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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 12.03.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 2042/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 296
1) Die Einräumung einer Erklärungsfrist mit nachfolgendem Beratungs- und Verkündungstermin ist keine Verzögerung im Sinne des § 296 ZPO.

2) Auch einen verspäteten Vortrag hat das Gericht zur Kenntnis zu nehmen und auf Erheblichkeit zu prüfen.

3) Bei verspätetem aber erheblichem Vortrag hat das Gericht den Prozessgegner ggf. auf eine mögliche Erklärungsfrist hinzuweisen.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

10 Sa 2042/06

Verkündet am 12.03.2007

In Sachen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herr L. und Herr Sch.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.06.2006 - 47 Ca 7139/06 - wird auf ihre Kosten verworfen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 28. März 2006.

Der Kläger ist 49 Jahre alt (..... 1958), geschieden und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit dem 15. Juli 2001 bei der Beklagten als Netzwerkadministrator beschäftigt. Er war nach § 2 des Arbeitsvertrages verpflichtet, auch andere ihm zumutbare Arbeiten im Bedarfsfalle zu übernehmen, soweit dieses betriebsnotwendig war. Die Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt durchschnittlich 2.555,67 EUR.

Die Beklagte ist die Tochtergesellschaft der S. Kliniken Berlin-Brandenburg GmbH. Der Geschäftszweck der Beklagten besteht in der Betreuung der EDV- und Kommunikationstechnik in deren Kliniken sowie deren Krankenhausarchiv an den Standorten Berlin, Sommerfeld, Gransee und Templin für bis zu 960 PC-Arbeitsplätze. Hierzu beschäftigte sie zwischen 15 und 20 Arbeitnehmer.

Im März 2006 bestand die Beklagte aus den Sachgebieten

- Leitung,

- Administration und Beschaffung,

- Klinische Anwendungen,

- SAP-Anwendungen,

- Server- und Speichertechnik,

- Netz-/Intra-/Internet-/Sicherheitstechnik,

- Arbeitsplatzausstattungen und Standardanwendungen

- Telefonie.

Mit Schreiben vom 15. März 2006 (Bl. 36-37 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Mit einem weiteren Schreiben vom 15. März 2006 (Bl. 55-56 d.A.) übersandte die Beklagte dem Betriebsrat ein abstraktes Punkteschema vom 24. Februar 2006 zur sozialen Auswahl. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten Kündigung ausführlich mit Schreiben vom 20. März 2006 (Bl. 12-15 d.A.) und bezog sich dabei auf eine nach seiner Ansicht fehlerhafte bzw. nicht mitbestimmte Auswahlrichtlinie, meinte, dass der Arbeitgeber die beiden Unterhaltspflichten des Klägers nicht erwähnt habe und ein anderer freier Arbeitsplatz "Administration SAP-Basis, Datenbanken, Linux" im Januar ausgeschrieben, aber nicht besetzt worden sei.

Mit Schreiben vom 28. März 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2006 (Bl. 10 d.A.). Der Kläger hat die soziale Rechtfertigung der Kündigung bestritten und die Sozialauswahl sowie die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bestritten.

Nach einer ausführlichen Auflage in der Güteverhandlung am 5. Mai 2006 hat die Beklagte die Kündigung mit Schriftsatz vom 29. Mai 2006 (Bl. 32-37 d.A.) begründet.

Auf die Erwiderung des Klägers (Bl. 47-56 d.A.) hat die Beklagte unter dem 22. Juni 2006 (Bl. 65-72 d.A.) und 26. Juni 2006 (Bl. 73-74 d.A.) weiter vorgetragen. Unter dem 26. Juni 2006 hat der Kläger vorsorglich um die Gewährung einer Einlassungsfrist auf den Schriftsatz vom 22. Juni 2006 gebeten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 27. Juni 2006 stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erachtet. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die außerhalb der gesetzten Ausschlussfrist eingegangenen Schriftsätze vom 22. Juni 2006 und 26. Juni 2006 nicht mehr zu berücksichtigen seien. Es stünde bei deren Berücksichtigung eine erheblich verzögerte Erledigung des Rechtsstreits zu befürchten, Entschuldigungsgründe für die Verspätung seien nicht vorgetragen. Der Schriftsatz vom 29. Mai 2006 begründe die Kündigung nicht ausreichend. Weder sei die der Kündigung zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung dargelegt worden noch sei nachvollziehbar, weshalb zukünftig nur noch drei Arbeitnehmer insbesondere auch im Hinblick auf Urlaubs- oder Krankheitszeiten benötigt würden und nicht 2, 4 oder 5. Eine Überprüfung der Sozialauswahl könne dann dahinstehen.

