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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 08.10.2001
Aktenzeichen: 6 Sa 44/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ArbGG
Vorschriften:
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 1 | |
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BGB § 242 | |
ArbGG § 72 Abs. 2 | |
ArbGG § 72 a |
6 Sa 44/01
verkündet am 08. Oktober 2001
In dem Rechtsstreit
pp.
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 6. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Stolz, den ehrenamtlichen Richter Beran und die ehrenamtliche Richterin Rodenfels auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2001 für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.2001 - 17 Ca 8752/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Von einer ausführlichen Darstellung des Prozessstoffes wird im Hinblick auf § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, nachdem das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt. Stattdessen wird auf den Inhalt des angefochtenen arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Die Beklagte hat gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt.
Sie ist weiterhin der Meinung, dass dem Kläger nach den Bestimmungen des Aufhebungsvertrags vom 09.11.1998 in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 nur ein Abfindungsbetrag in Höhe von 593.856,-- DM zustehe, so dass die Klage auf Zahlung des Differenzbetrages unbegründet sei.
Die Auslegung des Aufhebungsvertrages ergebe nämlich, dass die Parteien einen bestimmten Berechnungsmodus zur Ermittlung der Höhe des Abfindungsanspruchs des Klägers vereinbart hätten und keine Abfindung in Form eines bestimmten Zahlbetrages. Im Aufhebungsvertrag sei auf die Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 verwiesen, nach deren § 3 70 % der bei Ausscheiden erreichten Tabellenvergütung sowie 70 % der anderen anzurechnenden Vergütungsbestandteile durch die Abfindung ausgeglichen werden sollten. Gemäß § 3.1 f der Betriebsvereinbarung habe das Arbeitslosengeld angerechnet werden sollen, welches der Kläger zum Zeitpunkt des Eintritts in die Frühpensionierung erhalten würde. Insoweit sei die letzte von der Beklagten vorgenommene Berechnung vom 15.03.1999 bezüglich des vom Kläger tatsächlich zu beziehenden Arbeitslosengeldes fehlerhaft wegen der Änderungen der Sperr- und Ruhenszeiten, die auf Grund einer späteren Gesetzesänderung durch das nunmehr die Arbeitsförderung regelnde SGB III erfolgt seien. Diese Gesetzesänderung habe Einfluss auf die Höhe der Abfindung, da die Anrechnung des Arbeitslosengeldes vereinbart sei. Aus § 2 der Betriebsvereinbarung ergebe sich auch, dass lediglich Veränderungen des Arbeitslosengeldes nach dessen erstmaliger Festsetzung keinen Einfluss mehr auf die Höhe der Abfindung haben sollten, dies lasse erkennen, dass vor dieser ersten Festsetzung des Arbeitslosengeldes keine endgültige Berechnung habe erfolgen sollen.
Auch spreche Ziff. 3 des Aufhebungsvertrages von Verpflichtungen des Frühpensionärs, bei deren Verletzung die fiktiven Leistungen angerechnet werden sollten. Auch dies zeige, dass nachträgliche Änderungen noch zu berücksichtigen seien. Daraus ergebe sich zwangsläufig, dass jede Veränderung des Arbeitslosengeldes während der Laufzeit des Vertrages, die sich zu Gunsten des Klägers auswirke, von der Beklagten angerechnet werden könnte.
Die Beklagte hat daher in zweiter Instanz den Antrag gestellt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.2001 - 17 Ca 8752/00 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger entgegnet, es treffe zu, dass im Aufhebungsvertrag der Parteien vom 09.11.1998 nur eine vorläufige Berechnung der Abfindung vorgenommen worden sei. Es sei aber vereinbart worden, dass die endgültige Festsetzung auf der Grundlage der zu berücksichtigenden Vergütung des letzten Beschäftigungsmonats vor dem Ausscheiden habe erfolgen sollen. Diese endgültige Festsetzung sei dann von der Beklagten im März 1999 mit Schreiben vom 15.03.1999 mit einer Abfindung von 621.178,-- DM vorgenommen worden.
