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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 13.07.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 808/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GVG


Vorschriften:

BGB § 270 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1 Satz 1
BGB § 619a
BGB § 667
BGB § 855
ZPO § 138 Abs. 1
GVG § 17b Abs. 2 Satz 2
Die Einlassung eines Arbeitnehmers, der nur ein Zehntel des von Kunden vereinnahmten Geldbetrags an seinen Arbeitgeber überwiesen hat, er habe den vollen Betrag bei einer Bank eingezahlt, deren Schalterangestellte habe jedoch den Überweisungsträger falsch ausgefüllt, ist als sog. äquipollentes oder gleichwertiges Parteivorbringen prozessual unerheblich, weil sich daraus entweder ebenfalls der Fortbestand des Anspruchs des Arbeitgebers auf Herausgabe der restlichen 90 % des vereinnahmten Geldes oder ein Schadenersatzanspruch in entsprechender Höhe ergibt, da das Unterlassen einer Kontrolle der Richtigkeit des handschriftlich eingetragenen und sodann vom Eingabegerät auf dem Überweisungsträger ausgedruckten Betrages grob fahrlässig gewesen wäre, nachdem der Arbeitnehmer es sich schon erspart haben will, die Eintragung selbst vorzunehmen.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 13. Juli 2007

Geschäftszeichen 6 Sa 808/07 6 Sa 1152/07

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. sowie den ehrenamtlichen Richter O. und die ehrenamtliche Richterin S.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 02. März 2007 - 85 Ca 20202/06 - wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung des aufrechterhaltenen Versäumnisurteils vom 01.12.2006 dahin geändert wird, dass der Klägerin die Mehrkosten durch die Anrufung der ordentlichen Gerichte auferlegt werden.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte stand in der Zeit vom 26. September 2005 bis 31. Mai 2006 als Auslieferungsfahrer gegen ein Entgelt von monatlich 1.711,00 € brutto in den Diensten der Klägerin.

Ausweislich einer vom Beklagten am 19. Mai 2006 erstellten Inkassoliste hatte er am Vortrag bei diversen Kunden insgesamt 3.616,08 € eingenommen. Dem Konto der Klägerin bei der P. wurde jedoch erst am 29. Mai 2006 ein Betrag von lediglich 361,60 € gutgeschrieben. Auf Anforderung stellte ihr die P. die Ablichtung eines Durchschlags des zugrunde liegenden Einzahlungsbelegs vom 26. Mai 2006 mit der handschriftlichen Eintragung und dem maschinenschriftlichen Ausdruck dieses Betrags sowie der handschriftlichen Angabe "Tour 10 19.05.2006" (Bl. 140 d.A.) zur Verfügung. Gemäß Schreiben der P. vom 24. August 2006 (Abl. Bl. 23 d.A.) war die Einzahlung um 11:38 Uhr erfolgt. Gegen 11:00 Uhr hatte der seit 23. Mai 2006 krankgeschriebene Beklagte bei Übergabe seiner Eigenkündigung der Buchhalterin erklärt, dass er sich um den fehlenden Einzahlungsbeleg kümmern werde.

Die Klägerin bestreitet, dass der Beklagte den Differenzbetrag in Höhe von 3.254,48 € auf ihr Konto eingezahlt habe.

Nach Einleitung eines Mahnverfahrens beim Amtsgericht Wedding und Verweisung des zunächst ans Landgericht Neuruppin abgegebenen Rechtsstreits hat das Arbeitsgericht Berlin den Beklagten durch Versäumnisurteil vom 01. Dezember 2006 zur Zahlung von 3.254,48 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt und ihm die Kosten des Rechtsstreites mit Ausnahme der Kosten durch dessen Verweisung auferlegt. Dieses Versäumnisurteil hat es auf Einspruch des Beklagten hin aufrechterhalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei der Klägerin zum Schadenersatz verpflichtet, weil er seiner Verpflichtung zur Einzahlung der eingenommenen Gelder nicht vollständig nachgekommen sei. Einzahlungen über die am 26. Mai 2006 hinaus habe der dafür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht behauptet.

Gegen dieses ihm am 23. März 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. April 2007 eingelegte und am 22. Mai 2007 begründete Berufung des Beklagten. Nach Hinweis des Vorsitzenden auf Bedenken, in den Schriftzügen unter Berufungsschrift und -begründung eine Unterschrift zu sehen, hat der Beklagte sein Rechtsmittel wiederholt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Er meint, der Schriftzug seiner Prozessbevollmächtigten gehe über eine geschlängelte Linie hinaus und lasse zumindest die beiden Anfangsbuchstaben des zweiten Teils ihres Doppelnamens erkennen. Auf telefonische Erkundigung sei auch von einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts bestätigt worden, dass die vorab per Telefax übersandte Berufung mit einer leserlichen Unterschrift angekommen sei.

