Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 10.10.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 754/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 296 S. 1
BGB § 297
BGB § 615 S. 1
Behauptet ein Verzugslohn verlangender Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber nie beschäftigt, gleichwohl zunächst entlohnt worden ist, seine Arbeitsleistung wörtlich angeboten zu haben, so ist die Einlassung des beweisfällig gebliebenen Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt gekündigt zu haben, als sog. gleichwertiges Parteivorbringen zur Frage des Annahmeverzuges unerheblich, ohne dass sich der Arbeitnehmer dieses Vorbringens hilfsweise zu eigen zu machen braucht, weil dieses denselben Streitgegenstand betrifft.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 754/08

Verkündet am 10. Oktober 2008

In dem Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. sowie die ehrenamtlichen Richter J. und Z.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil vom 12.09.2008 - 6 Sa 754/08 - wird aufrechterhalten.

2. Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung auf Arbeitsentgelt für die Zeit von April 2006 bis Januar 2007 in Anspruch.

Am 25. Februar 2006 gewährte die Klägerin der Beklagten, der damaligen Lebenspartnerin und jetzigen Ehefrau ihres Neffen, ein Darlehen in Höhe von 100 T€, weil diese beabsichtigte, sich im Bereich des Handels mit Kosmetika selbstständig zu machen. Im Zusammenhang damit einigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin, eine gelernte Krankenschwester, ab 01. April 2006 gegen ein Monatsgehalt von 1.800,00 € brutto als Gebietsverkaufsleiterin für die Beklagte tätig werden sollte. Zur Unterzeichnung des von der Beklagten entworfenen und der Klägerin übersandten Vertragstextes (Ablichtung Bl. 2-6 d. A.) kam es nicht. Auch erbrachte die Klägerin keine Arbeitsleistung für die Beklagte, die ihr gleichwohl bis Dezember 2006 monatliche Gehaltsabrechnungen erteilte und den sich errechneten Nettobetrag i. H. v. 1.204,70 € auszahlte, ohne zunächst Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Diese Zahlungen setzte die Beklagte ohne die Erteilung weiterer Abrechnungen bis März 2007 fort. Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 wies die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf deren Anfrage mit, dass es zu keiner Zeit zu einem dauerhaften Arbeitsverhältnis zwischen ihnen gekommen sei und dass sie aufgrund mehrfach erläuterter Gründe um ihr Verständnis bitte, eine Zusammenarbeit abzulehnen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihre Einstellung als Gebietsverkaufsleiterin vorgeschlagen, um sie zum Abschluss des Darlehensvertrages zu bewegen. Sie habe in der Folgezeit versucht, die Beklagte durch Telefonanrufe, SMS und E-Mails zu einer Terminabsprache wegen ihrer Einarbeitung zu bewegen, sei aber jeweils vertröstet worden. Eine von der Beklagten behauptete Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses vom 25. November 2006 (Ablichtung Bl. 37 d. A.), habe sie nie erhalten.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die auf Zahlung von 18 T€ brutto gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Klägerin eine Kündigung zum 31. Dezember 2006 zugegangen sei. Jedenfalls habe sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden, weil die Klägerin ihre Arbeitsleistung zu keinem Zeitpunkt persönlich im Betrieb der Beklagten angeboten und ein wörtliches Angebot nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe. Ein solches Angebot sei nicht etwa im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 13. Juni 2007 entbehrlich gewesen. Denn damit habe die Beklagte der Klägerin nicht wie mit einer unwirksamen Kündigung durch einseitig gestaltende Willenserklärung die Arbeitsmöglichkeit entzogen.

Gegen dieses ihr am 8. April 2008 zugestellte Urteil richtet sie die am 17. April 2008 eingelegte und zugleich begründete Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihren Vortrag zu ihren Bemühungen um eine Terminabsprache mit der Beklagten, tritt dem angefochtenen Urteil mit Rechtsausführungen entgegen und rügt Verletzung rechtlichen Gehörs.

