Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 86/06
Rechtsgebiete: ArbGG, TVG, BetrVG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 4
ArbGG § 69 Abs. 2
ArbGG § 97 Abs. 5 Satz 1
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 3 Abs. 3
TVG § 4 Abs. 1 Satz 1
TVG § 4 Abs. 5
TVG § 5
BetrVG § 77 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 259
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 7 Sa 86/06

verkündet am 19.01.2007

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 7. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfeiffer, den ehren-amtlichen Richter Baumann und den ehrenamtlichen Richter Sacherl auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 14.07.2006 - 4 Ca 505/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger tarifliche Lohnerhöhungen zu zahlen.

Der am 02.08.1959 geborene Kläger ist seit 26.08.1991 im Versandbereich der Beklagten, einem Unternehmen des Einzelhandels, als Kraftfahrer mit benötigter Führerscheinklasse 2 beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist der Arbeitsvertrag vom 12.08.1991, auf den Bezug genommen wird (Blatt 8 bis 10 der ArbG-Akte). Dessen § 14 lautet wie folgt:

"Die Tarifverträge für den Einzelhandel sowie die Betriebsordnung finden in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die Bestimmungen dieses Vertrages sind vorrangig, soweit nicht zwingende tarifliche Regelungen bestehen. Der Arbeitnehmer erklärt, dass er von diesen Bestimmungen Kenntnis genommen hat."

Die Beklagte, die bereits längere Zeit vor Abschluss des Arbeitsvertrages Mitglied des Einzelhandelsverbandes war, beantragte mit Schreiben vom 13.05.2003 (Blatt 47 der ArbG-Akte) die Mitgliedschaft im Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Baden-Württemberg e. V. als Mitglied ohne Tarifbindung (fortan OT-Mitgliedschaft). Mit Schreiben vom 14.05.2003 (Blatt 32 der ArbG-Akte) bestätigte der Verband die OT-Mitgliedschaft "ab sofort". Die Verbandssatzung in der Fassung vom 06.11.2003, auf die im Übrigen verwiesen wird (Blatt 48 bis 55 der ArbG-Akte), lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 4 a Tarifbindung

1. Die Mitgliedschaft im Sinne von § 3 kann als eine solche mit Verbandstarifbindung (Mitglied T) als auch eine ohne Verbandstarifbindung (Mitglied OT) erworben werden.

2. Mitglieder, die eine Verbandstarifbindung nicht wünschen und aus der Tarifgemeinschaft ausscheiden wollen, können sich hiervon mit schriftlicher Erklärung an die Geschäftsstelle des Verbandes befreien.

Erfolgt diese Erklärung während der Laufzeit eines Verbandstarifvertrages, so wird sie erst mit dessen Ablauf (einschließlich Nachwirkung im Sinne von § 3 Abs. 3 TVG) wirksam.

Über die Folgen des Austritts aus der Tarifgemeinschaft ist das Mitglied schriftlich durch die Geschäftsstelle aufzuklären.

3. Mitglieder ohne Tarifbindung werden von den vom Verband abgeschlossenen Tarifverträgen nicht erfasst. Der Abschluss eines firmentarifbezogenen Verbandstarifvertrages ist ausgeschlossen.

4. Die Mitglieder mit Verbandstarifbindung benennen und entsenden aus ihren Reihen Vertreter des eigenen Unternehmens in den Tarifpolitischen Ausschuss (§ 4 b) durch schriftliche Mitteilung an die Geschäftsstelle des Verbandes.

Mitglieder ohne Verbandstarifbindung haben kein Benennungs- und Entsenderecht.

5. Die Beschlußfassung in der Mitgliederversammlung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen unterliegt allein den Mitgliedern mit Verbandstarifbindung.

§ 4 b Tarifpolitischer Ausschuß

1. Dem Tarifpolitischen Ausschuß gehören an:

- Der Vorsitzende des Verbandes, sofern er einem Unternehmen mit Verbandstarifbindung zugehörig ist. Im übrigen wird der amtierende Vorsitzende wie seine Stellvertreter gewählt.

- Vertreter der Mitgliedsunternehmen mit Verbandstarifbindung. ...

Sie bilden die Große Tarifkommission der Tarifgemeinschaft.

...

3. Der Tarifpolitische Ausschuß ist für die Verbandstarifverträge zuständig. Ihm obliegt die Bearbeitung, Beratung sowie Beschlussfassung in allen Fragen der Tarifpolitik.

Der Tarifpolitische Ausschuß hat insbesondere folgende Aufgaben:

a) Abschluß und Kündigung von Tarifverträgen

b) Bei Bedarf Einsetzen von Ausschüssen und/oder Arbeitskreisen

c) Bildung einer Verhandlungskommission, die aus mindestens 10 Personen bestehen sollte.

4. Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung nehmen an den Sitzungen des Tarifpolitischen Ausschusses mit beratender Stimme teil.

...

7. Der Vorsitzende des Tarifpolitischen Ausschusses kann je nach Bedarf in Abstimmung mit seinen Stellvertretern und im Benehmen mit der Geschäftsführung bis zu fünf tarif- und sozialpolitisch sachkundige Personen befristet in die Große Tarifkommission/Verhandlungskommission sowie in deren Arbeitskreise/Ausschüsse berufen."

