Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 23.06.2008
Aktenzeichen: 10 TaBV 303/08
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 76 Abs. 1
ArbGG § 98
Eine ständige Einigungsstelle kann nicht durch Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden. Das gilt auch im Zusammenhang mit Wochendienstplänen. Eine Annexkompetenz besteht insoweit nicht.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Beschluss

Verkündet am 23. Juni 2008

Geschäftszeichen 10 TaBV 303/08

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Kammer, auf die Anhörung vom 23. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herr K. und Herr S. beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle.

Mit Beschluss vom 4. Januar 2007 hatte das Arbeitsgericht Berlin den Richter am Arbeitsgericht A. B. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle bestellt, "die über die Neuregelung einer Betriebsvereinbarung über Arbeitszeiten, Mehrarbeit und Überstunden entscheiden soll." (Bl. 39-42 d.A.).

Nach fünf Sitzungen der Einigungsstelle zwischen dem 27. April 2007 und dem 14. September 2007 schlossen die Betriebsparteien am 14. September 2007 einvernehmlich eine Betriebsvereinbarung über "Arbeitszeiten, Pausenzeiten, Mehrarbeit und Überstunden" (Bl. 43-52 d.A.). In § 16 dieser Betriebsvereinbarung haben die Betriebsparteien unter anderem geregelt, dass wöchentliche Dienstpläne erstellt werden. Deren Entwürfe für die übernächste Woche sind dem Betriebsrat jeweils bis zum Mittwoch um 12:00 Uhr vorzulegen. Verweigert der Betriebsrat bis zum Ende des darauf folgenden Werktags seine Zustimmung, soll am Freitag eine innerbetriebliche Einigung zwischen Betriebsrat und Hausleitung versucht werden. Weiter heißt es in § 16 Abs.5 der Betriebsvereinbarung:

"Kommt keine Einigung zustande und ruft eine Seite die Einigungsstelle an, tritt diese unverzüglich zusammen."

Ausweislich des Protokolls der 5. Einigungsstellensitzung (Bl. 53-61 d.A.) verhandelte die Einigungsstelle auch über die Einrichtung einer ständigen Einigungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der insgesamt erörterten Betriebsvereinbarung. Eine Einigung über diesen Punkt konnte nicht erzielt werden. Im Protokoll der 5. Sitzung der Einigungsstelle ist dazu ausgeführt:

"Weiter besteht Einigkeit in der Einigungsstelle darüber, dass die nunmehr zu einem einvernehmlichen Ergebnis gebrachte Betriebsvereinbarung samt Protokollnotizen nunmehr unterschrieben werden soll. Die Frage der ständigen Einigungsstelle nach § 16 Abs.6 VS stellt nach übereinstimmender Anschauung der Einigungsstellenmitglieder eine bloße Ergänzung dar, die die Vollständigkeit der Betriebsvereinbarung nicht berührt. Hierüber möge per Spruch entschieden werden."

Nach Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung beantragte die Betriebsratsseite die Ergänzung der Betriebsvereinbarung um einen neuen § 16 Abs.6. Auf diesen Antrag hin stimmte die Einigungsstelle im zweistufigen Verfahren mehrheitlich für eine Ergänzung der soeben abgeschlossenen Betriebsvereinbarung um den Passus:

"Es wird eine ständige Einigungsstelle unter dem Vorsitz von Herrn Richter am Arbeitsgericht Dr. K. W. eingerichtet. Der Vorsitzende ist berechtigt, für sich einen Stellvertreter zu benennen. Weiter besteht die Einigungsstelle aus je einem internen Beisitzer für Betriebsrat und Arbeitgeberin."

Das den Spruch beinhaltende Protokoll ging der Arbeitgeberin am 24. September 2007 zu. Mit am 26. September 2007 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangener Antragschrift beantragte die Arbeitgeberin den Spruch der Einigungsstelle vom 14. September 2007 für unwirksam zu erklären.

Die Arbeitgeberin führte aus, dass der Spruch gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Errichtung einer Einigungsstelle könne nur einvernehmlich durch die Betriebsparteien oder im Verfahren nach § 98 ArbGG durch die Gerichte für Arbeitssachen erfolgen. Selbst wenn der Spruch grundsätzlich zulässig wäre sei es ein Verstoß gegen § 98 Abs.1 ArbGG in Verbindung mit Art. 101 Abs.1 GG, indem dem primär eingesetzten Einigungsstellenvorsitzenden das Recht eingeräumt werde, einen anderen Vorsitzenden für die Einigungsstelle zu bestellen.

