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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 32/06
Rechtsgebiete: InsO, BetrAVG, ArbGG


Vorschriften:

InsO § 129 ff.
InsO § 131 Abs. 1 Ziff. 2
AVB § 14 Abs. 4
BetrAVG § 1
BetrAVG § 2
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
Ist dem Arbeitnehmer ein durch Vorbehalte eingeschränktes unwiderrufliches Bezugsrecht auf Versicherungsleistungen aus einer Lebensversicherung eingeräumt, so gehört der Anspruch auf die Versicherungsleistungen in der Insolvenz des Arbeitgebers zur Insolvenzmasse, wenn die Voraussetzungen des Vorbehalts erfüllt sind.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.04.2006, Aktenzeichen 25 Ca 8811/05, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt,

1. die Rechte aus der bei der G. Lebensversicherung AG, Versicherungsnummer ..., abgeschlossenen Lebensversicherung zu Gunsten des Klägers freizugeben;

2. den Originalversicherungsschein bezüglich der G. Lebensversicherung mit der Versicherungsnummer ... an den Kläger herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Beklagte.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Freigabe der Rechte aus einer für den Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherung.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma N. GmbH & Co. KG. Auf einen Antrag vom 06.09.2004 hin ist der Kläger am 13.09.2004 zum vorläufigen, "schwachen" Insolvenzverwalter bestimmt worden; die Insolvenzeröffnung erfolgte am 01.10.2004. Der Beklagte war seit 01.11.1992 als C. bei der Schuldnerin beschäftigt. Diese hatte zu seinen Gunsten unter anderem die hier streitgegenständliche Direktversicherung bei der G. Lebensversicherung AG als betriebliche Altersversorgung abgeschlossen; für die Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein (Bl. 10 ff. der Akte) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 01.10.2004 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 31.01.2005 und stellte den Beklagten ab sofort bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich frei. Ebenfalls am 01.10.2004 schlossen die Parteien die Bl. 47 der Akte bildende Aufhebungsvereinbarung zum 30.09.2004. In der Folgezeit forderte der Kläger den Beklagten mehrfach auf, die Rechte aus der genannten Lebensversicherung freizugeben, was der Beklagte ablehnte.

Nach der Auffassung des Klägers gehört die Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse, weil die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht erfüllt gewesen seien. Im Übrigen habe nicht der Kläger, sondern der Beklagte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 30.09.2004 veranlasst, da er für die von ihm geplante Selbstständigkeit Überbrückungsgelder von der Agentur für Arbeit in Anspruch nehmen wollte.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe in mehreren Besprechungen mit der Belegschaft der Schuldnerin erklärt, die Direktversicherungen würden nicht in die Insolvenzmasse genommen, sondern könnten durch die Begünstigten übernommen werden. Aufgrund dieser Aussagen, der Aussicht, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ohne weitere Bezüge zu bleiben habe er den ihm durch den Kläger vorgeschlagenen Aufhebungsvertrag angenommen. Da die Unverfallbarkeit der Direktversicherung am 01.11.2004 erreicht worden wäre, hätte er ohne die entsprechende Zusage des Klägers, wonach die Direktversicherungen den Begünstigten erhalten blieben, keinem Aufhebungsvertrag zum 30.09.2004 zugestimmt. Im Übrigen beruft sich der Beklagte auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Behandlung des eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechtes des Arbeitnehmers bei einer Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung im Insolvenzfall.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen der versicherungsvertraglich vereinbarte Vorbehalt greife im vorliegenden Fall nicht, der Beklagte sei vielmehr weiterhin bezugsberechtigt aus der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung. Es folgte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (insbesondere Urteil vom 08.06.2005, NJW RR 2005, 1412) wonach ein Vorbehalt, der einen Widerruf des Bezugsrechtes bei Insolvenz des Arbeitgebers zulässt, das mit dem Abschluss einer Direktversicherung angestrebte Ziel einer betrieblichen Altersversorgung unterlaufen würde und deshalb der im Zusammenhang mit der Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung gemachte Vorbehalt einschränkend auszulegen ist. Das vorzeitige Ausscheiden des Arbeitnehmers solle nur solche Beendigungsgründe erfassen, die neben der freiwilligen Aufgabe des Arbeitsplatzes auch sonst auf die Person und das betriebliche Verhalten des Arbeitnehmers zurückzuführen seien. Insolvenzbedingte Betriebseinstellungen gehörten dazu nicht. Soweit die Parteien das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvereinbarung beendet hätten, sei auch darin keine freiwillige Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Beklagten zu sehen, da dem Aufhebungsvertrag bereits eine Kündigung wegen Betriebsstilllegung durch den Kläger vorausgegangen sei und der Beklagte nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit auch bei einem Verbleib in der Firma nicht damit habe rechnen können, für die Zeit nach Insolvenzeröffnung Gehaltszahlungen zu erhalten.

