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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 13 Sa 1912/06
Rechtsgebiete: TVG, GG


Vorschriften:

TVG § 5 Abs. 1
GG Art. 9 Abs. 3
Die Allgemeinverbindlicherklärung vom 24.02.2006 (Banz. 2006, Nr. 71, S. 2729 ff.) bezüglich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe erstreckt sich für das Jahr 2005 auch dann nicht auf Abbruchbetriebe, wenn diese nicht Mitglied im Deutschen Abbruchverband e. V. waren.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

13 Sa 1912/06

Verkündet am 19.01.2007

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 19.01.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. F. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter/in Frau R. und Herr D.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.07.2006 - 70 Ca 61838/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist die tarifvertraglich bestimmte Einzugsstelle des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe.

Mit der am 27. Dezember 2005 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage hat er auf der Grundlage von § 21 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (im Folgenden: VTV) von den Beklagten Erteilung von Auskünften über die Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer und die an diese geleisteten Bruttolohnsummen für den Zeitraum Februar 2005 bis Oktober 2005 einschließlich der Zahlung einer Entschädigungssumme für den Fall der Nichterteilung der Auskünfte verlangt. Die Beklagten unterhielten im streitbefangenen Zeitraum einen Abbruchbetrieb (Betonbohr- und Sägebetrieb); sie waren nicht Mitglied im Deutschen Abbruchverband e. V. und weder mittelbar noch unmittelbar Mitglied einer Tarifvertragspartei des VTV.

Mit Antrag vom 21. Dezember 2004 (vgl. die Bekanntmachung des Antrages im BAnz. 2004, Nr. 247, S. 24681 f.) haben die Tarifvertragsparteien des VTV die Allgemeinverbindlicherklärung u. a. für den VTV in der Fassung des letzten Änderungstarifvertrages vom 14. Dezember 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2005 beantragt. Ferner wurde beantragt, die Allgemeinverbindlicherklärung gemäß dem ersten Teil der Maßnahmen in der Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 17. Januar 2000 (BAnz. S. 1385) einzuschränken. Dort heißt es unter III.:

"Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilung von Arbeitgebern mit Sitz im Inland, ...

5. die Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführen, soweit ihre Leistungen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit anderen in den Betrieben oder in den selbständigen Betriebsabteilungen in erheblichem Umfang anfallenden baulichen Leistungen stehen, ...".

Im Jahr 2005 erfolgte keine Allgemeinverbindlicherklärung des VTV in der Fassung des letzten Änderungstarifvertrages vom 14. Dezember 2004.

Mit Antrag vom 21. Dezember 2005 (BAnz. 2005, Nr. 248, S. 17325 ff.) haben die Tarifvertragsparteien des VTV die Allgemeinverbindlicherklärung u. a. für den VTV in der Fassung des letzten Änderungstarifvertrages vom 15. Dezember 2005 mit Wirkung ab 1. Januar 2006 beantragt. Ferner wurde beantragt, die Allgemeinverbindlicherklärung "wie folgt einzuschränken:

"... III. Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, ...

2. die ganz oder teilweise Bauwerke, Bauwerksteile oder einzelne Elemente aus Mauerwerk, Beton, Stahlbeton, Eisen, Stahl oder sonstigen Baustoffen, technische Anlagen abbrechen, demontieren, sprengen, Beton schneiden, sägen, bohren, pressen, soweit sie unmittelbar oder mittelbar Mitglied im Deutschen Abbruchverband e. V. sind; ...".

Am 24. Februar 2006 (vgl. BAnz. 2006, Nr. 71, S. 2729 ff.) erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowohl den VTV in der Fassung des letzten Änderungstarifvertrages vom 14. Dezember 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2005 als auch den VTV in der Fassung des letzten Änderungstarifvertrages vom 15. Dezember 2005 mit Wirkung ab 1. Januar 2006 für allgemeinverbindlich mit den "weiter unten stehenden Einschränkungen". Dazu heißt es unter III.:

"Die Allgemeinverbindlicherklärung erstreckt sich nicht auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen mit Sitz im Inland, ...

2. die ganz oder teilweise Bauwerke, Bauwerksteile oder einzelne Elemente aus Mauerwerk, Beton, Stahlbeton, Eisen, Stahl oder sonstigen Baustoffen, technische Anlagen abbrechen, demontieren, sprengen, Beton schneiden, sägen, bohren, pressen, soweit sie unmittelbar oder unmittelbar Mitglied im Deutschen Abbruchverband e. V. sind; ...".