Der Betriebsrat hielt den Spruch für wirksam.

Mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.11.2007 stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs fest. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, dass die Einigungsstelle mit der Entscheidung ihre Kompetenz überschritten habe. Die Errichtung einer Einigungsstelle sei keine Angelegenheit der erzwingbaren Mitbestimmung. Aus § 76 Abs.3 BetrVG ergebe sich, dass außerhalb der erzwingbaren Mitbestimmung ein verbindlicher Einigungsstellenspruch nur erfolgen könne, wenn die Betriebsparteien sich im Voraus dem Spruch unterwerfen oder sie ihn nachträglich annehmen würden. Beides liege hier nicht vor.

Gegen diesen dem Vertreter des Betriebsrates am 14. Januar 2008 zugestellten Beschluss legte dieser am 13. Februar 2008 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde ein. und begründete diese nach entsprechender Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist am 14. April 2008. Zur Begründung führt der Betriebsrat aus, dass es nicht um eine freiwillige Einigungsstelle an sich gegangen sei, sondern lediglich um die Frage, wie bei Streitigkeiten über einen von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Einsatzplan am effizientesten zu entscheiden sei. Nur zur Beilegung dieser Meinungsverschiedenheit sei die ständige Einigungsstelle errichtet worden. Dieses sei vom Gesetzgeber bei Fragen nach § 87 Abs.1 Nr.2 BetrVG so vorgesehen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin - 4 BV 15726/07 - vom 22.11.2007 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin entgegnet, dass auch eine im Regelungsbereich des § 87 beschränkt zuständige Einigungsstelle nur freiwillig von den Betriebsparteien errichtet werden könne. Diese gelte auch in Eilfällen. Auch die Bestellung eines Vorsitzenden könne nur durch die Betriebsparteien oder das Arbeitsgericht erfolgen. Gleiches gelte für die Einsetzung eines Stellvertreters.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdebegründung vom 14. April 2008 und die Schriftsätze des Betriebsrates vom 8. Februar 2008 und 4. März 2008 sowie die Beschwerdebeantwortung vom 9. Juni 2008 Bezug genommen.

II.

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 4 und 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2, 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin im Ergebnis zu Recht entsprochen.

2.1 Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG kann durch Betriebsvereinbarung eine ständige Einigungsstelle errichtet werden, dies aber nur durch eine freiwillige und nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung. Dies bedeutet, dass eine ständige Einigungsstelle nicht durch Spruch einer Einigungsstelle gegen den Willen einer Betriebspartei eingesetzt werden darf.

Zwar handelt es sich bei dem Spruch vom 14. September 2007 nicht um die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle im eigentlichen Sinne, nämlich zur Lösung möglicher, aber noch nicht themenmäßig bestimmter Meinungsverschiedenheiten, sondern um die Einigungsstelle, die jene Meinungsverschiedenheiten zu lösen hat, die bereits in der Betriebsvereinbarung vom 14. September 2007 durch die Grundsätze des Dienstplanverfahrens und der Dienstplangestaltung angelegt wurden. Doch ergibt sich aus § 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch nicht die zwingende Festlegung, dass es sich bei einer ständigen Einigungsstelle nach dieser Vorschrift jeweils um eine solche - allgemeine - Einigungsstelle handeln muss. Auch in der betrieblichen Praxis haben sich ständige Einigungsstellen zu bestimmten Themenkomplexen herausgebildet. Allgemeine Einigungsstellen zu allen möglichen Themen, wie sie in den Personalvertretungsgesetzen üblich sind, sind im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes in der Regel nicht anzutreffen.

2.2 Soweit vertreten wird, dass die Befugnis der Einigungsstelle zur Errichtung einer solchen ständigen Einigungsstelle aus der Regelung zu einem Themenkomplex der erzwingbaren Mitbestimmung aufgrund der Annexkompetenz der Einigungsstelle zulässig sei (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14. Dezember 2006 - 4 TaBV 21/06 = zit. nach Juris), kann dem nicht gefolgt werden.

