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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 21.11.2008
Aktenzeichen: 7 TaBV 3/08
Rechtsgebiete: BetrVG, ZPO, TVG


Vorschriften:

BetrVG § 4
BetrVG § 19
BetrVG § 19 Abs. 2 S. 2
ZPO § 89 Abs. 1
TVG § 1
1. Ficht ein Arbeitnehmer namens und in Vollmacht seines Arbeitgebers die Wahl des Betriebsrats gemäß § 19 BetrVG an, so ist die materiell-rechtlich wirkende Verfahrensfrist von zwei Wochen gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG auch dann gewahrt, wenn erst nach ihrem Ablauf eine vom Arbeitgeber ausgestellte oder auf ihn zurückreichende schriftliche Vollmacht bei Gericht eingereicht wird. Für eine teleologische Reduktion der in § 89 Abs. 1 ZPO bestimmten Rechtsfolge der Rückwirkung der nachträglich eingereichten Vollmacht (von Amts wegen zu prüfende Prozesshandlungsvoraussetzung, § 88 Abs. 2 ZPO) auf den Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung (hier: Einreichung des Anfechtungsantrags beim Arbeitsgericht) besteht keine so genannte Ausnahmelücke. Die Rückwirkung ist mit dem Normzweck der Anfechtungsfrist vereinbar (anderer Ansicht für die strukturell vergleichbare Vorschrift des § 9 Abs. 4 BPersVG, BVerwG, Beschluss vom 01.12.2003-6 P 11/03-NZA-RR 2004, 389ff, zu II 2 c der Gründe).

2. Ist eine Tarifnorm (hier: inkorporierte -unlesbare- Tarifkarte als Tarifnorm im Rahmen eines Zuordnungstarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit.b) nach Ausschöpfung aller Auslegungskriterien nicht justiziabel, so findet sie keine Anwendung (BAG, Urteil vom 26.04.1966-1 AZR 242/65-AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung, zu II 6 b der Gründe). Haben die Tarifvertragsparteien für diesen Fall ein die Regelungslücke schließendes Verfahren verabredet, so bestimmt sich die Zuordnung von Betriebsteilen nach diesem tarifautonomen modus procedendi. Andernfalls ist auf die gesetzliche Grundlage des § 4 BetrVG zurückzugreifen.


Tenor:

1. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 09.04.2008 - 34 BV 273/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe: A

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der im Wahlbezirk 26 der Arbeitgeberin am 30.11. und 01.12.2007 durchgeführten Betriebsratswahl.

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen, das bundesweit zahlreiche Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogeriewaren betreibt. Nach einem mit der Gewerkschaft HBV gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG am 07.04.1995 abgeschlossenen Tarifvertrag werden für bestimmte Regionen Betriebsräte gebildet. § 3 dieses Zuordnungstarifvertrages (fortan: TV-Zuordnung), im Übrigen wird auf die Seiten 17 bis 19 der Akte des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen, lautet wie folgt:

"§ 3

Zuordnung von Betriebsteilen

Die im Geltungsbereich dieses Vertrages liegenden Verkaufsstellen oder Filialen, die als Betriebsteile anzusehen sind, werden abweichend von § 4 BetrVG untereinander zugeordnet in Regionen, die sich im Einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses Tarifvertrages bildenden Karte ergeben.

Infolge dieser Zuordnung wählen die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen oder Filialen jeweils einen Betriebsrat."

Wegen der in § 3 TV-Zuordnung in Bezug genommenen Karte wird auf Seite 20 der Akte des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen.

Nach den zweitinstanzlichen Feststellungen vereinbarte die Arbeitgeberin mit der Gewerkschaft HBV unter demselben Datum einen Tarifvertrag zur Ergänzung des Tarifvertrages gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG (fortan: TV-Ergänzung). Nr. 7 TV-Ergänzung, im Übrigen wird auf die Seite 184 bis 187 der Akte des Landesarbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen, lautet wie folgt:

"Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten aus diesen Verträgen, die die Betriebsratsstruktur betreffen, wird eine Schiedsstelle gebildet, die sich aus je einem Vertreter der Vertragsparteien zusammensetzt.

Diese Schiedsstelle soll versuchen, alle auftretenden Streitigkeiten vor dem Gang zum Gericht zu bereinigen und gütlich beizulegen."

Der Beteiligte zu 2 ist der am 30.11. und 01.12.2007 im Betriebsratsbezirk 26 (Stuttgart 1) gewählte siebenköpfige Betriebsrat, dessen Vorsitzende die Wahlvorstandsvorsitzende Frau S. ist. Mit Datum vom 18.10.2007 erließ der dreiköpfige, aus den Arbeitnehmerinnen S., T. und M. bestehende Wahlvorstand ein Wahlausschreiben für die Betriebsratswahl am 30.11. und 01.12.2007 im Wahlbezirk 26. Dem Wahlausschreiben, auf das im Übrigen Bezug genommen und verwiesen wird (Bl. 21 bis 25 der Akte des Arbeitsgerichts), war ein "Tourenplan für die persönliche Stimmabgabe", der genaue Uhrzeiten und Orte beinhaltete, an denen die Stimmabgabe an den beiden Wahltagen erfolgen konnte, als Anlage beigefügt. In der Folge wurden zwei Vorschlagslisten, Liste 1 "ver.di" und Liste 2 "Veränderung" bekannt gemacht. Nach dem Wahlausschreiben waren 134 Arbeitnehmerinnen aus 49 im so genannten Tourenplan namentlich benannten Verkaufsstellen wahlberechtigt.

