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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 88/05
Rechtsgebiete: BGB, BBiG


Vorschriften:

BGB § 311
BGB § 612a
BBiG § 2 Abs. 1
BBiG § 13
BBiG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.10.2005, Aktenzeichen 6 Ca 4352/04, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung eines "Ausgleichsbetrages". Für den Parteivortrag und die Sachanträge in erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgericht vom 20.10.2005 (Bl. 94 ff. der Akte) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit der Hauptforderung und einem Teil der Zinsen unter Klagabweisung im Übrigen stattgegeben und dies im Wesentlichen damit begründet, der Anspruch folge jedenfalls aus § 311 BGB als Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss. Die Beklagte habe durch den "Vorvertrag" berechtigtes Vertrauen im Kläger erweckt, dass der Berufsbildungsvertrag nur von der im Vorvertrag genannten Voraussetzung abhängig sei. Der Kläger habe alle Voraussetzungen erfüllt. Da die Beklagte ohne triftigen Grund keinen Ausbildungsvertrag mit dem Kläger geschlossen habe, habe sie dem Kläger die Möglichkeit genommen, den Ausgleichsbetrag zu erhalten. Die Beklagte habe sich auch nicht etwa von dem abzuschließenden Ausbildungsverhältnis ohne wichtigen Grund wieder lösen können, da eine Probezeitvereinbarung im Anschluss an den Vorvertrag nicht mehr zulässig gewesen sei.

Das Urteil ist der Beklagten am 28.10.2005 zugestellt worden. Mit der am 24.11.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis 30.01.2006 verlängerten Begründungsfrist am 30.01.2006 ausgeführten Berufung rügt die Beklagte, beim Ausgleichsbetrag handle es sich um eine freiwillige Zahlung. Die Voraussetzungen für diese Zahlung seien nicht erfüllt. Sie habe nicht zugesichert, nach einem Jahr einen Ausbildungsvertrag zu schließen. Auch bestehe kein Anspruch auf Schadensersatz. Der Kläger habe im ersten Ausbildungsjahr die einjährige Berufsfachschule besucht; diese Zeit sei von ihm zu finanzieren. Danach habe er mit dem zweiten Lehrjahr begonnen; ein Schaden sei ihm nicht entstanden. Die Beklagte meint, sie sei gem. § 13 BBiG auch in einem abzuschließenden Ausbildungsvertrag berechtigt gewesen, eine Probezeit mit dem Kläger zu vereinbaren und demgemäß das Ausbildungsverhältnis ohne Grund während der Probezeit zu kündigen. Jedenfalls sei unklar, ob der Kläger die ganze Ausbildungszeit bei der Beklagten verbracht hätte. Im Übrigen habe mit der Ausgleichszahlung die Betriebstreue belohnt werden sollen, weshalb eine Zahlung auch bei Absolvierung der Ausbildung in einem anderen Ausbildungsbetrieb der Zahlungsanspruch entfalle. Die Beklagte verweist auf einen ihr zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über 2.380,69 EUR (Kopie Bl. 94 der Akte).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.10.2005, Aktenzeichen 6 Ca 4352/04, wird abgeändert, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Stuttgart vom 20.10.2005 (Aktenzeichen 6 Ca 4352/04) wird zurückgewiesen.

Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und betont, er habe sich auf eine ausgeschriebene Stelle "Kfz-Elektriker 1. Ausbildungsjahr" beworben. Die Beklagte habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass sie nicht im ersten Lehrjahr ausbilden dürfe. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass bereits mit dem Vertrag vom 01.07.2002 ein Ausbildungsvertrag zustand komme. Er meint, die Beklagte sei jedenfalls verpflichtet gewesen, mit ihm einen Ausbildungsvertrag über das 2. und 3. Lehrjahr abzuschließen. Sie habe ihm vertragswidrig diese Ausbildungszeit nicht ermöglicht. Er meint, eine Probezeit sei nicht mehr zu vereinbaren gewesen, da das Schuljahr auf die Ausbildungszeit anzurechnen sei. Auch während der Probezeit dürfe das Ausbildungsverhältnis nicht willkürlich beendet werden. Die Beklagte schulde den Ausgleichsbetrag auch dann, wenn er die Ausbildungszeit erfolgreich bei einem anderen Ausbildungsbetrieb absolviere. Schließlich halte der Formularvertrag einer Inhaltskontrolle nicht stand, da zwingende gesetzliche Regelungen, nämlich die Zahlung einer Ausbildungsvergütung umgangen würden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthafte, in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch auf den Ausgleichsbetrag gemäß der Anlage zum Vertrag vom 01.07.2002 zu.