Unter Bezugnahme auf den Aufsatz von Hanau "Allgemeine Grundsätze der betrieblichen Mitbestimmung" (RdA 1973, 281ff.) hat das Bundesarbeitsgericht im Jahre 1977 mit Beschluss vom 8. März 1977 (1 ABR 33/75 = BB 1977, 1199ff.) erstmals eine materielle Annexkompetenz im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates als Grundlage für nicht unmittelbar dem Betriebsverfassungsgesetz zu entnehmenden Tatbestände angenommen (erzwingbares Mitbestimmungsrecht über Kontengebühren, soweit derartige Gebühren zwangsläufig im Zusammenhang mit der Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte stehen). Verfassungsrechtliche Bedenken gab es nicht (BVerfG, Beschluss vom 18.10.1986 - 1 BvR 1426/83 = NJW 1988, 1135f.). Nachdem die Annexkompetenz mehrere Jahrzehnte vom Bundesarbeitsgericht nicht in Frage gestellt wurde (vgl. etwa noch den Beschluss vom 15.1.2002 - 1 ABR 10/01 = NZA 2002, 988ff.), hat es mit Beschluss vom 13. Februar 2007 (1 ABR 18/06 = NZA 2007, 640ff.) eine Annexkompetenz des Betriebsrates zur Regelung der Kostentragung bei der Verpflichtung zum Tragen einer einheitlichen Dienstkleidung abgelehnt, und in dieser Entscheidung erstmals ausgeführt, dass in dieser Entscheidung dahinstehen könne, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchen Fallgestaltungen bei den Mitbestimmungstatbeständen des § 87 Abs. 1 BetrVG eine über die unmittelbare Regelungskompetenz hinausgehende Annexkompetenz bestehe. Eine solche komme entsprechend der bisherigen Rechtsprechung allenfalls in Betracht, wenn die zu regelnde mitbestimmte Angelegenheit ohne die ergänzende Regelung nicht sinnvoll ausgestaltet werden könne.

Die Annexkompetenz ist als allgemeines Rechtsinstitut auch im Betriebsverfassungsrecht anzuerkennen. Der Lehre der Annexkompetenzen liegt der verallgemeinerungsfähige Rechtsgedanke zugrunde, dass es dem Gesetzgeber unmöglich ist, eine erschöpfende, allumfassende Regelung zu treffen (Posselt, Annexkompetenzen im Betriebsverfassungsrecht, S. 205). Allerdings ist die vorrangige Kompetenz des Gesetzgebers selbstverständlich. Deshalb muss für jeden Mitbestimmungssachverhalt, der ausdrücklich geregelt ist, jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob es eine Regelungsmaterie gibt, die als Nebenmaterie die Hauptmaterie derart ergänzt, dass die mit dem Mitbestimmungssachverhalt verfolgte Regelungsabsicht ohne diese Nebenmaterie wesentlich beeinträchtigt wäre (Posselt, a.a.O., S. 206f.). Über die Annexkompetenz ist eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in der Breite nicht zulässig. Erfasst ist nur eine in die Tiefe gehende Nebenmaterie (Posselt, a.a.O., S. 137f.), also Aspekte der Vorbereitung und Durchführung des vom Gesetzgeber eingeräumten Mitbestimmungsrechts. Nach diesen Kriterien wäre eine Annexkompetenz auch für eine Einigungsstelle anzunehmen, soweit sie nur der wirksamen Umsetzung einer Regelung in der Betriebsvereinbarung über "Arbeitszeiten, Pausenzeiten, Mehrarbeit und Überstunden" dient.

Die Annexkompetenz kann aber selbst dann nicht rechtsbegründend herangezogen werden, wenn der Gesetzgeber selbst eine vergleichbare Materie einer ausdrücklichen Regelung unterworfen hat (Posselt, a.a.O., S. 207). Hat nämlich der Gesetzgeber eine mit dem streitbefangenen Gegenstand vergleichbare Materie einer ausdrücklichen Regelung unterworfen und sie damit verselbständigt, kann die Materie nicht an anderer Stelle, wo sie keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat, als implizite Annexmaterie mit einbezogen werden.

