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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.09.2001
Aktenzeichen: 6 Sa 31/01
Rechtsgebiete: BetrAVG, BetrVG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
BetrAVG § 2
BetrAVG § 2 Abs. 1
BetrAVG § 16
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 8
BetrVG § 112
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Ziff. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
6 Sa 31/01

verkündet am 20. September 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stolz, den ehrenamtlichen Richter Klein und den ehrenamtlichen Richter Schöttle auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.03.1994 - 2 Ca 327/93 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechnung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.

Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Betriebsrente auf der Grundlage der Leistungsrichtlinien vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980, er ist der Meinung, dass die Abänderung durch die Leistungsrichtlinien vom 04.07.1985 nicht rechtswirksam sei.

Der am 19.01.1940 geborene Kläger ist seit dem 02.11.1959 bei der Beklagten, der früheren S. AG Stuttgart, beschäftigt. Voraussichtlich endet sein Beschäftigungsverhältnis mit Erreichen des 65. Lebensjahres am 31.01.2005. Im Konzern der Beklagten besteht eine betriebliche Altersversorgung, an der der Kläger teilhat. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält einen Hinweis darauf, dass für das Arbeitsverhältnis die in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossene Arbeitsordnung Anwendung findet. In deren Ziff. 2.13 heißt es:

Unterstützungseinrichtung

Der Unterstützung der Mitarbeiter im Alter bzw. ihrer Hinterbliebenen sowie in besonderen Not- und Härtefällen dient die ... Unterstützungs GmbH.

Die Einzelheiten und die Voraussetzungen für Art und Höhe der Leistungen sind der Satzung und den Richtlinien zu entnehmen, die bei der Personalabteilung und dem Betriebsrat eingesehen werden können ...

Gemäß den §§ 2, 3 der Satzung der Unterstützungskasse handelt es sich bei den von dieser gewährten Leistungen um freiwillige, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht.

Der Kläger hatte am 01.01.1985 bei Änderung der Richtlinien 1975 auch einen Versorgungsanspruch gegenüber der Unterstützungskasse, erst durch Betriebsvereinbarung vom 16.12.1991 wurde ihm von der Beklagten selbst eine Versorgungszusage erteilt.

Bis zum 31. Dezember 1984 bestimmten sich die Versorgungsrechte nach den vom Beirat der Unterstützungskasse beschlossenen Richtlinien vom 10.07.1975, die in den Folgejahren in einzelnen Punkten geändert worden waren (Richtlinien 1975). Nach diesen Richtlinien erhielten die Mitarbeiter eine betriebliche Altersrente, die sich wie folgt errechnete: Bemessungsgrundlage war das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der letzten fünf Jahre. Der Rentengrundbetrag nach Ablauf einer 10-jährigen Wartezeit betrug 10 % dieses Betrages. Er stieg mit jedem weiteren Beschäftigungsjahr um 0,5 %, es sei denn, die Bemessungsgrundlage lag oberhalb der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze. In diesem Fall fand eine zusätzliche Steigerung um 1 % des Betrages statt, der über der Beitragsbemessungsgrenze lag. Die betriebliche Rente durfte nicht mehr als 35 % und zusammen mit den gesetzlichen Versorgungsleistungen nicht mehr als 75 % des durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens der letzten drei Jahre betragen.

Im Herbst 1984 drängte die Beklagte auf eine Änderung der Altersversorgung. Zur Vermeidung der Schließung des Versorgungswerks für neu eintretende Mitarbeiter einigten sich Gesamtbetriebsrat und Beklagte durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20.03.1985 darauf, dass allen Mitarbeitern für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr ab dem 01.01.1985 nur noch ein fester Rentenbetrag pro Dienstjahr gewährt wird. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetriebsvereinbarung beschloss der Beirat der Beklagten am 04.07.1985 neue Richtlinien der Unterstützungskasse für die Gewährung von Versorgungsleistungen mit Wirkung ab 01.01.1985 (Richtlinien 1985).

§ 10 der Richtlinien 1985 bestimmt zur Höhe der Renten folgendes:

1. Rentenformel

Die monatliche Alters-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente errechnet sich aus der Formel

Festrentenbetrag x Dienstjahre. ...

2. Festrentenbetrag

a) Der Festrentenbetrag wird errechnet nach der Formel

Rentenfähiges Einkommen x Renteneckwert

Beitragsbemessungsgrenze

Der die Beitragsbemessungsgrenze übersteigende Betrag des rentenfähigen Einkommens wird für die Ermittlung des Festrentenbetrages doppelt angesetzt.

b) Der Renteneckwert beträgt DM 16,50.

c) Rentenfähiges Einkommen ist ein Zwölftel folgender Beträge, die der Mitarbeiter im letzten Kalenderjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bzw. dem vorzeitigen Ausscheiden bezogen hat: ...