1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass ein unmittelbarer Vergütungsanspruch nicht besteht. Die Parteien haben kein Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes begründet, was die Zahlung einer Ausbildungsvergütung obligatorisch machen würde (§ 10 Abs. 1 BBiG). Nach § 2 Abs. 1 BBiG gilt dieses Gesetz nicht für die Berufsbildung soweit sie in berufsbildenden Schulen durchgeführt wird, die den Schulgesetzen der Länder unterstehen. Wird, wie hier, die Ausbildung sowohl in der Schule wie auch im Betrieb absolviert, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. BAG DB 1980 S. 2532) darauf an, ob die praktische Ausbildung oder aber der schulische Unterricht überwiegt. Bereits nach dem zeitlichen Anteil der hier durchgeführten Ausbildung, die dadurch gekennzeichnet war, dass der Kläger monatlich ca. 4 Tage im Betrieb anwesend war, im Übrigen aber die Schule besuchte, ist evident, dass der schulische und nicht etwa der betriebspraktische Teil der Ausbildung überwog. Ein Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsbildungsgesetzes liegt daher nicht vor.

Hieraus folgt zugleich, dass dem Kläger kein Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des sogenannten faktischen Arbeitsverhältnisses zusteht. Der Kläger war während der Zeit der "Betriebstage" Schüler und nicht etwa wie ein Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten eingegliedert. Eine Vergütungspflicht für Schüler besteht nicht.

Der Anspruch folgt auch nicht unmittelbar aus der Anlage zum Vertrag vom 01.07.2002. Mit seiner Auffassung, bereits der Abschluss eines Berufsausbildungsvertrages mit einem Dritten genüge für die Entstehung des Anspruches auf den Ausgleichsbetrag, kann der Kläger nicht durchdringen. Gegen diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut des Vertrages. Wenn dort bestimmt ist, der Ausgleichsbetrag werde in gleichen Beträgen "mit der Ausbildungsvergütung" ausbezahlt, ist klargestellt, dass ohne Ausbildungsvergütung auch der Ausgleichsbetrag nicht zur Zahlung anfällt. Mangels Ausbildungsvertrag schuldete die Beklagte dem Kläger aber gerade keine Ausbildungsvergütung. Auch Sinn und Zweck des Vertrages sprechen gegen die vom Kläger gewünschte Auslegung. Die hinausgeschobene Zahlung des Ausgleichsbetrages sollte den Kläger offensichtlich an den Betrieb der Beklagten binden und ihn motivieren, das Berufsfachschuljahr abzuschließen und danach die angestrebte Ausbildung bei der Beklagten durchzuführen. Die Beklagte hatte keinen vernünftigen Grund, Zahlungen an den Kläger zu erbringen, falls dieser die Ausbildung in einem anderen Betrieb absolvierte. Das war auch dem Kläger erkennbar.

2. Dem Kläger steht aber auch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes der geltend gemachte Ausgleichsbetrag nicht zu. Ein solcher Anspruch besteht jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht:

Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte allein nach dem Wortlaut des "Vertrages zum Besuch der Berufsfachschule" nicht zum Abschluss eines Ausbildungsvertrages mit dem Kläger verpflichtet war. Andererseits hat sie durch die Vorlage dieses formularmäßigen Vertrages und ihr ursprüngliches Angebot an den Kläger, das sich auf einen Ausbildungsplatz zum Kfz-Elektriker im 1. Ausbildungsjahr bezog, im Kläger das berechtigte Vertrauen erweckt, der Ausbildungsvertrag werde jedenfalls dann abgeschlossen, wenn die maschinenschriftlich in das Formular eingetragene besondere Bedingung, nämlich der Notendurchschnitt in der Berufsfachschule von mindestens 3,0, erreicht würde. Der Kläger konnte unter diesen Umständen - unabhängig von den zwischen den Parteien streitigen mündlichen Äußerungen des Herrn G. - davon ausgehen, dass er die Stelle, auf die er sich bei der Beklagten beworben hatte, nämlich die als Auszubildender zum Kfz-Elektriker, dann erhalten würde, wenn er die einjährige Berufsfachschule im Berufsfeld Metall mit dem Schwerpunkt Kfz-Technik absolvierte und dabei einen Notendurchschnitt von mindestens 3,0 erreichte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtshof (BGH NJW 1975, 1774) haftet derjenige, der einen Vertragsschluss als sicher hinstellt, auf Schadensersatz. Ebenso ist eine Haftung angenommen worden, wenn eine Partei ohne triftigen Grund vom Vertragsschluss Abstand nimmt, auf den die andere Seite berechtigt vertraut hatte (BGHZ 71, 395). In einem solchen Fall erwirbt die enttäuschte Vertragspartei aber keinen Erfüllungsanspruch: In der Regel geht die Haftung in den Fällen des Verschuldens beim Vertragsschluss auf den Vertrauensschaden; ersetzt werden insoweit insbesondere unnütze Aufwendungen, die die zum Vertragsschluss bereite Partei in Erwartung des Vertrages gemacht hat. Der Kläger verlangt vorliegend aber so gestellt zu werden, als ob der Ausbildungsvertrag mit der Beklagten tatsächlich zustande gekommen wäre. Ihm geht es somit um das sogenannte Erfüllungsinteresse. Die Ersatzpflicht in diesem Fall ist aber beschränkt auf die nach der Entstehung des Vertrauenstatbestandes gemachten Aufwendungen (BGH NJW 1996; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 311 Rz. 30). Sie verpflichtet nicht zum Abschluss des angestrebten Vertrages und auch nicht isoliert zur einseitigen Leistung der im Synallagma stehenden Vergütung.

