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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 2260/08
Rechtsgebiete: MTV P. S. vom 24.09.2004


Vorschriften:

MTV P. S. vom 24.09.2004 § 12
MTV P. S. vom 24.09.2004 § 17
MTV P. S. vom 24.09.2004 Vgr. Ap IV Fallgruppe 1
MTV P. S. vom 24.09.2004 Ap V der Anlage B
1. Regelt ein Tarifvertrag (MTV P. S. ) nicht, inwiefern bei einem Bewährungsaufstieg auch Zeiten ohne Arbeitsleistung zu berücksichtigen sind, dann zählen diese grundsätzlich mit. Dies gilt unabhängig davon, ob für diese Zeiten Lohnersatzleistungen durch den Arbeitgeber zu erbringen sind oder nicht. Eine Ausnahme kann allenfalls dann gelten, wenn praktisch keinerlei Arbeitsleistungen mehr feststellbar sind (nicht ausreichend: Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung für 2 1/2 Monate).

2. Soweit nach § 17 MTV P. S. ein Krankengeldzuschuss zu zahlen ist, sind unter Barleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur deren Netto-, sondern Bruttozahlungen zu verstehen.

3. Bei der Berechnung von Vergütungsdifferenzen können sich die Arbeitgeber im Bereich P. S. nicht darauf berufen, dass vermögenswirksame Leistungen zu Lasten der Arbeitnehmer abzuziehen sind.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 11. Februar 2009

15 Sa 2260/08

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr S. und Herr B.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.09.2008 - 39 Ca 9200/08 - hinsichtlich des Tenors zu III. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 420,42 € (vierhundertzwanzig 42/100) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 74,13 € seit dem 7. November 2007, aus weiteren 303,88 € seit dem 7. Dezember 2007, aus weiteren 42,41 € seit dem 8. Januar 2008 zu zahlen."

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 13 %, die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch zu 65 % und die Beklagte zu 2) zu weiteren 22 % zu tragen.

IV. Die Revision wird für die Beklagten zu 1) und 2) zugelassen, soweit von einer zurückgelegten Bewährung in die Vgr. Ap V ab dem 01.01.2007 ausgegangen wurde und soweit die vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 6,65 € monatlich nicht berücksichtigt wurden. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsdifferenzen in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. März 2008.

Die verheiratete Klägerin ist ausgebildete Krankenschwester und seit dem 1. April 2001 durchgängig in der Seniorenresidenz W. beschäftigt. Dort werden ausschließlich alte Patienten betreut.

Die Klägerin war vom 4. Januar 2006 bis 19. März 2006 arbeitsunfähig über den sechswöchigen Lohnfortzahlungszeitraum hinaus krank. Sie war ferner durchgängig vom 23. August 2007 bis 9. Januar 2008 arbeitsunfähig erkrankt, wobei die Beklagte zu 1) ab dem 4. Oktober 2007 einen Zuschuss zum Krankengeld zahlte. Am 1. Januar 2008 ging das Arbeitsverhältnis der Parteien im Wege des Betriebsüberganges auf die Beklagte zu 2) über.

Hinsichtlich des übrigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin hat zuletzt unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.843,93 € brutto nebst Verzugszinsen iHv. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag iHv. je 104,53 € brutto seit dem 06.02., 06.03. und 07.04.2007, und auf einen Teilbetrag iHv. je 399,41 € brutto seit dem 07.05., 06.06., 06.07., 07.08., 06.09., 06.10.2007 und auf einen Teilbetrag iHv. 133,88 € brutto seit dem 06.11.2007 zu zahlen;

2. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin 1.042,65 € brutto nebst Verzugszinsen iHv. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag iHv. 243,83 € brutto seit dem 05.02.2008 und auf je einen Teilbetrag iHv. 399,41 € brutto seit dem 06.03. und 07.04.2008 zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.070,27 € brutto nebst Verzugszinsen iHv. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf einen Teilbetrag iHv. 452,64 € brutto seit 06.11.2007, auf einen Teilbetrag iHv. 536,80 € brutto seit 06.12.2007 und auf einen Teilbetrag iHv. 80,83 € brutto seit 07.01.2008 zu zahlen;

4. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin 1,72 € brutto nebst Verzugszinsen iHv. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2008 zu zahlen;

5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 76,06 € brutto nebst Verzugszinsen iHv. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf je einen Teilbetrag iHv. 38,03 € brutto seit 06.12.2007 und 07.01.2008 zu zahlen;