Unter § 22 Richtlinien 1985 finden sich folgende Übergangsvorschriften:

§ 20 Versorgungsfälle bis 31.12.1989

Mitarbeiter, die nach dem 31.12.1929 geboren wurden und deren Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen vor dem 01.101985 begonnen hat, erhalten Versorgungsleistungen:

a) Nach den bisherigen Richtlinien, wenn der Versorgungsfall vor dem 01.01.1990 eintritt.

b) Nach den vorliegenden Richtlinien, wenn der Versorgungsfall nach dem 31.12.1989 eintritt.

§ 22 Besitzstand zum 31.12.1984

1. Für alle unter § 20 b dieser Richtlinien fallenden Mitarbeiter errechnet sich die betriebliche Altersversorgung aus einem Besitzstandsbetrag zum 31.12.1984 auf der Basis der bisherigen Richtlinien in Verbindung mit den nachfolgenden Regelungen sowie aus einem Rentenbetrag der sich für die Dienstzeit ab 01.01.1985 nach den vorliegenden Richtlinien bestimmt.

2. Der Besitzstandsbetrag entspricht dem nach § 2 Abs. 1 BetrAVG ermittelten zeitanteiligen DM-Betrag, wobei als rentenfähiges Einkommen das Bruttomonatseinkommen nach dem Stand am 31.12.1984 gemäß Ziff. 1.2.5 der bisherigen Richtlinien gilt.

Die Richtlinien 1985 haben aus der Gesamtbetriebsvereinbarung den § 10 bezüglich der Veränderung des Besitzstandsbetrages nicht übernommen. Dieser lautet folgendermaßen: Eine Veränderung des Besitzstandsbetrags gemäß Ziff. 4 (= § 22 Ziff. 2 der Richtlinien 1985) dieser Betriebsvereinbarung wird erstmals 1990 und dann nach vier Jahren entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten vorgenommen. Ausgangsbasis für die erste Veränderung ist der 31.12.1984 = 100. Für den Fall, dass die Geschäftsleitung aus wirtschaftlichen Gründen nicht oder nur zu einem geringeren Satz oder zu einem späteren Zeitpunkt zu dieser Veränderung bereit ist, ist darüber mit dem Gesamtbetriebsrat unter Darlegung der Gründe zu verhandeln.

Die Beklagte hat in der Folgezeit den Besitzstandsbetrag per 31.12.1984 zum 01.01.1990 um 6,2 % und zum 01.01.1994 um 14,9 % erhöht. Weitere Anpassungen sind bisher nicht erfolgt.

Der Gesamtbetriebsrat hat parallel zu den Leistungsklagen der betroffenen Arbeitnehmer im Wege des Beschlussverfahrens die Wirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung 1985 in Frage gestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27.08.1996 (3 ABR 38/95) die Anträge für unzulässig erachtet, weil einerseits die evtl. Unwirksamkeit der Gesamtbetriebsvereinbarung keinen Einfluss auf die Versorgungsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer habe und andererseits die Gesamtbetriebsvereinbarung mit der betriebsverfassungsrechtlichen Neuregelung der Richtlinien 1985 ihre Aufgabe erfüllt habe.

Der Kläger trug in der ersten Instanz insbesondre vor, die der Richtlinienänderung zu Grunde liegende Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 1985 halte einer Überprüfung am Maßstab der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den ablösenden Betriebsvereinbarungen nicht stand und schon deshalb sei die Änderung der Richtlinien unwirksam. Des Weiteren meint der Kläger, zumindest in die zeitanteilig erdiente Dynamik könne nur aus triftigen Gründen eingegriffen werden, die hier nicht vorlägen. In die dienstzeitabhängigen Steigerungsraten könne zwar auf Grund sachlich proportionaler Gründe eingegriffen werden, es fehle insoweit aber an einem Gesamtkonzept der Beklagten.

Der Kläger hat daher beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers die Richtlinien der Beklagten vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980 maßgeblich sind.

hilfsweise:

2. Es wird festgestellt, dass sich die Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers unter Berücksichtigung des vom diesem bis zum 31.12.1984 erdienten Besitzstandes in der betrieblichen Altersversorgung und unter Wahrung der zeitanteilig erdienten Dynamik nach den Richtlinien der Beklagten vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980 bemisst.

Die Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat insbesondere entgegnet, es liege schon kein Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik vor, da gemäß § 10 der Gesamtbetriebsvereinbarung 1985 eine Kaufkraftanpassung vorgesehen sei, im Übrigen erhielten die Arbeitnehmer auch für die Zukunft weitere, wenn auch geringere Steigerungsbeträge. Nur wenn beides zusammen zu einer geringeren Rente führe als nach Maßgabe der Aufrechterhaltung der erdienten Dynamik zu leisten wäre, stelle sich die Frage, ob der Eingriff in die erdiente Dynamik aus triftigen Gründen gerechtfertigt sei. Der Besitzstand der erdienten Dynamik bedeute nämlich lediglich, dass die üblichen Lohn- und Gehaltserhöhungen zu berücksichtigen seien, auf künftige Beförderung habe der Arbeitnehmer keinen Anspruch. Im Übrigen habe auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Änderung der Versorgungsrichtlinien im Jahre 1985 bestanden.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.03.1994, das dem Kläger am 08.07.1994 und der Beklagten am 07.07.1994 zugestellt wurde, dem Hilfsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Betriebsvereinbarung 1985 zwar nicht insgesamt, jedenfalls aber insoweit unwirksam sei, als ein Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik ohne Darlegung eines triftigen Grundes erfolgt sei.

