Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 15.10.2004
Aktenzeichen: 13 Sa 1721/04
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 1 Abs. 5
Es ist grob fehlerhaft i.S.v. § 1 Abs. 5 KSchG, wenn die Liste der nach dem Interessenausgleich zu kündigenden Arbeitnehmer von dem Auswahlsystem des Interessenausgleichs abweicht, ohne dass dafür vertretbare Gründe vom Arbeitgeber vorgetragen werden. Ein danach vertretbarer Grund liegt nicht vor, wenn statt des einschlägigen speziellen Interessenausgleichs ein allgemeiner Rahmeninteressen-ausgleich für die Sozialauswahl angewendet wird.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

13 Sa 1721/04

Verkündet am 15.10.2004

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 15.10.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Fenski als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Carow und Herrn Oehmke

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Juli 2004 - 28 Ca 11662/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Zwischen der Beklagten und dem bei ihr bestehenden Betriebsrat wurde am 12. Februar 2003 eine Vereinbarung geschlossen, die einen Interessenausgleich und Sozialplan beinhaltete. Dort heißt es unter anderem:

"B) Interessenausgleich

§ 1 Betriebsänderung

.....

1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, daß eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung / Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepasst.

2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeiter obliegt - je nach Bedarf - die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer - mit Ausnahme des Marktleiters - werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung. ...."

"C) Auswahlrichtlinie ....

§ 2

Bildung von Altersgruppen zur Erhaltung der Altersstruktur

Zwischen den Betriebsparteien besteht Einvernehmen, daß zur Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen gebildet werden. Innerhalb dieser Gruppen ist die Auswahl zur Besetzung der neuen Arbeitsplätze vorzunehmen. Die Altersgruppen gliedern sich wie folgt:

1. Gruppe

Mitarbeiter bis 25

2. Gruppe

Mitarbeiter bis 35

3. Gruppe

Mitarbeiter bis 45

4. Gruppe

Mitarbeiter bis 55

5. Gruppe

Mitarbeiter bis 65

Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, daß die Neubesetzung entsprechend der Gruppenbildung und innerhalb der Gruppe unter Zugrundelegung der Auswahlrichtlinie (C. § 1) durchzuführen ist. Die Anzahl der den einzelnen Gruppen zustehenden neuen Arbeitsplätze wird unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Stärke an der Gesamtbelegschaft der Filiale ermittelt. Sofern in einer Filiale ein Betriebsratsmitglied beschäftigt wird, vermindert sich die Anzahl von Arbeitsplätzen der Gruppe, zu der das Betriebsratsmitglied gehört."

In der Anlage zu dieser Vereinbarung ist auch die Filiale 124 Aschersleben mit dem Datum 01. November 2004 für den Beginn der Umgestaltung zu einer reinen Abverkaufsstelle genannt. Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Kopie der Vereinbarung Bl. 86 ff d.A. verwiesen.

Am 24./25. März 2004 schlossen die Betriebsparteien eine weitere Vereinbarung, die einen Interessenausgleich und Sozialplan beinhaltete. Dort heißt es unter

"Vorbemerkung" ....

...

"Aufgrund dessen ist bereits schon einmal ein Interessenausgleich abgeschlossen worden, und zwar am 12. Februar 2003, auf den wir zunächst inhaltlich Bezug nehmen. Für den Markt 124 in A. wird dieser Interessenausgleich durch die vorliegende Vereinbarung ersetzt." .....

"A) Allgemeine Vorschriften

§ 1

Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt räumlich für die Filiale 124 in A. der P... Handels GmbH. Persönlich gilt diese Vereinbarung für alle Arbeitnehmer/innen (mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach § 5 III und IV BetrVG), die während der Laufzeit dieser Vereinbarung von personellen Maßnahmen, die nachfolgend im Interessenausgleich (B.) abschließend geregelt sind, betroffen werden. Diese Vereinbarung gilt nicht für die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, und zwar deshalb nicht, weil alle begonnenen Ausbildungsverhältnisse unverändert zu Ende geführt werden.

.....

B) Interessenausgleich

§ 1 Betriebsänderung

.....

1. Die Filiale 124 in A. wird zu einer reinen Abverkaufsstelle umgestaltet, und zwar beginnend zum 29.03.2004. Der Umbau wird spätestens am 13.04.2004 abgeschlossen sein. Angelieferte Ware wird dann zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette / Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung oder sonstige Serviceleistungen in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepaßt.