Allerdings kann nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluss ausnahmsweise das Interesse des Geschädigten an der Erfüllung eines nicht zustande gekommenen Vertrages zu ersetzen sein, wenn im Einzelfall feststeht, dass die Vertragspartner ohne das schuldhafte Verhalten statt des abgeschlossenen Vertrages einen anderen für den Geschädigten günstigeren Vertrag abgeschlossen hätten (BGH NJW 1998, 2900). Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen ohne das schuldhafte Verhalten ein Vertrag zu den vom Geschädigten angestrebten Bedingungen mit einem Dritten zustande gekommen wäre (BGH NJW 1988, 2234). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat noch nicht einmal vorgetragen, sich zum damaligen Zeitpunkt bei einem anderen Ausbildungsbetrieb für die Ausbildung zum Kfz-Elektriker beworben zu haben. Dementsprechend hat er auch nicht behauptet, ein konkretes anderes Angebot für die gewünschte Ausbildung gehabt zu haben, und dieses zugunsten des Vertrages mit der Beklagten ausgeschlagen zu haben. Schließlich stehen auch die Konditionen eines solchen - fiktiven - Alternativvertrages nicht fest, weshalb der auf Ersatz des Erfüllungsschadens gerichtete Anspruch des Klägers scheitern muss.

Darüber hinaus kann sich die Beklagte auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen, das einen etwaigen Schadensersatzanspruch ebenfalls entfallen ließe. Die Beklagte hätte nämlich das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger ohne weiteres innerhalb der Probezeit kündigen können. Es ist unzutreffend, dass im vorliegenden Fall keine Probezeitvereinbarung mehr zulässig gewesen wäre. Vielmehr beginnt im Interesse beider Vertragsparteien gem. § 13 BBiG jedes Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit. Hat der Auszubildende vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses aufgrund eines Vorvertrages während des Besuchs der Berufsfachschule im zukünftigen Ausbildungsbetrieb als Praktikant gearbeitet, fängt die Probezeit erst bei Beginn der sich daran anschließenden betrieblichen Ausbildung an (Leinemann/Taubert, Berufsbildungsgesetz, § 13 Rz. 8 unter Berufung auf LAG Baden-Württemberg vom 25.08.1976, EZB § 13 BBiG Nr. 11). Demgemäß wäre im vorliegenden Fall die Vereinbarung einer Probezeit nicht nur möglich, sondern sogar obligatorisch gewesen.

Während der Probezeit kann das Berufsbildungsverhältnis gem. § 15 BBiG jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Nach der Intention des Gesetzgebers sollen sowohl Auszubildender als auch Ausbildender in dieser Zeit die Eignung des Auszubildenden für die zu erlernende berufliche Tätigkeit prüfen. Die Kündigung während der Probezeit bedarf keiner Begründung; sie kann auf Gründe gestützt werden, die mit der Berufsausbildung nicht einmal zusammenhängen. Die Kündigung unterliegt lediglich den Schranken der Treuwidrigkeit bzw. Sittenwidrigkeit sowie dem Maßregelungsverbot nach § 612a BGB.

Im vorliegenden Fall könnte der Einwand der Treuwidrigkeit zum Tragen kommen, wenn die Beklagte gerade deshalb in der Probezeit kündigen würde, um den dem Kläger in Aussicht gestellten Ausgleichsbetrag nicht zahlen zu müssen. Die Beklagte hat allerdings bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass wiederholte Verspätungen des Klägers beim Schulunterricht sowie Probleme mit den Monteuren im Betrieb Grund für den Entschluss der Beklagten waren, keine Ausbildungsvertrag mit dem Kläger abzuschließen. Der Kläger hat die Fehlzeiten als solche nicht bestritten, die letzten beiden aber als "verkehrsbedingt" erklärt. Auch der Wechsel des ursprünglichen Monteurteams auf Betreiben der dortigen Monteure wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt, wenn er auch die gute Integration in das 2. Team betont. Damit steht zugleich fest, dass das Motiv der Beklagten für ihre Weigerung, ein Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger einzugehen bzw. ihr mögliches Motiv für eine Probezeitkündigung im Verhalten des Klägers zu sehen ist und nicht etwa im Bestreben, den Ausgleichsbetrag einzusparen. Soweit der Kläger darauf hinweist, das monierte Fehlverhalten liege außerhalb der Probezeit, ist das unerheblich, weil wie oben ausgeführt die Kündigung nicht auf Gründe gestützt werden muss, die mit der eigentlichen Berufsausbildung zusammenhängen. Darüber hinaus besteht zwischen den Parteien weiter Streit, ob die letzten beiden Verspätungen des Klägers entschuldigt waren oder nicht. Eine Kündigung, die auf in der Vergangenheit liegendes mehrmaliges Fehlverhalten sowie auf Unverträglichkeiten des Klägers mit Arbeitskollegen gestützt wird, kann jedenfalls nicht als treuwidrig oder sittenwidrig angesehen werden.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des Ausgleichsbetrages besteht nach alldem nicht. Das arbeitsgerichtliche Urteil war deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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