Der Kläger hat am 03.08.1984 mit nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 29.09.1994 rechtzeitig ausgeführter Berufung, und der Beklagte hat mit Berufung vom 05.08.1994, die innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 04.10.1994 bei Gericht eingegangen ist, Berufung gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart eingelegt.

Die Beklagte ist der Meinung, ein Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik liege nicht vor. Zum einen erhalte der Kläger Steigerungsbeträge entsprechend den gestiegenen Lebenshaltungskosten. Zum anderen werde in den Besitzstand der erdienten Anwartschaft nur dann eingegriffen, wenn der bei Eintritt des Versorgungsfalls erreichte Pensionsanspruch insgesamt hinter dem per 31.12.1984 erreichten Besitzstand zurück bleibe. Dies sei aber wegen der jährlichen Steigerungsraten ab 1985 um einen Festbetrag nicht der Fall. Für den Besitzstand des Klägers sei im Übrigen lediglich auf die allgemeine Lohnentwicklung und nicht auf die individuelle Steigerung der Einkünfte des Klägers abzustellen. Selbst wenn man aber von einem Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik ausgehe, seien im vorliegenden Fall bereits sachliche Gründe ausreichend. Es sei dabei zu beachten, dass ein "Übergangsfall" vorliege, auf den das Dreistufenmodell nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.04.1985 nicht angewandt werden könne. Außerdem habe die Beklagte der Erhaltung der Kaufkraftstabilität einer Betriebsrente, die auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorrangig sei, im vorliegenden Fall Rechnung getragen. Auch lägen triftige Gründe für die Änderung der betrieblichen Altersversorgung zum 01.01.1985 vor. Bei der Beurteilung der triftigen Gründe sei eine Parallelwertung zu § 16 BetrAVG vorzunehmen, das bedeute, dass eine angemessene Eigenkapitalverzinsung gegeben seien und der Gefahr der Substanzaufzehrung vorgebeugt werden müsse. Auch lägen triftige Gründe nicht wirtschaftlicher Art vor, die Beklagte sei nämlich berechtigt gewesen, ohne Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats die Unterstützungskasse für neu eintretende Mitarbeiter zu schließen. Stattdessen habe man einen gekürzten Dotierungsrahmen anderweitig verteilt. Zu einer Fortführung der Versorgungseinrichtung und zu einer Anhebung der jährlichen Beträge von ursprünglich 12,50 DM auf 16,50 DM sei die Beklagte nur deshalb bereit gewesen, weil der Gesamtbetriebsrat auf der anderen Seite bei der Besitzstandswahrung Zugeständnisse gemacht habe. Auch habe die Beklagte, bedingt durch die Umstellung der Produktion von ursprünglich mechanischen Einrichtungen der Telekommunikation auf computergestützte Geräte, in den 80-er-Jahren einen Großteil des Personals ausgetauscht. Allein in Jahren 1981 bis 1985 seien 22 Betriebsvereinbarungen gemäß § 112 BetrVG abgeschlossen worden.

Die Beklagte beantragt deshalb,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.03.1984 - 2 Ca 327/93 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger entgegnet, dass sehr wohl ein Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik vorliege, die, ungeachtet der abweichenden Zahlen in den Geschäftsberichten, nicht durch triftige Gründe gerechtfertigt sei, denn es ergäben sich keine Indizien für eine langfristige Substanzgefährdung. Insoweit verweist der Kläger auf die Stellungnahme der BERAG Beratungsgesellschaft für betriebliche Altersversorgung, die zu dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten von Arthur Andersen Stellung genommen hat. Im Übrigen fehle es an einem nachvollziehbaren unternehmerischen Gesamtkonzept der Beklagten. Die Verringerung von Arbeitsplätzen allein beweise noch keine schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens, sie könne auf den verschiedensten Ursachen beruhen, insbesondere habe bei der Beklagten ein Übergang von der Elektromechanik zur Elektronik und Mikroelektronik stattgefunden, der Umschichtungen im Unternehmen notwendig gemacht habe. Auch der von der Beklagten vorgetragene triftige Grund nicht wirtschaftlicher Art sei nicht gegeben, da Voraussetzung dafür sei, dass ohne Schmälerung des Gesamtaufwandes für die Versorgung Leistungskürzungen einerseits durch Verbesserungen des Versorgungsschutzes andererseits aufgewogen würden.

Der Kläger beantragt deshalb,

das am 23.03.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts vom 23.03.1994 - 2 Ca 327/93 - insoweit abzuändern, als die Klage abgewiesen worden ist, also festzustellen, dass für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers die Richtlinien der Unterstützungskasse der Beklagten vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980 maßgeblich sind.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Sachverhalts im Einzelnen wird ergänzend auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Berufung des Klägers

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.03.1994 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie hatte aber keinen Erfolg, das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag des Klägers zu Recht abgewiesen.

