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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.07.2001
Aktenzeichen: 8 Sa 8/01
Rechtsgebiete: ArbNErfG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ArbNErfG § 20 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
8 Sa 8/01

verkündet am 24. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 8. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Kaiser, die ehrenamtliche Richterin Dallheimer und den ehrenamtlichen Richter Krapf auf die mündliche Verhandlung vom 24.07.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.01.2001, Az. 3 Ca 5577/00, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt eine Prämie für einen Verbesserungsvorschlag.

Wegen des Parteivortrages und der Anträge erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 04.01.2001 (Bl. 141 ff. d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse, die eine Prämierung des Verbesserungsvorschlags des Klägers abgelehnt hätten, seien nur auf offenbare Unbilligkeit hin zu überprüfen; eine solche offenbare Unbilligkeit liege nicht vor. Darüber hinaus seien die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse auch in der Sache zutreffend. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Kläger am 08.01.2001 zugestellt worden. Mit seiner am 06.02.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und (nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 06.04.2001) am 05.04. ausgeführten Berufung verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter. Er meint, die Prüfungskommission habe im vorliegenden Fall nicht die Funktion einer Schiedsgutachterstelle, weshalb ihre Entscheidungen uneingeschränkt vom Gericht zu überprüfen seien. Das Verfahren vor der Prüfungskommission sei fehlerhaft durchgeführt worden, deren Entscheidungen offenbar unrichtig.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 04.01.2001 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart (Aktenzeichen 3 Ca 5577/00) die Beklagte zu verurteilen, 245.000,-- DM (brutto) nebst 4 % Zinsen seit 16.07.1999 an den Kläger zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts.

Wegen des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 05.04.2001 und die Berufungserwiderung vom 18.06.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) und auch in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte und damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg; ihm steht kein Anspruch auf Prämierung eines Verbesserungsvorschlages zu.

Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Prämienanspruch kann allein die "Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Vorschlagswesen der Mercedes Benz AG" vom 25.11.1995 in Verbindung mit der "Richtlinie zur Prämierung von Verbesserungsvorschlägen" sein (Bl. 6 ff. d.A.). Ziffer 2 dieser Betriebsvereinbarung definiert den Verbesserungsvorschlag als "eine Idee, durch die ein Ablauf oder ein bestimmter Zustand verbessert werden soll und die z.B. dazu beitragen kann - unsere Produkte, die Anlagen, die Arbeitsmittel, den Arbeitsablauf oder die Verwaltung zu vereinfachen oder zu verbessern, - die Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten, die Sicherheit zu erhöhen oder die Arbeitsbedingungen sowie den Einfluss auf die Umwelt zu verbessern".

Gemäß Absatz 3 der zitierten Vorschrift sind Vorschläge, die "im Kern den Bereich der unternehmerischen Entscheidungsfindung betreffen, wie z.B. zu Unternehmens-, Personal-, Vertriebs- und Preispolitik..." von der Prämienwürdigkeit "grundsätzlich" ausgenommen. Für solche Vorschläge, die zu einer "interessanten Neuerung" geführt haben, kann allerdings eine Prämie/Anerkennung gewährt werden. Zuständig für die Prämierung von Verbesserungsvorschlägen, die eine Prämie von über 500,-- DM erwarten lassen, ist der Prüfungsausschuss nach Ziffer 6 der Betriebsvereinbarung, dem gemäß Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung ein eigener Ermessungsspielraum zusteht.

Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses damit nur einer beschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegt. Als Grundlage für die Betriebsvereinbarung wie auch die Prämierungsrichtlinie kommt § 20 Abs. 2 ArbNErfG in Betracht; danach bleibt die Behandlung technischer Verbesserungsvorschläge, insbesondere auch solcher, die dem Arbeitgeber keine ähnliche Vorzugsstellung gewähren wie ein gewerbliches Schutzrecht, der Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung überlassen. Wenn entsprechend dieser Möglichkeit die Betriebsparteien einen Prüfungsausschuss mit der Annahme, der Ablehnung und der konkreten Prämierung von Verbesserungsvorschlägen betraut haben, so haben sie damit zulässigerweise einen Schiedsgutachtervertrag mit unmittelbarer Wirkung für den betroffenen einzelnen Arbeitnehmer geschlossen (LAG Köln, Urteil vom 14.12.1998, Az.: 3 Sa 1939/98 in JURIS). Die Entscheidungen von Schiedsgutachtern kann gerichtlich nur dann korrigiert werden, wenn diese offenbar unrichtig und/oder willkürlich ist oder in einem grob fehlerhaften Verfahren getroffen wurde (BAGE 34 S. 365). Die Auffassung des Klägers, wonach diese eingeschränkte Überprüfbarkeit nur für Ansprüche von Arbeitnehmern aus einem Tarifvertrag bzw. für Entscheidungen eines durch Tarifvertrag eingesetzten Schiedsgutachters gelten soll, überzeugt nicht. Die Zulässigkeit von paritätischen Kommissionen oder anderen betrieblichen Einrichtungen mit den Aufgaben eines Schiedsgutachters wird vom Bundesarbeitsgericht gerade damit begründet und auf solche Fälle beschränkt, in denen der Tarifvertrag einen tarifvertraglichen Anspruch nur für den Fall einräumt, dass die Schiedsgutachterstelle eine tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs bejaht. Da § 20 Abs. 2 ArbNErfG die Behandlung technischer Verbesserungsvorschläge ausdrücklich der Regelung (auch) durch Betriebsvereinbarung vorbehält ist, ist auch die Anerkennung betrieblicher paritätischer Kommissionen für den Fall zuzulassen, dass die entsprechende Betriebsvereinbarung einen Prämienanspruch überhaupt nur für den Fall einräumt, dass die paritätische Kommission eine tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs bejaht. Auch in diesem Fall tritt durch die Betriebsvereinbarung (ebenso wie durch die entsprechende tarifvertragliche Regelung) lediglich eine Besserstellung des betroffenen Arbeitnehmers ein, welcher ohne die Betriebsvereinbarung überhaupt keinen Prämienanspruch erwerben könnte.

