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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 04.06.2009
Aktenzeichen: 5 Sa 368/09
Rechtsgebiete: KSchG, TzBfG


Vorschriften:

KSchG § 5
TzBfG § 17
Ein Rechtsanwalt verstößt nicht gegen anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er sich die Akte einer 10 Tage vor Fristablauf zur Post gegebenen Kündigungsschutzklage nach vier Wochen wieder vorlegen läßt.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

5 Sa 368/09

Verkündet am 04.06.2009

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 5. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2009 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht M. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter O. und ehrenamtliche Richterin Sch.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.11.2008 - 56 Ca 12576/08 - abgeändert.

Die Klage wird nachträglich zugelassen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten u.a. um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund der im Arbeitsvertrag vom 15.12.2006 (Bl. 10/ 11 d. A.) vorgesehenen Befristung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2008 und in diesem Zusammenhang zunächst um die nachträgliche Zulassung der am 28.07.2008 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und am 04.08.2008 zugestellten Klage.

Die Klägerin hat vorgetragen und durch anwaltliche und eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.06.2008 einen Klageauftrag erteilt und dieser die Klage am 12.06.2008 diktiert und am 13.06.2008 unterschrieben habe, dass diese noch am gleichen Tage von der Bürovorsteherin in den Briefkasten geworfen worden sei und dass bei aufgrund anwaltlich verfügter Wiedervorlage der Akte am Freitag, dem 11.07.2008 festgestellt worden sei, dass noch keine Ladung eingegangen sei. Am darauf folgenden Montag, dem 14.07.2008, habe ihr Prozessbevollmächtigter bei einem Telefonanruf bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts erfahren, dass keine Klage eingegangen sei. Die Klage sei mangels Verschuldens an der Nichteinhaltung der Klagefrist nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat gemeint, dass die Klägerin die Frist von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht gewahrt habe. Der Klägervertreter habe sich eine kürzere Wiedervorlagefrist notieren müssen.

Mit Zwischenurteil vom 19.11.2008 - 56 Ca 12576/08 -, auf dessen Tatbestand (Bl. 62/ 63 d. A.) wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die 3-Wochen-Frist für die Klageerhebung habe am Montag, dem 23.06.2008, geendet. Es könne unterstellt werden, dass die fristgerecht abgeschickte Klageschrift abhanden gekommen sei und hierfür ein Verschulden nicht vorliege. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sich jedoch eine dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz und der Klagefrist von § 4 KSchG, § 17 TzBfG entsprechende Wiedervorlagefrist von 3 Wochen notieren müssen, um ein etwaiges Abhandenkommen der Klageschrift möglichst frühzeitig zu bemerken. Diese Frist sei nicht unzumutbar, da jedenfalls beim Arbeitsgericht Berlin innerhalb von 10 bis 14 Tagen mit einem Ladungseingang zu rechnen sei, wie die Zustellung der vorliegenden Klage zeige. Bei Einwurf der Klageschrift in den Briefkasten am Freitag, dem 13.06.2008, kurz nach 12 Uhr habe man einen Zugang am Montag dem 16.06.2008 annehmen können. Bei einer Wiedervorlagefrist auf Montag, dem 07.07.2008, habe bis Freitag, den 11.07.2008, geklärt werden können, ob die Klageschrift das Arbeitsgericht Berlin erreicht habe. Die 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 KSchG habe dann an diesem Tage, und nicht erst am 14.07.2008 begonnen. Der Eingang der vorliegenden Klage am 28.07.2008 sei daher verspätet gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Zwischenurteils (Bl. 63 bis 67 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses, der Klägerin am 26.01.2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 23.02.2009 eingegangene Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis Montag, dem 27.04.2009 mit am 24.04.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen aus, ihre Prozessbevollmächtigten, die die Klageschrift 10 Tage vor Ablauf der Klagefrist rechtzeitig und vollständig auf den Postweg gebracht hätten, treffe kein Verschulden am Unterbleiben dieser Briefbeförderung. Da sie bereits für hinreichend sichere Ausgangskontrollen sorgen müssten, was im vorliegenden Fall problemlos funktioniert habe, könnten sie nicht regelmäßig auch noch gehalten sein, den Eingang der Schriftsätze bei Gericht zu überwachen. Nur bei konkretem Anlass bzw. einem Zeitablauf, bei dem sich Zweifel am Eingang der Klageschrift geradezu aufdrängen müssten, könne von einer vermeidbaren Gleichgültigkeit ausgegangen werden. Das Arbeitsgericht überspanne die Sorgfaltsanforderungen der Prozessbevollmächtigten in einem arbeitsgerichtlichen Bestandsschutzverfahren deutlich, wenn es im Hinblick auf den arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz, unabhängig vom Zeitpunkt der Absendung der Klage, die Klagefrist auf die Wiedervorlagefrist übertrage, ab deren Ablauf hinterher telefoniert werden müsse. Die Möglichkeit der nachträglichen Klagezulassung diene einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung, der Zugang zum Gericht dürfe nicht unzumutbar erschwert werden. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass mit einem Ladungseingang zum Gütetermin innerhalb von 10 bis 14 Tagen auszugehen sei, treffe manchmal zu, manchmal aber auch nicht. Eine Erkundigungspflicht bereits nach drei Wochen sei auch im Hinblick auf den arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz verfassungswidrig.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,