Das Urteil ist dem Kläger am 08.05.2006 zugestellt worden. Mit der am 19.05.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 29.06.2006 ausgeführten Berufung rügt der Kläger die vom Arbeitsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unrichtig. Sie widerspreche arbeits- und insolvenzrechtlichen Grundsätzen. Im vorliegenden Fall habe das Arbeitsverhältnis nicht einmal durch eine Insolvenzkündigung geendet, sondern durch Aufhebungsvertrag. Auf eine solche Konstellation beziehe sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht. Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht unterstellt, die Schuldnerin habe mit der Zustimmung zur Übertragung der Rechte aus der Versicherung auf den Beklagten auf ihre Rechte aus dem Versicherungsverhältnis verzichtet. Dafür eine ausdrückliche Erklärung erforderlich gewesen, die nicht vorliege. Eine Zustimmung unterstellt, sei diese jedenfalls anfechtbar, insoweit sei § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO maßgeblich. Die Schuldnerin sei am 21.07.2004 zahlungsunfähig gewesen und auf Dauer nicht mehr in der Lage, fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die angebliche Verzichtserklärung sei im zweiten Monat vor dem Eröffnungsantrag erfolgt. Der Beklagte habe dadurch eine Sicherung bzw. Befriedigung erhalten, auf die er keinen Anspruch gehabt habe; denn die Anwartschaft sei nicht unverfallbar gewesen. Aufgrund der Anfechtbarkeit stehe dem Kläger ein Anspruch auf die Rechte aus der Lebensversicherung zu. Der Kläger meint, es sei nicht erkennbar, weshalb die AVB anwendbar sein sollten. Diese enthielten keinen § 14; eine Vereinbarung nach § 14 Abs. 4 AVB gebe es nicht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen 1. die Rechte aus der bei der G. Lebensversicherung AG, Versicherungsnummer: ... abgeschlossenen Lebensversicherung zu Gunsten des Klägers freizugeben;

2. die Originalversicherungsschein bezüglich der G. Lebensversicherung mit der Versicherungsnummer: ... an den Kläger herauszugeben, hilfsweise

3. festzustellen, dass dem Kläger die Rechte aus der bei der G. Lebensversicherung AG, abgeschlossenen Lebensversicherung, Versicherungsnummer: ... zustehen.

Hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, die Rechte aus der bei der G. Lebensversicherung AG, Versicherungsnummer: ... abgeschlossenen Lebensversicherung auf den Kläger zu übertragen und gegenüber der G. Lebensversicherung AG die hierfür erforderlichen Erklärungen abzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27.04.2006, Aktenzeichen 25 Ca 8811/05 wird zurückgewiesen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Er rügt den Vortrag des Klägers zur Anfechtung als verspätet und meint, eine Anfechtung sei nicht erklärt. Im Übrigen habe der Kläger anlässlich einer Mitarbeiterbesprechung im September 2004 ausdrücklich erklärt, er werde die zu Gunsten der Arbeitnehmer abgeschlossenen Lebensversicherungen nicht zur Masse ziehen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen B. und K. sowie durch Vernehmung des Klägers als Partei. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24.04.2007 (Bl. 75 ff. der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger kann vom Beklagten die Freigabe der zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung mit der Versicherungsnummer: ... und die Herausgabe des entsprechenden Versicherungsscheines verlangen. Die Rechte aus einer mit eingeschränkt unwiderruflichem Bezugsrecht ausgestatteten Direktversicherung der betrieblichen Altersversorgung gehören im Insolvenzfall zur Masse (1.). Eine den Kläger bindende Erklärung, wonach er die Lebensversicherung des Klägers (wie auch andere Versicherungen) nicht zur Masse ziehen werde, liegt nicht vor (2.).

