Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 1820/07
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 123 Abs. 1
ArbGG § 67
Ein Arbeitnehmer der sein Arbeitsverhältnis wegen dauerhafter Arbeitsunfähigkeit mit Rücksicht auf die Erklärung des Arbeitgebers, keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für ihn zu haben, selbst gekündigt hat, ist nicht deshalb zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt, weil der Arbeitgeber die Möglichkeit gehabt hätte, die Fremdvergabe der Tätigkeit eines anderen Bereichs einzuschränken, wie er es vier Monate später im Fall eines kurzfristig auf seinem Arbeitsplatz nicht mehr einsetzbaren Mitarbeiters getan hat.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 1820/07

Verkündet am 25.01.2008

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. sowie die ehrenamtliche Richterin E. und den ehrenamtlichen Richter A.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.07.2007 - 78 Ca 20618/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

C. E. A.

Tatbestand:

Die am ....... 1964 geborene Klägerin, die seit dem 10. Oktober 2002 einer Schwerbehinderten gleichgestellt ist, stand seit dem 11. August 1986 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Sie verdiente zuletzt als Stationshilfe ca. 1.000,00 EUR brutto monatlich.

Seit April 2002 war die Klägerin mit zwei Unterbrechungen arbeitsunfähig krank. Wegen massiver Probleme mit ihren Kniegelenken war zu erwarten, dass sie im Falle einer Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Stationshilfe binnen kurzer Zeit erneut arbeitsunfähig würde. Nach diversen Vorgesprächen und Telefonaten teilte die Personalleiterin der Beklagten dem späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin durch Schreiben vom 09. Januar 2004 (Abl. Bl. 25 d.A.) mit, dass für diese keine andere Beschäftigungsmöglichkeit gegeben sei und auch in absehbarer Zeit nicht gegeben sein werde. In der Antwort vom 30. März 2004 hieß es:

"Wie bereits vorausgesehen, ist Frau B. vom Ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes mit ärztlichem Gutachten vom 05. Februar 2004 praktisch wieder für "arbeitfähig" begutachtet worden, allerdings mit extrem vielen Einschränkungen.

Dies hat im Zusammenhang mit Ihrem an die Agentur für Arbeit weitergeleiteten Schreiben vom 09. Januar 2004 dazu geführt, dass diese mit dem in Kopie anliegenden Schreiben vom 25. März 2004 einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch Frau B. zugestimmt hat.

Und zwar diese im Ergebnis wegen

"objektiver Unmöglichkeit der Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung durch Frau B., verbunden mit der Unmöglichkeit, sie bei den D.-KLINIKEN anderweit zu beschäftigen".

Ich nehme Bezug auf unser soeben geführtes Telefonat, wonach Sie erklärt haben, dass Sie meiner Mandantin sogleich nach einer erfolgten fristlosen Kündigung die besprochene Abfindung von 6.000,00 EUR brutto als soziale Überbrückung für die Aufgabe des Arbeitsplatzes zahlen werden.

Um die Bestätigung dieser Verabredung durch Gegenzeichnung des Zweitexemplars dieses Schreibens und umgehende Rücksendung an mich wird gebeten.

Nach Rücklauf dieses Schreibens wird dann die o.a. Kündigung erfolgen."

Nachdem die Personalleiterin der Beklagten ein Doppel dieses Schreibens unter dem 20. April 2004 zum Ausdruck ihres Einverständnisses unterschriftlich vollzogen zurückgesandt hatte, kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis am folgenden Tag außerordentlich fristlos.

Ihre zunächst auf Auskunft über Einstellungen und Versetzungen in der Zeit vom 10. Januar bis 31. Dezember 2004 gerichtete Klage hat die Klägerin nach Anfechtung ihrer Eigenkündigung mit Schreiben vom 31. Mai 2007 auf Feststellung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses und behinderungsgemäße Beschäftigung umgestellt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, aus dem Vortrag der Klägerin sei nicht hervorgegangen, dass die Beklagte gewusst habe, dass sie durch eine negative Antwort auf die Frage nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz eine Eigenkündigung der Klägerin veranlassen würde.

Gegen dieses ihr am 09. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 06. September 2007 eingelegte und am 09. Oktober 2007 begründete Berufung der Klägerin. Sie rügt diverse Verfahrensfehler und meint, dass die Beklagte im Hinblick auf die mit ihr und der Agentur für Arbeit getroffene Verabredung nicht etwa "warnend" auf ihre Kündigungsabsicht habe hingewiesen werden müssen. Da die Beklagte, wie von dieser im Verhandlungstermin in der Berufungsinstanz eingeräumt, ca. vier Monate nach ihrer Kündigung einen bisher als Haushandwerker beschäftigten Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen unter entsprechender Einschränkung des Auftrags eines Bewachungsunternehmens in den Pförtnerdienst übernommen habe, wäre dies auch in ihrem Fall möglich und aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch geboten gewesen. Entgegen der Angabe der Beklagten hätte somit seinerzeit die Möglichkeit ihrer Weiterbeschäftigung bestanden.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass ihre Eigenkündigung vom 21. April 2004 aufgrund ihrer Anfechtungserklärung vom 31. Mai 2007 nichtig sei und das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 21. April 2004 hinaus ungekündigt fortbestehe,

2. die Beklagte zu verurteilen, sie ihrer Behinderung gemäß zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und verweist darauf, ihre Entscheidung, einen Haushandwerker künftig im Pförtnerdienst zu beschäftigen, im Hinblick auf ein ärztliches Beschäftigungsverbot einerseits und Beschwerden über das Bewachungsunternehmen andererseits spontan getroffen zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

1.1 Auf die erhobenen Rügen diverser Verfahrensmängel des Arbeitsgerichts kam es nicht an, weil eine Zurückverweisung wegen solcher Mängel gemäß § 68 ArbGG ausgeschlossen ist.