Die Kammer ist dem Kläger auch nicht dahingehend gefolgt, dass die paritätische Kommission im vorliegenden Fall nicht mit der Feststellung von Tatsachen, sondern mit einer Rechtsfrage befasst gewesen sei, weshalb sie nicht den Charakter einer Schiedsgutachterstelle habe. Das Bundesarbeitsgericht hat in der zitierten Entscheidung der dortigen paritätischen Kommission gerade die Befugnis zugestanden, zur Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des (dort tarifvertraglichen) Anspruchs eine wertende und beurteilende Entscheidung zu treffen (III 3 der Entscheidungsgründe). Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Prüfungskommission etwa den Inhalt des Verbesserungsvorschlag des Klägers "festzustellen" hätte, sondern darauf, ob der Prüfungsausschuss auf Grund seiner besonderen Sachkunde und Kenntnis der betrieblichen Zusammenhänge feststellt, ob es sich bei dem Verbesserungsvorschlag um einen im Sinne der von den Betriebsparteien vorgegebenen Verbesserungsvorschlagsrichtlinien handelt und wie dieser Vorschlag zu prämieren ist. Eine Trennung der Tätigkeit der Prüfungskommission in die Feststellung von Tatsachen (welcher?) und deren Subsumtion unter die Betriebsvereinbarung wäre sinnlos und würde der von den Betriebsparteien vorgegebenen Rolle und Funktion des Prüfungsausschusses nicht gerecht.

Die Entscheidung der Prüfungskommission ist auch nicht offenbar unbillig oder in einem grob fehlerhaften Verfahren getroffen worden. Hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung des Klägers und des Versuchs einer gütlichen Einigung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des Arbeitsgerichts (I 2 a der Entscheidungsgründe), dem sich die Kammer uneingeschränkt anschließt, Bezug genommen.

Soweit der Kläger meint, die Entscheidungen des Prüfungsausschusses seien deshalb unbeachtlich, weil dieser fehlerhaft davon ausgegangen sei, ihm stehe kein Ermessensspielraum zu, folgt die Kammer dem nicht. Dabei kann mit dem Kläger die Formulierung in Ziffer 2 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung "... können grundsätzlich nicht nach dieser Betriebsvereinbarung honoriert werden... im Einzelfall sollen solche Vorschläge ... weitergeleitet werden. Bei Vorschlägen die zu einer interessanten Neuerung geführt haben kann eine Prämie/Anerkennung gewährt werden." dahin ausgelegt werden, dem Prüfungsausschuss stehe ein Ermessensspielraum jedenfalls insoweit zu, ob er einen (die unternehmerische Entscheidungsfindung betreffenden) Vorschlag an die zuständige Stelle weiterleitet oder nicht; fraglich ist indessen bereits, ob dem Prüfungsausschuss selbst die Möglichkeit gegeben ist, auch für solche Vorschläge eine Prämie/Anerkennung zuzusprechen oder ob dies nicht der jeweiligen "zuständigen Stelle des Unternehmens" vorbehalten ist. Selbst wenn jedoch zu Gunsten des Klägers die Betriebsvereinbarung in ersterem Sinne auszulegen wäre, ist vorliegend festzustellen, dass dem Kläger auf seinen Einspruch vom 14.01.1999 hin im Anschluss an dessen Bearbeitung im Prüfungsausschuss eine derartige "Anerkennung" zugesprochen worden ist, was ohne eine entsprechende Anregung durch den Prüfungsausschuss kaum verständlich erschiene.