So ist es hier. Der Gesetzgeber hat in § 76 Abs.1 BetrVG in Verbindung mit § 98 ArbGG klare Festlegungen getroffen, wie die Einigungsstelle als Streitschlichtungsgremium gebildet werden kann. Es ist nur einvernehmlich oder durch gerichtliche Entscheidung möglich. Hierbei handelt es sich um eine vollständige und damit abschließende Regelung. Dass durch die Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen zu einzelnen Mitbestimmungstatbeständen eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Bildung einer Einigungsstelle sinnvoll wäre, führt jedoch zu einer Erweiterung dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung. Meint der Betriebsrat, dass ohne eine institutionalisierte Zwangsschlichtung bei der Dienstplanerstellung die getroffene Regelung nicht praktikabel ist, muss er seine Zustimmung von der Einbeziehung der Einigungsstelle in die - einvernehmliche - Betriebsvereinbarung abhängig machen. Muss die Einigungsstelle über eine solche Regelung streitig entscheiden, hat sie bei der Ermessensausübung ein Verfahren zu wählen, das für den Streitfall auch unter Berücksichtigung der durch § 76 Abs.1 BetrVG und § 98 ArbGG noch praktikabel ist.

2.3 Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum besteht das Mitbestimmungsrecht auch in Eilfällen. Es entfällt also nicht etwa deshalb, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigte Maßnahme eilbedürftig und eine rechtzeitige Zustimmung des Betriebsrats aus Zeitgründen kaum zu erlangen ist (BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 = NZA 1999, 662ff.). Der Gesetzgeber hat die Fälle, in denen im Mitbestimmungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers zulässig sein sollen, ausdrücklich geregelt (§§ 100, 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG). Für die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten des § 87 BetrVG ist für Dringlichkeitsfälle keine Sonderregelung getroffen worden, obwohl gerade im Zusammenhang mit wöchentlichen Dienstplänen oder der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit häufig kurzfristig eine Meinungsverschiedenheit gelöst werden muss. Das Fehlen einer Sonderregelung für Eilfälle in § 87 BetrVG zeigt, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich die Mitbestimmung des Betriebsrats in solchen Fällen nicht einschränken wollte.

Unüberwindliche praktische Schwierigkeiten stehen der Ausübung des Mitbestimmungsrechts in solchen Fällen nicht entgegen. Den Betriebsparteien ist es durchaus zuzumuten, für Eilfälle entsprechende Vorsorge zu treffen. Das kann etwa dadurch geschehen, dass Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung festlegen, wie zu verfahren ist, wenn der Betriebsrat nicht erreichbar ist oder aus sonstigen Gründen kurzfristig keinen wirksamen Beschluss fassen kann. Einer solchen Vereinbarung darf sich der Betriebsrat nicht versagen; der Arbeitgeber kann sie notfalls mit Hilfe der Einigungsstelle durchsetzen (BAG, Beschluss vom 17.11.1998 - 1 ABR 12/98 = NZA 1999, 662ff.). Dabei hat die Einigungsstelle allerdings die Vorgaben des Gesetzgebers zur Bildung eines Konfliktlösungsgremiums (siehe oben 2.2) und die Grundprinzipien des Betriebsverfassungsrechts zu beachten. Danach darf ein Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet (BAG, Urteil vom 26.4.2005 - 1 AZR 76/04 = NZA 2005, 892ff.). Zwar dürfen dem Arbeitgeber durch Betriebsvereinbarung gewisse Entscheidungsspielräume in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten eingeräumt werden. Der Betriebsrat kann aber über sein Mitbestimmungsrecht im Interesse der Arbeitnehmer nicht in der Weise verfügen, dass er in der Substanz auf die ihm gesetzlich obliegende Mitbestimmung verzichtet. Falls die Betriebsparteien keine einvernehmliche Lösung finden, hat die Einigungsstelle also eine Lösung zu finden, die diesen Prinzipien gerecht wird und dennoch die Durchführung der Mitbestimmung möglich bleibt.

2.4 Die Einigungsstelle wäre auch unabhängig von den vorstehenden Ausführungen nicht berechtigt gewesen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates zu erweitern. Dieses widerspricht der gesetzlichen Konzeption des § 87 Abs. 2 in Verbindung mit § 76 Abs. 5 BetrVG sowie des § 88 in Verbindung mit § 76 Abs. 6 BetrVG. Sie missachtet außerdem die Bindungswirkungen eines arbeitsgerichtlichen Beschlusses nach § 98 ArbGG.