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) des VTV sich im streitgegenständlichen Zeitraum auch auf den Betrieb der Beklagten erstrecke. Die AVE-Einschränkung entfalte mangels Mitgliedschaft im Deutschen Abbruchverband e. V. keine Wirkung für sie. Gegen die Rückwirkung bestünden keine Bedenken, da die Voraussetzungen des § 7 der Verordnung zur Durchführung des Tarifvertragsgesetzes (im Folgenden: DVO TVG) erfüllt seien.

Die Beklagten haben eine Erstreckung der AVE-Einschränkung mit der Maßgabe der Mitgliedschaft im Deutschen Abbruchverband e. V. auch für das Jahr 2005 für eine unzulässige Rückwirkung sowie einen Verstoß gegen die Art. 3 und 9 GG gehalten.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die AVE-Einschränkung mit der Maßgabe der Mitgliedschaft im Deutschen Abbruchverband e. V. für das Jahr 2005 eine unzulässige Rückwirkung darstelle und daher unwirksam sei. Wegen der konkreten Begründung und des konkreten Parteivortrags erster Instanz wird auf das Urteil Bl. 46-54 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihm am 26. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 25. Oktober 2006 eingegangene und am 24. November 2006 begründete Berufung des Klägers.

Er hält nach wie vor die AVE-Einschränkung und insbesondere die Rückwirkung ab 1. Januar 2005 für wirksam, da weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch der des Vertrauensschutzes verletzt worden sei und beruft sich auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 25. September 1996 - 4 AZR 209/95 -, AP Nr. 30 zu § 5 TVG = EzA § 5 TVG Nr. 12 sowie des Arbeitsgerichts Wiesbaden in einer Parallelsache vom 12. Juli 2006 - 3 Ca 281/06 - (Bl. 80 ff. d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin - 70 Ca 61838/05 - vom 20. Juli 2006 die Beklagten zu verurteilen,

1. ihm auf dem vom ihm zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Februar 2005 bis Oktober 2005 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind und

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an ihn eine Entschädigung in Höhe von 16 605,00 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil und halten an ihrer Rechtsauffassung fest.

Wegen des konkreten Parteivortrags in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 23. November 2006 (Bl. 73 ff. d. A.) und der Beklagten vom 9. November 2006 (Bl. 64 d. A.) und 13. Dezember 2006 (Bl. 95 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis und in der Begründung teilweise zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen, weil die Beklagten im Jahr 2005 nicht vom VTV in der letzten Fassung vom 14. Dezember 2004 erfasst wurden. Da die Beklagten nicht Mitglied einer Tarifvertragspartei des VTV sind, konnte der VTV in der Fassung vom 14. Dezember 2004 auf sie nur dann Anwendung finden, wenn er für das Jahr 2005 allgemeinverbindlich mit der Maßgabe der Mitgliedschaft im Deutschen Abbruchverband e. V. erklärt worden wäre. Dies ist nicht der Fall.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungs-gerichts und des Bundesarbeitsgerichts ist die AVE im Verhältnis zu den ohne sie nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Rechtssetzungsakt eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung, der seine eigenständige Rechtsgrundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet (vgl. nur BVerfG 27. Februar 1973 BVerfGE 34, 307, 316 ff. = EzA § 19 HAG Nr. 1; BVerfG 24. Mai 1977 BVerfGE 44, 322, 340 = EzA § 5 TVG Nr. 5; BVerfG 15. Juli 1980 BVerfGE 55, 7, 27 = EzA § 5 TVG Nr. 7; BVerwG 3. November 1988, EzA § 5 TVG Nr. 9; BAG 28. März 1990, EzA § 5 TVG Nr. 10). Die AVE erfolgt im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss auf Antrag einer Tarifvertragspartei nach der DVO TVG. Dieses Verfahren dient der Absicherung der Abwägung der Interessen der Beteiligten. Dabei haben auch die von der AVE betroffenen Außenseiter Gelegenheit, ihre Interessen im Verfahren schriftlich oder mündlich zur Geltung zu bringen (vgl. nur BVerfG 24. Mai 1977, a. a. O., 349 = EzA § 5 TVG Nr. 5; BAG 22. September 1993, EzA § 5 TVG Nr. 11, zu II. 2. der Gründe). Das Verfahren nach § 5 TVG ist dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG in Verbindung mit der DVO TVG antragsgebunden. Eine Tarifvertragspartei kann den Antrag auch wieder zurücknehmen (vgl. dazu nur Däubler/Lakies, TVG, 2. Aufl., § 5 Rz. 81; Wiedemann, TVG, 6. Aufl., § 5 Rz. 81; jeweils mit weiteren Nachweisen). Damit sind die Tarifvertragsparteien bzw. der Antragsteller und nicht das Bundesministerium für A. und S. die "Herren" des Verfahrens, sie bestimmen somit auch, mit welchen Einschränkungen ein von ihnen geschlossener Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden soll. Das Bundesministerium kann diesen Antrag zwar ganz oder teilweise ablehnen (so im Fall BVerwG 3. November 1988, a. a. O.), es kann jedoch nicht etwa über diesen Antrag hinausgehen. Nach diesen Verfahrensgrundsätzen muss in diesen Fällen vielmehr ein erneuter Antrag mit entsprechender Änderung gestellt werden (zutreffend Däubler/Lakies, a. a. O., § 5 Rz. 85; Löwisch/Rieble, TVG 2. Aufl., § 5 Rz. 71).