Der Hauptantrag des Klägers ist auch zulässig. Er begehrt die Feststellung, dass die Beklagte für einen nach den Richtlinien 1975 berechneten Anspruch einzustehen hat. Es besteht auch ein Bedürfnis für eine baldige Klärung. Meinungsverschiedenheiten über die Ausgestaltung von Versorgungsrechten müssen rasch beseitigt werden, damit etwaige Versorgungslücken möglichst frühzeitig geschlossen oder wenigstens verringert werden können (BAG vom 26.08.1997, 3 AZR 235/96, AP Nr. 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung).

Der Kläger hatte am 01.01.1985 einen einzelvertraglich begründeten Anspruch auf eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe der jeweiligen Richtlinien der Unterstützungskasse. Dieser beruhte auf der entsprechenden Verweisung in Ziff. 2.13 der einzelvertraglich in Bezug genommenen Arbeitsordnung. Einen Anspruch auf Versorgungsleistungen nach den Richtlinien 1975 bestand deshalb nur insoweit, als diese nicht durch die nachfolgenden Richtlinien 1985 wirksam geändert worden sind. Dieser Versorgungsanspruch gegen die Unterstützungskasse wurde vorliegend durch die Betriebsvereinbarung vom 16.12.1991 in eine unmittelbare Versorgungszusage ab 01.01.1992 umgewandelt bei sonst gleichen Gewährungsvoraussetzungen. Da aber bei Erlass der neuen Richtlinien im Jahre 1985 nur ein Anspruch gegenüber der Unterstützungskasse bestand, ist somit der Prüfungsmaßstab derselbe wie in den Fällen, in denen der Versorgungsanspruch gegenüber der Unterstützungskasse unverändert fortbestanden hat.

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.08.1996 (3 ABR 38/95) sind die Gesamtbetriebsvereinbarung 1985 und auch die Richtlinien 1985 unter ordnungsgemäßer Beteiligung des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu Stande gekommen.

§ 3 der Satzung der Unterstützungskasse der Beklagten vom 06.11.1974, der einen Rechtsanspruch gegen die Beklagte ausschließt, beinhaltet nach ständiger Rechtsprechung nur ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht (BAG vom 17.11.1992, 3 AZR 76/92, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Besitzstand). Ebenso wenig kann Ziff. 4 der Richtlinien 1975 ein unbeschränktes Widerrufsrecht der Versorgungsleistungen begründen, der Vorbehalt ist nur insoweit beachtlich, als er mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Erfordernis sachlicher Gründe zur Rechtfertigung der Versorgungsleistungen übereinstimmt. So ist nach der Rechtsprechung (BAG vom 17.04.1985, 3 AZR 72/83, AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen) der Ausschluss des Rechtsanspruchs bei Unterstützungskassen nur als Vorbehalt des Widerrufs aus sachlichen Gründen anzuerkennen. Der Widerruf muss in genereller Form ausgeübt werden und der Billigkeit entsprechen. Daraus folgt das Gebot einer Interessenabwägung: die Widerrufsgründe müssen um so schwerer wiegen, je stärker die betroffenen Besitzstände sind und je tiefer in diese eingegriffen werden soll. Am stärksten geschützt ist der Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft, der sich zur Zeit der Neuregelung nach den Berechnungsgrundsätzen des § 2 BetrAVG ergibt. Diese Teilanwartschaft ist nach Erreichen der Fristen des § 1 BetrAVG unverfallbar und insolvenzgeschützt. Sie kann nur noch in seltenen Ausnahmefällen gekürzt werden. Die Zuwachsraten sind unterschiedlich geschützt je nach dem, ob der Arbeitnehmer bereits seine Gegenleistung für diese erbracht hat. Soll die Anwartschaft der Gehaltsentwicklung folgen, so erdient der Arbeitnehmer mit seiner Betriebstreue nicht nur den zeitanteilig errechneten Festbetrag, sondern auch die darauf entfallende Dynamik. Diese zeitanteilig erdiente Dynamik kann nur aus triftigen Gründen eingeschränkt werden. Hingegen sind Eingriffe in die dienstzeitabhängigen Steigerungsraten, die der Arbeitnehmer zur Zeit der Neuregelung noch nicht erdient hat, aus weniger gewichtigen sachlichen Gründen zulässig. Dafür genügen sachlich-proportionale Gründe (BAG vom 17.11.1992, 3 AZR 76/92, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Besitzstand).

Durch § 10 der Richtlinien 1985 wird in die künftigen, noch nicht erdienten Zuwachsraten eingegriffen, da die Rentenformel einen Festrentenbetrag vorsieht, der mit der Anzahl der Dienstjahre multipliziert wird, während nach Ziff. 1.2.5 der Richtlinien 1975 die Berechnung der Rente nach dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen der letzten fünf Jahre erfolgte.