Die Betriebsratswahl wurde am Freitag, dem 30.11.2007, und am Samstag, dem 01.12.2007, durchgeführt. Von den 134 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen gaben 124 ihre Stimme ab. Die Liste 1 erhielt 77 Stimmen, die Liste 2 47 Stimmen, so dass die Liste 1 4 Betriebsrätinnen und die Liste 2 3 Betriebsrätinnen stellen. Das Wahlergebnis wurde am 08.12.2007 bekannt gemacht, die konstituierende Sitzung fand am 19.12.2007 statt.

Mit beim Arbeitsgericht per Fax am 15.12.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 14.12.2007 focht die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl zunächst gegenüber dem Wahlvorstand an, danach mit beim Arbeitsgericht am 10.03.2008 eingegangenem Schriftsatz gegenüber dem Betriebsrat. Der Antragsschriftsatz ist wie folgt unterschrieben:

"A. S.

Personalabteilung Unterschrift i. V.

S."

Eine Vollmachtsurkunde war nicht beigefügt. Mit Schriftsatz vom 07.03.2008 reichte die Arbeitgeberin eine so genannte "Generalvollmacht" vom 15.07.2002 nach, die unterzeichnet vom Prokuristen S. folgenden Wortlaut hat (Seite 71 der Akte des Arbeitsgerichts):

"Herrn M. S. geb. am 00.00.1973, wird hiermit Generalvollmacht zur Wahrnehmung aller arbeitsrechtlichen Angelegenheiten durch die Firma A. S. erteilt. Diese Vollmacht gilt bis auf Widerruf."

Herr M. S. ist zugelassener Rechtsanwalt. Mit beim Arbeitsgericht am 25.03.2008 eingegangenem Schriftsatz vom 19.03.2008 legte die Arbeitgeberin einen Handelsregisterauszug über die Prokurabestellung des Herrn S. vor (Seite 119 der Akte des Arbeitsgerichts).

Wegen des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den nicht angegriffenen Tatbestand des Beschlusses des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 09.04.2008 den Antrag der Arbeitgeberin mit der Begründung zurückgewiesen, die Arbeitgeberin habe die Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht eingehalten. Zwar habe die Arbeitgeberin innerhalb der Zweiwochenfrist die Antragsschrift beim Arbeitsgericht eingereicht. Jedoch handele es sich nicht um eine wirksame Anfechtung, da eine Unterzeichnung "i. V. S." den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht werde. Aufgrund des Sinns und Zwecks der Ausschlussfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG könnten Handlungen eines Vertreters ohne Vorlage einer Vollmacht grundsätzlich nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist nachträglich genehmigt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Ausführungen unter II des Beschlusses Bezug genommen und verwiesen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 12.04.2008 zugestellten Beschluss legte diese mit beim Beschwerdegericht am 29.04.2008 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde ein und führte sie zugleich aus.

Die Arbeitgeberin rügt näher bestimmt fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts insoweit, als sie von einer wirksamen Anfechtung der Betriebsratswahl innerhalb der Zweiwochenfrist ausgehe. Wegen der Einzelheiten ihrer Kritik an der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts wird auf ihren Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 28.04.2008 unter II Bezug genommen und verwiesen. Im Übrigen verweist die Arbeitgeberin in der Sache auf den Inhalt der erstinstanzlichen Schriftsätze, insbesondere vom 14.12.2007 und 07.03.2008. Bei der Betriebsratswahl sei gegen wesentliche Vorschrift des Wahlverfahrens insofern verstoßen worden, als mindestens 33 nicht wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen an der Betriebsratswahl teilgenommen hätten. Darüber hinaus seien insbesondere die Grundsätze der Geheimhaltung der Wahl sowie der Betriebsöffentlichkeit nicht gewahrt worden.

Die Arbeitgeberin beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 09.04.2008, Az: 34 BV 273/07, wird abgeändert.

2. Die Betriebsratswahl vom 30.11./01.12.2007 wird für unwirksam erklärt.

Der Betriebsrat beantragt Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.

Wegen der näheren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten (Arbeitgeberin vom 17.07.2008, 28.08.2008, 29.09.2008, 10.11.2008 und 20.11.2008; Betriebsrat vom 01.07.2008, 19.09.2008, 09.10.2008, 10.10.2008 und 10.11.2008) nebst Anlagen einschließlich der Niederschriften über die Sitzungen vom 25.07.2008, 10.10.2008 und 21.11.2008 ergänzend Bezug genommen und verwiesen. Im Termin vom 21.11.2008 wurde Beweis durch Vernehmung der Zeuginnen M. und R. erhoben. Auch insoweit wird auf das vorgenannte Sitzungsprotokoll Bezug genommen und verwiesen.

B

Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht, den Antrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Ihr Antrag ist zulässig. Der vorherigen Anrufung der Schiedsstelle nach Nr. 7 TV-Ergänzung bedurfte es nicht. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin wirksam die Betriebsratswahl innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG eingefochten. Die Betriebsratswahl vom 30.11./01.12.2007 ist jedoch wirksam. Anfechtungsgründe im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG liegen nicht vor.

I.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Einer vorherigen Anrufung der Schiedsstelle im Sinne der Nr. 7 TV-Ergänzung war von Rechts wegen nicht geboten.