Die Betriebsratsanhörung sei fehlerhaft erfolgt, weil es an jeglichen Angaben zur Sozialauswahl bei der Anhörung des Betriebsrates gefehlt habe. Dass die Daten umfassend bekannt gewesen seien, sei nicht ersichtlich oder vorgetragen.

Gegen dieses der Beklagten am 24. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. November 2006 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 24. Januar 2007 begründete Berufung.

Die Beklagte habe mit dem Schriftsatz vom 29. Mai 2006, spätestens aber mit dem Schriftsatz vom 22. Juni 2006 hinreichend dargelegt, worin die unternehmerische Entscheidung bestanden habe, welche Auswirkungen sie gehabt habe und inwieweit dieses zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt habe. Im Übrigen sei die Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten nicht korrekt.

Es lägen betriebsbedingte Gründe vor, die die Kündigung rechtfertigen würden. Seit September 2004 habe die Geschäftsführung der Beklagte mit der Geschäftsführung der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem Paritätischen Unternehmensverbund den technisch-organisatorischen Auftrag und den personalwirtschaftlichen Auftrag besprochen und vereinbart. Auf der Grundlage eines Personalentwicklungskonzeptes, welches der Geschäftsführer der Beklagten der Hauptgeschäftsführung habe vorlegen müssen, sei im Januar 2005 eine Entscheidung zu den Konsolidierungsmaßnahmen getroffen worden. Diese seien in den Personaleffekten bis Ende des ersten Quartals 2005 konkretisiert worden.

Dieser Auftrag sei auch der Erstellung der Wirtschaftspläne für die Jahre 2005 und 2006 zugrunde gelegt worden. Im Rahmen der Erstellung des Wirtschaftsplans 2005 habe es die entsprechende Abstimmung hinsichtlich der dargestellten Maßnahme zwischen dem Hauptgeschäftsführer der Muttergesellschaft der Beklagten Herrn R. St. mit dem S.-Regionalbevollmächtigten Herrn M. gegeben.

Ziel der Maßnahme sei die Effektivierung der IT-Servicearbeit gewesen. Entsprechend seien die durch die Hauptgeschäftsführung freigegebenen IT-Projekte mit diesem Ziel budgetiert, aufgelegt und seit 2005 betrieben worden. Damit habe auch ein effizienterer Basis-Support erreicht werden sollen. Der Basis-Support umfasst die Installation, Konfiguration und Betreuung von IT-Arbeitsplätzen an allen Standorten des Unternehmens.

Im Einzelnen habe es sich um folgende sechs Maßnahmen gehandelt, wobei diese durch zahlreiche auch ungeplante IT-Projekte erst verzögert im Frühjahr 2006 fertig gestellt worden seien:

1. Einführung und Roll-Out der online-Inventarisierung 2005 in allen lokalen Netzen aller Standorte incl. der Brandenburger Krankenhäuser.

2. Allgemeine Verteilung einer einheitlichen Fernwartungssoftware an allen Arbeitsplätzen und allen Servern aller Standorte bis Frühjahr 2006

3. Reorganisation aller lokalen Netze im Adressmanagement bis Frühjahr 2006 (außer Krankenhaus L.) als Voraussetzung für ein zentral durchführbares softwaregestütztes Monitoring und Management über alle lokalen Netze von Berlin aus.

4. Ablösung der speziellen Netzwerktechnik (FDDI-Ring) in Sommerfeld mit einem leichter zu pflegenden und zu wartenden konventionellen Ethernet zu Beginn des Jahres 2006.

5. Standardisierung der Installation und Konfiguration der Arbeitsplatzrechner an allen Standorten (Betriebssystem incl. Netzkonfiguration, Anwendungssoftware, Druckermanagement) im 2. Halbjahr 2005.