Der Beklagte beanstandet, dass das Arbeitsgericht Berlin den Einspruchs-Kammertermin auf seinen Antrag hin nicht verlegt habe, obwohl er weder eine Ladung noch eine richterliche Auflage erhalten habe.

Am 26. Mai 2006 habe er den vollen Betrag von 3.616,08 € eingezahlt. Der Mitarbeiterin der P. müsse beim Ausfüllen des Einzahlungsbelegs offensichtlich ein Schreibfehler unterlaufen sein. Deshalb müsse sich an diesem Tag in ihrer Filiale mindestens ein weiterer Betrag in Höhe der Klageforderung befunden haben.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2006 abzuweisen, ihm wegen Versäumung von Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und verweist auf ein weiteres Schreiben der P. vom 31. August 2006 (Abl. Bl. 114 d.A.), wonach in ihrer Filiale am 25. Mai 2006 keine Kassendifferenz zu der erfolgten Bareinzahlung vorgelegen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Dem Vorsitzenden ist auf telefonische Anfrage von der stellvertretenden Filialleiterin der P. mitgeteilt worden, dass sich aus dem von der Kassenführerin ausgefüllten Abrechnungsblatt nebst dem daran gehefteten Tippstreifen über den Barbestand kein Kassenüberschuss ergeben habe. Die Übersendung einer entsprechenden Ablichtung ist seitens der P. abgelehnt worden.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist zulässig.

1.1 Zwar sind Berufungsschrift und -begründung nicht den Anforderungen der §§ 130 Nr. 6, 519 Abs. 4, 520 Abs. 5 ZPO entsprechend von der Prozessbevollmächtigten des Beklagten unterschrieben worden. Deren Schriftzug ließ auch bei großzügiger Betrachtung nicht erkennen, dass er zumindest einen Teil ihres Doppelnamens repräsentieren sollte, sondern reduzierte sich auf zwei Anfangsbuchstaben und blieb auch längenmäßig weit hinter der maschinenschriftlichen Namensangabe darunter zurück. Damit konnte er selbst von jemandem, der den Namen der Beklagtenvertreterin kennt, nicht mehr aus diesem Schriftzug herausgelesen werden (zu diesem Erfordernis BAG, Urteil vom 28.03.1977 - 3 AZR 652/76 - AP ZPO § 518 Nr. 38 zu I 1 der Gründe; BGH, Urteil vom 27.10.1987 - IV ZR 268/86 - NJW 1988, 713 zu II 1 a der Gründe). Auch war die maschinenschriftliche Namensangabe erkennbar nicht erst nachträglich hinzugefügt worden, was die Annahme, dass der Schriftzug trotz seiner Kürze gleichwohl den ganzen Namen wiedergeben sollte, gleichwohl hätte zulassen können (dazu BGH, Urteil vom 10.07.1997 - IX ZR 24/97 - NJW 1997, 3380 zu II 2 b und c der Gründe).

1.2 Es wäre indessen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz eines fairen Verfahrens nicht vereinbar, dem Beklagten die fehlende Unterschrift seiner Prozessbevollmächtigten zum Nachteil gereichen zu lassen, weil die Berufungsschrift bereits sechs Tage vor Ablauf der Berufungsfrist bei Gericht eingegangen war, ohne dass seinerzeit durch einen entsprechenden Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 ZPO Gelegenheit gegeben worden ist, eine ordnungsgemäße Unterschrift nachzuholen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.04.1988 - 1 BvR 669/87 - BVerfGE 78, 113 = AP GG Art. 2 Nr. 29 zu II der Gründe), falls es nicht sogar zu einer gegenteiligen Auskunft gekommen sein sollte. Einer Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch bedurfte es deshalb nicht.

2. Die Berufung ist unbegründet.

2.1 Ob es zu Mängeln im Verfahren des Arbeitsgerichts gekommen ist, konnte dahinstehen, weil § 68 ArbGG eine Zurückverweisung zum Zwecke ihrer Behebung grundsätzlich ausschließt und auch kein in § 538 Abs. 2 Nr. 2 bis 7 ZPO geregelter Sonderfall vorgelegen hat.