6. die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin 114,09 € brutto nebst Verzugszinsen iHv. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf je einen Teilbetrag iHv. 38,03 € brutto seit dem 06.02., 06.03. und 07.04.2008 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 17. September 2008 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 1,72 € (Krankengeldzuschuss für Januar 2008) stattgegeben. Für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Oktober 2007 hat es die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.843,93 € brutto Vergütungsdifferenz zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat insofern angenommen, dass die Klägerin ab dem 1. Januar 2007 aufgrund der zurückgelegten zweijährigen Bewährungszeit nach der Vergütungsgruppe Ap V zu vergüten sei. Die Klägerin könne sich auf die Eingruppierung in diese Vergütungsgruppe berufen, selbst wenn sie Tätigkeiten als Krankenschwester ausgeübt habe. Insofern liege eine unbewusste Tariflücke vor. Die Klägerin müsse daher genauso vergütet werden wie Krankenschwestern in der Tätigkeit von Altenpflegerinnen. Die von den Beklagten gezahlten vermögenswirksamen Leistungen seien von dem Vergütungsanspruch der Klägerin bei der Differenzberechnung nicht abzuziehen. Für die Zeit vom 10. Januar 2008 bis 28. Februar 2008 sei die Beklagte zu 2) allein verpflichtet, an die Klägerin 1.042,65 € brutto zu zahlen. Für die Zeit vom 4. Oktober 2007 bis 5. Dezember 2007 habe die Klägerin Anspruch auf einen weiteren Krankengeldzuschuss in Höhe von 1.070,27 € brutto. Hierbei käme es auf die Differenz des Nettoentgelts zu dem von der Krankenkasse gezahlten Nettokrankengeldes an. Die von der Krankenkasse gezahlten Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung müssten unberücksichtigt bleiben. Für November und Dezember 2007 stehe der Klägerin ein Zuwendungszwölftel in Höhe von weiteren 76,06 € zu, die von den Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch zu zahlen sind. Für die Monate Januar bis März 2008 müsse die Beklagte zu 2) an die Klägerin weitere 114,09 € brutto im Hinblick auf das Zuwendungszwölftel zahlen.

Dieses Urteil ist beiden Beklagten am 17. Oktober 2008 zugestellt worden. Am 17. November 2008 gingen die Berufung und am 17. Dezember 2008 die entsprechende Begründung beim Landesarbeitsgericht ein.

Die Beklagten sind im Wesentlichen der Ansicht, dass Bewährungszeiten nicht in Zeiträumen zurückgelegt werden könnten, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ohne Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist. Bei den monatlichen Vergütungsdifferenzen sei auch zu berücksichtigen, dass sie vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 6,65 € brutto erbracht hätten. Beim Krankengeldzuschuss sei nicht vom Nettokrankengeld, sondern vom Bruttokrankengeld auszugehen.

Die Beklagten beantragten,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.09.2008, Az: 39 Ca 9200/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin behauptet, sie habe schon immer die Tätigkeit einer Altenpflegerin ausgeübt. Hinsichtlich der Bewährungszeiten sei die Krankheitsperiode vom 4. Januar 2006 bis 19. März 2006 unschädlich. Dies ergebe sich hilfsweise daraus, dass selbst der BAT davon ausgeht, dass weit längere Arbeitsunfähigkeitszeiten bei der Bewährung mitzurechnen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten zu 1) und 2) ist zulässig, aber nur in einem geringen Umfang begründet. Der im Tenor zu III. vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Zuschuss zum Krankengeld beträgt nicht 1.070,27 € brutto, sondern nur 420,42 € brutto. Insofern war das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Im Übrigen war die Berufung jedoch unbegründet.

I.

1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Beklagten zu 1) und 2) verurteilt, an die Klägerin die im Tenor zu I., II., IV. und V. festgesetzten Beträge zu zahlen. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgebrachten Rügen und die inzwischen unstreitige Tatsache, dass in der Seniorenresidenz W. nur alte Menschen betreut werden, ist folgendes zu ergänzen:

1.1 Soweit die Beklagten wortreich immer noch meinen, Ansprüche aus den Tarifverträgen könnten deswegen nicht bestehen, weil ein entsprechender neuer Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen worden sei, ist dies rechtsirrig. Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung zu der hiesigen Fallkonstellation davon aus, dass es auf einen neu unterzeichneten Arbeitsvertrag nicht ankommt (BAG vom 09.04.2008 - 4 AZR 123/07 - juris Rn. 28).