Der Kläger ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Zwischen dem Arbeitgeberverband und der Gewerkschaft wurden am 26.07.2002 (fortan Entgelt-TV 2002, gültig ab 01.04.2002) und am 28.07.2003 (fortan Entgelt-TV 2003, gültig ab 01.04.2003) Tarifverträge über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialleistungen im Einzelhandel Baden-Württemberg abgeschlossen. Der in II Löhne, Tätigkeitsgruppe I, Lohnstufe 8 eingruppierte Kläger erhielt bis einschließlich Juni 2003 tarifvertragskonform einen Monatsbruttolohn in Höhe von € 2 156,00. Der Tariflohn für Vollzeitbeschäftigte in der für den Kläger maßgeblichen Tätigkeitsgruppe I, Lohnstufe 8 beträgt seit dem 01.07.2003 monatlich € 2 193,00 brutto und ab dem 01.07.2004 monatlich € 2 230,00 brutto.

Die Beklagte gewährte über den 01.07.2003 hinaus an den Kläger unverändert den monatlichen Tariflohn von € 2 193,00 brutto. Die monatliche tarifliche Vergütungsdifferenz beträgt seit dem 01.07.2004 € 37,00 brutto. Der Entgelt-TV 2003 wurde durch den am 01.04.2005 rückwirkend in Kraft getretenen Entgelttarifvertrag vom 22.03.2006 abgelöst. Nach diesem Entgelttarifvertrag beläuft sich der entsprechende monatliche Tariflohn ab 01.09.2006 auf € 2 252,00 brutto.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage die Nachzahlung der monatlichen Tariflohnerhöhung von € 37,00 brutto seit dem 01.07.2004 bis Januar 2006 zuzüglich sich jeweils daraus ergebender erhöhter Sonderzahlung 2004 in Höhe von € 23,13 brutto und erhöhtem Urlaubsgeld 2004 in Höhe von € 18,00 brutto. Wegen der einzelnen Differenzbeträge ab Juli 2004 bis einschließlich Januar 2006 wird auf die Klageschrift vom 07.11.2005, Seiten 5 und 6 (Blatt 5 und 6 der ArbG-Akte) und auf den Schriftsatz des Klägers vom 07.02.2006, Seite 2 (Blatt 34 der ArbG-Akte) ergänzend Bezug genommen. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab dem 01.02.2006 monatlichen Lohn nach Tätigkeitsgruppe I, Lohnstufe 8 des jeweils gültigen Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für den Bereich des Einzelhandels in Baden-Württemberg zu bezahlen. Die Ausschlussfristen wurden jeweils beachtet.

Der Kläger hat im Wesentlichen behauptet und geltend gemacht, seine Ansprüche seien aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Anwendbarkeit der Tarifverträge unabhängig von der Verbandsmitgliedschaft der Beklagten begründet. Eine Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne vorliegend deshalb nicht angenommen werden, weil sie lediglich eine fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen solle. Dieser Zweck sei vorliegend nicht gegeben, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages die jeweiligen Entgelttarifverträge allgemeinverbindlich gewesen seien, aber selbst im Fall der Annahme einer so genannten Gleichstellungsabrede sei die Beklagte auch nach ihrem Verbandswechsel aufgrund ihres Verhaltens verpflichtet, alle Tarifänderungen vorzunehmen. So sei der maßgebliche Tarifvertrag am Schwarzen Brett betriebsintern ausgehängt gewesen. Darüber hinaus habe der Geschäftsführer der Beklagten auf eine entsprechende Frage eines Betriebsratsmitgliedes, ob beabsichtigt sei, aus der Tarifbindung auszuscheiden, geantwortet: "Tarifverträge sind gut und nützlich. Am bestehenden Zustand wird sich daran nichts ändern.". Schließlich habe die Beklagte mit Wirkung ab dem 01.07.2003 gleichwohl seinen Lohn um monatlich € 37,00 brutto auf € 2 193,00 brutto erhöht, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits OT-Mitglied gewesen sei. Im Übrigen sei die OT-Mitgliedschaft nach der in § 3 Nr. 5 a der Satzung des Verbandes verankerten Kündigungsfrist erst zum 31.12.2003 wirksam geworden mit der Folge, dass der Entgelt-TV 2003 vom 28.07.2003 unmittelbar Anwendung finde.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Juli 2004 bis zunächst einschließlich September 2005 in Höhe von € 596,13 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 in Höhe von € 148,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.02.2006 nach der Tarifgruppe II, Tätigkeitsgruppe I, Lohnstufe 8 des jeweils gültigen Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für den Bereich des Einzelhandels in Baden-Württemberg mit einem Monatsgehalt in Höhe von derzeit € 2 230,00 brutto zu vergüten.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat behauptet und im Wesentlichen geltend gemacht, die Bezugnahmeklausel begründe keinen einzelvertraglichen Anspruch. Diese Klausel sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Gleichstellungsabrede auszulegen. Dies bedeute, dass der Kläger auch nur während der Dauer ihrer Tarifgebundenheit an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen Tarifregelungen teilnehmen könne. Eine Kündigungsfrist sei bei Verbandswechsel nicht zu beachten, sondern lediglich die Regeln über die Nachwirkung von Tarifverträgen. Es sei auch bedeutungslos, ob der Entgelt-TV 2003 tatsächlich in der einen oder anderen Niederlassung der Beklagten am Schwarzen Brett ausgehangen habe. Eine Tarifbindung könne hierdurch nicht entstehen. Ebenso wenig ergebe sich eine Anspruchsgrundlage aus der Tatsache, dass sie die ab dem 01.07.2003 in Kraft getretenen Tariflohnerhöhungen dem Kläger gewährt habe. Hieraus ergebe sich keine betriebliche Übung. Die Äußerung "dass sich an dem bestehenden Zustand nichts ändern werde" habe ihr Geschäftsführer nicht getätigt. Im Übrigen sei sie lediglich ein Hinweis auf eine vorläufige Beibehaltung des Status quo insofern, als in diesem Jahr freiwillig auch alle Betriebsratsmitglieder eine Entgelterhöhung bekommen hätten, an dem "bestehenden Zustand" sich also tatsächlich nichts geändert habe. Eine Zusage für eine Weitergewährung der Tariflohnerhöhungen sei darin nicht zu sehen.