Für einen Eingriff in die rein dienstzeitabhängigen Steigerungsraten sind nach der Rechtsprechung (BAG vom 17.04.1985, 3 AZR 72/83 a.a.O.) geringere Anforderungen zu stellen. Es müssen dann schon sachliche Gründe ausreichen, die nicht willkürlich sind und nachvollziehbar erkennen lassen, welche Umstände und Erwägungen zur Änderung der Versorgungszusage Anlass geben. Doch müssen auch solche Kürzungen einer Billigkeitsprüfung standhalten. Das Vertrauen der Arbeitnehmer darf nicht über Gebühr beeinträchtigt werden, die sachlichen Gründe sind gegenüber den Interessen der Arbeitnehmer abzuwägen. Diese sachlich-proportionalen Gründe können auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens oder einer Fehlentwicklung des betrieblichen Versorgungswerks beruhen (BAG vom 17.08.1999, 3 ABR 55/98, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972).

Es ist deshalb vorliegend davon auszugehen, dass die Beklagte auf Grund der von ihr dargelegten Kostenentwicklung des Versorgungswerkes in die dienstabhängigen Steigerungsraten eingreifen konnte. Sie hat hierzu unbestritten vorgetragen, dass das Vermögen der Unterstützungskasse sich per 31.12.1983 auf 111,5 Millionen DM belief. Die tatsächlichen Verpflichtungen betrugen, berechnet nach dem versicherungsmathematischen Teilwert, 910 Millionen DM. Die von der Beklagten als Trägerunternehmen aufzubringende Differenz führte bei der Beklagten bei einem Eigenkapital in Höhe von 623 Millionen DM per 31.12.1983 zu einer bilanziellen Überschuldung. Die laufenden Rentenzahlungen beliefen sich 1972 auf 5,7 Millionen DM, sie stiegen bis 1983 auf 27,4 Millionen DM und wären 1986 auf voraussichtlich 35,8 Millionen DM angewachsen. Während sich die Baraufwendungen für Rentenzahlungen im Jahre 1982 auf 2 % der Lohnsumme beliefen, wären sie bis 2006 auf 8,6 % der Lohnsumme angestiegen. Die Hochrechnung der Pensionsverpflichtungen nach den Richtlinien 1975 ergibt einen Rückstellungsbetrag in Höhe von 2,302 Milliarden DM per 31.12.2000 bei einem Eigenkapital in Höhe von 810 Millionen DM. Die Finanzierbarkeit der künftigen Betriebsrenten im bisherigen Umfang war deshalb auf Dauer in Frage gestellt. Diese Fakten bestreitet der Kläger auch nicht, er wendet vielmehr ein, dass es an einem Gesamtsanierungskonzept der Beklagten gefehlt habe.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung (BAG vom 17.08.1999, 3 ABR 55/98, AP Nr. 79 zu § 77 BetrVG 1972) fordert, dass der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk sich in ein nachvollziehbar auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpassen muss. In der Entscheidung vom 11.05.1999 (3 AZR 21/98, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung) wird ausgeführt, dass ein Eingriff in Zuwachsraten, die noch nicht erdient sind, dann sachlich gerechtfertigt sei, wenn auf die andauernde Verschlechterung der Ertragskraft mit einem Bündel von Maßnahmen reagiert wird und, nachdem diese Maßnahmen nicht ausreichend gegriffen haben, zur Kostensenkung auch das betriebliche Versorgungswerk herangezogen wird. Beide Entscheidungen sind zu der Frage ergangen, ob der Eingriff in noch nicht erdiente Zuwachsraten aus sachlich-proportionalen Gründen erfolgen konnte. Dies erscheint aber dann nicht als zutreffend, wenn der Grund für die künftig nicht mehr finanzierbare Belastung im System der betrieblichen Altersversorgung selbst liegt, dann kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, zuerst andere Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, bevor er zur Kostensenkung in das betriebliche Versorgungswerk eingreift. Die von der Beklagten als nicht mehr steuerbar erkannte Fehlentwicklung in der betrieblichen Altersversorgung liegt hier im Wesentlichen in der am Endgehalt der Arbeitnehmer orientierten Altersversorgung. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass ein Eingriff in die noch nicht erdienten Steigerungsbeträge durch feste und damit kalkulierbare Zuwachsraten pro Beschäftigungsjahr für die Zukunft als unverhältnismäßiger die Arbeitnehmer übermäßig belastender Eingriff zu werten ist, wenn insbesondere dadurch der wirtschaftlichen Fehlentwicklung bei der Beklagten entgegengesteuert werden kann. Da sie Letzteres unwidersprochen vorgetragen hat, war der Eingriff in das Versorgungswerk auf dieser Stufe als gerechtfertigt anzusehen.

Die Berufung des Klägers war somit als unbegründet zurückzuweisen.

Berufung der Beklagten

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.03.1994 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie konnte aber auch keinen Erfolg haben, da das Arbeitsgericht auf den Hilfsantrag des Klägers zu Recht entschieden hat, dass sich die Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers unter Berücksichtigung des vom Kläger bis zum 31.12.1984 erdienten Besitzstandes in der betrieblichen Altersversorgung und unter Wahrung der zeitanteilig erdienten Dynamik nach den Richtlinien der Beklagten vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980 bemisst.

