner Ansprüche entstanden seien.

Der Kläger hat in erster Instanz daher folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Gesamtentschädigung in Höhe von DM 315.149,00 zu bezahlen nebst

1. 6,25 % Zinsen aus 19.300,00 DM für die Zeit vom 21.08.1998 bis 22.09.1998,

2. 6,25 % Zinsen aus 23.807,00 DM für die Zeit vom 23.09.1998 bis 04.11.1998,

3. 6,25 % Zinsen aus 24.807,00 DM für die Zeit vom 05.11.1998 bis 26.05.1999,

4. 5,75 % Zinsen aus 24.807,00 DM für die Zeit ab dem 27.05.1999,

5. 7,60 % Zinsen aus 27.955,95 für die Zeit vom 01.08.1998 bis 31.08.1998,

6. 7,60 % Zinsen aus 27.559,29 DM für die Zeit vom 01.09.1998 bis 30.09.1998,

7. 7,60 % Zinsen aus 27.159,88 DM für die Zeit vom 01.10.1998 bis 31.10.1998,

8. 7,60 % Zinsen aus 26.757,82 DM für die Zeit vom 01.11.1998 bis 30.11.1998,

9. 7,60 % Zinsen aus 26.353,21 DM für die Zeit vom 01.12.1998 bis 31.12.1998,

10. 7,60 % Zinsen aus 25.943,46 DM für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.01.1999,

11. 7,60 % Zinsen aus 25.531,12 DM für die Zeit vom 01.02.1999 bis 28.02.1999,

12. 7,60 % Zinsen aus 25.116,17 DM für die Zeit vom 01.03.1999 bis 31.03.1999,

13. 7,60 % Zinsen aus 24.698,59 DM für die Zeit vom 01.04.1999 bis 30.04.1999,

14. 7,60 % Zinsen aus 24.278,36 DM für die Zeit vom 01.05.1999 bis 31.05.1999,

15. 7,60 % Zinsen aus 26.860,12 DM für die Zeit ab dem 01.05.1999,

16. 4,00 % Zinsen aus dem die Ziffern 1 bis 15 jeweils übersteigenden Rest der Hauptforderung ab dem 21.08.1998.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Schadensersatz von DM 50,00 nebst 4 v. H. Zinsen hieraus seit dem 21.08.1998 zu bezahlen.

Der Kläger beantragt hilfsweise,

die Beklage zu verurteilen, dem Kläger eine Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden in Höhe von 12 Monatsgehältern, mit also DM 209.052,00 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte entgegnet, ein Anspruch des Klägers sei weder dem Grund noch der Höhe nach gegeben. Zum einen sei der Anspruch nicht fristwahrend im Sinne von § 611 a Abs. 4 BGB erhoben worden, im Übrigen sei der Kläger in keiner Weise benachteiligt, weil die Personalleiterstelle von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt besetzt worden sei und auch künftig nicht besetzt werde. Alle Bewerber/innen hätten am 13.08.1999 eine Absage erhalten. Es sei zwar tatsächlich beabsichtigt gewesen, eine zentrale Personalleiterposition bei der Dienstleistungstochter, der R. Service GmbH mit Zuständigkeit für das gesamte Personalwesen der Unternehmensgruppe anzusiedeln. In diesem Zusammenhang hätten dann die Manager Sch. und Krume die Werbeagentur der Beklagten beauftragt, diverse Stellananzeigen aufzugeben. So sei es zu der Anzeige vom 01.08.1998 in der Stuttgarter Zeitung gekommen. Es habe sich aber gezeigt, dass wegen der Vielfältigkeit der Beteiligungsgesellschaften eine einheitliche Zusammenlegung nicht realisierbar sei. Der Vorstand der Beklagten habe deswegen in einer der wöchentlichen Besprechungen am 24.07.1998 diese Ideen verworfen und das Konzept nicht umgesetzt. Nach wie vor werde das Personalwesen dezentral durch die einzelnen Geschäftsführer der Tochtergesellschaften oder auch durch die Bauleiter erledigt, bezogen auf die AG erledige das der Vorstand in Person des Finanzvorstandes Herrn Distel. Bei Frau Werner handle es sich um die langjährige Sekretärin des Finanzvorstandes Distel. Sie nehme keine personalpolitischen Aufgaben wahr. Vielmehr sei bei ihr der Posteingang angesiedelt und sie lade auf Anweisung des Vorstandes Distel zu Bewerbungsgesprächen ein oder sage ab.