Mit Urteil vom 14.07.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil Ansprüche weder kraft beiderseitiger Bindung noch aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung noch aufgrund anderer Umstände begründet seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts unter I Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 28.07.2006 zugestellte Urteil legte dieser mit beim Berufungsgericht am 10.08.2006 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein und führte sie innerhalb der mit Verfügung vom 25.09.2006 bis zum 30.10.2006 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit beim Landesarbeitsgericht am 30.10.2006 eingegangenem Schriftsatz aus.

Der Kläger bestreitet das Bestehen einer Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages vom 12.08.1991. Eine solche ergebe sich weder aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben vom 03.03.2006 (Blatt 76 der ArbG-Akte) noch aus dem auszugsweise wiedergegebenen Mitgliederverzeichnis aus dem Jahr 1974. Darüber hinaus rügt der Kläger fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts insofern, als § 14 des Arbeitsvertrages vom 12.08.1991 nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen sei. Zwar sei eine solche Klausel regelmäßig als Gleichstellungsabrede zu verstehen, etwas anderes gelte jedoch dann, wenn der Sinn und Zweck einer Gleichstellungsabrede nicht vorliege. Gegen die Annahme einer Gleichstellungsabrede sprächen sowohl die im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages gegoltenen Allgemeinverbindlichkeitserklärungen als auch das als Folge davon nicht bestehende Bedürfnis der Kenntnis von der Mitgliedschaft des Klägers in der Gewerkschaft. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.07.2006 (1 ABR 36/05) die Zulässigkeit einer verbandsgeregelten OT-Mitgliedschaft an sich anerkannt, gleichwohl habe es offen gelassen, welche Schranken insoweit zu beachten seien. Vorliegend gestatte die Satzung die Möglichkeit der Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf die Tarifpolitik. Dies ergebe sich aus § 4 b Nummern 4 und 7 der Satzung. Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung könnten insofern die Tarifpolitik beeinflussen, als sie mit beratender Stimme an den Sitzungen des Tarifpolitischen Ausschusses teilnehmen. Darüber hinaus sei über den Weg des Konstruktes der tarif- und sozialpolitisch sachkundigen Person eine Einflussnahme auf die Tarifvertragsgestaltung durch OT-Mitglieder möglich. Hinzu komme, dass der Wechsel der Beklagten in eine OT-Mitgliedschaft weder vom Verband noch von ihr selbst gegenüber der Gewerkschaft mitgeteilt worden sei. Dies sei insofern problematisch, als die Beklagte als tarifgebundenes Mitglied an den Tarifvertragsverhandlungen nach Kündigung des Entgelt-TV 2002 durch ver.di mit Schreiben vom 25.02.2003 zum 31.03.2003 und nach Kündigung des Manteltarifvertrages vom 13.01.1994 in der Fassung vom 06.06.2000 durch den Arbeitgeberverband mit Schreiben vom 25.03.2003 zum 30.04.2003 teilgenommen habe. Durch ihre bis zum 14.05.2003 bestandene Tarifmitgliedschaft habe sie auch auf den Inhalt und den Abschluss der Tarifverträge vom 28.07.2003, jeweils gültig ab 01.04.2003, eingewirkt mit der Folge, dass sie an die Tarifvertragsabschlüsse auch gebunden sein müsse. Etwas anderes könne höchstens dann gelten, wenn in der Satzung eine Verpflichtung zur Offenlegung einer OT-Mitgliedschaft vorgesehen sei. Im Übrigen könne ein Wechsel der Mitgliedschaftsform nur einheitlich, das heißt nur in Bezug auf das komplette Tarifregime, erfolgen. In diesem Sinne sei auch die Wechselklausel der Satzung des Verbandes zu verstehen. Ein Statuswechsel ohne jegliche Kündigungsfrist, so wie es die Satzung vorsehe, sei nicht zulässig; denn ansonsten könnten sich ordentliche Mitglieder während der Nachwirkung eines Tarifvertrages durch Erklärung kurz vor der Unterzeichnung eines ausgehandelten Tarifvertrages von der Bindung desselben lossagen auch wenn sie Mitglied der Verhandlungskommission gewesen seien. Ein solches Ergebnis widerspreche aber einer funktionierenden Tarifautonomie.

Der Kläger beantragt unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 14.07.2006, Aktenzeichen 4 Ca 505/05:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Juli 2004 bis einschließlich September 2005 in Höhe von € 596,13 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restlichen Lohn für die Monate Oktober 2005 bis einschließlich Januar 2006 in Höhe von € 148,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.02.2006 nach der Tarifgruppe II, Tätigkeitsgruppe 1, Lohnstufe 8 des jeweiligen gültigen Tarifvertrages über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen für den Bereich des Einzelhandels Baden-Württemberg mit einem Monatsgehalt in Höhe von derzeit € 2 230,00 brutto zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages seien beide Parteien tarifgebunden gewesen. Sie selbst sei seit dem 01.04.1960 Mitglied des zuständigen Arbeitgeberverbandes, was sich aus dem Schreiben des Verbandes vom 11.12.1959 ergebe (Blatt 131 der LAG-Akte). Der umgehende Statuswechsel, bestätigt mit Schreiben vom 14.05.2003, sei nur deshalb eingetreten, weil sie als Antrag stellendes Mitglied nicht zugleich auch in der Tarifkommission des Einzelhandels vertreten sei. Andernfalls würde einem solchen Antrag erst nach erfolgtem Rückzug aus den tariflichen Gremien entsprochen werden. Dies ergebe sich zwingend aus § 4 a Nummern 4 und 5 der Verbandssatzung. Eine Rechtsgrundlage für die Mitteilung eines Statuswechsels gebe es nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30.10.2006 (Blatt 20 bis 34 der LAG-Akte) und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 21.11.2006 (Blatt 119 bis 130) einschließlich des Protokolles über die Berufungsverhandlung vom 19.01.2007 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A

Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die zulässige Klage abgewiesen. Eine Anspruchsgrundlage für die im Wege der objektiven Klagenhäufung zur Entscheidung gestellten Begehren besteht nicht.

I.

Der Rechtsstreit ist nicht gemäß § 97 Absatz 5 Satz 1 ArbGG bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Absatz 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen. Seine Entscheidung hängt nicht von der Frage der personellen Tarifzuständigkeit des Arbeitgeberverbandes der Beklagten ab. Die OT-Mitgliedschaft betrifft nämlich die Tarifgebundenheit der Beklagten als Mitglied ihres Arbeitgeberverbandes.

1. Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreites davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Absatz 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen (§ 97 Absatz 5 Satz 1 ArbGG). Für die Aussetzung ist es unerheblich, in welcher Instanz das Verfahren anhängig ist; das Verfahren muss also auch in der Berufungsinstanz ausgesetzt werden (BAG, Beschluss vom 23.10.1996 - 4 AZR 409/95 (A) - AP TVG § 3 Verbandszugehörigkeit Nr. 15).

2. Danach kommt eine Aussetzung nicht in Betracht. Die OT-Mitgliedschaft der Beklagten in ihrem Arbeitgeberverband betrifft nicht die personelle Tarifzuständigkeit, sondern die Tarifbindung der Beklagten als Mitglied im Arbeitgeberverband.

a) Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wurde die OT-Mitgliedschaft als Ergebnis einer personellen Beschränkung der Tarifzuständigkeit des Arbeitgeberverbandes auf seine Tarifmitglieder angesehen (BAG, Beschluss vom 23.10.1996 - 4 AZR 409/95 (A) - a. a. O., zu II 2.1 der Gründe). Nach dieser Entscheidung beruht der Ausschluss der Tarifbindung für die OT-Mitglieder darauf, dass der Verband seine Tarifzuständigkeit personell auf seine tarifwilligen Mitglieder begrenzen kann mit der Folge, dass die von ihm abgeschlossenen Tarifverträge nicht für tarifunwillige Mitglieder gelten. Dem entspricht auch noch die Entscheidung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts (4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42). In dieser Entscheidung kam die Vorschaltung eines Beschlussverfahrens nur deshalb nicht zur Geltung, weil die Tarifzuständigkeit im Rahmen des Prozesses um Bezahlung eines Tariflohnes nicht in Frage gestellt wurde (vergleiche Buchner, NZA 2006, 1377, 1380).

b) Demgegenüber verneint der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 18.07.2006 (1 ABR 36/05 - AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 19, zu B II 2 a der Gründe) die Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf die jeweiligen Verbandsmitglieder. Nach seiner Auffassung betrifft die OT-Mitgliedschaft die Tarifbindung des einzelnen Mitgliedes. Von der Tarifzuständigkeit, die den autonom bestimmten Aktionsradius einer Tarifpartei beschreibt, innerhalb dessen sie ihre Tarifautonomie ausüben möchte, sei die Tarifgebundenheit zu unterscheiden. Die Tarifzuständigkeit komme dem Verband, nicht dem Mitglied zu und sei Ausdruck der kollektiven Betätigungsfreiheit. Demgegenüber betreffe die Tarifgebundenheit das einzelne Verbandsmitglied und beruhe auf der individuellen Koalitionsfreiheit. Eine Beschränkung der Tarifzuständigkeit auf die Tarifmitglieder sei ausgeschlossen, weil der Umfang der Tarifzuständigkeit dann im Ergebnis von der Entscheidung einzelner Mitglieder über Ein- und Austritt abhänge. Das sei aber mit den Erfordernissen eines durch Artikel 9 Absatz 3 GG gewährleisteten funktionierenden Tarifvertragssystemes unvereinbar. Bei einer Beschränkung der personellen Tarifzuständigkeit auf die tarifwilligen Mitglieder würden die vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge nicht mehr nach § 3 Absatz 3 TVG fortgelten. Würde nämlich der Arbeitgeber den Verband verlassen, würde er nicht mehr in den Geltungsbereich der Verbandstarifverträge fallen mit der Folge, dass diese lediglich noch nachwirken könnten. Ebenfalls könnten OT-Mitglieder von einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG nicht erfasst werden, weil sie mangels Tarifzuständigkeit nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fielen und dieser durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht ausgeweitet werde. Ebenfalls würde § 77 Absatz 3 Satz 1 BetrVG weitestgehend seiner Funktion entkleidet, wenn die Sperrwirkung mangels Tarifzuständigkeit und dadurch fehlender Erfassung durch den tarifvertraglichen Geltungsbereich nicht eintreten könnte. Im Übrigen sei die Tarifzuständigkeit des Arbeitgeberverbandes allein mit Hilfe der Satzung durch Dritte nicht zuverlässig zu ermitteln, wenn einzelne Arbeitgeber durch ihre Entscheidung über ihren Aus- und Eintritt die Tarifzuständigkeit beeinflussen könnten. Die Berufungskammer schließt sich den überzeugenderen Gründen des 1. Senats des Bundesarbeitsgerichts an und macht sich die auszugsweise wiedergegebenen vorerwähnten Erwägungen ausdrücklich zu Eigen.