Der Hilfsantrag des Klägers ist hinreichend bestimmt, wenn man ihn in der Weise versteht, dass die Beklagte ihm bei Eintritt des Versorgungsfalles eine Versorgungsleistung schuldet, bei der sich das rentenfähige Einkommen des Klägers gemäß § 22 Ziff. 2 der Richtlinien 1985 nach den Richtlinien 1975 in der Fassung vom 30.10.1980 bemisst.

Bezüglich des Feststellungsinteresses wird auf das bei der Berufung des Klägers Ausgeführte verwiesen.

Wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ist der Hilfsantrag des Klägers auch begründet.

Die Richtlinien 1985 sind insoweit unwirksam, als sie unverhältnismäßig in die zeitanteilig erdiente Dynamik der Versorgungsanwartschaft eingreifen. Bei der Berechnung des Besitzstandsbetrags gemäß § 22 Ziff. 2 der Richtlinien 1985 ist als rentenfähiges Einkommen nicht das Bruttomonatseinkommen nach dem Stand 31.12.1984 zu Grunde zu legen, es bestimmt sich vielmehr weiterhin nach den Richtlinien 1975 in der Fassung vom 30.10.1980.

Entgegen der Auffassung der Beklagten greifen die Richtlinien 1985 in die vom Kläger zeitanteilig erdiente Dynamik im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein.

Das Bundesarbeitsgericht versteht darunter die zeitanteilig erdiente Quote eines variablen, dienstzeitunabhängigen Berechnungsfaktors (BAG vom 26.08.1997, 3 AZR 213/96, AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Besitzstand). Der Zweck einer solchen Zusage besteht nicht in Vergütung einer fortdauernden Betriebstreue, sondern in der flexiblen Erfassung eines Versorgungsbedarfs (BAG vom 17.04.1985, 3 AZR 72/83, a.a.O.). In einem durch die Gehaltssteigerung im aktiven Arbeitsverhältnis dynamisierten Versorgungssystem erstreckt sich die Versorgungszusage nicht nur auf die Teilhabe der Anwartschaft an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, sondern auch auf das Ergebnis einer persönlichen beruflichen Entwicklung (BAG vom 18.04.1989, 3 AZR 299/87, AP Nr. 23 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen).

Die 5. Kammer des LAG Baden-Württemberg hat in dem Beschluss vom 19.05.1995 - 5 TaBV 5/94 - dazu folgendes ausgeführt: "Nach diesen Grundsätzen enthält die unter Ziff. 4 Betriebsvereinbarung 1985 (§ 22 Abs. 2 Richtlinien 1985) getroffene Besitzstandsregelung entgegen der Auffassung der Beklagten einen Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik. Denn gemäß Ziff. 4 Betriebsvereinbarung 1985 wird der bis zum 31.12.1984 zeitanteilig erdiente Besitzstand gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG auf der Grundlage des nach den bisherigen Richtlinien maßgeblichen rentenfähigen Einkommens nach dem Stand vom 31.12.1984 ermittelt und der sich hieraus ergebende Betrag als Besitzstandsbetrag festgeschrieben. Dies entspricht aber nicht der mit den Richtlinien 1975 zugesagten gehaltsabhängigen Dynamik, bei der der Wertzuwachs der Anwartschaft ohne Bindung an die Dienstzeit der Entwicklung eines variablen Berechnungsfaktors folgen soll, um den Anwartschaftswert dem durch die Höhe des Arbeitsentgelts geprägten Lebensstandard des begünstigten Arbeitnehmers bis zum Eintritt des Versorgungsfalles anzupassen. Der ... Eingriff in die Dynamik des Teils der Anwartschaft, der sich zur Zeit der Neuordnung des Versorgungssystems errechnet und für den der Arbeitnehmer die Gegenleistung bereits erbracht hat, wird auch nicht teilweise dadurch kompensiert, dass gemäß Ziff. 5 - 8 Betriebsvereinbarung 1985 ab 01.01.1985 ebenfalls im gewissen Umfang vom Gehalt abhängige Festrentenbeträge/Steigerungsbeträge vorgesehen sind. Denn diese Steigerungsbeträge sind im Gegensatz zur zeitanteilig erdienten Dynamik dienstzeitabhängig. ... Gehaltssteigerungen im aktiven Arbeitsverhältnis dienen im Grundsatz nicht dazu, in der Vergangenheit geleistete Betriebstreue zu entgelten, sie sind vielmehr Teilhabe an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und Ergebnis einer persönlichen beruflichen Entwicklung. Diese Teilhabe ist den Arbeitnehmern im dynamischen Versorgungssystem zugesagt. Dafür leisten sie Betriebstreue und diese haben sie bis zum Zeitpunkt der Neuordnung des Versorgungssystems teilweise schon erbracht. Im Übrigen ergäbe sich bei der Berücksichtigung der dienstzeitabhängigen künftigen Steigerungsbeträge als Kompensationsfaktor auch insofern ein Wertungswiderspruch, als diese allen Arbeitnehmers, also auch denjenigen, die erst nach dem 31.12.1984 in das Unternehmen der Beklagten eintreten, gleichermaßen gewährt werden, diese aber von den bereits mit einem Besitzstandsbetrag per 31.12.1984 versehenen Arbeitnehmern durch die von ihnen nach dem 31.12.1984 geleistete Dienstzeit überhaupt nur insoweit erdient werden könnten, als sie nicht dazu benötigt werden, um den zeitanteilig bereits vor dem 01.01.1985 erdienten Wertzuwachs der Anwartschaft auf Grund späterer Gehaltssteigerungen auszugleichen, was wohl auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar wäre."