1. Die Rechte aus der genannten Lebensversicherung gehören zur Insolvenzmasse; ein Aussonderungsrecht steht dem Beklagten nicht zu. Die Kammer schließt sich der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits zur Konkursordnung (vgl. z. B. AP Betriebliches Altersversorgungsgesetz § 1 Lebensversicherung Nr. 26) an. Über die Zugehörigkeit einer Forderung auf Versicherungsleistungen aus einem Lebensversicherungsvertrag zum Vermögen des Arbeitgebers oder zum Vermögen des Arbeitnehmers entscheidet die versicherungsrechtliche Ausgestaltung des Anspruches. Dieses muss von dem zwischen Arbeitgeber und begünstigten Arbeitnehmer bestehenden Versorgungsverhältnis unterschieden werden. Aus arbeitsvertraglichen Vereinbarungen kann sich ergeben, dass der Arbeitgeber gegenüber dem begünstigten Arbeitnehmer von einem ihm versicherungsrechtlich eingeräumten Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen darf. Widerruft er dennoch, ist der Widerruf versicherungsrechtlich wirksam. Der Widerruf verpflichtet den Arbeitgeber jedoch wegen Verletzung des arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschluss des Widerrufsrechts zum Schadenersatz. Bei einer Direktversicherung besteht kein einheitlich zu betrachtendes Rechtsverhältnis, sondern eine Dreiecksbeziehung, die sich aus mehreren Rechtsverhältnissen zusammensetzt. Die Versorgungszusage begründet zwischen dem Unternehmer und dem Beschäftigten ein arbeitsrechtliches Versorgungsverhältnis während mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages versicherungsrechtliche Rechtsbeziehungen bestehen. Der Arbeitgeber ist Versicherungsnehmer, der Beschäftigte ist Versicherter. Ihm stehen nur die im Versicherungsvertrag vereinbarten Bezugsrechte zu. Stimmen diese Bezugsrechte nicht mit der Versorgungszusage überein, hat der Unternehmer seine arbeitsvertraglichen Versorgungspflichten nicht vollständig erfüllt, so dass der Beschäftigte gegen ihn einen Anspruch auf Abänderung des Bezugsrechtes hat.

Die Versicherungszusage (Bl. 38 f. der Akte) regelt, dass der Beklagte aus der Versicherung "unwiderruflich bezugsberechtigt" ist, seine Ansprüche aber erlöschen, wenn er vor Eintritt des Versicherungsfalles aus den Diensten der Schuldnerin ausscheidet; die Ansprüche sollen nach Maßgabe der in § 2 BetrAVG festgesetzten Höhe bestehen, sofern zum Zeitpunkt des Ausscheidens die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nach § 1 dieses Gesetzes vorliegen. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass im Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten aus den Diensten bei der Schuldnerin bzw. der Klägerin die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG nicht vorlagen. Damit sind die Ansprüche des Beklagten gem. Ziff. 3 Satz 2 der Versicherungszusage erloschen.

Allerdings vertritt der Bundesgerichtshof neuerdings die Rechtauffassung, dass für den Insolvenzfall der Versicherungsvertrag bei einem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht regelmäßig dahingehend auszulegen sei, dass der Vorbehalt, unter den das Bezugsrecht gestellt worden ist, nicht auch für den Fall einer insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gilt, so dass dem nach dem Versicherungsvertrag begünstigten Arbeitnehmer ein Aussonderungsrecht zusteht. Der Bundesgerichtshof folgert dies daraus, dass das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht dem uneingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht grundsätzlich gleichsteht und deshalb in der Insolvenz des Arbeitgebers zum Vermögen des Bezugsberechtigten gehört. Dies gelte erst recht, wenn der Zweck des Vorbehalts endgültig entfallen sei und seine Voraussetzungen auch künftig nicht mehr eintreten könnten. Der seitens des Arbeitgebers gemachte Vorbehalt vermöge dann die Rechte des Arbeitnehmers nicht mehr zu beeinträchtigen. Dem Arbeitnehmer sei daran gelegen, schon zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung sich vor künftigen negativen Entwicklungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen seines Arbeitgebers zu schützen. Dem werde durch die Vereinbarung eines dem Grunde nach unwiderruflich gestalteten Bezugsrechtes Rechnung getragen. Es werde ein sofortiger Rechtserwerb des begünstigten Arbeitnehmers bewirkt und zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitgeber den durch den Versicherungsvertrag verkörperten Wert dem Vermögen des Arbeitnehmers zukommen lassen will. Ein Vorbehalt, der einen Widerruf des Bezugsrechtes bei Insolvenz des Arbeitgebers zuließe würde, das mit dem Abschluss der Direktversicherung angestrebte Ziel einer betrieblichen Altersversorgung unterlaufen. Den Interessen des Versicherungsnehmers entspreche es, sich den Zugriff auf die Versicherungsleistung zu erhalten sollte der Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aus dem Betrieb ausscheiden oder sonst eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung veranlassen. Dagegen rechtfertigten die Interessen eines redlichen, vertragestreuen Arbeitgebers es nicht, im Falle seiner Insolvenz dem versicherten Arbeitnehmer sein Bezugsrecht allein deshalb zu entziehen um die Zugriffmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger erweitern zu können (BGH, Urteil vom 03.05.2006, DB 2006, 1488).