1. Nach Nr. 7 TV-Ergänzung wird zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten aus diesen Verträgen, die die Betriebsratsstruktur betreffen, eine Schiedsstelle gebildet, die sich aus je einem Vertreter der Vertragsparteien zusammensetzt. Diese Schiedsstelle soll versuchen, alle auftretenden Streitigkeiten vor dem Gang zum Gericht zu bereinigen und gütlich beizulegen. Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

2. Die Rechtsnatur der Schiedsstelle kann dahingestellt bleiben. Die Arbeitgeberin war jedenfalls gehalten, innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Betriebsratswahl anzufechten. Die Frist ist eine Ausschlussfrist. Mit ihrem Ablauf erlischt das Anfechtungsrecht, so dass von diesem Zeitpunkt an die Wahl unanfechtbar wird, auch wenn das Wahlverfahren an wesentlichen Mängeln gelitten hat (BAG, Urteil vom 26.10.1979 - 7 AZR 752/77 - AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969, zu A I 1 a der Gründe = Rn. 21). Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Anfechtungsfrist gibt es kraft Gesetzes nicht. Der Anwendungsbereich der Nr. 7 TV-Ergänzung ist vorliegend nicht gegeben. Die Schiedsstelle kann nämlich den ihr von den Tarifvertragsparteien übertragenen Auftrag, alle auftretenden Streitigkeiten vor dem Gang zum Gericht zu bereinigen und gütlich beizulegen, nach durchgeführter Betriebsratswahl angesichts der Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht mehr erfüllen.

II.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet.

1. Die Arbeitgeberin hat jedoch die Betriebsratswahl innerhalb der Ausschlussfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG wirksam angefochten.

a) Danach kann der wahlanfechtungsberechtigte Arbeitgeber nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Arbeitsgericht anfechten. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht kann sich dabei der Arbeitgeber durch einen bei ihm Beschäftigten vertreten lassen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 79 ZPO in der Fassung des Gesetzes bis zum 30.06.2008; nunmehr § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ArbGG in der seit 01.07.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 [BGBl. I, S. 2840, 2852 f.]). Nach § 80 Abs. 1 ZPO in der vorliegend maßgebenden alten Fassung bzw. § 80 Satz 1 ZPO n. F. hat der Bevollmächtigte die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben. Sofern es sich bei dem Bevollmächtigten nicht um eine als Rechtsanwalt auftretende Person handelt, kann das Gericht ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht dem Wahlanfechtungsbegehren des Arbeitgebers nicht entsprechen (§ 88 Abs. 2 ZPO). Das Vorliegen der Vollmacht ist als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens - vorliegend: Von Amts wegen - zu prüfen. Freilich ist die Erteilung der Vollmacht, wie in § 89 Abs. 2 ZPO vorausgesetzt wird, an keine besondere Form gebunden. Die in § 80 Abs. 1 ZPO verlangte Schriftform dient nur dem Nachweis (BGH, Urteil vom 07.03.2002 - VII ZR 193/01 - NJW 2002, 1957, zu II 2 der Gründe = Rn. 12). Da § 89 ZPO, der als Sonderregelung den §§ 172 ff. BGB vorgeht (BGH, Urteil vom 18.12.2002 - VIII ZR 72/02 - NJW 2003, 963 ff., zu II 3 der Gründe = Rn. 18), auch gilt, wenn der Vertreter Vollmacht hat, sie aber nicht nachweisen kann, obwohl er nach Maßgabe des § 88 ZPO muss, kann die vertretene Partei durch Vorlage der Vollmacht die Prozesshandlung rückwirkend genehmigen (BGH, Beschluss vom 19.07.1984 - X ZB 20/83 - NJW 1987, 130, zu II 3 b der Gründe = Rn. 11).

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Arbeitgeberin die Betriebsratswahl innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG wirksam angefochten.

aa) Der ersichtlich nicht als Rechtsanwalt für die Arbeitgeberin aufgetretene bevollmächtigte Arbeitnehmer S., worauf § 88 Abs. 2 ZPO abstellt, hat innerhalb der nach Bekanntmachung des endgültigen Wahlergebnisses am 08.12.2007 mit Wirkung ab 09.12.2007 zu laufen begonnenen Zweiwochenfrist die Betriebsratswahl mit beim Arbeitsgericht per Fax am 17.12.2007 eingegangenem Schriftsatz vom 14.12.2007 angefochten (§§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, 18, 41 WO i. V. m. 187 Abs. 1 BGB). Zwar war die für die Arbeitgeberin vom bevollmächtigten Arbeitnehmer S. vorgenommene Prozesshandlung der Anfechtung der Betriebsratswahl zunächst schwebend unwirksam. Jedoch wurde die Prozesshandlung rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Vornahme nachträglich geheilt. Die Arbeitgeberin hat nämlich mit Schriftsatz vom 07.03.2008 eine zugunsten des Herrn S. am 15.07.2002 ausgestellte Generalvollmacht vorgelegt. Darüber hinaus hat sie durch Vorlage eines Handelsregisterauszuges die Prokuristenstellung des die Generalvollmacht ausstellenden Herrn S. belegt. Außerdem hat die Arbeitgeberin zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 28.08.2008 eine von ihrem Inhaber zugunsten des Herrn S. für das vorliegende Verfahren im Original vorgelegte Prozessvollmacht eingereicht. Angesichts der Vorlage des Originals der als Spezialvollmacht (vgl. zur Begrifflichkeit Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage, § 167 Rn. 5) ausgestalteten Prozessvollmacht bedarf es keiner Auslegung der inhaltlichen Reichweite der Generalvollmachten vom 15.07.2002 und 02.06.2003.

