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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: 6 Ta 1319/07
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3
Wird ein Arbeitnehmer entsprechend einer bereits in seinem Anstellungsvertrag getroffenen Regelung später zum Geschäftsführer ernannt, so wird damit das Arbeitsverhältnis inhaltlich umgewandelt und nicht aufgelöst, weshalb die Schriftform des § 623 Ts. 1 BGB dafür nicht beachtet zu werden braucht.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss

Geschäftszeichen 6 Ta 1319/07

In der Beschwerdesache

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. am 05. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Senftenberg vom 12. April 2007 - 5 Ca 872/06 - aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig.

3. Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Cottbus verwiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1. Der Kläger trat aufgrund eines "Anstellungsvertrags für leitende Angestellte" (Abl. Bl. 18 bis 24 d. A.) ab dem 01. August 2005 als Leiter Vertrieb in die Dienste der Beklagten. Zum 01. Januar 2006 wurde er ohne Änderung seines Aufgabengebiets und seiner laufenden Bezüge zum weiteren Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten bestellt. Mit zwei Schreiben vom 02. November 2006 (Abl. Bl. 25 und 26 d. A.) wurde dem Kläger die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung seines Dienstverhältnisses und seines Anstellungsverhältnisses erklärt.

Auf die vom Kläger hiergegen erhobene Klage hat das Arbeitsgericht Senftenberg den Rechtsstreit durch Beschluss vom 05. Februar 2007 zum Zwecke der Verweisung ans Landgericht Cottbus abgetrennt, soweit sich die Klage in ihren Anträgen zu 2 und 3 gegen die ursprüngliche Beklagte zu 1 als Komplementärin der Beklagten und die für diese als ihre Gesellschafterin handelnde Beklagte zu 3 gerichtet hat. Durch Beschluss vom 12. April 2007 hat das Arbeitsgericht Senftenberg sodann den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt, soweit sich die Klage gegen die verbliebene Beklagte richtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, vertragliche Grundlage für die Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis gewesen. Dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG kraft Gesetzes nicht als ihr Arbeitnehmer gelte, könne für den Kläger erst ab 01. Januar 2006 gelten, als dieser zum Geschäftsführer der Komplementärin berufen worden sei. Das davor begründete Anstellungsverhältnis sei nicht der Schriftform des § 623 BGB entsprechend beendet worden.

Gegen diesen ihr am 27. April 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 11. Mai 2007 beim Arbeitsgericht Senftenberg eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, der dieses nicht abgeholfen hat.

2. Die gemäß § 569 ZPO, § 78 Satz 2 ArbGG fristgemäß und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.

2.1 Dass der angefochtene Beschluss ebenso wie der Nichtabhilfebeschluss von der Vorsitzenden der Kammer nicht unterzeichnet, sondern lediglich mit einem kurzen Schriftzug wie unter ihren internen Verfügungen paraphiert worden ist, stand einer inhaltlichen Entscheidung über die sofortige Beschwerde nicht entgegen. Da § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO für Beschlüsse nicht auf § 315 Abs. 1 Satz 1 ZPO verweist, der für Urteile die Unterschrift aller Richter verlangt, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, erschien es ausreichend, dass zumindest die beiden ehrenamtlichen Richter den jeweils handschriftlich von der Vorsitzenden entworfenen Tenor unterzeichnet haben, weil dadurch das Zustandekommen der beiden Beschlüsse in verlässlicher Weise beurkundet worden ist (dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.1980 - 22 U 65/80 - MDR 1980, 943 und Beschluss vom 05.08.1983 - 1 Ws 668/83 - MDR 1984, 164).

2.2 Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht zur Entscheidung über den Kündigungs- schutzantrag des Klägers und seinen allgemeinen Feststellungsantrag berufen.