2. Aufgrund dieser Umgestaltung werden in der Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 12 Verkäufer mit Kassen- und Lagertätigkeit beschäftigt.

Den Verkäufern mit Kassen- und Lagertätigkeit obliegt - je nach Bedarf - die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 12 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese neue Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer - mit Ausnahme des Marktleiters - werden deshalb gekündigt. 12 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung. .....

C) Auswahlrichtlinie

§ 1 Auswahlkritierien

.....

§ 2 Bildung von Altersgruppen zur Erhaltung der Altersstruktur

Zwischen den Betriebsparteien besteht Einvernehmen, daß zur Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur Altersgruppen gebildet werden. Innerhalb dieser Gruppen ist die Auswahl zur Besetzung der neuen Arbeitsplätze vorzunehmen. Die Altersgruppen gliedern sich wie folgt:

1. Gruppe

25 Jahre und jünger

2. Gruppe

26 - 35 Jahre

3. Gruppe

36 - 45 Jahre

4. Gruppe

46 - 55 Jahre

5. Gruppe

56 Jahre und älter

Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, daß die Neubesetzung entsprechend der Gruppenbildung und unter Zugrundelegung der Auswahlrichtlinie (C. § 1) durchzuführen ist, wobei jeder Gruppe 2 neue Arbeitsplätze zustehen. Sofern in einer Filiale ein Betriebsratsmitglied beschäftigt wird, vermindert sich die Anzahl von Arbeitsplätzen der Gruppe, zu der das Betriebsratsmitglied gehört. Sollte eine Gruppe aus weniger als 2 Mitarbeiter bestehen, wird der innerhalb dieser Guppe nicht zu verteilende Arbeitsplatz der nächstniedrigeren Gruppe zugeschlagen.

5. Inhalt diese Interessenausgleiches ist auch die als Anlage 1 beigefügte Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG n.F. Dort sind alle Arbeitnehmer namentlich bezeichnet, die eine Beendigungskündigung oder Änderungskündigung erhalten."

In der Gruppe der 46 bis 55 jährigen Mitarbeiter befanden sich Frau E. Z., Frau K. P. und die Klägerin, in der Gruppe der 56 Jahre alten und älteren befand sich kein Arbeitnehmer.

In der als Anlage 1 von den Betriebsparteien unterschriebenen Namensliste findet sich als zu kündigende Arbeitnehmerin auch die Klägerin wieder.

Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf die Kopie der Vereinbarung (Bl. 39 ff d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 26. April 2004 kündigte die Beklagte der Klägerin aus dringenden betrieblichen Gründen zum 30. Juni 2004 (vgl. das Schreiben in Kopie Bl. 55 d.A.).

Gegen diese Kündigung hat sich die am 07. September 1955 geborene Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht Berlin am 10. Mai 2004 eingegangenen Klageschrift gewandt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 09. Juli 2004 dem Klageantrag stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 26. April 2004 zum 30. Juni 2004 beendet worden ist.

Zur Begründung hat es im wesentlichen darauf abgestellt, dass nach dem Interessenausgleich vom 24./25. März 2004 und der Auswahlrichtlinie in der Altersgruppe der Klägerin mindestens drei Arbeitnehmerinnen verbleiben mussten, nämlich die Klägerin und die beiden Mitarbeiterinnen Frau Z. und Frau P.. Dies sei von der Beklagten nicht beachtet worden. Dadurch dass die Betriebsparteien sich bei der Nominierung der ersatzlos zu kündigenden Mitarbeiter nicht an die von ihnen selber gerade objektivierten Regularien gehalten hätten, sei bereits auf den ersten Blick eine "grobe Fehlerhaftigkeit" im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG erzeugt worden, so dass sich die Beklagte nicht auf die Namensliste der zu kündigenden Mitarbeiter berufen dürfte.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts des Parteivortrags erster Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 56 bis 64 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 15. Juli 2004 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 11. August 2004 im Original eingegangene und am 30. August 2004 begründete Berufung der Beklagten.