Aufgrund ihrer Säumnis im Verhandlungstermin vom 12. September 2008 ist die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils durch Versäumnisurteil verurteilt worden, an die Klägerin 18 T€ brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2008 zu zahlen. Gegen dieses ihr am 17. September 2008 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 24. September 2008 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil vom 12. September 2008 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und bestreitet Absendung und Zugang von E-Mails der Klägerin bzw. deren Weiterleitung durch ihren Ehemann. Hätte die Klägerin ernstlich an eine Arbeitsaufnahme gedacht, wäre es ein Leichtes gewesen, sie in ihrer Wohnung aufzusuchen, weil sie zur damaligen Zeit einen wesentlichen Teil ihrer schriftlichen Tätigkeit von zu Hause aus abgewickelt habe. Die Klägerin, die zu dieser Zeit ganz erhebliche persönliche Probleme gehabt habe, die letztlich auch zu einem Suizidversuch im September 2006 geführt hätten, sei jedoch nicht in der Lage gewesen, eine Schulung zu absolvieren und dann wie geplant Kosmetika zu verkaufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht hat beschlossen, den Ehemann der Beklagten als Zeugen zur Überbringung eines Kündigungsschreibens vom 25. November 2006 sowie gegenbeweislich den Sohn der Klägerin hierzu zu hören. Die Beklagte hat jedoch trotz entsprechender Fristsetzung eine ladungsfähige Anschrift ihres Zeugen bis zuletzt nicht mitgeteilt.

Entscheidungsgründe:

1. Der Rechtsstreit ist durch den fristgemäß und formgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten in die Lage vor Eintritt ihrer Säumnis zurückversetzt worden (§§ 342, 539 Abs. 3 ZPO, §§ 59 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 und 7 ArbGG).

2. Die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil war gem. § 343 S. 1 ZPO aufrechtzuerhalten, weil sie mit der aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung übereinstimmt.

2.1 Die Klägerin hat gem. § 615 S. 1 BGB einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung für ihre in der Zeit von April 2006 bis Januar 2007 nicht geleisteten Dienste i. H. v. 18 T€.

2.1.1 Die Beklagte war in der streitigen Zeit als Arbeitgeber der Klägerin Dienstberechtigte i. S. d. § 615 S. 1 BGB.

2.1.1.1 Es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass das trotz Nichtunterzeichnung des Vertragstextes unstreitig begründete Arbeitsverhältnis der Parteien auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 befristet worden war. Die gegenteilige erstinstanzliche Behauptung der Beklagten stand im Widerspruch zu dem von ihr selbst aufgesetzten Vertragstext, wonach die ersten 24 Monate des Beschäftigungsverhältnisses als Probezeit hatten gelten sollen. Dementsprechend hat die Beklagte der Klägerin auch noch für die Monate Januar bis März 2007 den Nettobetrag von monatlich 1.204,70 € als "Gehalt" überwiesen.

2.1.1.2 Für die von ihr behauptete Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2006 ist die Beklagte beweisfällig geblieben. Sie hat auch nach Ablauf einer gem. § 356 ZPO gesetzten Beibringungsfrist bis zuletzt keine ladungsfähige Anschrift ihres als Zeugen benannten Ehemannes beigebracht. Damit war auch eine Vernehmung des gegenbeweislich benannten Sohnes der Klägerin entbehrlich.