bb) Die materiell-rechtliche Wirkung der verfahrensrechtlichen Anfechtungsfrist gebietet vorliegend keine teleologische Reduktion des Wortlautes des § 89 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ZPO hinsichtlich der Rückwirkung einer nachträglichen Zustimmung (Genehmigung). Auf der Grundlage der systematischen Auslegung, wonach mangels anderweitiger Anhaltspunkte von der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auszugehen ist, deckt sich die Wortbedeutung der Genehmigung im Sinne von § 89 Abs. 1 ZPO mit derjenigen des § 184 BGB. Die gegenteilige Erkenntnis des Arbeitsgerichts weicht von der festgestellten Wortbedeutung des Tatbestandsmerkmales Genehmigung ab. Jedoch liegt eine so genannte Ausnahmelücke (vgl. Rüthers, Rechtstheorie, 4. Auflage, Rn. 903, auch teleologische Lücke genannt, Rüthers, a. a. O., Rn. 848; E. A. Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. Auflage, Seite 170) als methodologische Voraussetzung einer teleologischen Reduktion nicht vor (vgl. auch Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 4. Auflage, Seite 79). Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung des § 89 Abs. 1 ZPO eine für den Anwendungsbereich verfahrensrechtlicher Ausschlussfristen mit materiell-rechtlicher Wirkung erforderliche Einschränkung oder "Ausnahmeklausel" nicht übersehen. Der Textsinn der Wirkungsweise einer Genehmigung bedarf nämlich im Lichte des erkennbaren Normzwecks des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorliegend keiner Einschränkung (Richter, Rechtsphilosophie, 3. Auflage, Seite 30). Die Rechtsfigur der Wahlanfechtung dient in erster Linie der Rechtssicherheit (BAG, Beschluss vom 13.11.1991 - 7 ABR 18/91 - AP Nr. 3 zu § 27 BetrVG 1972, zu B II 1 a der Gründe = Rn. 22). Die kurze Anfechtungsfrist und auch die Tatsache, dass nicht ein einzelner Arbeitnehmer allein zur Anfechtung berechtigt ist, liegen im Interesse der Rechtssicherheit (vgl. dazu BT-Drucksache VI/2729, Seite 21). Mit der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung und Bedeutung des Betriebsrates wäre es unvereinbar, wenn die Gültigkeit seiner Wahl immer wieder in Zweifel gezogen werden könnte und es längere Zeit ungewiss bliebe, ob er überhaupt rechtmäßig amtiert (BAG, Beschluss vom 13.11.1991 - 7 ABR 8/91 - AP Nr. 20 zu § 19 BetrVG 1972, zu B der Gründe = Rn. 13 f.). Für die Wahrung der Frist bedarf es nicht des Eintrittes der Rechtshängigkeit innerhalb der Zweiwochenfrist (BAG, Beschluss vom 25.06.1974 - AP Nr. 3 zu § 19 BetrVG 1972; siehe dazu auch § 167 ZPO), ebenso wenig muss die Anfechtung beim örtlich zuständigen Arbeitsgericht, geschweige denn in der richtigen Verfahrensart erfolgt sein; es muss in Kauf genommen werden, dass damit nach Fristablauf nicht unmittelbar festgestellt werden kann, ob eine Anfechtung erfolgt ist (z. B. GK/BetrVG - Kreutz, 8. Auflage, § 19 Rn. 78). Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts (vgl. zur strukturell vergleichbaren Bestimmung des § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG; BVerwG, Beschluss vom 01.12.2003 - 6 P 11/03 - NZA-RR 2004, 389 ff., zu II 2 c der Gründe = Rn. 20) wusste der Betriebsrat auch ohne Vorlage einer von der Arbeitgeberin ausgestellten Prozessvollmacht innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist, dass die Betriebsratswahl, unbeschadet der Frage, ob zu Recht oder zu Unrecht, der gerichtlichen Überprüfung unterworfen ist. Insofern ist es aus der objektivierten Sicht des Betriebsrates unerheblich, ob bereits innerhalb der Anfechtungsfrist alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. Der Betriebsrat muss gegenwärtigen, dass bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren der Anfechtung der Betriebsratswahl der Ausgang unentschieden ist.

2. Der Einhaltung der Anfechtungsfrist steht es nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin ihren Anfechtungsantrag innerhalb der Zweiwochenfrist gegen den Wahlvorstand gerichtet hat. Ihrer Korrektur mit Schriftsatz vom 07.03.2008 hätte es nicht einmal bedurft, denn das Arbeitsgericht hätte von Amts wegen gem. § 83 Abs. 3 ArbGG den in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung durch die begehrte Entscheidung unmittelbar betroffenen Betriebsrat beteiligen müssen (BAG, Beschluss vom 24.05.1965 - 1 ABR 1/65 - AP Nr. 14 zu § 18 BetrVG; BAG, Beschluss vom 13.03.1984 - 1 ABR 49/82 - AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979, zu B der Gründe = Rn. 18; BAG, Beschluss vom 19.09.1985 - 6 ABR 4/85 - AP Nr. 12 zu § 19 BetrVG 1972, zu II der Gründe = Rn. 24). Allein der Betriebsrat ist durch die begehrte Entscheidung in seinem Bestand betroffen.

