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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 8 TaBV 2/01
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 2
BetrVG § 2 Abs. 2
BetrVG § 76 Abs. 2 Satz 1
ArbGG § 87
ArbGG § 92 a
ZPO § 256 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
8 TaBV 2/01

verkündet am 04. September 2001

In dem Beschlussverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 8. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Kaiser, den ehrenamtlichen Richter Göbel und die ehrenamtliche Richterin Laschet auf die mündliche Verhandlung vom 04.09.2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.03.2001 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch darüber, ob Herr C., ein Vertreter der IG Bau Frankfurt, als Beisitzer der Einigungsstelle "Regelung der Arbeitszeit" ausgeschlossen ist.

Wegen des erstinsanzlichen Vortrags der Beteiligten und der dort gestellten Anträge wird auf den Beschluss des Arbeitsgericht vom 29.03.2001 (Bl. 57 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit diesem Beschluss, der den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (Arbeitgeber) am 20.04.2001 zugestellt wurde, hat das Arbeitsgericht die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle "Regelung der Arbeitszeit" auf zwei für jede Seite festgelegt, den weitergehenden Antrag des Antragstellers (Betriebsrats) sowie den Widerantrag des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Wegen der Begründung wird ebenfalls auf diesen Beschluss Bezug genommen.

Mit der Beschwerde verfolgt der Arbeitgeber seinen Widerantrag weiter. Er meint, ein Rechtsschutzinteresse für den Widerantrag sei gegeben, da der Betriebsrat bereits am 05.02.2001 mitgeteilt habe, es sei beschlossen, dass Herr C. als außerbetrieblicher Beisitzer tätig werde. Der Arbeitgeber könne auch den Ausschluss Herrn C.s aus den Verhandlungen der Einigungsstelle verlangen. Seine Entsendung in die Einigungsstelle verletze das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und das weitere Gebot, dass Zielrichtung der Zusammenarbeit das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes sein müsse (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Auch wenn Ausschlussgründe für Einigungsstellenbeisitzer nicht gesetzlich geregelt seien, folge aus § 2 BetrVG doch, dass diese abgelehnt werden könnten. Der Arbeitgeber meint, eine Ablehnung wegen Befangenheit sei als elementares rechtsstaatliches Prinzip auch im Einigungsstellenverfahren und dort auch für die Beisitzer unverzichtbar. Der ihnen im Interesse der Streitschlichtung gewährte Freiraum sei nicht unbeschränkt. Der Arbeitgeber befürchte, dass die Auseinandersetzung der Betriebsparteien um die Äußerungen von Herrn C. gegenüber dem Vorstand des Arbeitgebers in den Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung Einfluss auf die Unabhängigkeit Herrn C.s hätten. Seine Teilnahme an der Einigungsstelle führe deshalb zur Verletzung eines Verfahrensgrundsatzes und damit zur Unwirksamkeit eines etwaigen Einigungsstellenspruchs.

Der Arbeitgeber beantragt,

auf die Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.03.2001 abgeändert und festgestellt, dass Herr V. C. als Beisitzender der Einigungsstelle ausgeschlossen ist.

Sowie hilfsweise

der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.03.2001 wird abgeändert und festgestellt, dass Herr V. C. als Beisitzender der Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit ausgeschlossen ist.

Der Betriebsrat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts und meint, dem Arbeitgeber stehe tatsächlich kein Rechtsschutzinteresse für seinen Antrag zur Seite. Das Verhalten Herrn C.s vor, also außerhalb der Einigungsstelle sei unbeachtlich für die Frage seiner Eignung als Beisitzender in der Einigungsstelle. Der Betriebsrats sei frei in der Benennung der Beisitzer für seine Seite; bei ggf. auftretenden groben Pflichtverletzungen komme unter Umständen eine Abberufung des jeweiligen Beisitzers in Betracht. Ein gerichtliches Amtsenthebungsverfahren sei vom Gesetz nicht vorgesehen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit die Auseinandersetzung zwischen Herrn C. und dem Vorstandsmitglied, die allein persönliche Befindlichkeiten des Vorstandsmitglieds betreffe, die Unabhängigkeit Herrn C.s in der Einigungsstelle beeinträchtigen solle.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die Beschwerdebegründung vom 16.05.2001 (Bl. 9 ff. d.A.) und die Beschwerdeerwiderung vom 13.06.2001 (Bl. 31 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 87 ArbGG statthafte und auch in gehöriger Form und Frist eingelegte und begründete Beschwerde des Arbeitgebers hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Widerantrag ist zwar zulässig. An Beteiligten und Antragsbefugnis bestehen keine Bedenken. Der Hauptantrag ist auch bestimmt genug. Zwar bezeichnet er die Einigungsstelle, an deren Teilnahme Herr C. ausgeschlossen werden soll, nicht näher. Die Auslegung bereits des Schriftsatzes des Arbeitgebers vom 22.03.2001 wie auch der weiteren Schriftsätze und Erklärungen ergibt aber zweifelsfrei, dass es gerade um die Einigungsstelle "Regelung der Arbeitszeit" geht. Das ergibt sich insbesondere aus dem Sachverhalt, der zum Ausschluss des Herrn C. führen soll und der sich gerade bei den Verhandlungen über eine neue Arbeitszeitregelung zugetragen hat und aus der vom Arbeitgeber selbst vorgelegten Betriebsratsmitteilung vom 05.02.2001 (Bl. 26 d.A.), in der unter dem Betreff "Bildung einer Einigungsstelle in der Angelegenheit BV Regelung der Arbeitszeit nach dem Entwurf vom 07.08.2000" angekündigt wird, als außerbetrieblicher Beisitzer auf Betriebsratsseite werde Herr V. C. tätig werden. Damit lässt sich eindeutig ermitteln, dass der Feststellungsantrag auf eine Tätigkeit (bzw. einen Ausschluss) des Herrn C. in der Einigungsstelle "Regelung der Arbeitszeit" gerichtet ist.