das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.11.2008 - 56 Ca 12576/08 - abzuändern und die Klage nach Ablauf der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, es komme vorliegend nicht auf eine Eingangskontrolle der Klage bei Gericht, sondern auf die anwaltliche Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG an. Diese Frist beginne bereits dann, wenn der Prozessbevollmächtigte bei zumutbarer Sorgfalt Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist hätte erlangen können. Bei normalem Lauf der Dinge hätte die Ladung den Klägervertreter innerhalb von zwei bis drei Wochen erreicht. Das Ausbleiben der Ladung habe sich ihm bereits nach drei Wochen aufdrängen müssen. In diesem Fall gehöre es zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten, sich nach dem Klageeingang bei Gericht zu erkundigen. Bei Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten hätte der Klägervertreter deshalb bereits am 07.07.2008 erfahren können, das die Frist versäumt war. Die Zweiwochenfrist habe deshalb am 07.07.2008 zu laufen begonnen und am 22.07.2008 geendet. Selbst wenn man eine vierwöchige Wiedervorlagefrist als angemessen betrachte, hätte der Klägervertreter schon am Tage der Wiedervorlage am 11.07.2008 Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist erlangen können. Die Frist für den Antrag auf nachträgliche Zulassung habe dann am 25.07.2008 geendet. Der Antrag sei daher in beiden Fällen verfristet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.04.2009 (Bl. 84 bis 92 d. A.), den Schriftsatz der Beklagten vom 18.05.2009 (Bl. 97 bis 101 d. A.) und das Protokoll des Verhandlungstermins vom 04.06.2009 (Bl. 102/ 103 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c) und § 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG statthafte Berufung der Klägerin gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5 und § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 fristgemäß eingelegt und begründet. Sie ist daher zulässig.

II.

Die Berufung hatte auch in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen einer nachträglichen Klagezulassung nach § 17 Satz 2 TzBfG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG sind gegeben.

1. Die Klage ist verspätet eingegangen.

Nach § 17 Satz 1 TzBfG muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach den vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist, wenn er die Rechtsunwirksamkeit der Befristung geltend machen will.

Die Parteien vereinbarten in dem letzten Arbeitsvertrag vom 15.12.2006, dass das Arbeitsverhältnis spätestens am 31.05.2008 ende. Die Klage hätte deshalb unter Einhaltung der Frist von drei Wochen spätestens am 23.06.2008 beim Arbeitsgericht eingehen müssen. Ihr tatsächlicher Eingang am 28.07.2008 war somit verspätet.

2. Die Klägerin war im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage gemäß § 17 Satz 1 TzBfG vor Ablauf von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages zu erheben.