Sie rügt eine Rechtsverletzung durch das Arbeitsgericht. Eine grobe Fehlerhaftigkeit liege hier nicht vor. Der Interessenausgleich regele ausdrücklich nicht, dass zwei Arbeitsplätze der nächstniedrigeren Altersgruppe zugeschlagen werden müssten, wenn es die Altersgruppe in der Filiale vor der Betriebsänderung überhaupt nicht gegeben hätte. Selbst wenn diese Regelung vereinbart worden wäre, wäre sie nicht wirksam, denn dies würde zu einer Verbesserung der Altersstruktur führen, was in rechtlich zulässiger Weise im Rahmen einer Massenkündigung nicht erreicht werden könne. Selbst wenn der Wortlaut der Auswahlrichtlinien nicht eindeutig wäre, - was er allerdings vorliegend schon sei - , hätte das Arbeitsgericht ihn nicht im Wege der Auslegung einen unzulässigen Inhalt beimessen dürfen. Auf jeden Fall hätte das Arbeitsgericht nicht von einer groben Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG ausgehen dürfen.

Hinzu komme, dass den Betriebsparteien bei der Abfassung des Interessenausgleichs vom 24./25. März 2004 ein offensichtlicher Übertragungsfehler unterlaufen sei. Im Interessenausgleich vom 24./25. März 2004 sei ausdrücklich auf den Interessenausgleich vom 12. Februar 2003 Bezug genommen worden, der sich auch auf die Filiale in A. bezog, und zwar hinsichtlich der geplanten Umgestaltung von einer Fachmarktfiliale in eine Discountfiliale. Die Betriebsparteien seien sich einig gewesen, dass durch den neuen Interessenausgleich im Verhältnis zum ursprünglichen Interessenausgleich lediglich der Zeitpunkt des Umbaus sich ändern sollte, mehr jedoch nicht. Insbesondere sei nicht beabsichtigt worden, gerade für die Filiale in A. eine Sozialauswahl durchzuführen, die von der Regelung im ursprünglichen Interessenausgleich abweicht (Beweis: Zeugnis Frau W. und Herr Wa.).

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 09. Juli 2004 - 28 Ca 11662/04 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des konkreten zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 27. August 2004 (Bl. 77 ff d.A.) und der Klägerin vom 29. September 2004 (Bl. 102 ff d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 c, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung hat das Arbeitsgericht Berlin der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben und die Kündigung wegen der falschen Sozialauswahl für unwirksam erachtet.

Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht und sieht von einer ausführlichen Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab. Im Hinblick auf den teilweise neuen zweitinstanzlichen Vortrag und die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2004 wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Die Kündigung vom 26. April 2004 ist unwirksam gemäß § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG, da die Beklagte bei der Auswahl der Klägerin die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt hat. Auf die Namensliste im Interessenausgleich kann sich die Beklagte nicht berufen, da die Sozialauswahl grob fehlerhaft erfolgte.

a) Die Beklagte hätte nach ihren mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlkriterien bei zwölf zu besetzenden Arbeitsplätzen nach der Vereinbarung vom 24./25. März 2004 die Klägerin weiter beschäftigen müssen, da die Klägerin nach der von der Beklagten eingereichten Sozialauswahltabelle nach Frau Z. (46 Punkte), Frau P.(37 Punkte) und Frau H. (37 Punkte) mit zwei anderen Arbeitnehmern außer dem Marktleiter die viertbeste Punktzahl von 35 aufwies (vgl. dazu die Sozialauswahltabelle Bl. 45 d.A.) Anlage B 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 21. Juni 2004).

Auch nach der von den Betriebsparteien aufgestellten Altersstrukturauswahl hätte die Klägerin weiter beschäftigt werden müssen. Denn nach der Regelung in C § 2 standen der Gruppe der 46 bis 55 jährigen vier neue Arbeitsplätze zu, da die Gruppe der 56 Jahre alten und älteren Arbeitnehmer keinen Arbeitnehmer aufwies. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung, welche nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen zunächst heranzuziehen ist (vgl. dazu nur BAG 25.03.2003 - 1 AZR 335/02 - EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 5 m.w.N. aus der Rechtsprechung zu I 1 der Gründe).

