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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 481/06
Rechtsgebiete: Protokollnotiz Nr. 1
Vorschriften:
Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1 a zum BAT |
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 18.05.2006
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 14. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 18.05.2006 durch den Richter am Arbeitsgericht Wenning-Morgenthaler als stellvertretenden Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Frau Westphal und Herrn Bansche
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Januar 2006 - 54 Ca 18296/05 - aufgehoben:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.963,24 EUR brutto (eintausendneunhundertdreiundsechzig 24/100) nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.771,49 EUR seit dem 6. November 2005 und auf einen Betrag von 191,75 EUR seit dem 6. April 2006 zu zahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger seit dem 1. Februar 2006 die Zulage nach dem ersten Halbsatz der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT zu zahlen. IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits bei einem Streitwert von 1.932,84 EUR.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
In der Berufungsinstanz streiten die Parteien nach wie vor über die Heimzulage nach der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT.
Der Kläger ist 45 Jahre alt (.... 1960) und seit dem 1. April 1986 bei der Beklagten als Angestellter in der Tätigkeit eines Erziehers beschäftigt. Er bezieht derzeit Vergütung nach Vergütungsgruppe Vb BAT entsprechend ca. 1.800,00 EUR brutto/monatlich, da er die Voraussetzungen nach der Fallgruppe 5 dieser Vergütungsgruppe im Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT erfüllt. Über die Einzelheiten seiner Tätigkeit gibt es eine Stellenbeschreibung (Bl. 167-171 d.A.).
Abgesehen von der Zeit vom 1. Februar 2005 bis zum 31. Januar 2006, in der die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 24,06 Stunden vereinbart hatten, war der Kläger ansonsten entsprechend der vertraglichen Vereinbarung der Parteien jeweils mit 33,68 Stunden wöchentlich beschäftigt. Mit einigen für den Rechtsstreit nicht erheblichen Modifikationen haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 2. April 1986 (Bl. 8-12 d.A.) die Anwendung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in der für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) geltenden Fassung vereinbart.
Der Kläger hat bis September 2002 die Zulage nach Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT (so genannte Heimzulage) erhalten. Mit Wirkung ab Oktober 2002 stellte die Beklagte die Zahlung dieser Zulage ein, da sie meinte, dass der Kläger aus rechtlichen Gründen die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfülle. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 18. März 2002 (Bl. 14-15 d.A.) darüber informiert. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2002 (Bl. 18 d.A.), 15. November 2004 (Bl. 19 d.A.) sowie Anwaltsschreiben vom 22. Juni 2005 (Bl. 23-25 d.A.) machte der Kläger die Weiterzahlung der Zulage ab 1. Oktober 2002 geltend. Eine tatsächliche Veränderung in der Betreuung und im Umgang mit den Bewohnern vor und nach September 2002 gab es nicht.
Die Beklagte betreibt und betreut seit ca. 20 Jahren Wohngemeinschaften in Berlin. Derzeit sind es 42 Wohngemeinschaften mit insgesamt 207 Wohnplätzen. Der Kläger ist in der Wohngemeinschaft 15 (WG 15) gemeinsam mit einer weiteren Mitarbeiterin beschäftigt. In dieser WG 15 leben vier behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung zwischen 70 und 100, welche alle aufgrund einer Einschränkung ihres Gehvermögens im Sinne des § 146 Abs.1 SGB IX infolge von Störungen der Orientierungsfähigkeit das Merkzeichen G (entsprechend § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung) in ihrem Schwerbehindertenausweis haben. Drei Bewohner bedürfen ständiger Begleitung nach § 146 Abs.2 SGB IX, was durch das Merkzeichen B im Schwerbehindertenausweis (entsprechend § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung) nachgewiesen ist. Eine Bewohnerin ist hilflos im Sinne des § 33b EStG, was durch das Merkzeichen h im Schwerbehindertenausweis (entsprechend § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung) nachgewiesen ist. Einem Bewohner der WG 15 ist der Wert von Geld gänzlich unklar. Andere Bewohner der WG 15 unterliegen einem Kaufzwang.
Die Bewohner der WG 15 arbeiten tagsüber in behindertengerechten Werkstätten in einem so genannten geschützten Bereich der Berliner Werkstätten für Behinderte und der Vereinigung für Jugendliche. In beiden Einrichtungen besteht ein begleitender sozialer Dienst.
