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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 23 Sa 450/07
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 113
BGB § 622
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 11. Juli 2007

23 Sa 450/07

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 23. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht P. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Frau J. und Herr M.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.01.2007 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren nur noch um die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist.

Der am .....1966 geborene Kläger war seit dem 1.8.1994 bei dem Dipl. -Ing. H. O. beschäftigt. Über dessen Vermögen ist am 2.5.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Auf die von ihm am 29.7.2007 zum 30.11.2005 ausgesprochene und unter Vorbehalt angenommene Änderungskündigung hin einigten sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht Neuruppin durch Vergleich vom 7.10.2005 - 5 Ca 1732/05 - auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.2005, die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 2.000,00 Euro sowie die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1.9.2005 zu den Bedingungen des der Änderungskündigung beigefügten Arbeitsvertrages. In ihm ist unter § 3 Abs. 2 festgehalten, dass für eine Kündigung die gesetzlichen Kündigungsfristen gem. § 622 BGB gelten. Unter § 19 ist zudem der Beginn der Betriebszugehörigkeit ab dem 1.8.1994 vereinbart. Der Beklagte, der in dem Betrieb des Schuldners keine fünf Arbeitnehmer beschäftigt, sprach gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 20.9.2006 aus betriebsbedingten Gründen eine Beendigungskündigung zum 31.12.2006 aus. Mit der am 10.10.2006 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung und die Einhaltung der zum 28.2.2007 ablaufenden ordentlichen Kündigungsfrist geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.1.2007 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung erst zum 28.2.2007 aufgelöst worden ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 2.2.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1.3.2007 Berufung eingelegt und sie am 2.5.2007 innerhalb der verlängerten Frist begründet. Der im Termin vom 11.7.2007 erklärten Klagerücknahme hat er die Zustimmung verweigert.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die der Kündigung zu Grunde gelegte Frist des § 113 InsO der in dem Arbeitsvertrag vereinbarten längeren gesetzlichen Frist vorgeht.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.1.2007 - 38 Ca 18513/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, der gemäß § 113 InsO nicht auf Arbeitsverhältnisse Anwendung findet, die der Insolvenzverwalter neu vereinbart. Zudem sei das Arbeitsverhältnis durch den Vertrag vom 1.9.2005 auf eine neue Grundlage gestellt worden. Durch die dort anerkannte Betriebszugehörigkeit habe der Beklagte bewusst auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 113 InsO verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Über sie war durch Urteil zu entscheiden, weil der Beklagte der im Termin vom 11.7.2007 erklärten Klagerücknahme des Klägers die nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG. Abs. 1 ZPO erforderliche Zustimmung versagt hat. Die Kündigung des Beklagten vom 20.9.2006 hat das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.12.2006 beendet. Die Kündigungsfrist ist gemäß § 113 Satz 2 InsO zutreffend mit drei Monaten zum Monatsende berechnet und eingehalten worden. Die Beklagte konnte die Kündigung mit der Frist des § 113 InsO aussprechen.

1. Nach § 113 InsO beträgt die Frist für die Kündigung eines Dienstverhältnisses mit den Schuldner durch den Insolvenzverwalter drei Monaten zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgebend ist. Dienstverhältnis im Sinne der Vorschrift ist auch ein Arbeitsverhältnis. Längere gesetzliche, tarifvertragliche und einzelvertragliche Kündigungsfristen werden durch §113 InsO verdrängt. Die sich für den Kläger aus § 622 Abs. 2 Nummer 5 BGB i.v.m. § § 3 Abs. 2, 19 seines Arbeitsvertrages ergebende längere Kündigungsfrist kommt daher nicht zur Anwendung. 1.1 Allerdings ist es umstritten, ob § 113 InsO auch auf Dienstverhältnisse Anwendung findet, die der Insolvenzverwalter mit Wirkung für die Masse neu begründet. Der die Anwendung bejahenden Auffassung (vgl. KR Weigand, 8. Auflage, § 113 InsO, Rn. 19), wird entgegengehalten, dass die Anwendung vom Sinn der Vorschrift nicht geboten sei, die unter den veränderten Bedingungen der Insolvenz einen raschen Personalabbau ermöglichen und frühere Entscheidungen oder Entwicklungen korrigieren will, die zu sehr langen Kündigungsfristen oder zu einer vereinbarten Unkündbarkeit geführt haben. Bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte sei die Situation grundsätzlich anders, da der Insolvenzverwalter seine Aufgaben und damit den zu erwartenden Arbeitsanfall überschauen kann (vgl. KDZ Däubler, KSchR, 5. Auflage, § 113 InsO Rn. 13).

1.2 Eine derartige Einschränkung wird vom Wortlaut des § 113 InsO nicht gedeckt. Er stellt nicht darauf ab, wann dass Dienstverhältnis begründet worden ist. Maßgeblich ist allein, dass ein Dienstverhältnis besteht, bei dem der Schuldner Dienstberechtigter ist. Das ist auch dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter auf Grund der ihm gemäß § 80 InsO übertragenen Rechtsposition Arbeitnehmer einstellt.