3. Die am 30.11. und 01.12.2007 durchgeführte Betriebsratswahl war entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht für unwirksam zu erklären. Anfechtungsgründe liegen nicht vor. Das steht zur Überzeugung der Beschwerdekammer nach Anhörung der Beteiligten, der Verwertung des Akteninhaltes einschließlich der vorgelegten Wahlakten nebst Wahlurnen und auch nach Vernehmung der Zeuginnen M. und R. fest.

a) Gem. § 19 Abs. 1 BetrVG kann die Wahl beim Arbeitgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Nicht jeder Verstoß, sondern nur ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften berechtigt zur Anfechtung. Als wesentlich sind solche Vorschriften anzusehen, die tragende Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten (FESTL, BetrVG, 24. Auflage, § 19 Rn. 10). Hierzu zählen grundsätzlich die zwingenden Regelungen (so genannte Muss-Vorschriften; vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.1988 - AP Nr. 1 zu § 16 BetrVG 1972, zu B III 1 der Gründe = Rn. 16). Aus § 14 BetrVG ergeben sich als tragende Grundprinzipien der Betriebsratswahl die Freiheit, Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie das Wahlgeheimnis (Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 15.07.2008 - 34 BV 11/08 - nicht veröffentlicht, zu II 2 a der Gründe).

b) Danach liegt ein solcher Verstoß nicht vor.

aa) Bei der Wahl ist gegen die wesentlichen Vorschriften über die Wahlberechtigung (§ 7 BetrVG) und über die Wählbarkeit (§ 8 BetrVG) nicht verstoßen worden. Die Arbeitgeberin kann sich insoweit nicht auf die in § 3 TV-Zuordnung in Bezug genommene Tarifkarte berufen. Insoweit handelt es sich um eine nicht justiziable Tarifnorm, da sie nicht dem Gebot der Normenklarheit entspricht. Die vom Wahlvorstand des Bezirk 26 der Betriebsratswahl zugrunde gelegte Zuordnung der Verkaufsstellen entspricht gleichwohl § 3 TV-Zuordnung. Sie deckt sich mit der von der Arbeitgeberin selbst vorgenommenen Zuordnung.

(1) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind alle Wahlberechtigten wählbar, die unter anderem sechs Monate dem Betrieb angehören. Wahlberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebes, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Satz 1 BetrVG). Nach § 3 Satz 1 TV-Zuordnung werden abweichend von § 4 BetrVG die als Betriebsteile anzusehenden Verkaufsstellen untereinander zugeordnet in Regionen. Nach seinem Satz 2 wählen Arbeitnehmer, die in der innerhalb der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstelle beschäftigt sind, infolge dieser Zuordnung jeweils einen Betriebsrat. Die jeweilige Region ist einer Karte zu entnehmen, die wesentlicher Bestandteil des Tarifvertrages ist. Die Auslegung eines Tarifvertrages orientiert sich zunächst am Tarifwortlaut, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen, ohne an eine Reihenfolge gebunden zu sein, weitere Kriterien ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (z. B. BAG, Urteil vom 23.02.2005 - 4 AZR 139/04 - AP Nr. 42 zu § 1 TV-Tarifverträge: Druckindustrie, zu II 1 c bb (1) der Gründe = Rn. 31). Ist nach diesen Auslegungsgrundsätzen eine Tarifnorm nicht justiziabel, so findet sie keine Anwendung (BAG, Urteil vom 26.04.1966 - 1 AZR 242/65 - AP Nr. 117 zu § 1 TVG-Auslegung, zu II 6 b der Gründe).

(2) Nach diesen Grundsätzen liegt weder ein Verstoß gegen die Wahlberechtigung noch gegen die Wählbarkeit vor. Soweit die Arbeitgeberin der Ansicht ist, es hätten zu Unrecht Arbeitnehmerinnen aus insgesamt 18 Verkaufsstellen (vgl. Schriftsatz vom 14.12.2007, Seiten 3 und 4 = Seiten 11 und 12 der Akte des Arbeitsgerichts) an der Betriebsratswahl teilgenommen, die nicht dem Bezirk 26 zuzuordnen sind, kann dem nicht gefolgt werden. Ebenso verhält es sich, soweit die Arbeitgeberin die Wählbarkeit von sechs Arbeitnehmerinnen aus den vorgenannten Verkaufsstellen (vgl. Schriftsatz vom 04.12.2007, Seiten 12 und 13 = Seiten 12 und 13 der Akte des Arbeitsgerichts) beanstandet. Eine solche Beurteilung lässt sich nicht mit § 3 TV-Zuordnung begründen. Die darin in Bezug genommene Tarifkarte bildet nämlich den in Rede stehenden Bezirk 26 (Region) gerade nicht ab. Zwar kommt der Tarifkarte aufgrund des inkorporierenden Bezugnahmecharakters Normwirkung zu, da durch die Tarifkarte die räumlichen Grenzen der einen Betrieb bildenden Bezirke (Regionen) und damit die Zuordnung der einzelnen Verkaufsstellen konstitutiv festlegt. Jedoch ist die Tarifkarte unanwendbar. Sie ist nicht justiziabel, da sie dem Gebot der Normenklarheit nicht entspricht. Auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Auslegungsgrundsätze lässt sich kein Auslegungsergebnis finden. Aus der Tarifkarte ergibt sich lediglich, dass die in der Stadt S. von der Arbeitgeberin unterhaltenen Verkaufsstellen mehreren Bezirken, unter anderem auch dem Bezirk 26, zugeordnet sind. Die mit einem groben Stift gezogenen Bezirksgrenzen (Seite 20 der Akte des Arbeitsgerichts) lassen unter keinen Umständen eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Verkaufsstellen erkennen. Weder die vorgelegte Originaltarifkarte noch eine verbesserte Kopie derselben erlauben eine Zuordnung der Verkaufsstellen. Es lag zum Zeitpunkt des Abschlusses des TV-Zuordnung auch keine Liste der zum Bezirk 26 gehörenden Verkaufsstellen vor. Den Tarifvertragsparteien war die Problematik der Zuordnung der Verkaufsstellen und insbesondere ihrer Dynamik durchaus bewusst. Dementsprechend haben sie auch zur Vermeidung diesbezüglicher Rechtsstreitigkeiten nach Nr. 7 des TV-Ergänzung die Einrichtung einer Schiedsstelle verabredet.