2.2 Die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01. Dezember 2006 war gemäß § 343 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten, weil sie mit der aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung übereinstimmt. Daran hat auch der ergänzende Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz zur angeblichen Einzahlung des vollen Betrags von 3.616,08 € am 26. Mai 2006 nichts zu ändern vermocht.

2.2.1 Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 3.254,48 €. Dieser Anspruch ergibt sich entweder als arbeitsvertraglicher Erfüllungsanspruch auf Herausgabe der restlichen Kundengelder entsprechend § 667 BGB oder nach der eigenen Einlassung des Beklagten, die sich die Klägerin erkennbar hilfsweise zueigen gemacht hat, als Schadenersatzanspruch wegen nicht ordnungsgemäßer Überweisung dieses Betrages gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ob sogar die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs wegen Unterschlagung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 Abs. 1 StGB erfüllt waren, konnte deshalb dahinstehen.

2.2.1.1 Da der Beklagte am 18. Mai 2006 unstreitig 3.616,08 € bei diversen Kunden der Klägerin vereinnahmt hatte, dieser jedoch lediglich ein Zehntel davon auf ihrem Konto gutgeschrieben worden ist, kann die Klägerin vom Beklagten entsprechend § 667 BGB Herausgabe des offenen Restbetrags verlangen. Dass die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung gerichtet hat, bedeutete nicht, dass sie sich von vornherein mit einer Leistung von Schadenersatz begnügen wollte (dahingehend allerdings BAG, Urteil vom 26.01.1971 - 1 AZR 252/70 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 64 zu 2 a der Gründe), weil herauszugebendes Geld, soweit es betragsmäßig noch vorhanden ist, als Summe geschuldet wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.1970 - VII ZR 36/69 - NJW 1971, 559 zu 2 b der Gründe). Obwohl der Beklagte aufgrund seiner Weisungsgebundenheit sachenrechtlich als bloßer Besitzdiener i.S.d. § 855 BGB anzusehen war, berührte dies seine schuldrechtliche Pflicht zur Befolgung der Weisung der Klägerin nicht, das restliche Geld im Wege der Zahlung herauszugeben.

2.2.1.2 Soweit nun der Beklagte eingewandt hat, er habe den vollen Betrag zur Überweisung gebracht, war dies unerheblich.

2.2.1.2.1 Es bestanden bereits erhebliche Zweifel daran, ob der Beklagte mit dieser Einlassung seiner prozessualen Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO genügt hat, es sich nicht vielmehr um eine prozessual unbeachtliche Schutzbehauptung handelt. Dafür sprach, dass der Beklagte etwa eine dreiviertel Stunde vor dem Einzahlungsvorgang im Betrieb der Klägerin von deren Buchhalterin auf den überfälligen Eingang seiner Einnahmen vom 18. Mai 2006 angesprochen worden war und dabei lediglich geäußert hatte, sich um den fehlenden Einzahlungsbeleg kümmern zu wollen. Zum einen wusste der Beklagte, dass er zu dieser Zeit noch überhaupt keine Einzahlung vorgenommen hatte. Zum anderen hätte es nahe gelegen, der Buchhalterin den Betrag in bar auszuhändigen, wenn der Beklagte das Geld tatsächlich bei sich gehabt haben sollte. Dass er erst nach dem Gespräch nach Hause gefahren sein sollte, um dann zu einer betriebsnahen Filiale der P. zurückzukehren, erschien angesichts der Entfernung zu seiner Wohnung in Oranienburg zeitlich ausgeschlossen und wäre auch unsinnig gewesen.

Dementsprechend soll nach Auskunft der P. in ihrer Filiale an diesem Tag auch keine entsprechende Kassendifferenz aufgetreten sein, was für die Kasse, an welcher der Beklagte seine Einzahlung vorgenommen hat, von der Filialleiterin anhand der Unterlagen noch einmal telefonisch bestätigt worden ist. Dass die P. sodann allerdings die vom Vorsitzenden vorsorglich im Hinblick auf § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO angeregte Einreichung einer Ablichtung von Abrechnungsblatt nebst Tippstreifen abgelehnt hat, vermochte den Beklagten nicht zu entlasten, zumal es sich bei diesen Unterlagen ohnehin nur um Eigenbelege der Kassenführerin handelt, aufgrund deren im Falle von der Schilderung des Beklagten entsprechenden Eintragungen sich ein ohnehin längst aufgedeckter Kassenüberschuss hätte ergeben haben müssen.