Denn danach wird der in einer Gruppe nicht zu vergebende Arbeitsplatz der nächstniedrigeren Gruppe zugeschlagen, wenn die ältere Gruppe aus weniger als zwei Mitarbeitern besteht. Da sich in der fünften Gruppe der 56 Jahre alten und älteren Arbeitnehmer vorliegend kein Arbeitnehmer befand, hätte der vierten Gruppe der 46 bis 55 jährigen, zu denen die Klägerin und die beiden Arbeitnehmerinnen Z. und P. gehörten, vier neue Arbeitplätze zugestanden. Da die Gruppe nur aus drei Arbeitnehmern bestand, durfte die Beklagte keiner Mitarbeiterin aus dieser Gruppe kündigen.

b) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass ein anderer Interessenausgleich/Sozialplan, nämlich der (Rahmen) Interessenausgleich vom 12. Februar 2004 hätte Anwendung finden müssen. Dem kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden.

aa) Die Vereinbarung vom 24./25. März 2004 ist spezieller als die allgemeine Rahmenvereinbarung vom 12. Februar 2004. Dies kommt schon eindeutig dadurch zum Ausdruck, dass es in der Vereinbarung heißt: "Für den Markt 124 in A. wird dieser Interessenausgleich durch die vorliegende Vereinbarung ersetzt" und in § 1 der Allgemeinen Vorschriften: "Diese Vereinbarung gilt räumlich für die Filiale 124 in A. der P. Handels GmbH."

bb) Die Vereinbarung für den Markt in A. weicht aber auch in anderer Hinsicht von der Vereinbarung vom 12. Februar 2004 ab. Denn anders als noch im Interessenausgleich vom 12. Februar 2004 vorgesehen, sollte die Filiale in A. nicht zum 01. November 2004, sondern bereits zum 13. April 2004 zu einer reinen Abverkaufsstelle umgebaut werden.

cc) Anders als im (Rahmen) Interessenausgleich vom 12. Februar 2004 wurden in A. nicht neun Arbeitnehmer neben dem Marktleiter, sondern zwölf Mitarbeiter neben dem Marktleiter als Verkäufer mit Kassen- und Lagertätigkeit weiter beschäftigt.

dd) Anders als im (Rahmen) Interessenausgleich vom 12. Februar 2004 enthielt der spezielle Interessenausgleich vom 24./25. März 2004 eine Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG.

ee) Und anders als im (Rahmen) Interessenausgleich vom 12. Februar 2004 ohne die Regelung über die Altersstruktur um den hier streitigen Satz ergänzt.

ff) Dementsprechend kann dem Beweisangebot der Beklagten nicht nachgegangen werden, die Betriebsparteien hätten die alte Rahmenvereinbarung vom 12. Februar 2004 anwenden wollen.

2. Die Beklagte kann sich auch nicht gemäß § 1 Abs. 5 KSchG auf die Namensliste berufen, auf der die Klägerin sich befindet. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG n.F. kann die Sozialauswahl der Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden, wenn die zu kündigenden Arbeitnehmer in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet sind. Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit liegt hier vor. Denn es ist grob fehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG, wenn die Liste der nach dem Interessenausgleich zu kündigenden Arbeitnehmer von dem Auswahlsystem des Interessenausgleichs abweicht, ohne dass dafür vertretbare Gründe vom Arbeitgeber vorgetragen werden. Ein danach vertretbarer Grund liegt nicht vor, wenn statt des einschlägigen speziellen Interessenausgleichs (siehe oben) ein allgemeiner Rahmeninteressenausgleich für die Sozialauswahl angewendet wird.

Endlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Auswahl nach der Altersstruktur unwirksam sei, da sie zu einer Verbesserung der Altersstruktur führen würde. Zum Einen führt die vorliegende Regelung nicht zu einer Verbesserung der Altersstruktur, da ja die drei ältesten Arbeitnehmerinnen dem Betrieb erhalten bleiben und auch für die anderen Gruppen die jeweils ältesten Mitarbeiter dieser Gruppe im Betrieb verbleiben. Zum anderen würde eine Unwirksamkeit nach der Altersstrukturauswahl nur dazu führen, dass die Auswahlrichtlinie nach den Auswahlkriterien des Punktesystems erhalten bliebe, wonach die Klägerin wiederum nicht zu kündigen gewesen wäre.

III.

Die Beklagte trägt daher die Kosten ihrer erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorlagen.



Ende der Entscheidung

Zurück