Sie hat durch anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten, Vorlage von Kopien der ursprünglichen Klageschrift vom 13.06.2008 sowie der Prozessvollmacht vom 11.06.2008 und eidesstattliche Versicherung der Bürovorsteherin ihres Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass sie ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.06.2008 einen Klageauftrag erteilt und dieser die Klage am 12.06.2008 diktiert und am 13.06.2008 unterschrieben hat, sowie, dass diese noch am gleichen Tage von der Bürovorsteherin in den Briefkasten geworfen worden ist.

Mit diesem Ablauf haben die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter den Sorgfaltsanforderungen für einen fristwahrenden Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht in vollem Umfang genügt. Der Prozessbevollmächtigte wurde von der Klägerin 11 Tage nach vereinbartem Ende des Arbeitsvertrages rechtzeitig mit der Fertigung der Klage beauftragt. Die unverzüglich gefertigte und unterschriebene Klage ist 10 Tage vor Fristablauf in den Postweg gegeben worden. Bei normalem Verlauf hätte sie das Arbeitsgericht daher rechtzeitig erreicht.

Der rechtzeitige Eingang der Klage beim Arbeitsgericht wurde allein dadurch verhindert, dass die Klageschrift auf dem Postweg untergegangen ist. Dies haben weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter zu vertreten.

3. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung ist, vorschriftsmäßig mit der Klageerhebung verbunden (§ 5 Abs. 2 Satz 1 KSchG), am 28.07.2008 fristwahrend im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG beim Arbeitsgericht eingegangen.

3.1 Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Die Antragsfrist beginnt somit spätestens mit Kenntnis vom Hindernis oder dessen Wegfall. Sie kann aber auch schon zu einem früheren Zeitpunkt beginnen, wenn die Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses bei Aufbieten der zumutbaren Sorgfalt bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erlangt werden können, weil dann die fortbestehende Unkenntnis nicht mehr unverschuldet ist (vgl. KR-Friedrich, 8. Aufl., § 5 KSchG Rz 104a).

Im vorliegenden Fall wurde das Hindernis am 14.07.2008 im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG behoben. An diesem Tag hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin durch Telefonanruf bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts erfahren, dass die ordnungsgemäß auf den Postweg gebrachte Klageschrift vom 13.06.2008 dort nicht eingegangen war. Der Eingang des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung am 28.14.2007 wahrte deshalb die Zwei-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt nicht zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis vom fehlenden Eingang der ursprünglichen Klageschrift erhalten können. Die umstrittene Frage, ob es für die Kenntnisnahme von der Versäumung der Klagefrist auf die Person des klagenden Arbeitnehmers oder die des von ihm beauftragten Prozessbevollmächtigten ankommt bzw. ob bei Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist (vgl. zum Meinungsstand KR-Friedrich, aaO, Rz 112), kann deshalb dahinstehen.

3.2 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin verstieß entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht gegen anwaltliche Sorgfaltspflichten, wenn er am 13.06.2008, also 10 Tage vor Ablauf der Klagefrist, eine Wiedervorlage der Akte des Verfahrens nach vier Wochen verfügte, weshalb er erst am Freitag, dem 11.07.2008 bemerkte, dass eine Ladung zum Gütetermin nicht eingegangen war. Er war nicht gehalten, eine Wiedervorlage der Klageakte bereits nach drei Wochen anzuordnen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruht die in den verschiedenen Verfahrensordnungen festgelegte Möglichkeit, im Falle der unverschuldeten Fristversäumung Wiedereinsetzung zu erlangen, auf einer Abwägung der Erfordernisse der Rechtssicherheit gegen die Forderung der materiellen Gerechtigkeit. Wiedereinsetzungsregelungen dienen somit unter Beachtung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG der Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit und der rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung. Deswegen dürfen gesetzliche, die Wiedereinsetzung regelnde Vorschriften sowie die Anwendung und Auslegung derselben die Anforderung zur Wiedereinsetzung nicht überspannen. Der Zugang zum Gericht darf nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert werden. Zwar begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, im Verfahren der Wiedereinsetzung als "Wegfall des Hindernisses den Zeitpunkt zu verstehen, in dem der Prozessbeteiligte oder sein Vertreter von der Fristversäumnis Kenntnis erhalten hat oder bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache hätte haben können, denn Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG schützen nicht denjenigen, der der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenübersteht. Daraus lässt sich jedoch nicht die Forderung an einen Prozessbevollmächtigten ableiten, sich kurz nach Absendung eines fristwahrenden Schriftstücks nach dessen Eingang bei Gericht zu erkundigen, wie er auch regelmäßig nicht gehalten ist den Eingang seiner Schriftsätze bei Gericht zu überwachen (vgl. Kammerbeschluss des BVerfG vom 11.01.1991 - 1 BvR 1435/89 -, NJW 1992, S. 38 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat die für Wiedereinsetzungsregelungen entwickelten Grundsätze auch auf die nachträgliche Klagezulassung nach § 5 Abs. 1 KSchG angewandt (vgl. Kammerbeschluss des BVerfG vom 25.02.2000 - 1 BvR 1363/99 -, EzA § 5 KSchG Nr. 32).

Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die Verfügung einer Wiedervorlagefrist von vier Wochen im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen anwaltliche Sorgfaltspflichten betrachtet werden. Eine solche Fristsetzung ist üblich und im Regelfall als ausreichend zur ordnungsgemäßen Verfolgung der Rechtssache im arbeitsgerichtlichen Verfahren anzusehen. Der seltene Fall des Abhandenkommens eines Schriftsatzes nach frist- und ordnungsgemäßer Aufgabe zur Post kann die Erforderlichkeit einer kürzeren Fristsetzung nicht begründen. Selbst wenn jedenfalls beim Arbeitsgericht Berlin regelmäßig vom Eingang einer Ladung zum Gütetermin innerhalb von 10 bis 14 Tagen auszugehen sei dürfte, kann es auch hier zu Verzögerungen kommen. Würde man eine Wiedervorlagefrist von drei Wochen für erforderlich halten, könnte dies im Anwaltsbüro immer wieder zu unnötigen Wiedervorlagen und Anfragen beim Gericht führen.

Auch die Tatsache, dass es sich vorliegend um eine Bestandsstreitigkeit handelt, vermag die Erforderlichkeit einer Wiedervorlagefrist von drei Wochen nicht zu begründen. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und des LAG Köln (Beschluss vom 11.08.2004 - 2 Ta 297/04 -, LAGReport 2005, S. 29 f.) kann dies nicht aus dem arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz in Bestandsschutzsachen nach § 61 a ArbGG in Verbindung mit der Drei-Wochen-Frist für Bestandsschutzklagen nach § 4 Abs. 1 KSchG, § 17 Satz 1 TzBfG hergeleitet werden. § 61 a richtet sich an die Gerichte, nicht an die Prozessparteien und ihre Bevollmächtigten. Die für Anwälte als Organe der Rechtspflege geltende Prozessförderungspflicht beinhaltet zwar auch die Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes. Dem ist jedoch insbesondere durch Beachtung der gerichtlichen Auflagen und Fristsetzungen sowie der gesetzlichen Klage- und Rechtsmittelfristen zu entsprechen, erkennbar unnötige Verzögerungen sind zu vermeiden. Dem Beschleunigungsgrundsatz wird im Regelfall auch bei Setzung einer Wiedervorlagefrist von vier Wochen nach Absendung der Klage genüge getan. Allein die Beschleunigung einer möglichen Kenntniserlangung vom etwaigen Abhandenkommen einer Klageschrift im Interesse einer um eine Woche früheren Einreichung eines Antrages auf nachträgliche Zulassung kann die Prozessbevollmächtigten nicht generell zur Setzung kürzerer Wiedervorlagefristen verpflichten, zumal nach § 5 Absatz 3 Satz 2 KSchG noch bis zum Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Klagefrist Anträge auf nachträgliche Zulassung gestellt werden können.