Der Kläger ist grundsätzlich von 13 Uhr bis 19 Uhr bzw. an Wochentagen von 14 Uhr bis 21 Uhr in der WG 15 anwesend.
Mit der zuständigen Senatsverwaltung für S. vereinbarte die Beklagte unter dem 21. Juli 2003 eine Leistungsbeschreibung für Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder mehrfacher Behinderung - Leistungstyp II (Bl. 257 bis 264 d.A.) gemäß § 93 BSHG (seit 1. Januar 2005 entspricht diese Vorschrift § 75 Abs.3 SGB XII). In dieser sind Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen der Beklagten vereinbart. Nach Ziffer 4.6 dieser Leistungsbeschreibung ergeben sich Einzelheiten zur geplanten Ausgestaltung der Betreuungsleistungen aus der vom Träger zu erstellenden und mit der Senatsverwaltung abzustimmenden Konzeption. Diese "Konzeption der Wohngemeinschaft .... der L. GmbH" (Bl. 151-166 d.A.) entspricht hinsichtlich der Gliederung wiederum den Vorgaben der Senatsverwaltung für S., wie sie in einem Schreiben der Senatsverwaltung vom 26. September 2001 (Bl. 254-256 d.A.) niedergelegt worden sind.
In dieser Konzeption der WG 15 gibt es unter anderem in 5.2 Festlegungen zur Haushaltsführung. Dort heißt es:
"Was die finanzielle Haushaltsführung betrifft, beteiligt sich jede/r BewohnerIn anteilig an den Haushaltskosten der Wohngemeinschaft und zahlt am Monatsanfang einen festgesetzten Betrag auf das Haushaltskonto der WG ein. Die Gruppenkasse wird von den BetreuerInnen verwaltet, Einnahmen und Ausgaben werden transparent dokumentiert."
In Ziffer 6 gibt es Angaben zum Regeltagesablauf. Dort ist u.a. ausgeführt, dass jede/r seinen Tagesablauf individuell strukturiere aber dennoch viel Gruppenleben stattfinde. Hierzu gehöre z.B. nach der Arbeit zusammensitzen und miteinander reden, gemeinsames Abendessen in der Woche, gemeinsames Mittagessen am Wochenende, die wöchentlich stattfindende Bewohnerbesprechung, bei der die Woche geplant und strukturiert werde, Aufgaben und Dienste verteilt und Probleme besprochen würden.
Weiter ist dort geregelt:
"Verbindlich für alle ist die Teilnahme an hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Einkaufen, Kochen, Küchendienst, Putzen der Gemeinschaftsräume u.a.m. Diese werden in der Regel in der Woche an bestimmten Tagen mit individueller Unterstützung und Hilfestellung der BetreuerInnen erledigt."
In Ziffer 6.2 der Konzeption der WG 15 ist geregelt, dass der Dienstplan und die Anwesenheit der BetreuerInnen in der WG grundsätzlich flexibel gestaltet würden. Die Kernarbeitszeit liege in den Nachmittags- und Abendstunden zwischen 13 und 19 Uhr. Es gebe keine BezugsbetreuerInnen und keine Nachtwache.
In Ziffer 8 gibt es einige Festlegungen zur Führung der Betreuungsdokumentationen und von Entwicklungsberichten.
Zwischen der Beklagten und den Bewohnern wird jeweils ein Formularvertrag "für einen Wohnplatz in einer Wohngemeinschaft" (Bl. 64-65 d.A.) und ein formularmäßiger Nutzungsvertrag (Untermietvertrag) für Wohngemeinschaften (Bl. 102-103 d.A.) vereinbart. In § 1 Ziffer 2 des Wohnplatzvertrages sind die Leistungen der Beklagten aufgeführt. In § 9 ist vereinbart, dass sich die Vertragspartner den Grundsätzen für Wohneinrichtungen der Beklagten in ihrer jeweiligen aktuellen Fassung verpflichtet fühlten und sich bemühten, diese anzustreben. In § 8 ist vereinbart, dass die Fachgebietsleitung aus pädagogischen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen und sozialen Gesichtspunkte einen Umzug veranlassen könne. Hierbei würden nach Möglichkeit die Wünsche des/der Bewohners/in berücksichtigt.
In einer formularmäßigen Anlage zu § 2 des Vertrages für Wohngemeinschaften (Bl .98 d.A.) ist zwischen dem Bewohner und der Beklagten die Höhe des einzuzahlenden Haushaltsgeldes vereinbart.