1.2 Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht über den 21. April 2004 hinaus fortbestanden. Vielmehr ist es aufgrund Eigenkündigung der Klägerin an diesem Tag aufgelöst worden, weshalb für die Klägerin auch kein Anspruch auf behinderungsgemäße Beschäftigung besteht.

1.2.1 Die Klägerin hat ihre Kündigungserklärung nicht mittels Anfechtung mit Rückwirkung gemäß § 142 Abs. 1 BGB zu beseitigen vermocht. Es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass sie von der Beklagten zur Abgabe ihrer Kündigungserklärung durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist (§ 123 Abs. 1 BGB).

1.2.1.1 Soweit die Klägerin erstinstanzlich auf die Versetzung einer anderen Stationshilfe auf einen frei werdenden Arbeitsplatz im Vorbereich der Wäscherei verwiesen hat, war dem Schreiben der Beklagten vom 06. November 2003 (Abl. Bl. 159 d.A.) zu entnehmen, dass dies bereits zu einer Zeit veranlasst worden war, bevor sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin überhaupt erstmals telefonisch bei der Beklagten gemeldet hatte. Damit hatte diese Stelle zur Vermeidung einer in der Folgezeit ins Gespräch gebrachten Eigenkündigung der Klägerin nicht mehr zur Verfügung gestanden.

1.2.1.2 Hinsichtlich einer anderen im Bereich Pforte beschäftigten Mitarbeiterin hat die Beklagte unwidersprochen darauf hingewiesen, dass diese bereits zum 01. November 1992 als Telefonistin/Pförtnerin eingestellt worden sei. Ähnlich verhielt es sich mit zwei weiteren Mitarbeitern, die bereits im Juli 2001 in den Pförtnerdienst versetzt worden sind.

1.2.1.3 Aber auch soweit die Beklagte einen Haushandwerker erst im August 2004 in den Pförtnerdienst versetzt hat, ließ dies nicht auf eine arglistige Täuschung der Klägerin schließen. Zwar war aufgrund des Schreibens des Klägervertreters vom 30. März 2004 davon auszugehen, dass der Beklagten die Absicht der Klägerin bekannt war, im Falle des Fehlens der Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung ihr Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen, um Arbeitslosengeld beziehen und in den Genuss der ausgehandelten Abfindung zu gelangen, und hat die Beklagte mittels Gegenzeichnung dieses Schreibens durch ihre Personalleiterin das Fehlen einer solchen Möglichkeit bestätigt. Die Beklagte hatte jedoch mit Rücksicht auf die fortschreitende Fremdvergabe der Tätigkeiten im Bereich Pforte dort keinen freien Arbeitsplatz zur Verfügung. Dass sie in der Lage gewesen wäre, ihren Auftragnehmer zu einer Rückgabe von Arbeitszeitvolumen zu bewegen, wozu es dann ja auch in einem anderen Fall ca. vier Monate später gekommen ist, änderte nichts daran, dass aufgrund ihrer seinerzeit verbindlichen unternehmerischen Entscheidung kein solcher Arbeitsplatz vakant war, was sogar kündigungsschutzrechtlich gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu respektieren gewesen wäre (dazu BAG, Urteil vom 15.03. 1991 - 2 AZR 582/90 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 28 zu C I 2 b der Gründe).

1.2.1.4 Das Vorbringen der Beklagten zu den von der Klägerin aufgeführten Mitarbeitern hatte entgegen deren Ansicht nicht gemäß § 67 Abs. 2, 3 oder 4 ArbGG wegen Verspätung prozessual außer Betracht zu bleiben. Dies schon deshalb nicht, weil es die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert hat. Zudem war der Beklagten erstinstanzlich weder eine allgemeine noch eine spezielle Auflage erteilt worden, und war die Klägerin gehalten, sich auch zu dem erst nach Ablauf der Berufungserwiderungsfrist schriftsätzlich angekündigten Vortrag der Beklagten zur Beschäftigung der von ihr angeführten Mitarbeiter einzulassen (dazu BVerfG, Beschluss vom 22.05.1979 - 1 BvR 1077/77 - BVerfGE 51, 188 zu II 1 der Gründe), was sie dann ja auch im Verhandlungstermin getan hat.

1.2.2 Dass die Klägerin seinerzeit zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB zwecks fristloser Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen war, stand zwischen den Parteien außer Streit.

2. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

Zurück