2.1.2 Die Beklagte befand sich in der Zeit seit April 2007 in Annahmeverzug.

2.1.2.1 Nach Darstellung der Klägerin lagen wiederholte wörtliche Angebote gem. § 295 S. 1 BGB vor, für deren Zugang gem. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB der in den Vertragsbeziehung einbezogenen Ehemann der Beklagten als deren Empfangsbote anzusehen war. Das Bestreiten der Beklagten war als sog. gleichwertiges Parteivorbringen unerheblich, weil die Beklagte nach ihrer eigenen Darstellung durch ihre angebliche Kündigung vom 25. November 2006 für die Zeit ab 01. Januar 2007 ihre mangelnde Bereitschaft zu einer kalendermäßig bestimmten Mitwirkungshandlung zum Ausdruck gebracht hatte. Eine solche Kündigung macht auch ein wörtliches Angebot gem. § 296 S. 1 BGB entbehrlich (dazu BAG, Urteil vom 21.03.1985 - 2 AZR 201/84 - AP BGB § 615 Nr. 35 zu B I der Gründe). Dass sich die Klägerin den Vortrag der Beklagten verständlicherweise nicht einmal hilfsweise zueigen gemacht hat, war unschädlich. Bei Identität des Streitgegenstands ist ein solches prozessuales Vorgehen entbehrlich (Boehmke SAE 1995, 127, 130).

2.1.2.2 Ihre Ablehnung einer Mitwirkungshandlung hat die Beklagte durch ihr Schreiben vom 30. Juni 2007 erneut zum Ausdruck gebracht, worin sie um Verständnis bat, eine Zusammenarbeit mit der Klägerin abzulehnen, weil es zu keinem dauerhaften Arbeitsverhältnis gekommen sei. Damit verhielt es sich nicht anders im Falle einer (unwirksamen) Kündigung oder auch nur einer Freistellung des Arbeitnehmers (dazu BAG, Urteil vom 06.09.2006 - 5 AZR 703/05 - BAGE 119, 32 = AP BGB § 615 Nr. 118 zu III 1 b, aa der Gründe). Zumindest vermag sich der Gläubiger auf das Fehlen eines Angebots nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht zu berufen, wenn offensichtlich ist, dass er auf seiner Ablehnung beharren wird (BAG, Urteil vom 21.04.1999 - 5 AZR 174/98 - AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5 zu A I 2 c der Gründe), wie dies vorliegend der Fall war. Darin liegt der Unterschied zu einem Streit über das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags, wie er Gegenstand der vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 07.12.2005 - 5 AZR 19/05 - AP BGB § 615 Nr. 114) war.

2.1.2.3 Dem Annahmeverzug der Beklagten stand nicht entgegen, dass die Klägerin für sie auch zuvor nie tätig geworden war. Soweit sich die Klägerin aufgrund erheblicher Probleme, die im September 2006 sogar zu einem Suizidversuch geführt haben, nicht in der Lage gesehen haben soll, eine Schulung zu absolvieren und dann Kosmetika zu verkaufen, wie die Beklagte ohnehin nur pauschal behauptet hat, fehlte es schon an einem Vortrag, dass ein solcher gem. § 297 BGB Verzug ausschließender Zustand auch noch im Folgejahr angedauert habe. Auch kann daraus, dass der Ehemann der Beklagten die Klägerin mehrfach zur Vereinbarung eines Schulungstermins aufgefordert haben soll, ohne dass es dazu gekommen ist, nicht auf mangelnde Leistungsbereitschaft der Klägerin geschlossen werden. Abgesehen davon, dass sich der Vortrag der Beklagten nach dem Kontext auf die Anfangszeit bezogen hat, als die Klägerin schon nicht leistungsfähig gewesen sein soll, war die Beklagte mit dem Fernbleiben der Klägerin offenbar einverstanden. Dies zeigte sich daran, dass sie die Klägerin nicht nur nicht abgemahnt, sondern sich durch eine E-Mail ihres Ehemannes vom 27. Oktober 2006 (Bl. 212 d. A.) für die eingetretene Verspätung bei den Gehaltszahlungen sogar entschuldigt hat.

2.1.3 Die vereinbarte Vergütung belief sich für die Zeit von April 2006 bis Januar 2007 auf (1.600 x 10=) 16 T€ brutto.

2.2. Verzugszinsen stehen der Klägerin gem. §§ 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, 614 Satz 2 BGB zu.

3. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits gem. § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

Zurück