Zwischen den Parteien sei keine Berechnungsmethode, sondern ein konkreter Abfindungsbetrag vereinbart worden. Die Bestimmungen des Aufhebungsvertrags seien mit der endgültigen Festsetzung im März 1999 abgeschlossen gewesen. Weder Betriebsvereinbarung noch Aufhebungsvertrag ermöglichten der Beklagten, die vereinbarte Abfindung zu reduzieren. Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage fänden vorliegend keine Anwendung. Die Berechnung der Beklagten vom 15.03.1999 sei von der Beklagten unter Anrechnung des damaligen Arbeitslosengeldbetrags vorgenommen worden. Die Änderung des AFG/SGB III sei für diese Berechnung ohne Bedeutung. Die Änderung habe auch nur die Dauer der Arbeitslosengeldzahlung, nicht die Höhe des Arbeitslosengeldes betroffen. Es komme aber auf die Höhe, nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds bezüglich der Anrechnung auf die Abfindung an. Wenn die Beklagte nachträgliche Änderungen der Arbeitslosengeldzahlung habe berücksichtigen wollen, so hätte sie sich ein derartiges Recht im Aufhebungsvertrag vorbehalten müssen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.2001 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie konnte aber keinen Erfolg haben.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht den eingeklagten Differenzbetrag zwischen der mit Schreiben vom 15.03.1999 ausgewiesenen Abfindung in Höhe von 621.178,-- DM und dem gemäß der Mitteilung der Beklagten vom 10.05.1999 errechneten Abfindungsbetrag von 593.856,-- DM zugesprochen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Abfindung gemäß Ziff. 2 des Aufhebungsvertrags vom 15.03.1999 in der in der Mitteilung der Beklagten vom 15.03.1999 festgesetzten Höhe von 621.178,-- DM.
Ziff. 2 Abfindung des Aufhebungsvertrags vom 09.11.1998 lautet folgendermaßen:
Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält der Frühpensionär eine Abfindung, die sich nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung bemisst. Nach den ersten vorläufigen Berechnungen (s. Anlage) wird der Abfindungsbetrag 620.318,-- DM betragen. Für die Berechnung der Abfindung gelten die der E. bekannten Steuermerkmale im Austrittsmonat.
Die endgültige Festsetzung erfolgt auf der Grundlage der zu berücksichtigenden Vergütung des letzten Beschäftigungsmonats vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis.
In der gemäß Ziff. 2 Absatz 2 des Aufhebungsvertrags erfolgten Mitteilung der Beklagten vom 15.03.1999 über die Bruttoentgeltberechnung im Rahmen der Frühpensionierungsregelung BV 55 errechnete die Beklagte für den Kläger eine Abfindung in Höhe von 621.178,-- DM.
Die Beklagte wendet nun ein, dass sich der Betrag gemäß der Mitteilung vom 10.05.1999 auf 593.856,-- DM verringert habe, da durch die gesetzlichen Änderungen mit der Einführung des SGB III zwar nicht die Höhe des Arbeitslosengelds, aber der Bezugszeitraum zu Gunsten des Klägers verändert worden sei. Die Beklagte will diese Anpassung gemäß den Bestimmungen des Aufhebungsvertrags in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 vornehmen, in der unter § 3.1 f bestimmt ist, dass das Arbeitslosengeld zum Zeitpunkt des Eintritts in die Frühpensionierung, das der Berechnung der Abfindung zu Grunde liegt, auf die Abfindung angerechnet wird, wobei nach § 3.2 Veränderungen des Arbeitslosengeldes nach der erstmaligen Festsetzung nicht berücksichtigt werden sollen. Die Beklagte schließt daraus, dass bei einer rückwirkenden Veränderung der Voraussetzungen für den Bezug und die Dauer des Arbeitslosengelds eine nochmalige abändernde Festsetzung der Abfindung erfolgen könne.
Im Wege der Auslegung ist somit zu ermitteln, wie die entsprechenden Bestimmungen in dem Aufhebungsvertrag der Parteien vom 09.11.1998, der ausdrücklich auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 abgeschlossen worden ist, zu verstehen sind. Nach den §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Jede Auslegung vorausgehen muss die Feststellung des Erklärungstatbestandes, d.h. die Ermittlung der für die Auslegung relevanten Tatsachen. Voraussetzung der Auslegung ist, dass die Willenserklärung auslegungsbedürftig ist. Hat die Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum. Die Willenserklärung muss auslegungsfähig sein. Gegenstand der Auslegung ist nicht