1.2 Im Gegensatz zu der ursprünglich von den Beklagten vertretenen Rechtsauffassung kann die Klägerin sich auf die Eingruppierungsmerkmale der Anlage B zum MTV berufen. Zwar ist die Klägerin keine Altenpflegerin, doch der Vorbemerkung Nr. 2 der Anlage B zum MTV werden Krankenschwestern, die Tätigkeiten von Altenpflegerinnen ausüben, als Altenpflegerinnen eingruppiert. Dies ist bei der Klägerin - im Gegensatz zu der Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin - der Fall. In der Berufungsverhandlung hat der Beklagtenvertreter unstreitig gestellt, dass in der Seniorenresidenz Wasserstadt ausschließlich alte Menschen gepflegt werden. Daher kann die Klägerin auch nur mit Tätigkeiten von Altenpflegerinnen betraut gewesen sein. Dem entspricht auch das "Anforderungsprofil-Pflegefachkraft", das der Klägerin ausgehändigt worden war (Bl. 219 ff. d. A.). Insofern konnte offen bleiben, ob die Tätigkeit einer Krankenschwester, die nur als solche eingesetzt wird, im Wege der Ausfüllung einer Tariflücke genauso zu vergüten ist wie die Tätigkeit einer Altenpflegerin (so das BAG vom 02.07.2008 - 4 AZR 301/07 - juris Rn. 25).

1.3 Die Klägerin hat in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 auch die erforderliche zweijährige Bewährungszeit erfolgreich zurückgelegt. Soweit die Beklagten meinen, die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 4. Januar 2006 bis 19. März 2006, für die keinerlei Entgeltfortzahlungsansprüche bestanden hat, könne bei der Bewährungszeit nicht berücksichtigt werden, ist dies nicht zutreffend.

Da die hiesigen Bewährungszeiten frühestens mit Inkrafttreten des Tarifvertrages am 1. Januar 2005 nach der Rechtsprechung des BAG beginnen, war die zweijährige Bewährungszeit mit dem 31. Dezember 2006 abgelaufen. Innerhalb dieser zwei Jahre hat die Klägerin sich in der Tätigkeit als Altenpflegerin bewährt.

Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass auch im hiesigen Tarifwerk der Begriff der Bewährung ähnlich wie in den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes auszulegen ist, da die Parteien sich - wie in zahlreichen anderen Punkten - an diese angelehnt haben (BAG vom 02.07.2008 - 4 AZR 301/07 - juris Rn. 29). Danach ist das Erfordernis der Bewährung dann erfüllt, wenn der Angestellte während der vorgeschriebenen Bewährungszeit sich in der ihm übertragenen Tätigkeit auftretenden Anforderungen der Ausgangsvergütungsgruppe gewachsen gezeigt hat. Herausragende Leistungen müssen nicht erbracht werden. Es genügt die qualitative und quantitative Normalleistung, die nach den herkömmlichen Beurteilungssystemen mit "genügt den Anforderungen" zu bewerten wäre (a. a. O.).

Bei Anwendung dieser Kriterien hat die Klägerin die Bewährungszeit erfolgreich zurückgelegt. Die Beklagte hat an keiner Stelle vorgetragen, dass Kritik an der Arbeitsleistung der Klägerin anzubringen gewesen wäre.

Die Beklagte meint jedoch, die Klägerin habe deswegen die zweijährige Bewährungszeit nicht zurückgelegt, weil zwischenzeitlich Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Lohnersatzleistungen vorgelegen haben. Dem ist nicht zu folgen.

Regelt ein Tarifvertrag nicht, inwiefern bei einem Bewährungsaufstieg auch Zeiten ohne Arbeitsleistung zu berücksichtigen sind, dann zählen diese grundsätzlich mit. Dies gilt unabhängig davon, ob Lohnersatzleistungen durch den Arbeitgeber zu erbringen sind oder nicht. Es kann offen bleiben, ob eine Ausnahme allenfalls dann gilt, wenn praktisch keinerlei Arbeitsleistung mehr vorliegt. Letzteres ist jedenfalls bei einer zweijährigen Bewährungszeit selbst dann nicht der Fall, wenn zwischenzeitlich etwas über 10 Wochen Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Lohnersatzleistungen vorlag.