Dem folgt die erkennende Kammer nicht. Zum einen ist die hier streitgegenständliche Vorbehaltsklausel in ihrem Wortlaut eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich. Die Vorbehaltserklärung stellt unmissverständlich auf die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Unverfallbarkeit nach § 1 betriebliches Altersversorgungsgesetz ab. Arten eines Beendigungstatbestandes oder Angaben dazu, aus welcher Sphäre die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herrührt, enthält die Vorbehaltsregelung nicht. Die Vorbehaltsklausel ist demnach so unmissverständlich und eindeutig, dass eine Lesart, der Vorbehalt solle nicht im Falle einer insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten, nicht möglich ist (ebenso LAG Hamm, Urteil vom 15.02.2006, Aktenzeichen: 3 Sa 2064/05, zitiert nach Juris).

Aufgrund des Gesamtzusammenhanges der versicherungsvertraglichen Vorbehaltsvereinbarung verbietet sich auch eine solche Auslegung. Die in Bezug genommenen Unverfallbarkeitsbestimmungen des betrieblichen Altersversorgungsgesetzes sprechen allein die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses an; Grund oder Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spielen hierbei keine Rolle. Wenn in Kenntnis dieses Umstandes die Parteien des Versicherungsvertrages auf die Unverfallbarkeitsbestimmungen des betrieblichen Altersversorgungsgesetzes verweisen, ergibt sich hieraus auch, dass keine besondere Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder ein besonderer Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Bedeutung sein sollten. Wäre eine Einschränkung der Vorbehaltsregelung gewollt, hätte die Vereinbarung von Tatbeständen oder Fallgestaltungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die dem Versicherungsnehmer nicht das Recht vorbehalten lassen sollen, die Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, nahe gelegen.

Schließlich ist auch kein signifikanter Unterschied zwischen der (betriebsbedingten) Kündigung in der Insolvenz und sonstigen betriebsbedingten Kündigungen durch den Arbeitgeber erkennbar.

2. Der Kläger handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich, in dem er die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zur Masse herausverlangt. Mit seinem Verlangen kommt er vielmehr seinen insolvenzrechtlichen Pflichten nach, wonach er Vermögensgegenstände, an denen kein Aus- oder Absonderungsrecht besteht, der Insolvenzmasse erhalten und für die möglichst weitgehende gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzforderungen sorgen muss (BAG AP Nr. 15 und 23 zu § 1 BetrAVG Lebensversicherung).

3. Ein treuwidriges Verhalten des Klägers käme allenfalls dann in Betracht, wenn er - wie vom Beklagten behauptet - diesem zugesagt hätte, er werde die zu seinen Gunsten abgeschlossene Lebensversicherung nicht zur Masse ziehen und sich nun auf eine Anfechtung der entsprechenden Erklärung nach § 129 ff. InsO berufen würde. Hätte der Beklagte die ordentliche Kündigungsfrist abgewartet, wäre Unverfallbarkeit seiner Altersversorgung eingetreten. Es ist evident, dass die (angebliche) Äußerung des Insolvenzverwalters für den Entschluss des Beklagten, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, maßgeblich sein konnte. Dem Kläger wäre widersprüchliches, treuwidriges Verhalten vorzuwerfen, wenn er in Kenntnis der Anfechtbarkeit seiner Erklärungen dem Beklagten und dessen Kollegen Zusagen hinsichtlich ihrer Lebensversicherungsverträge machte, zu denen er, wie er als erfahrener Insolvenzverwalter wusste, nicht berechtigt war.

Für die entsprechende Zusage ist der Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger die behauptete Zusage gemacht hat:

Die Zeugin B. hat nur vage Angaben gemacht. Sie hat bestätigt, dass über Lebensversicherungen gesprochen worden sei. Da sei "ja dieser Satz drin in den Verträgen über die Unverfallbarkeit drin gestanden und damals, ganz am Anfang, habe es geheißen, nein das wird nicht zur Masse gezogen". Die Zeugin konnte nicht angeben, wem gegenüber der Kläger dies erklärt habe und auch nicht, von wem die entsprechende Frage aus der Belegschaft gekommen sei. Auch den genauen Zeitpunkt konnte sie nicht angeben. Auf weitere Frage hat sie erklärt, die Frage sei aus der Belegschaft an sie gerichtet worden und sie habe es dem Kläger weitergegeben; auch die Belegschaft sei ja auf ihn zugegangen.