einfach die Erklärung, sondern die Erklärung als Willenserklärung. Daher konstituiert das Gesamtverhalten der Beteiligten den Auslegungsgegenstand. Es ist in der Regel geboten, die zu einem Rechtsgeschäft führenden Verhandlungen in das Auslegungsverfahren einzubeziehen. Nur aus der Eigenart des auszulegenden Rechtsgeschäfts kann sich die Notwendigkeit einer Einschränkung des Auslegungsgegenstandes ergeben. Nach einer in der Rechtsprechung (BGH vom 20.10.1974 DB 1975, 442) verbreiteten Formel ist bei der Auslegung das Gesamtverhalten der Erklärenden einschließlich aller Nebenumstände, etwaiger Vorbesprechungen sowie des Zwecks der Erklärung zu berücksichtigen. Die Erklärung als das wichtigste Element im Gesamtverhalten der Erklärenden erfolgt regelmäßig ausdrücklich. Das Verbot der Buchstabeninterpretation bildet einen der Schwerpunkte des normativen Gehalts von § 133 BGB. Ungeachtet des Verbots der ausdrücklichen Auslegung hat jede versuchte Interpretation einer ausdrücklichen Erklärung von ihrem Wortlaut auszugehen. Es ist demnach von der Ermittlung des Vorliegens einer Willenserklärung und der Feststellung ihres Textes auszugehen und ohne Haften am Buchstaben der wirkliche Wille des Erklärenden sowie das maßgebliche Verständnis des Erklärungsempfängers zu ermitteln (Münchener Kommentar, BGB, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Rn. 39 ff. zu § 133 BGB).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass vorrangig auf den zwischen den Parteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrag vom 09.11.1998 bei der Auslegung abzustellen ist, auch wenn er auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 13.11.1996 ergangen ist. Das gilt insbesondere auch, soweit in dem Aufhebungsvertrag eine gegenüber der Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer günstigere einzelvertragliche Vereinbarung zu sehen ist, denn nach dem Günstigkeitsprinzip hat die zu Gunsten des Arbeitnehmers von der Betriebsvereinbarung abweichende Individualvereinbarung Vorrang (Fitting-Kaiser-Heither-Engels 19. Aufl., Rn. 58 zu § 77 BetrVG, Rn. 89 zu § 77 BetrVG). Insoweit spricht Ziff. 2.2 des Aufhebungsvertrags von der endgültigen Festsetzung, die vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erfolgen soll, während nach Ziff. 2 Abs. 1 die ersten vorläufigen Berechnungen dem Aufhebungsvertrag beigefügt waren. Diese Formulierung ist im Sinne einer Stichtagsregelung zu verstehen. Die endgültige Festsetzung erfolgte dann auch dementsprechend kurz vor dem Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis am 31.03.1999 mit der Mitteilung der Beklagten vom 15.03.1999. Damit ist davon auszugehen, dass diese Berechnung keine vorläufige sein, sondern den Abfindungsbetrag für den Kläger letztendlich bestimmen sollte.
Die Regelung in § 3.2 der Betriebsvereinbarung, dass Veränderungen des Arbeitslosengelds nach der erstmaligen Festsetzung gleichfalls nicht berücksichtigt werden, auf die sich die Beklagte beruft, da bei Erstellen der Mitteilung vom 15.03.1999 noch keine Festsetzung durch das Arbeitsamt bezüglich des Arbeitslosengeldes erfolgt sei, kann wie oben bereits dargestellt, schon keine Anwendung finden, da der vorrangige Aufhebungsvertrag unter Ziff. 2 von einer endgültigen Festsetzung der Abfindungssumme vor Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis spricht. Des Weiteren ist aber zu bedenken, dass die Auslegung der Beklagten, die diese der Ziff. 3.2 der Betriebsvereinbarung beiliegt, nicht unbedingt zwingend ist, denn der Begriff der "erstmaligen Festsetzung" kann sich ebenso auf die Abfindung wie auf das Arbeitslosengeld beziehen. Eine Entscheidung dieser Frage kann aber dahingestellt bleiben.
Ebenso greift auch der Einwand der Beklagten nicht, dass unter Ziff. 3 des Aufhebungsvertrags die Verpflichtungen des Klägers geregelt seien, wobei ein schuldhafter Verstoß des Klägers gegen diese Verpflichtungen zur Anrechnung der fiktiven Leistungen führe. Diese Bestimmung kann nur so verstanden werden, dass der Kläger in seinem Interesse auf die ihm obliegenden Meldepflichten hingewiesen wird. Insbesondere das Arbeitslosengeld ist bereits vorab bei Berechnung der Abfindung angerechnet worden, so dass insoweit ein Unterlassen des Klägers nicht zu einer höheren Abfindung führen könnte.