II.

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben.

1. Die im Wege der objektiven Klagenhäufung zur Entscheidung gestellten Begehren sind zulässig.

a) Soweit der Kläger für den Zeitraum Juli 2004 bis einschließlich Januar 2006 im Wege der Leistungsklage einen monatlichen Differenzlohn in Höhe von € 37,00 brutto einschließlich der sich daraus ergebenden erhöhten Sonderzahlung für 2004 in Höhe von € 23,13 brutto und erhöhtes Urlaubsgeld für 2004 im Umfang von € 18,00 brutto beansprucht, ist sein zur Entscheidung gestelltes Begehren hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO. Bedenken bestehen weder hinsichtlich der materiellen Rechtskraftwirkung (§ 322 Absatz 1 ZPO) noch hinsichtlich der Vollstreckungsfähigkeit einer in Betracht kommenden Schuldnerschaft der Beklagten; denn die monatlichen Differenzlohnbeträge sind sowohl dem Grund als auch der Höhe nach monatsbezogen nachvollziehbar abgegrenzt und damit unterscheidbar und hinreichend bestimmt.

b) Soweit der Kläger die Feststellung einer Leistungspflicht der Beklagten ab Februar 2006 fortfolgende zur Entscheidung gestellt hat, bestehen gleichfalls keine durchgreifenden Bedenken in Bezug auf die Bestimmtheit und das Feststellungsinteresse des Feststellungsrechtsverhältnisses.

(1) Aus der Begründung des Feststellungsantrages einschließlich der Klarstellung im Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 19.01.2007 ergibt sich vermittels der Angaben zur übereinstimmend beurteilten Eingruppierung hinreichend bestimmt in Fortsetzung der Leistungsbegehren der monatliche Differenzlohnanspruch ab Februar 2006 fortfolgende. Nach der im wohlverstandenen Interesse des Klägers vorzunehmenden Auslegung der nicht eindeutigen Textfassung seines Feststellungsantrages beansprucht er nach dem jeweiligen Entgelttarifvertrag des Einzelhandels in Baden-Württemberg auf der Grundlage seiner Eingruppierung nach II (Löhne), Tätigkeitsgruppe I, Lohnstufe 8 den jeweiligen monatlichen Bruttodifferenzbetrag zwischen dem von der Beklagten geleistetem Entgelt und dem jeweiligen tarifvertraglich festgelegten Bruttobetrag.

(2) Mit dem Arbeitsgericht vertritt auch die Berufungskammer die Auffassung, dass ein Feststellungsinteresse gegeben ist (§ 256 Absatz 1 ZPO). Bedenken bestehen vorliegend deshalb, weil der Kläger seinen monatlichen Bruttodifferenzbetrag hätte beziffern können. Der Entgelt-TV 2003 wurde durch den Entgelt-Tarifvertrag vom 22.03.2006, in Kraft getreten am 01.04.2005, abgelöst, wonach sich bis 31.08.2006 entsprechend der Eingruppierung des Klägers ein Tarifentgelt von monatlich € 2 230,00 brutto und ab 01.09.2006 ein solches in Höhe von € 2 252,00 brutto ergeben würde. Das Feststellungsinteresse für das monatliche Verlangen des Klägers ab Januar 2007 fehlt nicht. Die Möglichkeit einer Klage auf zukünftige Leistung gemäß § 259 ZPO steht nach allgemeiner Ansicht einer Feststellungsklage nicht entgegen (zum Beispiel BGH, Urteil vom 07.02.1986 - V ZR 201/84 - NJW 1986, 2507, zu II 1 der Gründe mit weiteren Nachweisen); aber auch für den Zeitraum des fälligen Monatsdifferenzlohnes bis einschließlich Dezember 2006 (Berufungsverhandlung war am 19.01.2007) ist vorliegend von einem Feststellungsinteresse auszugehen. Ein fälligkeitsbezogener Umstellungs- und Anwendungsvorrang der Leistungsklage ist wegen der umfassenden gegenwärtigen und zukünftigen Streiterledigung nicht anzunehmen (vergleiche zum Beispiel BAG, Urteil vom 11.11.1986 - 3 AZR 194/85 - AP BGB § 613a Nr. 61, zu A der Gründe). Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger für den Zeitraum ab Juli 2004 bis einschließlich Januar 2006 jeweils einen Leistungsantrag gestellt hat. Im Fall einer Verurteilung wird sich die Beklagte angesichts der den Kern des Rechtsstreites bildenden Rechtsfrage der Zulässigkeit ihrer OT-Mitgliedschaft einem Feststellungsantrag beugen.

2. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte die monatlichen Differenzbruttobeträge zur tariflichen Vergütung nicht zu. Ein solcher Anspruch ist weder kraft beiderseitiger Tarifbindung noch aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung noch aufgrund anderer Umstände begründet. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Entgelt-TV vom 28.07.2003 (§§ 4 Absatz 1 Satz 1, 3 Absatz 1 TVG) in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien. Die Beklagte ist nämlich nicht tarifgebunden im Sinne des § 3 Absatz 1 TVG. Mit der zulässigen OT-Mitgliedschaft der Beklagten endete deren Tarifbindung ab 14.05.2003.

aa) Der Entgelt-TV 2002 vom 26.07.2002 galt bis zum 31.03.2003, mit Schreiben vom 25.02.2003 kündigte ver.di den Tarifvertrag zum 31.03.2003, aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend gemäß §§ 4 Absatz 1 Satz 1, 3 Absatz 1 TVG. Dass im zeitlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages eine beiderseitige Tarifgebundenheit bestand, hat das Arbeitsgericht festgestellt; die Feststellung wurde auch nicht angegriffen.

bb) Eine Tarifbindung der Beklagten an den am 01.04.2003 in Kraft getretenen Entgelt-TV 2003 vom 28.07.2003 besteht nicht. Dieser Tarifvertrag sieht ab 01.07.2003 bis 30.06.2004 nach der vom Kläger schlüssig dargelegten und von der Beklagten nicht bestrittenen Eingruppierungsbestimmung nach II (Löhne), Tarifgruppe I, Lohnstufe 8 einen Brutto-Monatslohn in Höhe von € 2 193,00 und ab 01.07.2004 einen solchen in Höhe von € 2 230,00 vor. Die Beklagte hat nämlich rechtswirksam einen Statuswechsel von der Tarifmitgliedschaft zur OT-Mitgliedschaft mit Wirkung ab 14.05.2003 vorgenommen. Die so genannte Nachbindung der Beklagten gemäß § 3 Absatz 3 TVG endete vorliegend mit der rechtlichen Beendigung des Entgelt-TV 2002 vom 26.07.2002 mit Ablauf des 31.03.2003. Die Beklagte ist an den am 01.04.2003 rückwirkend in Kraft getretenen Entgelt-TV 2003 vom 28.07.2003 mangels Tarifmitgliedschaft nicht gebunden. Tarifvertragsrechtlich trat vielmehr eine Nachwirkung gemäß § 4 Absatz 5 TVG an den Entgelt-TV 2002 vom 26.07.2002 ein (vergleiche BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42, zu I 4 der Gründe mit zahlreichen Nachweisen).

(1) Die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband, die keine Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Absatz 1 TVG erzeugt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich anerkannt (BAG, Beschluss vom 18.07.2006 - 1 ABR 36/05 - AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 19, zu B II 2 a ee (3) der Gründe; BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 186/04 - AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 42, zu I 2 b der Gründe). Die Berufungskammer schließt sich den überzeugenden Gründen des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 18.07.2006 (1 ABR 36/05, a. a. O.) an und macht sich die für die grundsätzliche Zulässigkeit einer OT-Mitgliedschaff angeführten Argumente zu Eigen.

(2) Die in der Satzung des Arbeitgeberverbandes vom 06.11.2003 vorgesehene und von der Beklagten ausgeübte OT-Mitgliedschaft ist zulässig. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.

(a) Die Beklagte ist seit 14.05.2003 satzungsgemäßes OT-Mitglied im zuständigen Arbeitgeberverband. Das hat das Arbeitsgericht im Tatbestand festgestellt. Mit Schreiben vom 13.05.2003 beantragte die Beklagte eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung und bat um Bestätigung (Blatt 47 der ArbG-Akte). Mit Schreiben vom 14.05.2003 bestätigte der zuständige Arbeitgeberverband neben dem Eingang des vorgenannten Schreibens auch die mit sofortiger Wirkung eingetretene OT-Mitgliedschaft (Blatt 32 der ArbG-Akte). Nach erneuter Vorlage des Schreibens vom 13.05.2003 in der Berufungsinstanz und Erörterung des Inhaltes einschließlich der Erklärung des zuständigen Arbeitgeberverbandes vom 14.05.2003 in der Berufungsverhandlung vom 19.01.2007 hat sich der Kläger hierauf nicht mehr mit Bestreiten erklärt.

(b) Eine Tarifgebundenheit der Beklagten an den Entgelt-TV 2003 ist nicht gegeben. Die rückwirkend vereinbarte Geltung dieses Tarifvertrages ab 01.04.2003 ändert daran nichts. Die Beklagte war nämlich bei Abschluss des Entgelt-TV 2003 am 28.07.2003 nicht mehr Tarifmitglied im vertragsschließenden Arbeitgeberverband.

(c) In seiner Entscheidung vom 18.07.2006 (1 ABR 36/05, a. a. O.) hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offen gelassen, an welche Voraussetzungen eine derartige OT-Mitgliedschaft gebunden ist und welchen Beschränkungen sie unterliegt. Dabei hat es in den Raum gestellt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die OT-Mitglieder von der tarifpolitischen Willensbildung des Verbandes ausgeschlossen sein müssen und welche Fristen etwa bei einem Statuswechsel zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie einzuhalten sind (Randnummer 61). Die satzungsgemäße Auskleidung der OT-Mitgliedschaft begegnet vorliegend keinen durchgreifenden Bedenken. Die satzungsgemäße Ge-staltung trägt einerseits sowohl dem Selbstbestimmungsrecht des Verbandes und des einzelnen Mitgliedes als auch der negativen Koalitionsfreiheit (vergleiche BVerfG, Urteil vom 14.06.1983 - 2 BvR 488/80 - BVerfGE 64, 208, 213, zu B I der Gründe) des Mitgliedes und andererseits den Erfordernissen einer funktionsfähigen Tarifautonomie Rechnung.