Nach § 87 Abs. 2 BetrVG kann der Arbeitgeber eine nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Maßnahme nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen. Können sich die Betriebsparteien nicht einigen, entscheidet eine Einigungsstelle. Ihre Entscheidung ersetzt die Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber (§ 87 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Mit normativer Wirkung kann danach die Einigungsstelle nur innerhalb der durch § 87 Abs. 1 BetrVG gezogenen Grenzen tätig werden. Dass danach - auch unter Beachtung der Annexkompetenz im Betriebsverfassungsrecht - die Einsetzung einer Einigungsstelle durch die Einigungsstelle unzulässig ist, wurde unter 2.2 ausgeführt.

Sonstige Angelegenheiten, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, können die Betriebsparteien nur einvernehmlich und auf freiwilliger Grundlage regeln (§ 88 BetrVG). Soweit sie auch in diesen Angelegenheiten die Einigungsstelle anrufen, ist deren Entscheidung nur verbindlich, soweit sich beide Betriebsparteien im Voraus dem Spruch unterwerfen oder ihn nachträglich annehmen. Das wahrt das durch § 88 BetrVG vorgegebene Prinzip der Freiwilligkeit. Diese Konzeption schließt es aus, dass durch eine Mehrheitsentscheidung der Einigungsstelle dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber ein gesetzlich nicht vorgesehenes Mitbestimmungsrecht aufgezwungen wird. Da der Arbeitgeber sich dem Spruch der Einigungsstelle nicht unterworfen und ihn auch nicht nachträglich angenommen hat, ist die Regelung nicht zustande gekommen.

Eine Erweiterung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats wäre vorliegend auch nicht durch den arbeitsgerichtlichen Bestellungsbeschluss vom 4. Januar 1997 gedeckt, nach dem die Einigungsstelle nur in einer Angelegenheit über die Neuregelung einer Betriebsvereinbarung über Arbeitszeiten, Mehrarbeit und Überstunden tätig werden konnte. Nach § 98 ArbGG hat das Gericht, soweit sich die Betriebsparteien über die Bildung einer Einigungsstelle nicht einigen können, durch Beschluss über die Errichtung und Zusammensetzung einer Einigungsstelle zu entscheiden. Darin ist neben der Person des Vorsitzenden und der Zahl der Beisitzer auch zu bestimmen, für welchen Regelungsstreit die Einigungsstelle gebildet wird (BAG, Beschluss vom 15.5.2001 - 1 ABR 39/00 = NZA 2001, 1154ff.). An diesen Kompetenzrahmen ist die Einigungsstelle gebunden. Sie kann darüber hinaus zwar weitere Angelegenheiten verhandeln. Das setzt jedoch eine darauf gerichtete Verständigung der Betriebsparteien voraus (BAG, Beschluss vom 15.5.2001 - 1 ABR 39/00 = NZA 2001, 1154ff.). Eine solche liegt hier nicht aber nicht vor. Denn ausweislich des Protokolls der Einigungsstelle vom 14. September 2007 hatten sich lediglich die Mitglieder der Einigungsstelle, nicht aber die Betriebsparteien, also Arbeitgeber und Betriebsrat, auf eine Erweiterung des Gegenstandes der Einigungsstelle verständigt.

3. Selbst wenn man es aber grundsätzlich für zulässig halten würde, als Konfliktlösungsmechanismus im Rahmen der Durchführung einer Betriebsvereinbarung gegen den Willen einer Betriebspartei im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens eine Einigungsstelle zu bestellen, hätte die Einigungsstelle am 14. September 2007 nicht - mehr - über diesen Punkt befinden dürfen. Diese Entscheidung war auch dann nicht - mehr - durch den arbeitsgerichtlichen Bestellungsbeschluss vom 4. Januar 1997 gedeckt.