Die Unanwendbarkeit der Tarifkarte als Tarifnorm führt vorliegend jedoch nicht zur Geltung der richterrechtlichen (Definition Betrieb) und der gesetzlichen Regelung des § 4 BetrVG. Denn mit Ausnahme der unanwendbaren Regelung (Tarifkarte) findet entgegen dem Rechtsgedanken des § 139 BGB der im Übrigen nicht zu beanstandende Regelungsteil des § 3 TV-Zuordnung Anwendung. § 3 i. V. m. § 4 TV-Zuordnung ist insoweit wirksam und hat einen eigenständigen Anwendungsbereich, als die Tarifvertragsparteien abweichend von § 4 BetrVG eine Zuordnung von als Betriebsteile anzusehenden Verkaufsstellen in Bezirke (Regionen) vereinbart haben.

Die nicht zu beanstandende Zuordnung der Verkaufsstellen zum Bezirk 26 ergibt sich vorliegend auf der Grundlage einer nach dem Abschluss des TV-Zuordnung zwischen den Tarifvertragsparteien verabredeten Vorgehensweise zur Zuordnung i. V. m. der Erklärung der Arbeitgeberin vom 08.10.2004. Ausweislich des Schreibens der Gewerkschaft ver.di vom 06.03.2004 (Seiten 190 bis 192 der Akte des Landesarbeitsgerichts) wurde zur Beseitigung der Schwierigkeiten der Zuordnung von Verkaufsstellen aus Anlass von Betriebsratswahlen ein näher ausgeführtes Verfahren verabredet. Auf der Grundlage dieses Verfahrens hat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 08.10.2004 die Aufteilung der Bezirke im Großraum S. bzw. die Zuordnung der Verkaufsstellen entsprechend der einem Schreiben des Gesamtbetriebsrates vom 23.09.2004 beigefügten Anlage bestätigt (Seiten 197 und 198 der Akte des Landesarbeitsgerichts). Diesem Vorbringen hat die Arbeitgeberin nicht widersprochen. Zwar sind im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren wegen des nach § 83 Abs. 1 ArbGG geltenden Untersuchungsgrundsatzes die Vorschriften über Geständnis und Nichtbestreiten einer Behauptung (§§ 138 Abs. 3, 288 ZPO) nicht unmittelbar anzuwenden; es bedarf aber in der Regel keiner Beweisaufnahme, wenn die Beteiligten einen Sachverhalt übereinstimmend vortragen oder das substantiierte Vorbringen eines Beteiligten von den Anderen nicht bestritten wird oder sich an dessen Richtigkeit keine Zweifel aufdrängen (BAG, Beschluss vom 10.12.1992 - 2 ABR 32/92 - AP Nr. 4 zu § 87 ArbGG 1979, zu B II 5 c aa der Gründe = Rn. 91). So verhält es sich vorliegend.

bb) Ein Verstoß gegen das Versiegelungsgebot gem. § 12 Abs. 5 WO liegt nicht vor. Das steht zur Überzeugung der Beschwerdekammer nach Anhörung der Beteiligten und Vernehmung der Zeuginnen M. und R. fest.

(1) Nach § 12 Abs. 5 WO ist die Wahlurne nach Abschluss der Stimmabgabe zu versiegeln, wenn die Stimmenzählung nicht unmittelbar nach Beendigung der Wahl durchgeführt wird. Gleiches gilt, wenn die Stimmabgabe unterbrochen wird, insbesondere wenn sie an mehreren Tagen erfolgt. Letzteres ist immer dann der Fall, wenn die Stimmabgabe an mehreren Tagen erfolgt, aber auch, wenn z. B. die Betriebsratswahl in einem Einzelhandelsunternehmen mittels "mobiler Wahl-Teams" durchgeführt wird. Auch hier ist, wenn die Wahlurne zu den einzelnen Filialen transportiert wird, für eine hinreichende Versiegelung der Wahlurne zu sorgen (FESTL, a. a. O., § 12 Rn. 14). Die Versiegelung erfolgt durch Zusiegeln des Einwurfschlitzes für die Wahlumschläge. Es genügt, wenn die Einwurfsöffnung zugeklebt und der Klebestreifen von den im Wahlraum anwesenden Mitgliedern des Wahlvorstandes und Wahlhelfern unterschrieben wird, so dass die Öffnung der Urne nicht ohne Beschädigung des Streifens freigemacht werden kann.

(2) Nach diesen Grundsätzen liegt kein Verstoß gegen das der Sicherung der geheimen Stimmabgabe dienende Versiegelungsgebot vor.