An diesem Ergebnis ändert auch die Dynamisierung des Besitzstandsbetrags entsprechende Entwicklung der Lebenshaltungskosten gemäß Ziff. 10 der Betriebsvereinbarung 1985, die im Übrigen nicht in die Richtlinien 1985 umgesetzt worden ist, nichts. Zwar spricht das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 17.04.1985 im Zusammenhang mit der dienstzeitunabhängigen Steigerungsrate von einer Anpassung an die Kaufkraftentwicklung und verweist insoweit auch bezüglich der Konkretisierung der triftigen Gründe, die bei einem Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik vorliegen müssen, auf die Anpassung der Renten nach § 16 BetrAVG. Andererseits führt das BAG in der Entscheidung vom 18.04.1989 (3 AZR 299/87, AP Nr. 27 zu § 1 BetrAVG Ablösung) aber aus, dass der Schutz der zeitanteilig erdienten Dynamik neben der Teilhabe an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung auch das Ergebnis der persönlichen beruflichen Entwicklung mitumfasst. Somit kann auch eine versprochene Anpassung an die Kaufkraftentwicklung nicht die Abänderung des rentenfähigen Einkommens in den Richtlinien 1985 ausgleichen.

Bei einem Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung einen triftigen Grund (BAG vom 17.04.1985, 3 AZR 72/83, a.a.O., BAG vom 26.08.1997, 3 AZR 213/96, a.a.O., BAG vom 11.05.1999, 3 AZR 21/98, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung).

Ein triftiger Grund ist nach dieser Rechtsprechung dann gegeben, wenn langfristig die Substanz des Unternehmens gefährdet erscheint (BAG vom 17.04.1985, a.a.O.) oder die Gefahr entsteht, dass die Entwicklung des Unternehmens beeinträchtigt und seine Substanz aufgezehrt wird (BAG vom 18.04.1989, 3 AZR 299/87, a.a.O.), oder wenn der Unternehmer die Renten nicht mehr aus den Erträgen und Wertzuwächsen erwirtschaften kann und deshalb die Gefahr entsteht, dass die Entwicklung des Unternehmens beeinträchtigt und seine Substanz aufgezehrt wird (BAG vom 17.11.1992, 3 AZR 76/92, a.a.O).

Das Bundesarbeitsgericht hält auch triftige Gründe nicht wirtschaftlicher Art für ausreichend, wenn ohne Schmälerung des Gesamtaufwands für die Versorgung Leistungskürzungen durch Leistungsverbesserungen aufgewogen werden, die dazu dienen sollen, eine eingetretene Verzerrung des Leistungsgefüges zu beseitigen (BAG vom 11.09.1990, 3 AZR 380/89, AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Besitzstand, BAG vom 07.07.1992, 3 AZR 522/91, AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Besitzstand). Eine solche Sachlage ist hier aber nicht gegeben, da unstreitig durch die Änderung und Umstellung des Versorgungswerks der Gesamtaufwand für die betriebliche Altersversorgung durch die Richtlinien 1985 gekürzt werden sollte. Die vorgenommenen Umverteilungen erfolgten somit unter der Prämisse eines geschmälerten Dotierungsrahmens.

Es ist aber auch fraglich, ob sich die Beklagte auf triftige Gründe wirtschaftlicher Art berufen kann.

Abzustellen ist dabei auf die wirtschaftliche Situation der Beklagten. Für einen Berechnungsdurchgriff auf die Konzernmutter genügen ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag nicht aus. Das herrschende Unternehmen müsste seine Leitungsmacht in einer Weise ausgeübt haben, die keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen die Interessen anderer dem Konzern angehöriger Unternehmen oder sein eigenes Interesse in den Vordergrund gestellt haben (BAG vom 17.04.1996, 3 AZR 56/95, AP Nr. 35 zu § 16 BetrAVG).

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Versorgungszusage bereits vor Inkrafttreten des BetrAVG, der Versorgungsfall aber erst danach eintreten wird (Übergangsfall). Das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 11.09.1990, 3 AZR 380/89, a.a.O., BAG vom 17.11.1992, 3 AZR 76/92, a.a.O.) hat dazu immer ausgeführt, dass sogar für Eingriffe in Versorgungszusagen vor Inkrafttreten des BetrAVG bei der Prüfung aus heutiger Sicht von der seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.04.1985 vorgenommenen Dreiteilung der Besitzstände auszugehen ist, da sich der Prüfungsmaßstab inhaltlich nicht verändert hat, sondern nur konkretisiert worden ist.