(aa) Die äußere Gestaltung der Satzung vom 06.11.2003 genügt der Transparenz, die für den Verhandlungspartner im Interesse einer funktionierenden Tarifautonomie ersichtlich - vorliegend im so genannten Stufenmodell (vergleiche zur Begriffsbildung Wilhelm/ Dannhorn, NZA 2006, 466, 467; Thüsing/Stelljes, ZfA 2005, 527, 529) - die Möglichkeit einer Tarifmitgliedschaft und einer OT-Mitgliedschaft ausweist, § 4 a Nr. 1 der Satzung (zum Erfordernis der Transparenz Bayreuther, BB 2007, 325, 326; Buchner, NZA 2006, 1377, 1382). Außerdem sieht die Satzung ausdrücklich und damit transparent sowohl den Beitritt in eine der beiden Mitgliedschaftsarten als auch das Überwechseln in eine OT-Mitgliedschaft (§ 4 a Nr. 2) vor. Im Übrigen differenziert die Satzung ausdrücklich je nach Rechtsstellung der Mitgliedschaft die insoweit jeweils bestehenden Mitwirkungsrechte. Dabei gibt die Satzung deklaratorisch die Rechtslage einer OT-Mitgliedschaft wieder (vergleiche § 4 a).

(bb) Die Satzung schließt eine direkte Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen aus. Insoweit bestehen für OT-Mitglieder keine Mitwirkungsrechte. OT-Mitglieder haben kein Benennungs- und Entsenderecht in Bezug auf die personelle Zusammensetzung des Tarifpolitischen Ausschusses (§ 4 a Nr. 4 der Satzung). Des Weiteren ist eindeutig festgelegt, dass die Beschlussfassung in der Mitgliederversammlung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen allein den Mitgliedern mit Tarifbindung unterliegt (§ 4 a Nr. 5 der Satzung). Dem steht nach Auffassung der Berufungskammer nicht entgegen, dass nach § 4 b Nr. 4 Vorstandsmitglieder ohne Tarifbindung an den Sitzungen des Tarif-politischen Ausschusses mit beratender Stimme teilnehmen. Zum einen besteht kein Stimmrecht. Zum anderen gilt dies lediglich für Vorstandsmitglieder. Nach § 8 Nr. 1 der Satzung bilden allenfalls 10 Mitglieder den Vorstand. Dieser Bestimmung, aber auch der Regelung des § 4 b Nr. 7 (Berufung von bis zu fünf tarif- und sozialpolitisch sachkundigen Personen) geht es ersichtlich nicht um eine missbräuchliche Gestaltungsform, sondern einzig und allein darum, fundierten Sachverstand nutzbar zu machen. Die Berufungskammer verkennt nicht, dass insbesondere durch das Beratungsrecht der Vorstandsmitglieder Einfluss auf die Tarifpolitik des Verbandes genommen werden kann. Die abstrakte und sachlich motivierte Fassung der Satzung sieht eine tendenziöse Beratung ausdrücklich nicht vor.

(cc) Der Kernbereich der Tarifautonomie ist auch nicht durch die in der Satzung vorgesehene allgemeine Beitragspflicht tangiert (§ 5 Nr. 1). Durch die von den OT-Mitgliedern erbrachten Beiträge wird allenfalls mittelbar Einfluss auf das Streitgeschehen ausgeübt (vergleiche Bayreuther, BB 2007, 325, 327). Die Verhandlungsparität wird dadurch nicht verschoben (LAG München, Beschluss vom 12.04.2005 - 11 TaBV 33/04 - NZA-RR 2006, 145, zu B II 2 c der Gründe; Otto, NZA 1996, 628).

(dd) Bedenken an der Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft der Beklagten bestehen auch insofern nicht, als der Statuswechsel auf der Grundlage der Satzung, die insoweit keine Fristen vorsieht, ein-vernehmlich mit sofortiger Wirkung erfolgte (zum Meinungsstand vergleiche LAG Hamm, Urteil vom 27.09.2005 - 19 Sa 936/05 - Juriszitat, zu II 2 c bb (1) (a) der Gründe; Buchner, NZA 2006, 1377, 1382). Die dem Verband zustehende Satzungsautonomie und die negative Koalitionsfreiheit der Beklagten gestatten es, einen Statuswechsel in die OT-Mitgliedschaft auch einvernehmlich durchzuführen. Damit wird nicht in unzulässiger Weise das einer funktionierenden Tarifautonomie zugrunde liegende ungefähre Kräftegleichgewicht tangiert. Zur Sicherung der Leistungsfähigkeit und damit zur Bestandssicherung ist es für einen Verband durchaus wünschenswert, anstatt eines Ausscheidens aus dem Verband jedenfalls einen Statuswechsel im Interesse des Mitgliedes zu ermöglichen und damit auch nicht des Beitrages verlustig zu werden (vergleiche auch die Rechtsprechung zu den Kündigungsfristen bei einem Austritt aus einem Arbeitgeberverband, BAG, Beschluss vom 19.09.2006 - 1 ABR 2/06 - Juriszitat, zu B II 2 a der Gründe mit weiteren Nachweisen). Der Kläger weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Wechsel in die OT-Mitgliedschaft kurz vor Abschluss eines Verbandstarifvertrages die Funktionalität der Tarifautonomie tangieren kann. Dem steht jedoch entgegen, dass dem System der Tarifautonomie weder ein Verhandlungsanspruch geschweige denn ein Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages zugrunde liegt. Die negative Koalitionsfreiheit des einzelnen Mitgliedes und die Satzungsautonomie des Verbandes als Ausdruck der ausgeübten Bestandsgarantie stehen einer Unzulässigkeit eines einvernehmlichen Statuswechsels entgegen (vergleiche hierzu Buchner, NZA 2006, 1377, 1382; Bayreuther, BB 2007, 325, 326, 327). Jeder Tarifvertragspartei ist es unbenommen, dem Abschluss einer bereits ausverhandelten Tariflösung gleichwohl noch die Unterschrift zu versagen. Dem Gegenspieler bleibt dann die Möglichkeit, sich des Instrumentes des Arbeitskampfes zu bedienen. Abgesehen von dieser durchaus realitätsnahen Vor-gehensweise eines Tarifmitgliedes im Stadium der Tarifvertragsverhandlungen finden im Übrigen das Recht der Nachbindung (§ 3 Absatz 3 TVG) und das der Nachwirkung (§ 4 Absatz 5 TVG) als kompensatorische und stabilisierende Elemente der Tarifautonomie Anwendung. Eine analoge Anwendung der Kündigungsfrist bei Verbandsaustritt auf einen Statuswechsel kommt nicht in Betracht. Die ausgeübte Satzungsautonomie hat beide Mitgliedschaftsformen einschließlich deren Veränderungen eigenständig geregelt.