6. Beschaffung von Reservegeräten incl. deren Vorinstallation für die Brandenburger Standorte 2005. Damit würden aufwändige Vor-Ort-Arbeiten an den Arbeitsplätzen entfallen.

Daraus ergebe sich folgendes:

1. Im Jahre 2006 (Schriftsatz vom 29. Mai 2006) oder im Jahre 2007 (Schriftsatz vom 24. Januar 2007) werde im Gegensatz zum Vorjahr "die SAP-Software" als Hauptanwendung für betriebswirtschaftlich und medizinisch-klinische Bedürfnisse eingesetzt.

2. Ein User-Help-Desk, welcher Leistungsstatistiken, ausgearbeitete differenzierte Service-Level und deren fortlaufende Kontrolle unterstütze, sei eingeführt.

3. Die lokalen Netzwerke an den jeweiligen Standorten seien reorganisiert und vereinheitlicht worden, so dass alle Arbeitsplatzrechner und Server per Fernwartung und Zugriff erreichbar seien. Umfangreiche Vor-Ort-Arbeiten würden zukünftig entfallen.

4. Die PC-Arbeitsplätze seien an allen Standorten strikt standardisiert.

5. Die Software-Installation und Konfiguration sei zum Teil schon automatisiert.

6. An jedem Standort seien einsatzbereite vorkonfigurierte Geräte vorhanden, so dass ein Ausfall von Arbeitsplatzrechnern und Druckern ohne nennenswerte IT-Arbeiten vor Ort bewältigt werden könnten.

7. Noch im Jahre 2005 (Schriftsatz vom 29. Mai 2006) oder im Jahre 2006 (Schriftsatz vom 24. Januar 2007) sei es erforderlich gewesen, dass sowohl bei planmäßigen Aufgaben wie bei unplanmäßigen Störungen jeweils Mitarbeiter des Basis-Supports vor Ort hätten tätig werden müssen. Dieses sei nun entfallen. Der Bereitschaftsdienst der Beklagten in Berlin übernehme die Betreuung aller Standorte per Telefon und per Online-Support. Für besondere Bedürfnisse und Plantermine an den Brandenburger Standorten würden während der Regelarbeitszeit Mitarbeiter aus Berlin per Dienstwagen eingesetzt. Soweit doch einmal in einem Krisenfall eine Vor-Ort-Arbeit erforderlich sei, sei eine Hintergrundbereitschaft der verbleibenden Berliner Mitarbeiter organisiert.

Auch die Sozialauswahl sei korrekt erfolgt. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Kündigung 19 Mitarbeiter beschäftigt. Davon seien 6 dem Basis-Support zuzuordnen. Es handele sich um den Kläger, Herrn L. (Experte für Server, Datenbank und Betriebssystem des alten Krankenhausinformationssystems BOSS, welches noch 2-3 Jahre benötigt werde), Herrn H. (3 Jahre älter als der Kläger; 4 Jahre länger beschäftigt), Herrn K. (gekündigt), Herrn G. (Betriebsrat), Frau F. (Eigenkündigung)

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Mitglieder des Betriebsrates seien erkennbar in den täglichen Betrieb der Beklagten einbezogen. Auch die Stellungnahme des Betriebsrates mit seinen unternehmerischen Gegenvorschlägen zeige, dass er mehr als detailliert informiert gewesen sei.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger entgegnet, dass die Zurückweisung des verspäteten Vorbringens korrekt gewesen sei.

Auch die Betriebsratsanhörung sei unzureichend gewesen, wie das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die fehlenden Sozialdaten korrekt ausgeführt habe. Auch habe die Beklagte nicht die zwei Kinder des Klägers erwähnt. Auch ansonsten sei sie unzureichend gewesen. Sie habe keinerlei nachprüfbare Angaben zur Kausalität zwischen den behaupteten Maßnahmen und dem vorgesehen Stellenabbau beinhaltet. Es sei nach wie vor unklar wie mehr als 1.000 PC-Arbeitsplätze an den vier Standorten dauerhaft von lediglich drei Mitarbeitern betreut werden sollen. Sie sei auch jedenfalls hinsichtlich der behaupteten Einführung des User-Help-Desk falsch gewesen, weil dieser, wie die Beklagte selbst erstinstanzlich eingeräumt habe, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht eingeführt gewesen sei. Auch die angeblich strikte Standardisierung der PCs sei nicht gegeben.