In der Stellenbeschreibung des Klägers ist u.a in Ziffer 8.3.2 festgelegt, dass er "die Konzeption durch ein Höchstmaß an qualifizierter Arbeit umzusetzen hat". In Ziffer 8.3.3 ist festgelegt, dass der Kläger gemeinsam mit den TeamkollegInnen eine Gruppenkonzeption zu erstellen und weiter zu entwickeln habe, die auf das Konzept der Einrichtung abzustimmen sei. In den Punkten 8.4.3 bis 8.4.6 sind verschiedene Pflichten des Klägers bezüglich Gruppenetat, Barbetrag der Bewohner, Bekleidungsgeldern und Kassenbuchführung aufgelistet.
Mit am 18. August 2005 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangener Klage hat der Kläger insbesondere unter Berufung auf ein klagestattgebendes Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. September 2004 (6 Sa 994/04) betreffend einen anderen Mitarbeiter der Beklagten in einer Wohngemeinschaft die Zahlung der Heimzulage begehrt.
Der Kläger hatte sich zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs darauf berufen, dass es sich bei der WG ... entsprechend der Rechtsprechung des 10. Senates des Bundesarbeitsgerichts in den Entscheidungen vom 27. September 2000 (10 AZR 640/99) und vom 20. März 2002 (10 AZR 518/01) um eine vergleichbare Einrichtung im Sinne der Protokollnotiz Nr.1 handele. Es existierten eine ganze Reihe Regeln in der WG ..., durch die die Bewohner Einschränkungen in ihrer Lebensführung unterworfen seien, die weit über die Beachtung einer Hausordnung hinausgingen. Bei einem Vergleich der Lebensbedingungen in der WG ....mit einem Heim einerseits und einem betreuten Einzelwohnen andererseits sei die WG ..... eindeutig einem Heim vergleichbar. Aufgrund ihrer Beeinträchtigungen seien die Bewohner gerade nicht in der Lage, sich selbst Regeln zu geben und nach diesen zu handeln. Es handele sich nicht um eine Studenten-WG. Den Bewohnern sei es nicht möglich, ohne steuernde Eingriffe der Betreuer den Alltag und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zu regeln.
Der Kläger hatte beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.771,49 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger monatlich die Heimzulage entsprechend der Protokollnotiz Nr.1 zum Eingruppierungstarifvertrag II G der Anlage 1a zum BAT zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hatte ausgeführt, dass die WG .....sich wesentlich von einem Heim unterscheide. Insbesondere seien die Bewohner keiner fremdbestimmten Ordnung unterworfen. Maßgeblich sei allein die Konzeption der WG 15. Diese beschreibe einen Rahmen, nach dem der Betreuungsalltag in der Wohngemeinschaft ablaufen solle. Sie stelle selbst keine Regeln auf und komme schon gar nicht einer Heimordnung gleich. Die Organisationsform der Wohngemeinschaft sei eindeutig nur auf eine begleitende Selbsthilfe ausgerichtet. Den Bewohnern sei es überlassen, sich selbst Regeln zur Gestaltung ihres Zusammenlebens zu setzen. In der WG ... existiere keine WG-Ordnung. Es gebe aber offenbar Absprachen zwischen den Bewohnern bezüglich des Rauchens, des Alkoholkonsums und der Nutzung des Gemeinschaftstelefons. Dieses seien Regeln, wie sie in jeder Familie, Wohngemeinschaft oder Mietergemeinschaft zu beachten seien. Es handele sich deshalb nicht um eine fremde, sondern um eine selbst gesetzte und miteinander verabredete Ordnung.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 20. Januar 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Wohngemeinschaft .... keine vergleichbare Einrichtung im Sinne der Protokollnotiz Nr.1 sei. Die vier geistig behinderten Bewohner unterlägen keiner fremdbestimmten Ordnung zur Durchsetzung von Erziehungs-, Ausbildungs- oder Pflegezwecken, sondern sie würden nur im Wege der Hilfe zur Selbsthilfe im alltäglichen Leben unterstützt. Die geschilderten Regeln der WG 15 seien lediglich für ein störungsfreies gemeinsames Zusammenleben bzw. zur Gefahrenabwehr von den Bewohnern verabredet. Die Bewohner unterlägen keiner Maßregelung seitens der Beklagten. Soweit der Kläger Kontrolltätigkeiten behaupte, seien diese nicht von der Beklagten veranlasst, sondern würden allein dem vom Kläger selbst empfundenen Betreuungs- und Überwachungszwang entspringen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 117 -119 d. A.) verwiesen.