1.3 Nichts anders ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 113 InsO. Er besteht darin, die Belastung der Insolvenzmasse zu begrenzen. Regelungsziel ist ein Ausgleich zwischen den Belangen der Beschäftigten und der übrigen Insolvenzgläubiger. Das Entstehen von Masseschulden soll begrenzt werden, die darauf beruhen, dass der Insolvenzverwalter keinen Beschäftigungsbedarf mehr hat und Vergütungsansprüche ohne Gegenleistung entstehen. Andererseits haben auch die Dienstverpflichteten im Insolvenzfall wegen der Gefährdung ihrer Stellung und ihrer Vergütungsansprüche ein Interesse daran, ohne Einhaltung langer Kündigungsfristen aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden, um eine neue Tätigkeit aufnehmen zu können (vgl. Kübler / Prütting, InsO, § 113 Rn 6; APS - Dörner, 2. Auflage, § 113 Rn. 6). Dieser Regelungszweck kommt nicht nur bei den zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden, sondern auch bei den von dem Insolvenzverwalter begründeten Dienstverhältnissen zum Tragen. Zwar dürften im letzten Fall kürzere Kündigungsfristen als die des § 113 InsO der Regelfall sein. Das Vorhandensein längerer Kündigungsfristen ist aber nicht ausgeschlossen. Demgegenüber berücksichtigt die Gegenansicht, der Insolvenzverwalter könne bei der Einstellung neuer Arbeitskräfte seine Aufgaben und den zu erwartenden Arbeitsanfall überschauen, nicht die Interessen der neu eingestellten Arbeitnehmer, die diesen Überblick nicht haben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine von dem Insolvenzverwalter betriebene Sanierung des Unternehmens sich über Jahre sowie unter einem wechselhaften und keineswegs von vornherein mit Sicherheit vorhersehbaren Arbeitskräftebedarf hinziehen kann. Der Regelungszweck des § 113 InsO kann daher auch bei Neueinstellungen zur Geltung kommen.

1.4 Angesichts des Wortlauts und des Zwecks der Regelung kann ihr Zusammenhang mit § 108 InsO zu keinem anderen Ergebnis führen. § 108 InsO bestimmt die Wirkung der Insolvenzeröffnung auf bestehende Rechtsverhältnisse. Mit der Anordnung ihres Fortbestehens sollen sie der Anwendbarkeit des § 102 InsO entzogen werden, der dem Insolvenzverwalter ein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung bestehender Verträge einräumt. Der Zusammenhang des § 113 InsO mit § 108 InsO kann jedoch nicht ausschließen, dass von der Kündigungsregelung nicht nur die bei Eröffnung bestehenden sondern auch die danach begründeten Dienstverhältnisse erfasst werden.

1.5 Letztlich kann diese Frage jedoch unentschieden bleiben, weil im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht durch den Insolvenzverwalter neu begründet worden ist.

2. Es liegt keine Neueinstellung durch den Insolvenzverwalter vor. Der Kläger hatte die von dem Insolvenzverwalter am 29.8.2005 zum 30.11.2005 ausgesprochene Änderungskündigung am 6.9.2005 unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen. Der auf seine Kündigungsschutzklage hin am 7.10.2005 geschlossene Vergleich sieht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.2005 und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1.9.2005 zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vor, den der Kläger am 6.9.2005 unter Vorbehalt angenommen hat. Damit ist er bis zur Kündigung vom 20.9.2006 ununterbrochen weiterbeschäftigt worden. Gegenüber der Änderungskündigung ist lediglich die Änderung der Arbeitsbedingungen um drei Monate vorgezogen und dafür dem Kläger eine Abfindung gezahlt worden. Zwar ist ausdrücklich die Beendigung des bisherigen und die Begründung des mit der Änderungskündigung vorgelegten Arbeitsvertrages vereinbart worden. Die Vereinbarung zielte aber nicht auf ein Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb oder auf die endgültige Beendigung des Rechtsverhältnisses und einem völligen Neuanfang ab. Vielmehr sollte der Kläger weiterhin als Vermessungsingenieur beschäftigt werden. Die bisherige Betriebszugehörigkeit blieb ihm voll erhalten. Der Vergleich hat lediglich hinsichtlich des Änderungszeitpunktes das Ergebnis modifiziert, dass auf Grund der unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung und der Kündigungsschutzklage vorgegeben war, nämlich Weiterbeschäftigung zu den bisherigen oder den geänderten Arbeitsbedingungen. Darin liegt keine Neubegründung des Arbeitsverhältnisses.

3. Der Insolvenzverwalter hat sein Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Frist des § 113 InsO nicht durch die Regelung der Kündigungsfristen in § 3 Abs. 2 und die Anrechnung der Betriebszugehörigkeit in § 19 des Arbeitsvertrages verloren. § 113 InsO ist unabdingbar. Das in ihm geregelte Kündigungsrecht kann gemäß § 119 InsO nicht durch Vereinbarungen im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die dafür erforderlichen Voraussetzungen nach § 72 ArbGG nicht gegeben sind. Die Entscheidung beruht letztlich auf der einzelfallbezogenen Frage, ob eine Neueinstellung vorlag, während die Frage, ob § 113 InsO auf Neueinstellungen anwendbar ist letztlich dahingestellt bleiben konnte. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Ende der Entscheidung

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