Für eine Auslegung des § 2 Abs. 2 des Aufhebungsvertrags im Sinne der grundsätzlich ausschlaggebenden Festsetzung der Abfindung spricht auch, dass in § 2 Abs. 3 bestimmt ist, dass eine Nachberechnung der Abfindung nur dann vorgenommen werden kann, wenn die bei Vertragsabschluss zu Grunde gelegten Voraussetzungen für die Ermittlung des voraussichtlichen Arbeitslosengeldes nicht zutreffen und zu einer wesentlichen Abweichung des errechneten Abfindungsbetrags führen. Damit steht der Beklagten nur in begrenztem Umfang das Recht der Abänderung zu, wenn Veränderungen bei der Arbeitslosengeldzahlung das Gleichgewicht des Vertrages stören. Dieser Paragraph ist erkennbar den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nachgebildet. Die Anwendung der Grundsätze der Geschäftsgrundlage bedeutet der Sache nach, das Risiko eines Auseinanderfallens von Vorstellungen und Wirklichkeit auf die Beteiligten zu verteilen. Hierfür ist zunächst einmal maßgeblich, wie die Parteien (bzw. die hinterher betroffene Partei) selbst dieses Risiko (ex ante) gesehen haben. Die Notwendigkeit einer Zumutbarkeitsprüfung als weiterer Schritt ist im Rahmen einer Vertragskorrektur nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlage einhellig anerkannt. Wichtig dürfte es sein, dass die Beurteilung der Zumutbarkeit als Stadium einer umfassenden Interessenabwägung sich weder von den Interessenbewertungen, die für die grundsätzliche Risikozuordnung maßgebend sind, noch von denjenigen, die die Rechtsfolge im Einzelnen bestimmen, trennen lässt. Praktische Bedeutung hat das Zumutbarkeitskriterium als Tatbestandselement wohl hauptsächlich als Ausdruck des Grundsatzes, der für jede Rechtsentwicklung unter § 242 BGB gilt, dass nämlich ein erhebliches Interessenungleichgewicht verlangt werden muss, um von vorgegebener gesetzlicher oder vertraglicher Regelung unter Berufung auf Treu und Glauben abzuweichen (Münchener Kommentar, Rn. 537, 540 zu § 242 BGB, BGH vom 08.02.1984, NJW 1984, 1746).
Auch das BAG hat in seiner Entscheidung vom 04.04.1990 - 5 AZR 99/88 - ausgeführt, dass Geschäftsgrundlage die bei Abschluss des Vertrages zu tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen, und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände sind, sofern der Geschäftswille der Parteien hierauf aufbaut. Bei gegenseitigen Verträgen ist in der Regel die Vorstellung der Parteien von der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Geschäftsgrundlage. Zu den Umständen, die zu einer Störung des Äquivalenzverhältnisses führen können, gehören auch spätere, in dieser Form nicht erwartete Gesetzesänderungen. Das BAG hat aber des Weiteren ausgeführt, dass eine Anpassung an die neue Rechtslage nur dann zu erfolgen habe, wenn die Äquivalenzstörung erheblich sei. Unwesentliche Änderungen blieben demgegenüber außer Betracht.
Dementsprechend bestimmt § 2 Ziff. 4 des Aufhebungsvertrags, dass eine Nachberechnung der Abfindung nur vorgenommen werden kann, wenn es durch die Veränderung des Arbeitslosengeldes zu einer wesentlichen Abweichung des errechneten Abfindungsbetrages kommt. Das bedeutet eben gerade, dass nicht jede Änderung der Voraussetzungen für den Bezug des Arbeitslosengeldes nach der endgültigen Festsetzung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Angleichung des Abfindungsbetrages auslösen kann. Als Ergebnis ist somit festzustellen, dass § 2 des Aufhebungsvertrages so auszulegen ist, dass die endgültige Festsetzung vor dem Ausscheiden des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich verbindlich sein soll, dass aber wesentliche Abweichungen wie auch beim Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, als die auch Gesetzesänderungen wie vorliegend die Änderung des SGB III vom 24.03.1999, die zum 01.04.1999 Wirksamkeit erlangte, anzusehen sind, zu einer Äquivalenzstörung führen können, so dass eine Anpassung erforderlich werden kann.
Dies besagt im vorliegenden Fall, dass eben nicht jede, sondern nur eine wesentliche Abweichung des errechneten Abfindungsbetrags von der Berechnung der Abfindung, die unter Einbeziehung der neuen Bestimmungen über das Arbeitslosengeld erfolgt ist, wobei es nicht nur auf die Höhe, sondern auch auf die Bezugsdauer insgesamt ankommt, wie sich aus den vorliegenden Berechnungen der Beklagten ergibt, eine Anpassung nach § 3 Ziff. 2 Abs. 4 Aufhebungsvertrag verlangt.
Die Abweichung beträgt vorliegend 4,4 %, ausgehend von einem Differenzbetrag von 27.322,-- DM zwischen der Abfindung in Höhe von 621.178,-- DM nach der Mitteilung der Beklagten vom 15.03.1999 und der Abfindung von 593.856,-- DM gemäß der Berechnung der Beklagten vom 10.05.1999. Dieser Prozentsatz ist sowohl nach der betreffenden Vorschrift des Aufhebungsvertrags als auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG vom 04.04.1990 - 5 AZR 99/88) ebenso wie nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht als so erhebliche Äquivalenzstörung anzusehen, dass eine Anpassung zu Gunsten der Beklagten erfolgen müsste.
Das Arbeitsgericht hat somit zutreffend der Klage stattgegeben, die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gegen dieses Urteil gibt es kein Rechtsmittel. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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