Die Einigungsstelle war bestellt, um eine Regelung über Arbeitszeiten, Mehrarbeit und Überstunden herbeizuführen. Dieser Auftrag war mit Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung durch die Betriebsparteien erfüllt. Mit der Erfüllung ihres Auftrags erlischt die Einigungsstelle als Gremium. Deshalb konnte sie zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Antrag der Betriebsratsseite rechtswirksam gar keine Entscheidung mehr treffen. Eine Verständigung der Betriebsparteien über eine Erweiterung der Zuständigkeit der Einigungsstelle lag nicht vor (siehe oben 2.4).

4. Durch den Spruch der Einigungsstelle wurde in die einvernehmlich am 14. September 2007 abgeschlossene Betriebsvereinbarung eingegriffen. Denn es sollte ein neuer Absatz 6 in § 16 eingefügt werden und der bisherige Absatz 6 sollte Absatz 7 werden. Auch dieses ist - gegen den Willen einer der Betriebsparteien - unzulässig. Wenn ein Mitbestimmungssachverhalt durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung abschließend geregelt ist, kann - erst nach Kündigung der Betriebsvereinbarung mit Ablauf der Kündigungsfrist eine andere Regelung die vorhandene ersetzen oder modifizieren (anderer Auffassung LAG Köln, Beschluss vom 6.9.2005 - 4 TaBV 41/05 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 44a; LAG Köln, Beschluss vom 23.1.2007 - 9 TaBV 66/06 = zit. nach Juris). Denn ansonsten würde die gesetzlich geregelte Kündigungsfrist, die einen gewissen Schutz der anderen Betriebspartei und gegebenenfalls der Arbeitnehmer vor Veränderung beinhaltet, keinen Sinn machen. Etwas anderes kann allenfalls beim Wegfall der Geschäftsgrundlage (BAG, Beschluss vom 23.9.1997 - 3 ABR 85/96 = NZA 1998, 719ff.; BAG, Beschluss vom 10.8.194 - 10 ABR 61/93 = NZA 1995, 314ff.) oder nach einem Betriebsübergang (BAG, Urteil vom 14.8.2001 - 1 AZR 619/00 = NZA 2002, 276ff.) gelten.

5. Auch im Übrigen bestehen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Ebenso wie die Errichtung der Einigungsstelle an sich obliegt auch die Bestellung des vorsitzenden einer Einigungsstelle allein den Betriebsparteien oder den Gerichten für Arbeitssachen im Rahmen eines Verfahrens nach § 98 ArbGG. Die Betriebsparteien können, wie in der Praxis nicht selten, Regelungen zu Ersatzbestellung für Verhinderungsfälle des Einigungsstellenvorsitzenden verabreden, die auch eine Übertragung des Benennungsrechts auf den (Haupt-)Einigungsstellenvorsitzenden beinhalten können. Eine Einigungsstelle ist aber weder befugt einen Einigungsstellenvorsitzenden zu bestellen noch eine Regelung für eine Ersatzbestellung gegen den Willen der Betriebsparteien vorzunehmen.

Auch die vollständige oder teilweise Beschränkung der Herkunft der Beisitzer der Einigungsstelle auf betriebsinterne Beisitzer können die Betriebsparteien selbst vereinbaren. Aber weder im Verfahren nach § 98 ArbGG noch im Rahmen eines Einigungsstellenspruchs ist eine solche Beschränkung gegen den Willen einer Betriebspartei zulässig (vgl. BAG, Beschluss vom 24.4.1996 - 7 ABR 40/95 = NZA 1996, 1171ff.).

III.

Gegen die gemäß §§ 2 Abs.2 GKG, 2a Abs.1 Ziffer 1 ArbGG gerichtskostenfrei ergangene Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam gemäß § 92 Abs.1 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 72 Abs.2 ArbGG nicht in Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine die Entscheidung allein tragende Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Soweit diese Entscheidung von dem nicht rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 14. Dezember 2006 - 4 TaBV 21/06 - abweicht, betrifft dieses nur eine von mehreren Begründungen. Enthält der anzufechtende Beschwerdebeschluss eine doppelte Begründung und weicht nur eine seiner Begründungen von einer divergenzfähigen Entscheidung ab, so fehlt es aber an einer erheblichen Divergenz (vgl. BAG, Beschluss vom 27.10.1998 - 9 AZN 575/98 = NZA 1999, 222f.).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Der Beteiligte zu 2. und Beschwerdeführer wird auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 92 a ArbGG hingewiesen.



Ende der Entscheidung

Zurück