Im Übrigen hätte die Beklagte keineswegs mehr als 10.000,00 DM brutto als Vergütung für die Personalleiterstelle bezahlt.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Werner. Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19.08.1999 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, nach § 611a Abs. 3 BGB müsse eine Benachteiligung in der Auswahl, bei welcher das Geschlecht negativ berücksichtigt werde, liegen. Finde aber eine Auswahl oder eine Vereinbarung im Sinne des Gesetzes gar nicht statt, entfalle gleichzeitig eine Benachteiligung. Die Behauptungen der darlegungsbelasteten Beklagten, dass das Konzept der Schaffung einer zentralen Personalleiterstelle noch vor Schaltung der Anzeige wieder fallen gelassen worden sei und auch Frau Werner nicht als Personalleiterin beschäftigt werde, seien nach der Beweisaufnahme bestätigt worden. Durch die Vernehmung der Zeugin sei die Vermutung des Klägers widerlegt, die Zeugin Werner sei Inhaberin der Personalleiterstelle, auf die sich der Kläger beworben habe. Gleichzeitig sei dadurch der Vortrag der Beklagten gestützt worden, dass sie beschlossen habe, die Personalleiterstelle gar nicht einzurichten. Aus diesen Gründen sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers nicht gegeben.

Gegen dieses dem Kläger am 08.10.1999 zugestellte Urteil hat er am 02.11.1999 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 14.01.2000 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ausgeführt.

Der Kläger ist der Ansicht, § 611a BGB diene dem wirksamen Rechtsschutz vor Diskriminierung wegen des Geschlechts zu jedem Zeitpunkt des Bewerbungsverfahrens. Hierbei sei es unerheblich, ob und zu welchem Zeitpunkt die Beklagte ihre angebliche Entscheidung getroffen habe, die zentrale Personalleiterstelle überhaupt nicht mehr zu schaffen und zu besetzen. die Diskriminierung beginne bereits in dem Moment, in dem das Geschlecht eines Bewerbers in irgendeiner Form Anteil an einer Entscheidung haben könne. Eine Benachteiligung liege entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht erst bei einer abschließenden Auswahl durch die Beklagte vor, sie beginne bereits mit dem Entschluss des Arbeitgebers, eine Stelle nur ausschließlich mit einem Mann oder einer Frau zu besetzen. Gegen die Entscheidung der Beklagten vom 24.07.1998 spreche auch das Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft vom 24.08.1998, worin ausgeführt werde, dass die Qualifikation des Klägers für die ausgeschriebene Stelle als nicht ausreichend angesehen werde. Auch werde bestritten, dass Frau Werner nicht Personalleiterin der Beklagten sei, sie sei auf Grund verschiedener Umstände als unglaubwürdig anzusehen.

Der Kläger hat daher folgende Anträge gestellt:

1) Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.08.1999 (Az.: 28 Ca 2626/99) verurteilt, an den Kläger 357.224,00 DM nebst

(a) 6,25 v. H. Zinsen aus 19.300,00 DM für die Zeit vom 21.08.99 bis zum 22.09.99,