Die Tarifvertragsparteien haben hier anders als im öffentlichen Dienst keinerlei Regelungen dazu getroffen, ob unter bestimmten Voraussetzungen Zeiten ohne Arbeitsleistung nicht anzurechnen sind. Gerade wegen des Fehlens derartiger Regelungen kann von einer Nichtberücksichtigung nicht ausgegangen werden. Dies betrifft auch Zeiten, in denen der Arbeitgeber keinerlei Lohnersatzleistungen zu erbringen hat. Auch insofern fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die Tarifvertragsparteien entsprechend dem Kriterium der zu zahlenden Lohnersatzleistungen hätten differenzieren wollen. Soweit ersichtlich liegt bisher nur die Entscheidung der hiesigen Kammer vom 07.01.2009 (15 Sa 1717/08) vor, wonach Zeiten der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz und Zeiten, für die der Arbeitgeber Lohnersatzleistungen zu erbringen hat, jedenfalls mitzuzählen sind. Zu einem anderen Tarifwerk hat das LAG München (vom 31.10.2000 - 6 Sa 1213/99 - juris) bei einer 18-jährigen Bewährungszeit diese dann nicht als erfüllt angesehen, wenn innerhalb der letzten drei Jahre an über fünfhundert Arbeitstagen krankheitsbedingte Fehlzeiten vorlagen. Es kann offen bleiben, ob dem zu folgen ist. Gerade weil im hiesigen Tarifwerk auch Bewährungszeiten von bis zu acht Jahren vorgesehen sind, muss üblicherweise immer mit Zeiten gerechnet werden, an denen der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt. Wenn die Tarifvertragsparteien jedoch keinerlei Regelungen dazu treffen, inwiefern diese Zeiten nicht berücksichtigungsfähig sind, dann kann hieraus nur abgeleitet werden, dass sie an einer differenzierenden Regelung keinerlei Interesse hatten. Jedenfalls können die Gerichte derartige Regelungen nicht ersatzweise vorgeben. Vorliegend verbleiben noch genügend Zeiten, um die Arbeitsleistung der Klägerin sinnvoll beurteilen zu können.

1.4 Rechtsirrig ist die Auffassung der Beklagten, die Klage sei hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2007 bis 31. März 2007 unzulässig, da das Arbeitsgericht Berlin im Urteil vom 13. April 2007 der Klägerin schon die Differenz zwischen der bisher gezahlten Vergütung und der Vergütung nach der Vgr. Ap IV zugesprochen hat. Damit hat das Arbeitsgericht jedoch nur über die Vergütung bis zur Vgr. Ap IV entschieden, nicht aber über den hier streitigen Vergütungsanteil, der darüber hinausgeht.

1.5 Nicht abzuziehen sind die monatlich erbrachten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 6,65 €.

Das LAG Baden-Württemberg hat in zahlreichen Entscheidungen (z. B. 02.08.2007 - 11 Sa 136/06 - juris Rn. 161, BAG: 4 AZR 774/07) überzeugend ausgeführt, dass die vermögenswirksamen Leistungen (VWL) den Differenzlohnanspruch des Arbeitnehmers nicht schmälern. Dies seien freiwillige Leistungen des Arbeitgebers, die dieser ausweislich der Lohnabrechnungen zusätzlich zu der geschuldeten Vergütung leisten wollte und zu der er vertraglich nicht verpflichtet war. Dies schließe eine Verrechnung mit dem geschuldeten Tariflohn aus. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.

1.6 Soweit die Beklagten meinen, der Klägerin stehe deswegen ein höheres Zuwendungszwölftel nicht zu, weil sie eine höhere Vergütung nicht verlangen könne, ist dies nach den obigen Ausführungen ebenfalls unzutreffend.

2. Für den Zeitraum vom 4. Oktober 2007 bis 5. Dezember 2007 steht der Klägerin nur ein weiterer Krankengeldzuschuss in Höhe von 420,42 € brutto nebst Zinsen zu. Soweit das Arbeitsgericht die Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung von weiteren 649,85 € brutto verurteilt hat, ist die Berufung begründet. Das Urteil ist insofern abzuändern und die Klage hinsichtlich dieses weiteren Betrages abzuweisen.

2.1 Die Beklagen sind tarifvertraglich zur Zahlung eines Krankengeldzuschusses verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 17 I. 1. 2. Unterabsatz. Dieser lautet:

"Darüber hinaus wird in ein- und demselben Krankheitsfall ab der siebten Woche ein Zuschuss zu den Barleistungen der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung ... bis zur Höhe der Nettovergütung bei einer Beschäftigungszeit ... von mehr als 5 Jahren bis zum Ende der 15. Woche der Arbeitsunfähigkeit gezahlt."

2.2 Das Arbeitsgericht hat fälschlicherweise den Begriff der Barleistungen der Krankenversicherung dahingehend ausgelegt, es käme auf die Nettozahlungen an. Tatsächlich ist hier jedoch von den Bruttozahlungen der Krankenkasse auszugehen, so dass auch deren Leistungen zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung mit zu berücksichtigen sind. Die Tarifvertragsparteien haben hier einen Begriff benutzt, der auch in zahlreichen anderen Tarifverträgen Verwendung findet. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, hierunter die Bruttoleistungen zu verstehen (BAG vom 10.12.1986 - 5 AZR 517/85 - juris; BAG vom 21.08.1997 - 5 AZR 517/96 - juris; LAG Hamm vom 18.07.2007 - 18 Sa 287/07 - juris). Der hiesige MTV bietet keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien für ihren Bereich von dieser ständigen Rechtsprechung haben abweichen wollen (LAG Berlin-Brandenburg vom 20.01.2009 - 3 Sa 1841/08 zu I. 2. d. Gr.).