Die unternehmerische Entscheidung bleibe weiter im Dunkeln. Es fehle nach wie vor die Darlegung, wann wer zu welchem Zeitpunkt welche konkrete unternehmerische Entscheidung getroffen habe, deren Umsetzung zum Wegfall von drei Arbeitsplätzen im Basis-Support geführt haben solle.

Die dazu herangezogenen vermeintlichen Konsolidierungs- und Sanierungsmaßnahmen seien zeitlich dem Ausspruch der Kündigung nicht zuzuordnen. Teilweise seien diese weit vorher durchgeführt worden, teilweise im April 2006 noch nicht abgeschlossen. Das SAP-System sei bereits zum 1. Januar 2005 eingesetzt worden. Dieses habe im April 2006 nichts mit dem Beschäftigungsbedarf im Basis-Support zu tun.

Am Standort Sommerfeld seien z.B. weitere 24 Anwendungen im Einsatz, was gegen die "strikte Standardisierung" spreche. Die Ersatzgeräte enthielten nur eine Basiskonfiguration.

Die Server und PCs sowie die Netzwerkkomponenten stünden nicht permanent zur Fernwartung zur Verfügung.

Einige Software-Updates seien niemals automatisiert durchgeführt worden. Auch automatische Updates benötigten erhebliche Personalressourcen. Die Software-Rollouts seien bisher immer vom Personal aus anderen Sachgebieten unterstützt worden.

Die geänderte Netzwerktechnik in Sommerfeld führe nicht zu einem geringeren Beschäftigungsbedarf.

Die Sozialdaten, die im Laufe des Verfahrens teilweise mitgeteilt worden seien, seien in der Berufungsbegründung bezüglich Herrn H. falsch wiedergegeben. Die Beklagte habe selbst schon erstinstanzlich eingeräumt, dass dieser eine Betriebszugehörigkeit seit dem 17. Juli 2000 besitze. Dass er zwei unterhaltsberechtigte Kinder habe, werde mit Nichtwissen bestritten.

Der Kreis der Sozialauswahl sei zu eng gezogen. Der Kläger sei als Netzwerkadministrator eingestellt und sei in der Lage, in den Sachgebieten Klinische Anwendungen, SAP-Anwendungen, Server- und Speichertechnik, und Netz-/Intra-/Internet-/Sicherheitstechnik die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Er sei in Sommerfeld zusätzlich zum Basis-Support als Netzwerktechniker eingesetzt gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird gemäß §§ 64 Abs.6 ArbGG, 313 Abs.2 ZPO auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 24. Januar 2007 und den Schriftsatz der Beklagten vom 9. März 2007 sowie der Berufungsbeantwortung vom 28. Februar 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt worden.

Sie ist allerdings gemäß § 64 Abs.6 ArbGG, 520 Abs.3 Satz 2 ZPO wegen unzureichender Begründung unzulässig.

1.

Der Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass die erste Begründung des Arbeitsgerichts die angefochtene Entscheidung nicht trägt. Das Arbeitsgericht hätte den Vortrag der Beklagten in dem Schriftsatz vom 22. Juni 2006 nicht als verspätet zurückweisen dürfen.

1.1

Wie das Arbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, war der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 29. Mai 2006 nicht geeignet, die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu begründen. Der Schriftsatz der Beklagten vom 22. Juni 2006 (und erst recht der vom 26. Juni 2006) kam auch so spät, dass eine rechtzeitige Erwiderung des Klägers vor dem Kammertermin am 27. Juni 2006 nicht mehr möglich war. Darauf hatte der Kläger bereits im Schriftsatz vom 26. Juni 2006 hingewiesen und um eine Erklärungsfrist zu diesem Schriftsatz gebeten.