Die Beklagte hat durch Vorlage des Gutachtens von Arthur Andersen vortragen lassen, dass eine längerfristige unzureichende Eigenkapitalverzinsung, die einen Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik erlaube, vorliege. Die mangelnde Eigenkapitalverzinsung muss sich allerdings auf eine unbefriedigende wirtschaftliche Situation und nicht allein auf eine bilanzmäßige Überschuldung zurückführen lassen. Ein Hauptgrund für die mangelnde Eigenkapitalverzinsung ist aber im vorliegenden Fall nach dem Vortrag der Beklagten die ab 1985 gesetzlich vorgeschriebene Nachholung der Rückstellungen für die bis 1985 nicht bilanzierten Pensionsverpflichtungen gegenüber der Unterstützungskasse in Höhe von 887 Millionen DM. Ob bereits 1980 bis 1984 die Erträge und Wertzuwächse der Beklagten tatsächlich nicht ausgereicht hätten, bei ordnungsgemäßer Bilanzierung der nur für diesen Zeitraum entstandenen Versorgungsanwartschaften eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zu gewährleisten, kann die Kammer offen lassen. Denn im Ergebnis hat die Beklagte die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs nicht überzeugend darzulegen vermocht, weil es an der Darlegung eines Gesamtkonzepts als Reaktion auf eine als unbefriedigend erkannte wirtschaftliche Situation fehlt (s. dazu auch Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 20.09.2001 - 17 Sa 5/98).

So führt die Rechtsprechung dazu aus (BAG vom 17.08.1999, 3 ABR 55/98, AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, BAG vom 24.04.2001, 3 AZR 402/00, BB 2001, 1687), dass der Arbeitgeber darzulegen habe, inwieweit die Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung auf Grund der eingetretenen wirtschaftlichen Situation verhältnismäßig waren. Dabei wird es auch darauf ankommen, die Gesamtheit der Maßnahmen darzulegen, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Kosteneinsparung zu dienen bestimmt waren. Der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk muss sich in ein nachvollziehbar auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ausgerichtetes Gesamtkonzept einpassen. Ein Eingriff in die Zuwachsraten, die noch nicht erdient sind, ist dann sachlich gerechtfertigt, wenn auf die andauernde Verschlechterung der Ertragskraft mit einem Bündel von Maßnahmen reagiert wird und, nachdem diese Maßnahmen noch nicht ausreichend gegriffen haben, zur Kostensenkung auch das betriebliche Versorgungswerk herangezogen wird (BAG vom 11.05.1999, 3 AZR 21/98, AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung). Ein Gesamtkonzept in diesem Sinne konnte die Beklagte nicht darlegen. Zwar hat die Beklagte vorgetragen, dass sie in den Jahren 1980 bis 1989 erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt habe. Das Unternehmen wurde mittels umfangreicher Investitionen auf eine neue Technologie umgerüstet, ein Großteil des Personals wurde ausgetauscht. Es war aber nicht erkennbar, inwieweit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Maßnahmen und der wirtschaftlichen Lage der Beklagten Ende 1984 bestanden hat. Auch sind Investitionen notwendig, um die Produktivität zu steigern oder um alte gegen neue Anlagen auszutauschen. Ein Eingriff in die Altersversorgung wäre aber nur dann zulässig gewesen, wenn notwendige Investitionen ohne einen solchen Eingriff hätten unterbleiben müssen.

Gegen ein Gesamtkonzept spricht auch, dass die Beklagte, von Ausnahmefällen abgesehen, seit 1982 keine Versorgungszusagen gegenüber Mitarbeitern im Managementbereich mehr gemacht haben will, auf der anderen Seite aber die leitenden Angestellten keinen Eingriff in ihre Versorgungsanwartschaften hinnehmen mussten. Auch wurden zwischen 1981 und 1985 die laufenden Betriebsrenten gemäß § 16 BetrAVG angepasst, wenn auch 1980 bis 1984 nur in Höhe von 50 %. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass die Sanierungslasten auf die möglichen Betroffenen gerecht verteilt wurden.

Auch die im Schriftsatz der Beklagten vom 09.08.2001 punktuell aufgeführten Maßnahmen hatten zwar eine Kostensenkung zum Ziel, das Gericht kann aber nicht beurteilen, ob diese Maßnahmen, unter Umständen zusammen mit der Änderung der betrieblichen Altersversorgung im Bezug auf die noch nicht erdienten Zuwachsraten, nicht ausgereicht hätten, der Substanzgefährdung des Unternehmens zu begegnen. Es ist dabei weiter zu berücksichtigen, dass gerade durch den Austausch von einem großen Teil der Belegschaft in den 80-er-Jahren nur noch ein Teil der Arbeitnehmer im Betrieb verblieb, deren Besitzstand per 31.12.1984 zu dynamisieren war.

Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die Beklagte kein Gesamtsanierungskonzept dargetan hat, so dass von einer Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die zeitanteilig erdiente Dynamik ausgegangen werden konnte.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart konnte demgemäß keinen Erfolg haben, sie war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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