2.3 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten für den Zeitraum vom 4. Oktober 2007 bis 5. Dezember 2007 einen Zuschuss zum Krankengeld zu zahlen haben. Ausweislich der Bescheinigung der Krankenkasse vom 17. Oktober 2007 (Bl. 43 d. A.) beträgt der Zuschuss kalendertäglich (bei 30 Tagen) 40,94 € brutto somit monatlich 1.228,20 € brutto.

Die Klägerin hat auf Seite 9 ff. der Klageschrift das maßgebliche Entgelt der letzten zwölf Monate zutreffend auf Basis der ihr zustehenden höheren Vergütung berechnet. Im Durchschnitt bezog sie danach eine Monatsvergütung in Höhe von 2.400,06 € brutto, was einem monatlichen Nettoentgelt in Höhe von 1.532,08 € entspricht. Die Beklagte hat hiergegen substanziierte Einwendungen auch nicht vorgetragen.

Für den Monat Oktober sind die entsprechenden Entgelte auf 28/31 und für den Monat Dezember auf 5/31 zu kürzen. Danach ergeben sich folgende Beträge:

 MonatOktoberNovemberDezember 2007
Nettovergütung1.383,81 1.532,08247,11
Bruttokrankengeld1.109,341.228,20204.70
gezahlt200,340,000,00
 = 74,13 € 303,88 €42,41 €

II.

1. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien entsprechend des Verhältnisses des jeweiligen Unterliegens zu tragen (§ 92 ZPO), wobei die Beklagten zu 1) und 2) teilweise gem. § 100 Abs. 4 S. 1 ZPO gesamtschuldnerisch haften.

2. Die Revision war für die Beklagten zu 1) und 2) zuzulassen, soweit von einer zurückgelegten Bewährung ab dem 01.01.2007 ausgegangen und die Beklagten insofern zur Zahlung einer über die Vergütungsgruppe Ap IV hinausgehenden Entgeltzahlung verurteilt wurden. Insofern ist höchstrichterlich nicht geklärt, ob als Bewährungszeiten auch Zeiten rechnen, in denen der Arbeitnehmer nicht arbeitet und er auch keine Vergütungsersatzleistungen vom Arbeitgeber erhält. Wäre der Rechtsauffassung der Beklagten zu folgen, dann wäre die Zeit vom 4. Januar 2006 bis 19. März 2006 auf die Bewährungszeit nicht anzurechnen mit der Folge, dass die zweijährige Bewährung erst Mitte März 2007 zurückgelegt worden wäre. Gem. § 12 b Ziff. 4 MTV hätte die höhere Vergütung somit erst ab dem 1. März 2007 zugesprochen werden dürfen. Für die beiden Vergütungsdifferenzen hinsichtlich der Grundvergütung im Januar und Februar 2007, somit in Höhe von insgesamt 209,06 € brutto, war die Revision daher zuzulassen. Sie war ferner zuzulassen, soweit bei der Berechnung der Vergütungsdifferenzzahlungen zu Lasten der Beklagten die vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von jeweils 6,65 € monatlich nicht berücksichtigt wurden. Auch diese Frage ist höchstrichterlich nicht entschieden. Insofern war für die Beklagten zu 1) und 2) die Revision in Höhe von 12 x 6,65 € = 79,80 € und für die Beklagte zu 2) für die drei Monate des Jahres 2008 in Höhe von insgesamt 19,95 € zuzulassen. Hierbei konnte offen bleiben, ob in den Monaten November und Dezember 2007 vermögenswirksame Leistungen gezahlt wurden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass mögliche Zahlungen in den Abrechnungen für diese beiden Monate nicht enthalten waren. Im Übrigen war die Revision nicht zuzulassen, da nur eine Einzelfallentscheidung vorliegt oder die aufgeworfene Rechtsfrage geklärt ist. Letzteres betrifft insbesondere die Berechnung des Krankengeldzuschusses im Sinne des § 17 MTV, denn zum Begriff der Barleistungen der Krankenversicherungsträger liegt eine fest gefügte höchstrichterliche Rechtsprechung vor.

Soweit die Revision nicht zugelassen wird, werden die Parteien auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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