Zwar ergibt sich aus der Zurückweisungsbegründung, die auf Grund des dritten Einspruchs des Klägers gefertigt wurde, dass der Prüfungsausschuss die Zahlung der Anerkennung als "außerhalb des betrieblichen Vorschlagswesens" stehend angesehen und sich damit von der entsprechenden Zahlung distanziert hat. Andererseits geht aus diesem dem Kläger zugänglich gemachten Schriftstück eindeutig hervor, dass sich der Prüfungsausschuss sehr wohl mit der Frage befasst hat, ob der Verbesserungsvorschlag des Klägers ausnahmsweise honoriert werden konnte und dies deshalb abgelehnt hat, weil der Vorschlag nicht zu einer "interessanten Neuerung" geführt habe. Unabhängig davon, ob diese Einschätzung des Prüfungsausschusses zutreffend ist oder nicht, lässt sich jedenfalls nicht sagen, dieser habe sein Ermessen bei der ausnahmsweise Prämierung eines die unternehmerische Entscheidung betreffenden Verbesserungsvorschlages nicht ausgeübt.

Schließlich sind die Entscheidungen des Prüfungsausschusses auch nicht deshalb unbeachtlich, weil diese fehlerhaft besetzt gewesen wären und daher ein schwerer Verfahrensfehler vorläge. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass dem Kläger (angeblich) die von der Beklagten namentlich benannten Prüfungsausschussmitglieder nicht bekannt sind, lässt nicht auf eine derartige fehlerhafte Besetzung schließen. Die fehlerhafte Besetzung ergibt sich auch nicht daraus, dass die vom Unternehmen zu benennenden Mitglieder nicht vom Vorstand der Beklagten berufen worden sind. Zwar sieht Ziffer 6 Abs. 1 der Betriesvereinbarung vor, als stimmberechtigte Mitglieder seien u.a. zwei von der Geschäftsleitung benannte Personen zu entsenden; Sonderregelungen könnten auf Werksebene getroffen werden. In Ziffer 2 der Erläuterungen zu dieser Vorschrift ist indessen ausdrücklich ausgeführt, dass dem Prüfungsausschuss in der Regel als ständige Mitglieder "zwei von der Werks/Centerleitung bzw. MBVD-Leitung benannte Personen" angehören. Die Erläuterungen sind Bestandteil der Betriebsvereinbarung und für deren Auslegung heranzuziehen. Ist insoweit ausdrücklich vorgesehen, dass die zwei von Unternehmensseite entsandten Mitglieder (auch) von der Werkleitung benannt werden können, so entsprechen die Ernennungen der Herren Wanner und Sprecher durch den früheren Werksleiter und einen Centerleiter genau dem, was die Betriebsvereinbarung vorgibt.

Schließlich ist die Entscheidung der Prüfungskommission auch nicht deshalb unbeachtlich, weil es im Ergebnis grob unbillig wäre, dem Kläger keine Prämie zuzubilligen, obwohl sein Vorschlag angeblich umgesetzt worden sei. Die streitgegenständliche Betriebsvereinbarung sieht nun einmal vor, dass bestimmte Verbesserungsvorschläge und gerade unabhängig von deren Annahme und Durchführung prämienfrei bleiben können. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Prüfungskommission sich nicht auf Grund der Tatsache zu einer Prämierung des Vorschlags entschlossen hat, dass die Beklagte inzwischen die Betankungsmenge tatsächlich reduziert hatte (wobei die Kausalität des Verbesserungsvorschlags des Klägers für diese Entscheidung zwischen den Parteien durchaus streitig ist).

Nach alldem kann von einer offenbaren Unrichtigkeit der Entscheidungen der Prüfungskommission nicht ausgegangen werden, diese sind vom Kläger vielmehr zu akzeptieren.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Kammer auch die weitere Einschätzung des Arbeitsgerichts teilt, wonach der Vorschlag des Klägers tatsächlich unter Abs. 3 der Ziffer 2 der Betriebsvereinbarung fällt, also im Kern "den Bereich der unternehmerischen Entscheidungsfindung" betrifft. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass in der Tat von einem einheitlichen Verbesserungsvorschlag des Inhalts auszugehen ist, die Tankzeit durch Verringerung des Kraftstoffs zu verkürzen. Letzterer Aspekt betrifft, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, die Unternehmenspolitik der Beklagten. Die Entscheidung nämlich, mit wieviel Kraftstoff ein Kfz-Hersteller seine Produkte an den Kunden ausliefert, ist eine Frage seines Geschäftsgebarens. Die vorhandene Tankfüllung wird jedem Käufer, insbesondere aber demjenigen, der wie bei der Beklagten üblich sein Auto persönlich am Werk abholt, unmittelbar nach dem Neuerwerb auffallen und kann für die Kundenzufriedenheit, jedenfalls was den ersten Eindruck angeht, durchaus maßgeblich sein. Die Beklagte weist auch zu Recht darauf hin, dass eine Änderung in diesem Bereich zu Ungunsten der Käufer dem Ansehen der Beklagten schaden kann. Entscheidungen der Beklagten, die sich unmittelbar auf ihr Außenverhältnis zu den Kunden und ihr Image als Hersteller vor allem hochpreisiger Pkw auswirken, sind als der Unternehmenspolitik zugehörig anzusehen. Dagegen geht es bei betrieblichen (prämienwürdigen) Verbesserungsvorschlägen darum, die interne Abwicklung von technischen oder sonstigen Vorgängen zu optimieren.

Nach all dem war die Berufung des Klägers mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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