Die Kammer hatte erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Zeugin. Ihre Aussage war insgesamt stockend, ohne Zusammenhang und ohne jegliche Einzelheiten. Formulierungen wie "es hat geheißen", "es ist von der Belegschaft die Frage aufgekommen" und "man ist das kurz durchgegangen" sprechen gegen eine echte Erinnerung. Durch diese unpersönlichen, den jeweiligen Urheber nicht erkennbar werden lassenden "Zitate" distanziert sich die Zeugin von ihrer eigenen Aussage, die inhaltlich ohnehin dürftig ist.

Die Zeugin K. hat angegeben, der Kläger habe Mitarbeitergespräche einberufen, anfangs erklärt, er müsse sich einen Überblick verschaffen und werde gerade auch die Sache mit der Direktversicherung prüfen, also prüfen, ob diese zur Masse kämen oder nicht. Bei der nächsten Besprechung habe er erklärt, er nehme diese Direktversicherungen nicht zur Masse. Die Mitarbeiter könnten sich darauf verlassen, wenn sie ihre Direktversicherung hätten. Für sie sei das so rüber gekommen, dass alle Versicherungen nicht zur Masse gezogen würden. Eine Unterscheidung nach widerruflichen oder unwiderruflichen Bezugsrechten bzw. Verfallbarkeit und Unverfallbarkeit sei nach ihrer Erinnerung nicht getroffen worden.

Die Aussage der Zeugin ist in sich stimmig und widerspruchsfrei. Für die Zeugin ist keine entsprechende Versicherung abgeschlossen worden, so dass ein eigenes Interesse der Zeugin am Prozessausgang nicht ersichtlich ist. Andererseits mag gerade die Tatsache, dass sie vom Thema Lebensversicherung nicht selbst betroffen war, dazu geführt haben, dass sie die Erklärungen des Klägers zu diesem Punkt nicht mit der höchsten Aufmerksamkeit verfolgt hat. Auch kann das Erinnerungsvermögen bei Vorgängen, die den Zeugen nicht selbst betreffen, vermindert sein.

Der Kläger selbst hat seine verschiedenen, von ihm einberufenen Mitarbeitergespräche ausführlich geschildert. Er hat den Beklagten als "Wortführer" der Mitarbeiter bezeichnet, die von ihm hätten wissen wollen, wie ihre Direktversicherung in der Insolvenz behandelt würde. Er habe immer gesagt, es komme darauf an, ob in der jeweiligen Versicherung das Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich ausgestaltet sei, ob die Versicherung verfallbar oder unverfallbar sei. Trotz im Betrieb vorhandener Unterlagen über die Versicherungen habe er sofort bei der G. die Informationen über die bestehenden Versicherungen angefordert, weil nach seiner Erfahrung die Unterlagen im Betrieb oft unvollständig seien. Der Kläger hat betont, dass drei verschiedene Versicherungstypen im Spiel gewesen seien, nämlich gehaltsumwandlungsfinanzierte, firmenfinanzierte Direktversicherungen sowie schlichte Versorgungszusagen, zu deren Sicherung Rückdeckungsversicherungen abgeschlossen worden seien.

Der Aussage widerspricht den Behauptungen des Beklagten und auch der Aussage der Zeugin K.. Der Kläger als Partei hat auch ein evidentes Interesse am Prozessausgang, was bei der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit zu beachten ist. Andererseits dürfte das von ihm geschilderte Vorgehen dem Normalfalle entsprechen. Es ist plausibel, dass sich der vorläufige Insolvenzverwalter zunächst einen Überblick über die Gegebenheiten im Betrieb verschafft und, angesprochen auf sein beabsichtigtes Vorgehen im Zusammenhang mit Lebensversicherungen, keine pauschalen Versprechungen macht, ohne zunächst den Vertrags- und Versicherungsstatus geprüft zu haben.

Nach der Beweisaufnahme erscheint es der Kammer daher durchaus möglich, dass der Kläger die vom Beklagten behaupteten Äußerungen getan hat. Es bleiben aber doch noch erhebliche Zweifel an der Darstellung des Beklagten. Ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, der die Kammer von der Wahrheit der Darstellung des Beklagten überzeugen würde, ist nicht gegeben.

Der Vernehmung des vom Kläger gegenbeweislich genannten Zeugen B. bedurfte es daher nicht.

Der Beklagte ist deshalb verpflichtet, die Rechte aus der Lebensversicherung zu Gunsten des Klägers freizugeben und den entsprechenden Versicherungsschein an den Kläger herauszugeben. Entsprechend wurde das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert.

II.

Da der Beklagte unterlegen ist hat er die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Aufgrund der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Vorbehaltserklärungen, wie sie der Entscheidung des Rechtsstreites zu Grunde lag, war die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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