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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 09.03.2000
Aktenzeichen: 6 Sa 103/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 Sa 103/99

verkündet am 09. März 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stolz, die ehrenamtliche Richterin Sudendorf-Baier und den ehrenamtlichen Richter Waldmann auf die mündliche Verhandlung vom 09.03.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 02.09.99 - 1 Ca 167/99 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklage verpflichtet ist, die §§ 2.1 und 2.4 des Lohnabkommens 1999 der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.02.1999 auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, insoweit darin eine Lohnerhöhung von 3,2 % ab 01.01.1999 geregelt ist.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und beschäftigt ca. 70 Arbeitnehmer. Der Kläger ist seit 01.09.1987 als Leiter der Kleinserienfertigung beschäftigt. Er erhielt zuletzt einen Bruttomonatslohn von 3.060,00 DM zuzüglich Leistungszulage von 160,00 DM brutto und übertariflicher Zulage von 797,00 DM brutto. Die Beklage ist nicht tarifgebunden. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einbeziehung der Tarifverträge für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden wurde zwischen den Parteien nicht getroffen.

Die Beklagte hat sich seit mehr als 20 Jahren bis zum Jahre 1998, soweit es um Lohn- und Gehaltserhöhungen ging, dem Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden angeschlossen und die Löhne und Gehälter ihrer Mitarbeiter zumindest entsprechend dem von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Prozentsatz erhöht. Die Beklagte hängte entsprechende Betriebsmitteilungen über die Erhöhung im Betrieb aus, in denen kein Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt wie bei der Bekanntgabe der ebenfalls in Anlehnung an die Tarifverträge ausbezahlten Weihnachtsgratifikation enthalten war.

Im Lohnabkommen 1999 der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden einigten sich die Tarifvertragsparteien auf eine Erhöhung der Arbeitslöhne ab 01.03.1999 um 3,2 % und auf eine Einmalzahlung von 350,00 DM für Januar und Februar 1999. Die Beklagte ist nicht bereit, für das Jahr 1999 diese Tariflohnerhöhungen an ihre Mitarbeiter zu gewähren.

Der Kläger hat vorgetragen, der ehemalige Firmeninhaber Herr Schlegel habe gegenüber Arbeitnehmern erklärt, es sei immer im Geiste und Sinne der Firma gewesen, diese Tarifverträge zu übernehmen. Der Kläger meint, die Beklagte sei auf Grund betrieblicher Übung verpflichtet, auch weiterhin die Tariflohnerhöhungen zu übernehmen. Aus den jährlichen Betriebsmitteilungen lasse sich - anders als bei der Weihnachtsgratifikation - ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht entnehmen.

Der Kläger hat beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lohnerhöhung in Höhe von 3.2 % ab 01.03.1999 hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 350,00 DM brutto für die Monate Januar und Februar 1999 zu bezahlen.

Die Beklage hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet, eine betriebliche Übung bezüglich der Übernahme der tariflichen Lohnerhöhung könne schon deshalb nicht entstanden sein, weil die Beklagte für jedes Jahr erneut die Entscheidung bezüglich der Lohnerhöhungen getroffen habe, wie sich aus den Betriebsmitteilungen ergebe, es könne nicht von einer automatischen Weitergabe der Tariflohnerhöhungen ausgegangen werden. Eines ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalts habe es nicht bedurft.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 02.09.1999 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, eine betriebliche Übung könne auf Grund der Weitergabe der Tariflohnerhöhungen nicht festgestellt werden. Da die Beklagte nicht tarifgebunden sei, hätte sie mit hinreichender Deutlichkeit kundtun müssen, dass sie sich bezüglich der Tariflohnerhöhungen binden wolle. Solche Anhaltspunkte lägen indessen nicht vor, die regelmäßigen Erhöhungen hätten erkennbar auf einer eigenständigen, für jedes Jahr neu gefassten Entscheidung beruht, insoweit das Ergebnis der Tarifverhandlungen zu übernehmen, wie sich aus den jährlichen Betriebsmitteilungen der Beklagten ergebe.