(ee) Soweit der Kläger auf das Tarifregime als Einheit für die Rechtsfolge der OT-Mitgliedschaft abstellt, lässt sich diese Argumentation mit dem Tarifvertragsgesetz nicht vereinbaren. Die Verbandssatzung beruht auf dem Tarifvertragsgesetz, das wiederum seine Rechtsfolgen nicht an das Tarifregime als Ganzes, sondern an den einzelnen Tarifvertrag anknüpft.

(ff) Soweit der Kläger auf die mit der Anerkennung der OT-Mitgliedschaft einhergehende Intransparenz der Tarifgebundenheit einzelner Mitglieder abstellt, betrifft dieses Argument nicht die Ausgestaltung der konkreten OT-Mitgliedschaft, sondern deren Zulässigkeit an sich. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 18.07.2006 (1 ABR 36/05, a. a. O., Randnummer 60) hierzu erklärt und die Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft hieran nicht scheitern lassen.

b) Dem Kläger steht auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch nach § 14 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 12.08.1991 in Verbindung mit dem Entgelt-TV 2003 zu. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede ausgelegt. Diese Auslegungsregel findet jedenfalls auf den vor dem 31.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsvertrag ("Altvertrag") uneingeschränkte Anwendung (BAG, Urteil vom 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39, zu I 2 c der Gründe).

aa) Zur Vermeidung von Wiederholungen schließt sich die Berufungskammer der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts vollumfänglich an. Von daher bedarf es keiner erneuten Darstellung der Obersätze und der Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes. Der Kläger stellt lediglich seine bereits erstinstanzlich vertretene Auffassung auch zweitinstanzlich der Ansicht des Arbeitsgerichts entgegen, ohne neue Argumente vorzubringen.

bb) Zur Klarstellung und Ergänzung weist die Berufungskammer darauf hin, dass die Mitgliedschaft der Beklagten im Arbeitgeberverband vor Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien vom 12.08.1991 vom Arbeitsgericht festgestellt wurde. Insoweit liegt bereits kein zulässiger Berufungsangriff nach § 520 Absatz 3 Nr. 3 ZPO vor. Danach bedarf es der Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Was unter "konkreten Anhaltspunkten für Zweifel" zu verstehen ist, beantworten die Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 14/6036, Seite 124) dahin, es sollte wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Fehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen sprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12.06.2003 - 1 BvR 228/02 - NJW 2003, 2524, zu II 1 b der Gründe) genügt die "Möglichkeit" einer unterschiedlichen Wertung. Vorliegend kann es aber dahingestellt bleiben, welcher Auffassung der Vorzug gebührt; denn nach Vorlage des Schreibens vom 11.12.1959 in der Berufungsinstanz, das der ehemalige Vorsitzende und auch der ehemalige Geschäftsführer des zuständigen Arbeitgeberverbandes an die Beklagte richtete, steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Beklagte bereits ab 01.04.1960 durchgehend Mitglied im Arbeitgeberverband war. Der Kläger hat hierzu keine verwertbaren Anhaltspunkte vorgetragen, die den Schluss auf einen nachträglichen Austritt der Beklagten vor Abschluss des Arbeitsvertrages vom 12.08.1991 zulassen.

c) Dem Arbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass aus sonstigen Umständen kein Anspruch des Klägers auf Zahlung der streitgegenständlichen Forderungen besteht. Auch insoweit schließt sich die Kammer der Begründung des Arbeitsgerichts unter I 3 der Entscheidungsgründe gemäß § 69 Absatz 2 ArbGG vollumfänglich an. Im Übrigen hat sich hierzu der Kläger in der Berufungsinstanz auch nicht mehr verhalten. Ergänzend wird ausgeführt, dass nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27.11.2002 - 4 AZR 540/01 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 29, zu I 2 e der Gründe) aus der einmaligen Anwendung eines nach der Bezugnahmeklausel nicht anwendbaren Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis kein Rückschluss auf einen generellen Verpflichtungswillen gezogen werden kann, alle Tarifänderungen nach einem Verbandsaustritt zu vollziehen (BAG, Urteil vom 09.02.2005 - 5 AZR 284/04 - Juriszitat, zu III 3 b der Gründe mit weiteren Nachweisen; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.03.2006 - 6 Sa 158/05 - Juriszitat, zu 3 der Gründe). Einen schlüssigen, einen Verpflichtungswillen der Beklagten begründenden Tatsachenvortrag hat der Kläger nicht gehalten.

B

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

Zurück