Die Kündigungsbegründung ist nicht innerhalb der nach § 56 Abs.1, § 61a Abs.3 ArbGG in der Güteverhandlung gesetzten richterlichen Frist eingegangen. Die Versäumung dieser Frist kann nach § 56 Abs.2, 61a Abs.5 ArbGG zum Ausschluss verspätet vorgebrachten Tatsachenvorbringens führen. Das Arbeitsgericht hat deshalb zu Recht die Voraussetzungen einer Präklusion nach § 296 Abs. 1 ZPO geprüft. Nach dieser Vorschrift sind Angriffsmittel, die erst nach Ablauf einer gesetzten Frist vorgebracht werden, zuzulassen, wenn nach der Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert, oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Zutreffend hat das Arbeitsgericht eine genügende Entschuldigung der Beklagten für die verspätet eingegangene Kündigungsbegründung verneint. Der Hinweis der Beklagten, dass es nicht der gängigen Praxis entspreche, bereits zum ersten Kammertermin beim Arbeitsgericht Zeugen zu laden, so dass bei Relevanz des Vorbringens ohnehin ein weiterer Termin hätte stattfinden müssen, findet im Gesetz keine Stütze. Ganz im Gegenteil ergibt sich aus § 56 Abs.1 Satz 1 ArbGG, dass die gesetzliche Regel ein einziger Kammertermin ist. Im Lichte der besonderen Beschleunigungsvorschrift des § 61a ArbGG gilt dieses bei Kündigungsschutzstreitigkeiten ganz besonders. Insofern kann keine Partei und kein Prozessbevollmächtigter darauf vertrauen, dass im ersten Kammertermin ohnehin noch keine Beweisaufnahme durchgeführt worden wäre.

1.2

Es fehlt in der angefochtenen Entscheidung indes an einer ausreichenden Begründung dafür, warum eine Berücksichtigung der Schriftsätze der Beklagten vom 22. und 26. Juni 2006 die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Solange nicht feststeht, ob verspäteter Tatsachenvortrag einerseits erheblich und andererseits streitig und beweisbedürftig ist, scheidet die Anwendung von § 296 Abs. 1 ZPO nach allgemeiner Meinung aus (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1985 - VIII ZR 95/84).

1.2.1

Zunächst hat das Gericht auch verspäteten Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen. Handelt es sich danach nicht um ein erhebliches Vorbringen, das beispielsweise eine Kündigung begründen könnte, kann das Arbeitsgericht auch unter Berücksichtigung dieses Vortrags entscheiden. Denn auf ein Bestreiten des Gegners kommt es in diesem Fall nicht an.

Ob das Arbeitsgericht den Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 22. und 26. Juni 2006 als erheblich angesehen hat, ist den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Die Berufungskammer hatte jedenfalls erhebliche Zweifel, ob dieser Vortrag ausreichend gewesen wäre, die Kündigung zu begründen. Auch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte zunächst nur ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und erneut kurzfristig 3 Tage vor der Berufungsverhandlung diesen Vortrag ergänzt. Erst die mündlichen Erläuterungen des Geschäftsführers der Beklagten in der Berufungsverhandlung vermochten das Gericht zumindest ansatzweise in die Lage zu versetzen, die unternehmerische Entscheidung der Beklagten sowie deren Auswirkungen auf den Arbeitsanfall der Beklagten zu erkennen. Zuvor mangelte es dem Beklagtenvortrag an einer Darlegung der unternehmerischen Entscheidung, der Darstellung des konkreten Arbeitskräftebedarfs vor der unternehmerischen Entscheidung und der konkreten Prognose des Arbeitskräftebedarfs nach Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung.