(aa) Nach den Behauptungen des Betriebsrates, den Aussagen der beiden Zeuginnen und den vorgelegten Wahlurnen geht die Beschwerdekammer davon aus, dass jeweils der Einwurfschlitz der beiden Wahlurnen nach Durchführung der Stimmabgabe in den einzelnen Verkaufsstellen entsprechend dem vorgelegten Tourenplan mit einem weißen Stück Papier und einem Klebestreifen verschlossen und mit ein bis zwei Unterschriften auf dem Klebestreifen versehen wurde. Die Beschwerdekammer geht nach der Anhörung der Betriebsratsvorsitzenden, die zugleich Wahlvorstandsvorsitzende gewesen war, davon aus, dass jeweils nach Durchführung der Stimmabgabe in der am ersten Wahltag zuletzt angefahrenen Verkaufsstelle im Hinblick auf die erst am nächsten Tage in der Verkaufsstelle R. Straße wieder aufgenommenen Stimmabgabe entsprechend verfahren wurde. Von Gegenteiligem kann nach Überzeugung der Beschwerdekammer nicht ausgegangen werden. Zunächst geht die Beschwerdekammer weiter davon aus, dass es sich bei den vom Betriebsrat vorgelegten zwei Wahlurnen um die bei der Betriebsratswahl vom Team 1 und Team 2 des Wahlvorstandes eingesetzten Wahlurnen handelt. Zum einen weisen die Wahlurnen auf den Klebestreifen, mit denen der Unterbau mit dem Deckel zur festen Einheit verbundenen worden ist, Unterschriften der Wahlvorstandsmitglieder T. und M. aus. Zum anderen ist der feste Karton jeweils seitlich des Einwurfschlitzes durch entsprechende, dem Verschluss des Schlitzes dienenden Klebestreifen aufgeraut.

(bb) Die von der Arbeitgeberin benannte Zeugin R. hat jedenfalls die Vergleichbarkeit der Wahlurnen bestätigt, auch wenn sie in Übereinstimmung mit der Bekundung der Zeugin M. von einem etwas anderen Volumen ("breiter") der Wahlurnen gesprochen hat. Nach Erinnerung der Zeugin R. wies eine der Wahlurnen am Urnenschlitz eine Ausfransung auf, die auch bei einer der vorgelegten Wahlurnen festzustellen ist. Auch wenn beide Zeuginnen übereinstimmend ausgesagt haben, der Einwurfschlitz, der bei der Wahl verwendeten Urnen sei breiter gewesen, lässt sich aus der Gesamtheit der Begründungen der Zeuginnen nicht der den Behauptungen des Betriebsrates widersprechende Schluss ableiten, die vorgelegten Wahlurnen seien bei der Betriebsratswahl nicht verwendet worden. Dafür liegen keine objektiv gesicherten Erkenntnisse vor. Soweit beide Zeuginnen die Breite der Einwurfschlitze anders bewerteten, lässt dies keinen Gegenschluss zu. Die Zeugin R. hat zwar erklärt, die bei der im Bezirk 24 etwa einen Monat später durchgeführten Betriebsratswahl verwendeten Wahlurnen seien andere gewesen. Jedoch hat sie die bei dieser Wahl verwendeten Wahlurnen nicht selbst in ihren Händen gehabt. Ähnlich verhält es sich mit der Aussage der Zeugin M.. Sie meint bei Abgabe ihrer Stimme durch Einwurf ihres Wahlumschlages einen anders gestalteten Urnenschlitz in Erinnerung zu haben. Die diesbezüglichen Begründungen rechtfertigen nicht zwingend die Annahme eines anderen Schlusses. Die Begründungen beruhen lediglich auf einer kurzzeitigen optischen Wahrnehmung und der bei Gelegenheit der Stimmabgabe erfolgten körperlichen Wahrnehmung, die bereits ungefähr ein Jahr zurückliegen.

(cc) Der von der Beschwerdekammer angenommenen Versiegelung im Sinne des § 12 Abs. 5 WO stehen die Aussagen der Zeuginnen nicht entgegen. Die Zeuginnen haben sogar punktuell die vom Betriebsrat behaupteten Versiegelungen bestätigt. Die Zeugin M. bestätigt den Vorgang der Versiegelung der Wahlurne während der Mittagspause am ersten Tag der Stimmabgabe. Ebenso punktuell erklärte sich die Zeugin R..

cc) Durch die Verwendung der vorgelegten zwei Wahlurnen wurde auch nicht gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 WO verstoßen. Die verwendeten Wahlurnen genügen dem Erfordernis der Wahrung des Wahlgeheimnisses.

(1) Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 WO muss die Wahlurne vom Wahlvorstand verschlossen und so eingerichtet sein, dass die eingeworfenen Wahlumschläge nicht herausgenommen werden können, ohne dass die Urne geöffnet wird. Die Wahlurne ist ein verschließbares Behältnis aus Kunststoff, Holz oder einem sonstigen festen Material. Sie muss mit einem Schlitz versehen sein, durch den die Wahlumschläge eingeworfen werden. Der Schlitz muss so eingerichtet sein, dass die Wahlumschläge nicht wieder "herausgeangelt" werden können (FESTL, a. a. O., § 12 WO Rn. 4).

(2) Danach sind die verwendeten Wahlurnen geeignet, dem Grundsatz der Wahrung des Wahlgeheimnisses Rechnung zu tragen. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Beschwerdekammer der Überzeugung ist, dass die ihr vorgelegten Wahlurnen auch tatsächlich diejenigen sind, die bei der im Streite stehenden Betriebsratswahl eingesetzt wurden. Beide Wahlurnen bestehen aus festem Kartonmaterial. Der jeweilige Deckel war mit dem Unterteil durch einen Klebestreifen fest verbunden. Auf dem Klebestreifen befanden sich mehrere Unterschriften der Mitglieder des Wahlvorstandes. Aufgrund der festen Beschaffenheit war es unmöglich, die Wahlumschläge durch Aufbiegen der Seitenteile zu entfernen, ohne dass der dort befindliche Aufkleber beschädigt worden wäre. Der jeweils auf dem Deckel der Wahlurne ca. 12 cm lange und knapp 1 cm breite Schlitz stellt angesichts der Höhe der Wahlurne von jeweils ca. 30 cm sicher, dass die eingeworfenen Wahlumschläge nicht herausgenommen werden können. Die Höhe der jeweiligen Wahlurne schließt ein "Herausangeln" der Wahlumschläge durch eine z. B. Pinzette aus.

dd) Die Stimmabgabe war auch entsprechend den Angaben im Wahlausschreiben für jede wahlberechtigte Arbeitnehmerin ungehindert möglich.