Gegen dieses ihm am 08.10.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.11.1999 Berufung eingelegt und diese innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ausgeführt.

Der Kläger meint, aus den Betriebsmitteilungen könne nicht auf eine eigenständige auf das konkrete Geschäftsjahr bezogene Entscheidung der Beklagten geschlossen werden, da sie immer im Zusammenhang mit den Tarifabschlüssen ergangen seien und keinen Vorbehalt enthielten. Auch seien die Abweichungen in den einzelnen Mitteilungen unerheblich. Aus den Äußerungen des früheren Geschäftsführers der Beklagten, Herrn Schlegel, sowie des Betriebsleiters der Firma Schlegel, Herrn F., und der Betriebsratsmitglieder ergebe sich, dass ein Rechtsanspruch der Mitarbeiter auf die Gewährung der tariflichen Lohnerhöhung entstanden sei.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 02.09.1999 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die §§ 2.1 und 2.4 des Lohnabkommens der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden vom 18.02.1999 mit Wirkung zum 01.01.1999 anzuwenden hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 350,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab dem 22.04.1999 zu bezahlen.

Die Beklagte stellte den Antrag,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, dass keine betriebliche Übung auf Grund der Betriebsmitteilungen der Beklagten bezüglich der Übernahme der Tariflohnerhöhungen entstanden sei, auch wenn diese keinen Vorbehalt enthielten. Eine mündliche Zusage sei vom Kläger schon nicht im Einzelnen vorgetragen worden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze in beiden Rechtszügen nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 02.09.1999 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Die Berufung gegen das zutreffende Urteil des Arbeitsgerichts war aber zurückzuweisen, da dem Kläger kein Anspruch auf die geltend gemachte Tariflohnerhöhung auf Grund betrieblicher Übung zusteht.

Bezüglich der Zulässigkeit der Feststellungsklage wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

Nach neuerer Rechtsprechung (BAG v. 11.12.1991 5 AZR 94/91, BAG AP Nr. 12, 21 u. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung) versteht man unter betrieblicher Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs erwecken. Die tatsächliche Übung ist als solche keine Rechtsquelle eigener Art; ihr kommt keine normative Wirkung zu, und sie setzt auch nicht betriebliches Gewohnheitsrecht. Sie gestaltet vielmehr durch eine an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichtete konkludente Gesamtzusage die einzelnen Arbeitsverhältnisse. Aus ihr erwachsen vertragliche Ansprüche des Arbeitnehmers auf die üblich gewordenen Vergünstigungen. Voraussetzung für die Begründung vertraglicher Ansprüche durch eine betriebliche Übung ist, dass die begünstigten Arbeitnehmer die tatsächliche Übung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte dahin verstehen durften, der Arbeitgeber habe sich in bestimmter Weise binden wollen. Dabei kommt es auf alle Umstände des Falles an.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Beklagte über Jahre hinweg Lohn- und Gehaltserhöhungen entsprechend der Tariflohnerhöhungen ihren Arbeitnehmern gewährt hat, sie hat dies aber immer auf Grund einer besonderen Mitteilung, die im Betrieb ausgehängt wurde, den Arbeitnehmern bekannt gegeben, dass für dieses Jahr eine Lohnerhöhung entsprechend der Tariflohnerhöhung zugestanden wird. Der Wortlaut der einzelnen Betriebsmitteilungen lautete unterschiedlich. Die Beklagte hat nicht lediglich automatisch Löhne und Gehälter den Tariflohnerhöhungen angepasst, sondern die Weitergabe als einzelne Entscheidung für das betreffende Jahr bekannt gegeben. Im Übrigen enthalten einzelne Betriebsmitteilungen Abweichungen, so wurden gemäß der Betriebsmitteilung vom 10.05.1989 die Arbeitslöhne auf Grund Initiative der Beklagten im August 1989 bereits um 2,5 % erhöht und dennoch ab 01.06.1990 eine Erhöhung um 6 % vorgenommen, wie sie auch von den Tarifvertragsparteien vereinbart wurde. Gemäß Betriebsmitteilung vom 16.03.1995 wurden die Einmalzahlungen, nicht wie vom Tarifvertrag vorgesehen auf vier monatliche Beträge von DM 152,50 verteilt, sondern auf zwei monatliche Beträge von DM 305,00. Gemäß Betriebsmitteilung vom 10.02.1997 beschränkte sich die Lohnerhöhung auf das laufende Geschäftsjahr 1997. Gerade die Tatsache, dass die Beklagte in ihren Betriebsmitteilungen jedes Jahr sinngemäß darauf hingewiesen hat, dass die Anhebung der Löhne und Gehälter in Anlehnung an die Tarifabschlüsse erfolgt und der Belegschaft nicht etwa nur die anzuwendenden Steigerungssätze mitgeteilt hat, macht deutlich, dass es sich dabei nicht um einen Automatismus, auf Grund einer eingegangenen Verpflichtung, sondern jeweils um eine neue Entscheidung der Geschäftsleitung über die Lohn- und Gehaltsentwicklung in ihrem Betrieb handelte.