(b) 6,25 v. H. Zinsen aus 23.807,00 DM für die Zeit vom 23.09.98 bis 04.11.98,

(c) 3,25 v. H. Zinsen aus 24.807,00 DM für die Zeit vom 05.11.98 bis 26.05.98,

(d) 5,75 v. H. Zinsen aus 24.807,00 DM für die Zeit seit dem 27.05.99,

(e) 7,60 v. H. Zinsen aus 28.020,73 DM für die Zeit vom 01.08.98 bis 31.08.98,

(f) 7,60 v. H. Zinsen aus 27.627,53 DM für die Zeit vom 01.09.98 bis 30.09.98,

(g) 7,60 v. H. Zinsen aus 27.231,84 DM für die Zeit vom 01.10.98 bis 31.10.98,

(h) 7,60 v. H. Zinsen aus 26.833,65 DM für die Zeit vom 01.11.98 bis 30.11.98,

(i) 7,60 v. H. Zinsen aus 26.432,94 DM für die Zeit vom 01.12.98 bis 31.12.98,

(j) 7,60 v. H. Zinsen aus 26.029,69 DM für die Zeit vom 01.01.99 bis 31.01.99,

(k) 7,60 v. H. Zinsen aus 25.623,88 DM für die Zeit vom 01.02.99 bis 28.02.99,

(l) 7,60 v. H. Zinsen aus 25.215,50 DM für die Zeit vom 01.03.99 bis 31.03.99,

(m) 7,60 v. H. Zinsen aus 24.804,54 DM für die Zeit vom 01.04.99 bis 30.04.99,

(n) 7,60 v. H. Zinsen aus 24.390,98 DM für die Zeit vom 01.05.99 bis 31.05.99,

(o) 7,60 v. H. Zinsen aus 23.974,80 DM für die Zeit vom 01.06.99 bis 30.06.99,

(p) 7,60 v. H. Zinsen aus 23.555,98 DM für die Zeit vom 01.07.99 bis 31.07.99,

(q) 7,60 v. H. Zinsen aus 23.134,51 DM für die Zeit vom 01.08.99 bis 31.08.99,

(r) 7,60 v. H. Zinsen aus 22.710,37 DM für die Zeit vom 01.09.99 bis 30.09.99,

(s) 7,60 v. H. Zinsen aus 22.283,54 DM für die Zeit vom 01.10.99 bis 31.10.99,

(t) 7,60 v. H. Zinsen aus 21.854,01 DM für die Zeit vom 01.11.99 bis 30.11.99

(u) 7,60 v. H. Zinsen aus 21.421,76 DM für die Zeit vom 01.12.99 bis 16.12.99,

(v) 7,60 v. H. Zinsen aus 3.421,76 DM für die Zeit ab dem 17.12.1999,

(w) 4,00 v. H. Zinsen aus dem die Buchstaben a) bis v) jeweils übersteigenden Rest der Hauptforderung ab dem 21.08.1998 zu bezahlen

2) Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.08.1999 (Az.: 28 Ca 2626/99) verurteilt, an den Kläger einen Schadenersatz in Höhe von 50,00 DM nebst 7,6 v. H. Zinsen hieraus seit dem 21.08.99 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet, dass im vorliegenden Fall keine Auswahl im Sinne des § 611a BGB stattgefunden habe, da sich die Beklagte spätestens in ihrer Vorstandssitzung vom 24.07.1998 entschlossen habe, die neue Konzeption der R. Service GmbH mit der Schaffung einer zentralen Personalleiterstelle rückgängig zu machen. Da der Wirtschaftsprüfergesellschaft diese Entscheidung erst mit Verzögerung mitgeteilt worden sei, sei es noch zur Aufgabe der Anzeige gekommen. Es liege zwar ein Verstoß gegen § 611b BGB vor, der aber keine Anspruchsnorm für Entschädigungsleistungen gegenüber dem Arbeitgeber darstelle. Schon aus diesem Grund seien die Ansprüche des Klägers nicht begründet.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn Rausch als Zeugen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 105 der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.08.1999 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie konnte aber keinen Erfolg haben.

Das Arbeitsgericht, auf dessen Begründung gemäß §543 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, hat der Klage zu Recht nicht entsprochen.

Nach § 611a Abs. 1 BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Ansonsten kann der bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld beanspruchen. Aus dem Gesamtzusammenhang des § 611a BGB i. V. m. §61b ArbGG ergibt sich, dass nicht nur der bestgeeignete Bewerber im Sinne von § 611a Abs. 2 Satz 1 BGB benachteiligt sein kann, sondern weitere Bewerber im selben Stellenbesetzungsverfahren benachteiligt sein können (BAG v. 12.11.1998 NZA 1999, 371 f.). § 611a Abs. 1 BGB verbietet Benachteiligungen wegen des Geschlechts für Maßnahmen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Darunter fallen nach herrschender Ansicht in der arbeitsrechtlichen Literatur auch Verfahrenshandlungen. Sind bereits die Chancen eines Bewerbers durch ein diskriminierendes Verhalten beeinträchtigt worden, so kann es danach nicht mehr darauf ankommen, ob das Geschlecht bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat. Ließe man bei der Einstellungsentscheidung eine Würdigung der vorausgegangenen Verfahrenabschnitte außer Acht, könnte der Arbeitgeber eine Diskriminierung im vorausgegangenen Verfahren schon dadurch folgenlos machen, dass er nachträglich sachliche Gründe für seine Einstellungsentscheidung angibt (BVerfG v. 16.11.1993 NZA 1994, 745 f.).