1.2.2

Handelt es sich bei dem verspäteten Vorbringen um erheblichen Sachvortrag, erlaubt erst eine konkrete Erwiderung des Gegners die Prüfung, ob dieser verspätete Vortrag verzögert und deshalb zurückzuweisen ist. Bloßes pauschales Bestreiten des gesamten gegnerischen Vorbringens ist nach § 138 Abs. 2 ZPO grundsätzlich unbeachtlich. Wenn sich die von dem neuen Vorbringen überraschte Partei nicht sogleich substantiiert erklären kann, hat sie die Möglichkeit wie hier geschehen, die Bewilligung einer Erwiderungsfrist zu beantragen (§ 283 ZPO); andernfalls riskiert sie, dass der verspätete Vortrag der Gegenseite als zugestanden behandelt wird. Im Streitfall war der Kläger ausweislich seines im Kammertermin am 27. Juni 2006 übergebenen Schriftsatzes zu einer substantiierten Erklärung ersichtlich außer Stande. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts bedeutet aber die durch verspätetes Vorbringen veranlasste Notwendigkeit, eine Erklärungsfrist nach § 283 ZPO zu gewähren, für sich allein keine Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne von § 296 ZPO, die eine Zurückweisung rechtfertigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1984 - VIII ZR 217/83; LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 12. Januar 2006 - 1 Sa 301/05 und ausführlich OLG Brandenburg, Urteil vom 15. August 1997 - 4 U 6/97 m.w.N.). Das Gericht ist also nicht befugt, ein an sich verspätetes Vorbringen schon deshalb zurückzuweisen, weil der Gegner im Verhandlungstermin selbst noch keine substantiierte Stellung dazu nehmen kann. Bei richtigem Vorgehen hätte das Arbeitsgericht hier die bereits beantragte Erklärungsfrist einräumen oder ohne einen solchen vorherigen Antrag im Rahmen seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO - nachdem die zur Erwiderung verpflichtete Seite zu einer konkreten Einlassung im Termin nicht in der Lage ist - diese Seite auf die mangelnde Substantiierung ihres vorsorglichen Bestreitens und auf die Möglichkeit der Beantragung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO hinweisen müssen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. Oktober 2003 - 17 U 59/02 m.w.N.).

Sofern das Arbeitsgericht also den Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 22. und 26. Juni 2006 als erheblich angesehen haben sollte, war die ohne Einräumung einer Erklärungsfrist erfolgte Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten verfrüht und deshalb unzulässig.

1.3

Dieser Mangel der angefochtenen Entscheidung führt aber dennoch nicht zur Änderung der angefochtenen Entscheidung.

1.3.1

Denn die Berufungsbegründung muss sich mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen. Sie muss aufzeigen, welche rechtlichen Fehler im Urteil gesehen werden (§ 520 Abs.3 Satz 2 Nr.2 ZPO) oder inwieweit und weshalb das Urteil z.B. durch vorangegangene Verfahrensfehler den Sachverhalt falsch festgestellt hat (§ 520 Abs.3 Satz 2 Nr.3 ZPO) und so zu einem fehlerhaften Urteil geführt haben. Das Berufungsverfahren hat durch die Zivilprozessreform 2002 die Aufgabe der bloßen Fehlerkontrolle erhalten. Für die Zulässigkeit der Berufung ist allein zu prüfen, ob derartige Berufungsangriffe geführt worden sind.

Der Berufungsbegründung muss zu entnehmen sein, welche Einzelpunkte des Urteils bekämpft werden; hat das Urteil für sein Ergebnis mehrere Gesichtspunkte gewählt, die unabhängig voneinander die Entscheidung tragen, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04).

Die Berufungsbegründung musste aber auch schon nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Regelungen der Zivilprozessordnung in der alten Fassung (vgl. nur BAG, Urteil vom 11. März 1998 - 2 AZR 497/97 m.w.N.) die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung sowie die neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Rechtsmittelbegründung musste - im Fall ihrer Berechtigung - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen.

1.3.2

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten nicht. Denn das Arbeitsgericht hatte die Entscheidung auch mit einer "unzureichenden Beteiligung des Betriebsrats" begründet. Zwar seien dem Betriebsrat Kündigungsgründe benannt worden. Es fehle aber an jeglichen Angaben zu den Gründen für die getroffene Sozialauswahl. Dieses sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber erforderlich. Dafür dass dem Betriebsrat diese Daten umfassend bekannt seien, sei nichts ersichtlich oder vorgetragen.

Mit dieser tragenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hat sich die Beklagte nicht auseinander gesetzt. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung nur zu der Kenntnis des Betriebsrates über die betrieblichen Gründe Stellung genommen. Dieses hatte das Arbeitsgericht aber gar nicht beanstandet. Inwieweit der Betriebsrat über die Sozialauswahl informiert gewesen ist, hat die Beklagte nicht ausgeführt und in der Berufungsbegründung mit keinem Wort erwähnt.

Deshalb ist die Berufung trotz des Fehlers des Arbeitsgerichts bei der Zurückweisung verspäteten Vorbringens unzulässig.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs.1 ZPO. Aufgrund des erfolglosen Rechtsmittels hat die Beklagte die Kosten der Berufung zu tragen.

III.

Die Zulassung der Revision kam gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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