2.2.1 Dass der Kläger mit seinen Anträgen nur Erfolg haben kann, wenn er Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall), was im Regelfall zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 2 Abs. 1 lit. b ArbGG ausreicht (dazu BAG, Beschluss vom 24.04.1996 - 5 AZB 25/95 - BAGE 83, 40 = AP ArbGG 1979 § 2 Zuständigkeitsprüfung Nr. 1 zu B II 4 der Gründe), vermag gegenüber der Negativfiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht zu verschlagen. Diese greift sogar dann durch, wenn feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist (BAG, Beschluss vom 06.05.1999 - 5 AZB 22/98 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 zu II 3 b der Gründe).

2.2.2 Als Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten war der Kläger kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG und §§ 125 Abs. 1, 161 Abs. 2, 170 HGB, zu ihrer Vertretung berufen, weshalb er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG gilt (dazu BAG, Beschluss vom 20.08.2003 - 5 AZB 79/02 - BAGE 107, 165 = AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 58 zu B I 6 der Gründe).

2.2.3 Da die Aufgaben des Klägers mit seiner Ernennung zum Geschäftsführer nicht geändert worden sind und sogar die Anhebung seines Bonus bei im Übrigen unveränderten laufenden Bezügen bereits in § 3 seines Anstellungsvertrags geregelt worden war, schied eine Doppelstellung als Arbeitnehmer und Organvertreter aus (vgl. BAG, Urteil vom 17.01.1985 - 2 AZR 96/84 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 2 zu B I 2 c der Gründe).

2.2.4 Dass der Kläger mit der Beklagten zunächst ein Arbeitsverhältnis begründet hatte, ist unerheblich. Dieses Arbeitsverhältnis ist mit Wirkung zum 01. Januar 2006 zur Grundlage für die weitere Beschäftigung des Klägers in der Stellung eines Geschäftsführers der Komplementärin der Beklagten umgewandelt worden. Eine gemäß § 623 Ts. 1 BGB der Schriftform bedürftige Beendigung des Arbeitsverhältnisses lag damit nicht vor. Bereits im Einstellungsvertrag des Klägers war gemäß § 1 vorgesehen gewesen, ihn bei Eignung und Leistung zum Geschäftsführer zu berufen. In einem solchen Fall vorgeschalteter Erprobung ist im Zweifel von einer "automatischen" Vertragsumwandlung auszugehen (BAG, Urteil vom 07.10.1993 - 2 AZR 260/93 - AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 16 zu II 1 b, aa a.E. der Gründe). Für eine gesonderte Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist dann kein Raum (Bauer/Baeck/Lösler ZIP 2003, 1821, 1822; ähnlich ErfK/Müller-Glöge, 7. Aufl. 2006, § 623 BGB R 12, der in Fällen des Aufstiegs zum Fremdgeschäftsführer § 623 BGB für nicht anwendbar hält; ebenso Niebler/Schmidl NZA-RR 2001, 281, 285).

Deshalb erübrigt es sich, dem Geschäftsführer die Berufung auf einen Formverstoß mit dem Einwand widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB zu versagen (dafür hilfsweise Niebler/Schmiedl NZA-RR 2001, 281, 286).

2.3 Als bürgerliche Rechtsstreitigkeit gehört die Sache gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte. Angesichts eines Streitwerts von über 5.000,00 € gemäß § 3 Ts.1, 5 Ts. 1 ZPO ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus wird gemäß §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO durch den Sitz der Beklagten bestimmt.

2.4 Der Kläger hat entsprechend § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil er sich nicht mit seiner Auffassung durchgesetzt hat, die Gerichte für Arbeitssachen seien für die von ihm begehrten Feststellungen zuständig. Diese Kosten gehören nicht zu den Kosten des angegangenen Gerichts i.S.d. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG, die einem Kläger nach Satz 2 dieser Vorschrift auch dann aufzuerlegen sind, wenn er in der Hauptsache obsiegen sollte (BGH, Beschluss vom 17.06.1993 - V ZB 31/92 - NJW 1993, 2541; BVerwG, Beschluss vom 15.10.1993 - 1 DB 34.92 - BVerwGE 103, 26 zu 2 e der Gründe).

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der Anwendbarkeit des § 623 BGB zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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