Entgegen der Rechtsansicht des Arbeitsgerichts steht dem Arbeitgeber auch ein Feststellungsinteresse an der Frage des Ausschlusses des Herrn C. zu. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses möglich. Unter einem Rechtsverhältnis ist die aus einem konkreten Lebenssachverhalt entstandene rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder Gegenständen zu verstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG, Urteil vom 10.05.1989, 4 AZR 80/89, BAGE 62, 44). Eine solche Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. § 256 Abs. 1 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren entsprechend anzuwenden. Die Befugnis des Betriebsrats zur Benennung von Einigungsstellenbeisitzern kann nach Auffassung der Kammer als ein solches Rechtsverhältnis angesehen werden. Nachdem der Betriebsrat in der oben zitierten Mitteilung auch angekündigt hat, Herr C. werde als außerbetrieblicher Beisitzer auf Betriebsratsseite tätig werden, besteht auch ein aktuelles Interesse des Arbeitgebers an der Klärung der im Antrag beschriebenen Frage. Denn im Falle des Zustandekommens eines Einigungsstellenspruchs unter Teilnahme des Herrn C. käme dessen gerichtliche Anfechtbarkeit in Betracht, falls Herr C. tatsächlich ausgeschlossen wäre. Die Kammer folgt dem Arbeitgeber dahin, dass er nicht erst die Durchführung des kostenspieligen Einigungsstellenverfahrens abwarten muss, bis ihm die Möglichkeit zur Klärung der Frage des Ausschlusses des Herrn C. eröffnet ist.

Der Antrag ist aber nicht begründet. Herr C. ist nicht als Beisitzer der Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit ausgeschlossen. Mit dem Betriebsrat ist davon auszugehen, dass das Betriebsverfassungsgesetz hinsichtlich der Einigungsstellenbeisitzer bewusst und nicht etwa versehentlich keine besonderen Voraussetzungen aufgestellt hat und ebenso bewusst die Auswahl der Beisitzer jeweils allein dem Arbeitgeber und Betriebsrat überlassen hat. Keine Partei kann die von der anderen Seite benannten Beisitzer ablehnen; die Befangenheit der Beisitzer als Interessenvertreter der sie bestellenden Partei ist vom Gesetz eingeplant (herrschende Meinung, vgl. z.B. Kraft-Kreutz, Betriebsverfassungsgesetz § 76 Rz. 41 mit Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen). Ihre Funktion ist gerade die vom Vertrauen der sie bestellenden Betriebsparteien getragene Interessenvertretung. Dass dies sogar dann gilt, wenn vom Ergebnis des Einigungsstellenverfahrens persönliche Interessen eines Beisitzers berührt werden (der typische Fall der Befangenheit in gerichtlichen Verfahren) wird daraus ersichtlich, dass andernfalls der Arbeitgeber selbst als Beisitzer kaum jemals tätig werden könnte, da seine wirtschaftlichen Interessen vom Einigungsstellenverfahren regelmäßig berührt sein dürften. Daraus folgt aber zugleich, dass sich eine analoge Anwendung der Vorschriften zum schiedsgerichtlichen Verfahren (§§ 1032 ff. ZPO) für die Einigungsstellenbeisitzer verbietet. Eine Befangenheitsprüfung findet vielmehr lediglich beim Vorsitzenden der Einigungsstelle statt, dessen Unparteilichkeit § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorschreibt, nicht aber bei den Beisitzern.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Entsendung des Herrn C. (angeblich) gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 2 BetrVG verstößt. Ein solcher Verstoß würde weder den Betriebsratsbeschluss, der die Entsendung des Herrn C. in die Einigungsstelle regelt, unwirksam machen, noch die vom Arbeitgeber gewünschte Rechtsfolge, nämlich den Ausschluss des Herrn C. aus der Einigungsstelle, bewirken. Wie oben ausgeführt sind die Betriebsparteien in der Auswahl der von ihnen zu benennenden Beisitzer frei; sie sind hierdurch insbesondere auch nicht durch die Generalklauseln des Betriebsverfassungsgesetzes gebunden. Der Betriebsratsbeschluss vom 05.02.2001 ist daher nicht zu beanstanden.

Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag nur dadurch, dass die Einigungsstelle, an deren Teilnahme Herr C. gehindert werden soll, mit ihrem Thema konkretisiert wird, im Übrigen gilt für die Zulässigkeit und Begründet dieses Antrags das oben Ausgeführte.

Die Beschwerde des Arbeitgebers ist daher zurückgewiesen worden.

Ende der Entscheidung

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