2.2.1.2.2 Der Einwand des Beklagten war jedenfalls auch in rechtlicher Hinsicht unerheblich.

2.2.1.2.2.1 Dies ergab sich hinsichtlich des Herausgabeanspruchs der Klägerin allerdings noch nicht aus der Auslegungsregel des § 270 Abs. 1 BGB zur Gefahrtragung bei der Übermittlung von Geld. Aufgrund der rechtlichen Natur des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB greift diese auf Geldschulden zugeschnittene Auslegungsregel nämlich nicht Platz (BGH, Urteil vom 10.12.2002 - X ZR 193/99 - NJW 2003, 743 zu II 3 b der Gründe). Allerdings muss der zur Herausgabe von Geld Verpflichtete darlegen und beweisen, alles für eine ordnungsgemäße Überweisung Erforderliche getan zu haben (BGH, Urteil vom 14.07.1958 - VII ZR 99/57 - BHZ 28, 123 zu IV 3 b der Gründe), was der Beklagte jedoch gerade nicht getan hat. Sollte er tatsächlich Betrag und Betreff auf dem Einzahlungsschein nicht selbst vermerkt haben, so hätte er sich sofort an Ort und Stelle vergewissern müssen, dass die vor seinen Augen für ihn vorgenommenen Eintragungen durch die Kassenführerin inhaltlich zutreffend waren, um widrigenfalls für eine sofortige Berichtigung sorgen zu können.

2.2.1.2.2.2 Das Unterlassen zumindest einer Kontrolle der Richtigkeit der Eintragungen auf dem Einzahlungsschein hätte zumindest auch eine gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Schadenersatz verpflichtende Schlechtleistung des Beklagten dargestellt. Dass abweichend von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB in einem Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber gemäß § 619a BGB die Beweislast für ein Verschulden des Arbeitnehmers zu tragen hat, hätte nichts geändert, weil sich ein solches Verschulden in Form von Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 Abs. 2 BGB bereits aus der eigenen Einlassung des Beklagten ergab.

2.2.1.2.2.3 Dem Beklagten hätte auch keine auch nur teilweise Entlastung nach den auf analoge Anwendung des § 254 BGB gestützten und auch von der Schuldrechtsreform 2002 nicht tangierten (dazu Waltermann RdA 2005, 98, 99 f.) Grundsätzen über den innerbetrieblichen Risikoausgleich zuteil werden können. Diese Grundsätze, die auch auf einen Erfüllungsanspruch anzuwenden sind (vgl. BAG, Urteil vom 26.01.1971 - 1 AZR 252/70 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 64 zu 2 a der Gründe; Urteil vom 17.07.1997 - 8 AZR 480/95 - AP BGB § 611 Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 14 zu II 4 der Gründe), sehen bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungsbeschränkung nur vor, wenn der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko der Tätigkeit steht (BAG, Urteil vom 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 - BAGE 63, 127 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 97 zu II 2 b der Gründe).

2.2.1.2.2.3.1 Wenn der Beklagte tatsächlich einen vierstelligen Geldbetrag zur Einzahlung gebracht hat, ohne den ihm mit ausgedruckter Empfängerangabe zur Verfügung gestellten Einzahlungsschein selbst ausgefüllt zu haben oder zumindest die Eintragung der Kassenführerin auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, hätte er angesichts der Bedeutung des Vorgangs in besonders hohem Maße die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt und dabei auch subjektiv besonders nachlässig gehandelt und sich deshalb grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen müssen. Wenn er sich schon nicht der geringen Mühe unterzog, den Geldbetrag selbst einzutragen, hatte er umso mehr Anlass, die für ihn vorgenommene Eintragung und den Ausdruck des eingetippten Betrags auf der ihm überlassenen Durchschrift des Einzahlungsscheins auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren.

2.2.1.2.2.3.2 Der eingetretene Schaden stand auch nicht in einem deutlichen Missverhältnis zum Einkommen des Klägers. Er belief sich auf rund zwei Bruttomonatseinkommen und lag damit deutlich unter der Haftungsobergrenze von drei Bruttomonatseinkommen, wie sie in der Reformdiskussion zur Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung vorgeschlagen worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 12.11.1998 - 8 AZR 221/97 - BAGE 90, 148 = AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 117 zu II 3 b der Gründe).

2.2.2 Rechtshängigkeitszinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, § 696 Abs. 3 ZPO, § 46a Abs. 1 ArbGG, § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG ab dem Tag nach Zustellung des Mahnbescheids zu.

3. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war gemäß § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen dahin zu korrigieren, dass die Klägerin gemäß § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG nicht nur die durch die Verweisung, sondern sämtliche durch die Anrufung der ordentlichen Gerichte entstandenen Mehrkosten auferlegt werden.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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