Auch kann aus dem Fehlen eines Freiwilligkeitsvorbehalts wie bei der Weihnachtsgratifikation nicht geschlossen werden, dass die Beklagte sich bei der Weitergabe der jeweiligen tariflichen Lohnerhöhung für alle Zukunft binden wollte. Bei der Lohnerhöhung als solcher handelt es sich nicht um eine abgeschlossene Einmalzahlung wie etwa bei einer Weihnachtsgratifikation, die eine einmalige Leistung zu einem gewissen Zeitpunkt darstellt. Sie konnte als solche nicht mehr für die Zukunft zurückgenommen werden. Die Beklagte hätte allerdings ausdrücklich klarstellen können, dass sie sich eine Lohnerhöhung entsprechend der tariflichen für das nächste Jahr vorbehalte und sich insoweit nicht binden wolle. Dies ergibt sich aber schon aus den einzelnen voneinander abweichenden und auch nicht immer völlig an die Tariflohnerhöhung angepassten Betriebsmitteilungen für das jeweilige Jahr. Dass die Erhöhungen nicht auf das Geschäftsjahr der Beklagten, sondern auf die Zeitabschnitte der Tarifverträge bezogen waren, folgt aus der Natur der Sache; wenn die Beklagte sich an die Tariflohnerhöhungen anlehnen wollte, musste sie das Ergebnis der Tarifverhandlungen abwarten, um sich dann schlüssig zu werden, ob sie entsprechend handeln wollte.

Die von dem Kläger vorgetragenen Äußerungen des früheren Geschäftsführers der Beklagten, Herrn Schlegel, lassen schon dem Wortlaut nach nicht auf einen Bindungswillen hinsichtlich der automatischen Übernahme aller zukünftigen Tariflohnerhöhungen schließen, zumal der Kläger nicht im Einzelnen dargetan hat, inwieweit die Umstände für eine Verpflichtungserklärung des Geschäftsführers sprachen. Entsprechende Äußerungen des Betriebsleiters der Firma Schlegel, Herrn F., wurden nicht substanziiert vorgetragen, Ausführungen der Betriebsratsmitglieder können nicht zu einer Verpflichtung der Beklagten führen. Da die Beklagte nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist und auch keine ausdrückliche Verpflichtung, die tariflichen Lohn- und Gehaltssteigerungen weiterzugeben, übernommen hat und, wie ausgeführt, keine betriebliche Übung in dieser Hinsicht entstanden ist, konnte die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn, auf dessen Ausführungen im Übrigen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, keinen Erfolg haben. Die Berufung des Klägers war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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