2.

Nach diesen Grundsätzen erfasst die AVE vom 24. Februar 2006 hinsichtlich des VTV in der letzten Fassung vom 14. Dezember 2004 Betriebe des Abbruchgewerbes wie den der Beklagten für das Jahr 2005 nicht, auch wenn diese nicht Mitglied des Deutschen Abbruchverbandes e. V. sind.

a)

Zwar könnte der Wortlaut der AVE gegen diese Auslegung sprechen. Denn die AVE unterscheidet zwar eindeutig zwischen dem VTV in der letzten Fassung vom 14. Dezember 2004 und dem VTV in der letzten Fassung vom 15. Dezember 2005, differenziert die Einschränkungen der AVE unter III. aber nicht nach den beiden unterschiedlichen Fassungen der Tarifverträge, sodass man der Ansicht sein könnte, dass die Einschränkung der AVE vom 24. Februar 2006 unter III. auch den VTV in der letzten Fassung vom 14. Dezember 2004 mit Wirkung ab 1. Januar 2005 erfasst.

Dies berücksichtigt jedoch nicht den gesamten Wortlaut der sehr umfangreichen AVE vom 24. Februar 2006. Zum einen geht eindeutig aus der AVE hervor, dass zwischen den VTVs in den unterschiedlichen Fassungen mit unterschiedlichen Wirkungszeitpunkten unterschieden wird. Zum anderen entspricht die sehr umfangreiche AVE vom 24. Februar 2006 wortgetreu dem sehr umfangreichen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung vom 21. Dezember 2005 mit Wirkung vom 1. Januar 2006.

Dem entspricht auch die Überschrift auf S. 2730 des BAnz. Nr. 71 aus dem Jahr 2006, worin es heißt: "Die Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifvertragswerke ergeht mit folgenden Maßgaben:

"Erster Teil

Einschränkungen der Allgemeinverbindlicherklärung auf Antrag (Fettdruck und Unterstreichung durch das Gericht)".

Daraus ergibt sich, dass auch nach dem Wortlaut der AVE vom 24. Februar 2006 die AVE nur die Tarifverträge nach den jeweiligen Anträgen für allgemeinverbindlich erklären wollte. Dabei ist vergessen worden, die Einschränkung für die Abbruchbetriebe nach III. 2. der AVE nach dem Zeitpunkt ihrer beantragten Wirksamkeit zu unterscheiden. Dies bedeutet, dass für den Zeitraum ab 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2005 Abbruchbetriebe auch dann von der AVE ausgenommen worden sind, wenn sie nicht Mitglied im Deutschen Abbruchverband e. V. waren.

b)

Nur diese Auslegung entspricht der DVO TVG. Denn nach dem zu II. 1. Ausgeführten hätten die Tarifvertragsparteien einen neuen Antrag stellen müssen, dieser hätte auch nach der DVO TVG veröffentlicht werden müssen, wenn sie beabsichtigt hätten, auch für die Zeit ab 1. Januar 2005 die Einschränkung für Abbruchbetriebe unter der Bedingung der Mitgliedschaft im Deutschen Abbruchverband e. V. zu beantragen. Dafür sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich noch vorgetragen, eine derartige Änderung des Antrages hätte aus verfahrensrechtlichen Gründen ebenso wie der Antrag nach der DVO TVG veröffentlicht werden müssen, woran es fehlt.