(1) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO muss das Wahlausschreiben Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe enthalten. Dementsprechend muss der Wahlvorstand eine ungehinderte Stimmabgabe ermöglichen.

(2) Ein Verstoß hiergegen liegt nicht vor. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin war es den wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen ungehindert möglich, entsprechend den Angaben im Wahlausschreiben in Verbindung mit den gleichfalls ausgehängten "Tourenplänen" ihre jeweilige Stimme abzugeben. Es deckt sich mit dem Wahlausschreiben, dass die Verkaufsstelle in der A. Straße als Betriebsadresse des Wahlvorstandes am 01.12.2007 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 14.00 Uhr geschlossen hatte.

ee) Auch ein Verstoß gegen die wesentliche Vorschrift der Sicherung der geheimen Stimmabgabe nach § 12 Abs. 1 Satz 1 WO liegt nicht vor.

(1) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 WO hat der Wahlvorstand geeignete Vorkehrungen für die unbeobachtete Bezeichnung der Stimmzettel im Wahlraum zu treffen. Ist der Wahlraum mit einem Nebenraum so verbunden, dass der Zutritt zum Nebenraum überwacht werden kann, so kann der Wähler zum Ankreuzen des Stimmzettels den Nebenraum benutzen. Wo das nicht der Fall ist, ist ein Aufstellen von Wandschirmen, Trennwänden usw. im Wahlraum selbst erforderlich. An den Grundsatz der geheimen Wahl sind strenge Anforderungen zu stellen. Ist eine unbeobachtete Stimmabgabe nicht gesichert, der Wähler vielmehr gezwungen, unter den Augen anderer Personen den Stimmzettel anzukreuzen, so ist die Wahl stets nach § 19 BetrVG anfechtbar (FESTL, a. a. O., § 12 Rn. 1 f.).

(2) Nach diesen Grundsätzen liegt kein Verstoß vor. Soweit die Arbeitgeberin die Stimmabgabe in der Verkaufsstelle A. Straße, der Betriebsadresse des Wahlvorstandes, am zweiten Tag der Durchführung der Betriebsratswahl beanstandet, kann ihr nicht gefolgt werden. Soweit nach dem Vortrag des Betriebsrates der Vorgang der Bezeichnung der Stimmzettel etwa 10 m vom Ort der Übergabe der Wahlunterlagen und des Aufenthaltsortes des Wahlvorstandes entfernt durchgeführt wurde, erscheint eine tatsächliche Beobachtung der Stimmabgabe fernliegend. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Betriebsrates betraten die wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen einzeln die Filiale. Hinzu kommt, dass nach Aushändigung der Wahlunterlagen keine andere Person die jeweilige Wählerin zum etwa 10 m entfernten Ort der Bezeichnung der Stimmzettel begleitete. Ausnahmsweise betraten die Arbeitnehmerinnen Z. und D. das Wahllokal gleichzeitig, jedoch ging nur eine der beiden Damen jeweils zum Ort der Stimmabgabe.

ff) Es liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der öffentlichen Stimmauszählung vor.

(1) Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nimmt der Wahlvorstand unverzüglich nach Abschluss der Wahl öffentlich die Auszählung der Stimmen vor. Dieselbe Regelung findet sich in § 13 WO. Öffentlichkeit im Sinne dieser Vorschrift ist nicht die allgemeine Öffentlichkeit, sondern die Betriebsöffentlichkeit. Die dazu gehörenden Personen, vor allem die Arbeitnehmer des Betriebes, müssen einen ungehinderten Zugang zum Ort der Stimmauszählung erhalten. Das Gebot der Öffentlichkeit der Auszählung erfordert auch, dass Ort und Zeit der Auszählung vorher öffentlich bekannt gemacht werden. Das kann insbesondere im Wahlausschreiben geschehen (BAG, Beschluss vom 15.11.2000 - 7 ABR 53/99 - AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe).

(2) Im Streitfall wurde das Gebot der Öffentlichkeit der Stimmauszählung nicht verletzt. Ob die Stimmauszählung entgegen der Mitteilung im Wahlausschreiben bereits um 20.10 Uhr anstatt 20.30 Uhr begann, mag dahinstehen. Selbst nach den Ausführungen des Betriebsrates kann es auch wenige Minuten vor 20.30 Uhr gewesen sein. Jedenfalls erfolgte die Stimmauszählung betriebsöffentlich, da neben den Mitgliedern des Wahlvorstandes auch andere Arbeitnehmerinnen anwesend waren. Beispielsweise war die Zeugin R., Verkaufsleiterin, bereits seit etwa 19.45 Uhr anwesend und konnte den gesamten Auszählungsvorgang beobachten. Auch ihr war es offensichtlich möglich, den Ort der Auszählung der Stimmen ungehindert aufzusuchen. Auch nach den Angaben der Arbeitgeberin endete der Auszählungsvorgang erst nach 20.30 Uhr. Die in Betracht kommende verfrühte Stimmauszählung würde zwar gegen die Angabe im Wahlausschreiben verstoßen. Jedoch erfolgte die verfrühte Stimmauszählung gleichwohl öffentlich.

C

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da gerichtliche Gebühren und Auslagen nicht erhoben werden (§ 2 Abs. 2 GKG).

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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