In diesem Zusammenhang begründet ein Verstoß gegen das Verbot differenzierender Stellenausschreibung gemäß § 611b BGB eine Vermutung für einen Verstoß gegen § 611a BGB, so dass der Arbeitgeber nunmehr gemäß § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB die Beweislast dafür trägt, dass unter anderen nicht auf das Geschlecht bezogene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Rn. 4 zu § 611b BGB).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich im vorliegenden Fall, dass zwar entgegen der Ansicht des Klägers die Stellenanzeige in der Stuttgarter Zeitung vom 01.08.1998, mit der eine Leiterin Personalwesen für eine einheitliche Ausrichtung des gesamten Personalwesens von der Beklagten, vermittelt durch ein Wirtschaftsprüferbüro, gesucht wurde, nicht unmittelbar trotz des Verstoßes gegen den § 611b BGB eine Entschädigungspflicht auslöst, dass dadurch aber eine diskriminierende Handlung im Vorfeld der Einstellungsentscheidung vorliegt, die sich die Beklagte auch zurechnen lassen muss. Die Beklagte war somit gehalten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die sonstigen Voraussetzungen des eine Entschädigungspflicht begründenden § 611a BGB nicht gegeben sind.

Der Kläger hatte seine Ansprüche gemäß § 611a Abs. 4 BGB durch Schreiben vom 27.01.1999 fristgemäß gegenüber der Beklagten geltend gemacht und auch die Klagefrist von drei Monaten nach §61b Abs. 1 ArbGG nach der Geltendmachung eingehalten.

Des Weiteren lag nach den vom Kläger vorgelegten Bewerbungsunterlagen eine prinzipielle Eignung des Bewerbers für die Stelle vor, so dass der Kläger nicht schon deswegen aus dem Stellenbesetzungsverfahren ausgeschieden wäre, da objektiv ungeeignete Bewerber gar nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden können. § 611a Abs. 2 Satz 1 BGB stellt damit nicht nur auf die formale Position eines allein durch die Einreichung eines Bewerbungsschreibens begründeten Status als Bewerber, sondern zudem auf die materiell zu bestimmende objektive Eignung als Bewerber ab. Im Besetzungsverfahren kann danach nur im Rechtssinne benachteiligt werden, wer sich subjektiv ernsthaft beworben hat und objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt (BAG v. 12.11.1998 a. a. O.). Diese Voraussetzungen waren beim Kläger gegeben, da er vorgetragen hat, dass er aus bestimmten Gründen eine neue Stelle in dem angesprochenen Bereich suchen wollte und sich auch in dieser Richtung fortgebildet hatte. Die Frage, ob er der bestmögliche Bewerber gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben.

Der Anspruch setzt aber weiter voraus (Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, Pfeiffer, Rn. 103 f. zu § 611a BGB), dass ein Stellenbesetzungsverfahren stattgefunden hat. Ob das Stellenbesetzungsverfahren damit enden muss, dass überhaupt ein Bewerber eingestellt wurde, erscheint fraglich. Gegen dieses Kriterium spricht, dass nur die Teilnahme am - möglicherweise ergebnislosen - Verfahren, nicht aber ein gar nicht bestehender Anstellungsanspruch geschützt wird. Andererseits dient das diskriminierungsfreie Verfahren gerade dazu, dem Bewerber die Chance zur Tätigkeitsaufnahme zu verschaffen, das Verfahren ist also kein Selbstzweck. Dementsprechend muss bei Nichtbesetzung der Stelle entsprechend dem Schutzzweck des § 611a BGB unterschieden werden: Kommt es nicht zu einer Stellenbesetzung, weil der fragliche Arbeitsplatz auf Grund neuer betrieblicher Dispositionen wegfällt, kommt auch kein Ersatzanspruch in Betracht, da auch keine diskriminierende Benachteiligung des Bewerbers vorliegen kann. Unterbleibt die Stellenbesetzung - nur vorläufig -, weil der Arbeitgeber keinen geeigneten Bewerber gefunden hat, so ist nicht auszuschließen, dass dies auf der geschlechtsbezogenen Diskriminierung beruht, ein Entschädigungsanspruch besteht.