Auch das Bundesministerium für A. und S. kann nach dem oben zu II. 1. Ausgeführten nicht von sich aus die Anträge verändern, da es sonst über den von den Parteien gewollten Antrag hinausgehen würde. Auch dafür, dass es dies wollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen, im Gegenteil spricht der Wortlaut der Überschrift zur Einschränkung der AVE vom 24. Februar 2006 dagegen (s. o. unter II. 2. a) der Gründe).

c)

Nur bei dieser Auslegung der AVE vom 24. Februar 2006 ergibt sich ein rechtstreues und wirksames Verhalten durch das Bundesministerium, anderenfalls bedeutete dies eine unwirksame Rückwirkung. Davon kann nicht ausgegangen werden, da Organe des Staates sich rechtstreu verhalten wollen.

Denn eine Rückwirkung der AVE vom 24. Februar 2006 auf den 1. Januar 2005 würde sowohl den Grundsatz der Rechtssicherheit als auch den des Vertrauensschutzes verletzen.

aa)

Zwar kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages mit Rückwirkung ergehen, wenn bereits der erneuerte oder geänderte Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt war. In diesem Fall werden durch die mit Rückwirkung ergehende AVE weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch derjenige des Vertrauensschutzes verletzt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. nur BAG 25. September 1996 EzA § 5 TVG Nr. 12 m. w. N. unter 2.3.2 der Gründe).

Dies gilt jedoch nicht, wenn erstmals eine Neuerung des Tarifsvertrages bzw. des Antrages auf AVE erfolgt. In diesen Fallgestaltungen ist es den mit Rückwirkung Tarifunterworfenen regelmäßig nicht möglich, ihr Verhalten vor Abschluss des Tarifvertrages oder vor der AVE auf die neue Klausel einzurichten (vgl. BAG 25. September 1996, a. a. O., zu 2.8 der Gründe; BAG 3. November 1982 BAGE 40, 288, 293 f. = EzA § 5 TVG Nr. 8).

bb)

So liegt es hier: Wie das Arbeitsgericht (S. 6-7 des Urteils) und die Beklagten zutreffend ausführen, würde durch eine Auslegung der AVE nach der Auffassung des Klägers rückwirkend in abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen. Der Antrag, der die Grundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung vom 24. Februar 2006 bildet, ist am Samstag, dem 31. Dezember 2005, veröffentlicht worden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die betroffenen Betriebe des Abbruchgewerbes infolge des Ablaufs des Geschäftsjahres keine Möglichkeit mehr, die Verbandszugehörigkeit für das Kalenderjahr 2005 zu erwerben. Ein Antrag auf Aufnahme in den Deutschen Abbruchverband e. V. hätte frühestens im Jahr 2006 erfolgen können, jedoch lediglich mit der Maßgabe, dass die Verbandszugehörigkeit für das laufende Kalenderjahr, nicht jedoch für das zurückliegende Kalenderjahr hätte erworben werden können. Da die Ausnahme von der Allgemeinverbindlicherklärung ausschließlich an den Tatbestand der Verbandszugehörigkeit knüpft, diese aber für das abgelaufene Jahr 2005 nicht mehr erfolgen konnte, würde eine auf den 1. Januar 2005 festgelegte Rückwirkung in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen.

Das Verbot der Rückwirkung belastender Normen leitet sich aus dem im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzip ab. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass sich der Bürger auch zeitlich auf die Normen einrichtet und er grundsätzlich nicht damit rechnen muss, das Gesetze geschaffen oder geändert werden können, um eine nachträgliche Korrektur von in der Vergangenheit abgewickelten Sachverhalten zu erreichen. Die Beitragslast, die den dem Geltungsbereich des VTV unterfallenden Betrieben aufgebürdet wird, ist derart erheblich, dass die Betriebe nicht umhinkönnen, Rückstellungen für geschuldete Beiträge vorzunehmen. Diese Beiträge sind ein Vielfaches dessen, was der Betrieb satzungsmäßig an Beitragszahlungen für den jeweiligen Arbeitgeberverband leisten müsste. Nach Ablauf eines Kalenderjahres kann die (geringere) Beitragszahlung an den Verband nicht mehr erfolgen. Die betroffenen baugewerblichen Arbeitgeber hätten also keine Möglichkeit gehabt, die (höheren) Beitragszahlungen an die Sozialkassen zu vermeiden, sie hätten sich somit auf die für sie belastende Rückwirkung der Regelung bezüglich des abgeschlossenen Kalenderjahres nicht einrichten können.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für den Kläger war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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