Die Heranziehung der Drei-Wochen-Fristen für Kündigungs- und Entfristungsklagen zur Begründung der Dauer der vom Arbeitsgericht verlangten kürzeren Wiedervorlagefrist erscheint auch nicht plausibel, da die gesetzlichen Klagefristen andere Zwecke verfolgen als die Fristsetzung im Anwaltsbüro. § 4 Abs. 1 KSchG und § 17 TzBfG sollen in Verbindung mit § 7 KSchG sobald als möglich Klarheit über Weiterbestand oder Ende des Arbeitsverhältnisses zu schaffen. Demgegenüber dient die Wiedervorlagefrist nach Absendung der Klage dem Interesse der ordnungsgemäßen Weiterverfolgung des auf den Weg gebrachten Rechtsstreits. Dass dies im seltenen Einzelfall auch dazu führen kann, den Untergang eines Schriftstückes auf dem Postwege zu entdecken und dann einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung einzureichen, führt nicht zu einer generellen Vergleichbarkeit dieser Frist mit den gesetzlichen Klagefristen.

Mit der vom Arbeitsgericht verlangten Verfügung einer Wiedervorlagefrist von drei Wochen werden die anwaltlichen Sorgfaltspflichten bei der Fristwahrung in Zusammenhang mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung nach § 17 Satz 2 TzBfG i. V. m. § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG daher überspannt und der Zugang zum Gericht in sachlich nicht gerechtfertigter Weise erschwert.

3.3 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wahrte auch die zumutbare Sorgfalt, wenn er nicht noch am Tage der Wiedervorlage, Freitag, dem 11.07.2008, sondern erst am darauf folgenden Montag, dem 14.07.2008 bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts anrief, um sich nach dem Gütetermin zu erkundigen.

Auch wenn sich dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei Kenntnisnahme vom fehlenden Eingang einer Ladung zum Gütetermin der Verdacht aufdrängen musste, dass die Klage nicht bei Gericht eingegangen war, begründete dies bei Beachtung des anzuwendenden subjektiven Maßstabes noch nicht den "Wegfall des Hindernisses" im Sinne der gesetzlichen Vorschrift. Dieser Verdacht ist mit der Kenntnisnahme vom fehlenden Klageeingang nicht gleichzusetzen. Er löste vielmehr zunächst nur die Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten aus, sich nunmehr alsbald bei Gericht nach dem Eingang der Klage zu erkundigen. Indem der Prozessbevollmächtigte dies am darauf folgenden Montag tat, hat er sich mit der gebotenen Eile erkundigt und die Rechtssache auch insoweit nunmehr ordnungsgemäß und sorgfältig weiterverfolgt. Er war nicht gehalten, sich noch am Freitag mit seinem Auskunftsverlangen an das Arbeitsgericht zu wenden, wie die Beklagte gemeint hat. Es beinhaltete kein schuldhaftes Zögern, wenn der Prozessbevollmächtigte erst am darauf folgenden Montag tätig wurde. Vielmehr genügte er mit seinem Tätigwerden am nächsten Tag dem Erfordernis, sich alsbald um Aufklärung zu bemühen. Die Anforderungen an die Sorgfalt des Prozessbevollmächtigten würden auch insoweit überspannt, verlangte man von ihm eine sofortige Erkundigung noch am gleichen Tage. Auch hierdurch würde der Klägerin der Zugang zum Gericht ohne sachliche Rechtfertigung erschwert.

4. Aus diesen Gründen war das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.11.2008 abzuändern und die Klage nachträglich zuzulassen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

IV.

Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 ArbGG zuzulassen, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Länge der von einem Prozessbevollmächtigten zu verfügenden Wiedervorlagefrist nach Absendung einer Klage in Bestandsschutzsachen grundsätzliche Bedeutung hat, und das Urteil in diese Rechtsfrage von der Entscheidung des LAG Köln vom 11.08.2004 - 2 Ta 297/94 - abweicht.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann von d. Beklagten bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt (Postadresse: 99113 Erfurt), Revision eingelegt werden.



Ende der Entscheidung

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