Vorliegend hat die Beklagte in zweiter Instanz im Einzelnen die Entwicklung vorgetragen, die letztendlich zu der Stellenanzeige vom 01.08.1998 führte und die sie schon vor ihrem Erscheinen wieder unnötig machte. Es wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 06.05.1998 eine R. Service GmbH gegründet, der der gesamte Service- und Personalbereich der R. AG zugeordnet werden sollte, so auch eine zentrale Personalleiterstelle. Die Beklagte behauptet nun, dass dieses Konzept endgültig auf der Vorstandssitzung vom 24.07.1998 verworfen worden sei, so dass auch das Personalwesen nicht mehr hätte zentralisiert werden sollen und die Position eines Personalleiters der R. Service GmbH hinfällig geworden sei. Nur durch Übermittlungsverzögerungen sei es doch noch zur Aufgabe der Stellenanzeige durch das Wirtschaftsprüferbüro gekommen. Es seien demgemäß die auf die Anzeige eingegangenen Bewerbungen nicht überprüft, sondern den Bewerbern sofortige Absagen erteilt worden. Die Schaffung und Besetzung der ausgeschriebenen zentralen Personalleiterstelle und damit auch ein vorhergehendes Besetzungsverfahren hätten nicht stattgefunden.

Die Beklagte hat das allerdings nicht unterschriebene Protokoll der Vorstandssitzung vom 24.07.1998 vorgelegt, in dem u. a. Folgendes ausgeführt wird: "Herr Distel (der Finanzvorstand) informiert Herrn Sch. (vorübergehender Geschäftsführer der am 23.11.1999 im Handelsregister gelöschten R. Service GmbH), dass die Idee "Personalleiter Konzern" nicht umgesetzt wird." Auch wurde vor dem Arbeitsgericht die Zeugin Werner vernommen, die bekundete, dass sie entgegen den Behauptungen des Klägers keine Personalleiterstelle innehabe. Die in zweiter Instanz gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin vom Kläger angeführten Umstände, insbesondere ihre berufliche Abhängigkeit von der Beklagten und ihr Zögern bei der Bekanntgabe ihres Gehaltes einschließlich der Erhöhungen, lassen keine von der Würdigung des Arbeitsgerichts abweichende Beurteilung zu, da die Zeugen überwiegend in einer besonderen Stellung zu den Parteien stehen, die sie benannt haben, und allein diese Tatsache ihre Aussage nicht unglaubwürdig erscheinen lässt, wenn nicht weitere besondere Umstände hinzukommen. Eine erneute Vernehmung der Zeugin war somit nicht geboten, da das Berufungsgericht die protokollierte Aussage nicht anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht beimessen wollte als die Vorinstanz (BAG v. 02.06.1999 NJW 1999, 2972).

Auch die Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen Herrn Rausch, der, wie er sagte, die 1-Mann-Rechtsabteilung der Beklagten darstellte, ergab keine Anhaltspunkte für die Durchführung eines Stellenbesetzungsverfahrens im Herbst 1998 und die Besetzung einer zentralen Personalleiterstelle. Wenn Herr Rausch auch nicht als idealer Zeuge anzusehen war, da er teilweise seine Nachforschungen im Rahmen der Prozessführung in erster Instanz, die er für die Beklagte durchgeführt hatte, mit seinen Erinnerungen an die Geschehnisse im Sommer/Herbst 1998 vermischte, so konnte er für die Kammer doch glaubhaft bekunden, dass er im Frühjahr 1998 in einem Gespräch mit den Herren Sch. und Krume von der Gründung der R. Service GmbH und von der Straffung des Personalwesens in diesem Zusammenhang erfahren habe und dass dieses neue Konzept auch auf einer Betriebsversammlung vorgestellt worden sei. Er führte des Weiteren aus, dass das Vorstandsmitglied Herr Distel ihm vor dem ersten Augustwochenende 1998 erklärt habe, dass dieses Vorhaben und die Schaffung einer zentralen Personalleiterstelle wieder rückgängig gemacht worden sei, und dass der Vorstand diese Aufgaben wieder selbst in die Hand nehme.

Damit steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass das von der Beklagten mit der Gründung der R. Service GmbH verfolgte Konzept, das u. a. die Straffung des Personalwesens mit der Schaffung einer zentralen Personalleiterstelle vorsah, im Sommer 1998 vor Erscheinen der Stellananzeige vom 01.08.1998 von der Beklagten wieder aufgegeben und somit ein Stellenbesetzungsverfahren infolge der Stellenanzeige nicht durchgeführt worden ist. Es fehlt somit an einer wesentlichen Voraussetzung im Sinne des § 611a Abs. 1 - 3 BGB, der eine Entschädigungspflicht nur für eine diskriminierende Handlung des Arbeitgebers bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, nicht aber lediglich für eine geschlechtsspezifische Ausschreibung im Sinne des § 611b BGB vorsieht.

Die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19.08.1999 war demgemäß zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §97 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil gibt es kein Rechtsmittel. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß §72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Auf §72a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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