Gegen dieses ihm am 15. Februar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 14. März 2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 29. März 2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger ist weiter der Auffassung, dass sich bereits aus der Konzeption der WG ... ergebe, dass bestimmte Regeln und eine bestimmte Konzeption einzuhalten seien. Dieses seien auch verbindliche Regeln. Aufgrund ihrer Behinderungen seien die Bewohner nicht in der Lage, eigene Regeln aufzustellen und ihr Leben selbst zu bestimmen. Die zusätzlich von allen zu beachtenden Regeln seien
- Alkoholverbot bis 19 Uhr
- Rauchverbot in den Gemeinschaftsräumen
- vorherige Anmeldung neuer Besucher bei den Betreuern
- Übernachtungsbesuch nur nach vorherigem Kennenlernen und nach Absprache mit den Betreuern
- Haushaltsdienste an festgelegten Wochentagen
- Zuteilung des Taschengeldes durch den Betreuer
Weitere individuelle Regeln für einzelne Bewohner seien
- sofortige Rückkehr nach der Arbeit in die WG bzw. Meldepflicht bei Verspätungen
- tägliches Duschen
- tägliches Wechseln der Unterwäsche
- Anwesenheit in der WG spätestens ab 22 Uhr
Die Betreuer seien gehalten, ihre private Telefonnummer in der WG zu hinterlassen, die von Bewohner angerufen werde, wenn Bewohner etwa nachts nicht zu einer bestimmten Uhrzeit zurückkämen.
Die Bewohner bedürften aufgrund der Behinderungen einer hinreichenden Kontrolle, Motivation und Strukturierung. Nur weil sich im Laufe der Jahrzehnte eine konzeptionelle und pädagogische Fortentwicklung der Behindertenarbeit ergeben habe, indem statt der historisch begründeten Vorstellung eines Heimes nunmehr ein liberales und modernes Leitbild die Arbeit bestimme, entfalle nicht der Anspruch auf die Heimzulage. Weil Tagesstrukturen, Regeln und Konfliktlösungsmechanismen nicht mehr autoritativ durchgesetzt würden, seien die Belastungen für die dort Beschäftigten nicht geringer.
Die Bewohner der WG ... seien aufgrund teilweise fehlender Kritikfähigkeit und ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage, sich mit Konflikten konstruktiv auseinanderzusetzen bzw. diese sogar selbst zu lösen. Deshalb würden die Konflikte in der Regel immer an die Betreuer herangetragen, um sie zu lösen. In Gesprächen mit den Beteiligten würden dann Lösungsmöglichkeiten durch den Betreuer erarbeitet.
Die typischen belastenden Konflikte zwischen den wechselseitigen Ansprüchen der Behinderten im Sinne eines gedeihlichen Zusammenlebens zu vermitteln und die Strukturen im Sinne der Gesamtkonzeption aufrecht zu erhalten, seien die permanenten Anforderungen an den Kläger. Dieses entspreche wesentlich eher den Belastungen in einem Heim als bei Besuchen von zu Betreuenden in ihrem Appartement, um mit ihnen Termine zu verabreden sowie Ratschläge und Hilfestellungen zu geben.
Ziel der Betreuung in der WG ... sei eine Selbständigkeit der Abend- und Freizeitgestaltung bzw. der selbständigen Planung von Aktivitäten. Dieses Ziel entspreche aber nicht der erreichten Realität. Entscheidend sei, ob das Leben in der WG ... eher von den Betreuern oder von den Bewohnern bestimmt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf seinen Berufungsbegründungsschriftsatz vom 29. März 2005 nebst Anlagen (Bl. 142-206 d.A.) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Januar 2006 - 54 Ca 18296/05 - aufzuheben;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.963,24 EUR brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.771,49 EUR seit dem 6. November 2005 und auf einen Betrag von 191,75 EUR seit dem 6. April 2006 zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger seit dem 1. Februar 2006 die Zulage nach dem ersten Halbsatz der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass die Konzeption und die Leistungsbeschreibung zwar Grundlage der Leistungsvereinbarung seien, dass in der Leistungsbeschreibung aber lediglich Betreuungsmöglichkeiten aufgeführt seien, die nicht sämtlich zu verwirklichen seien. Es werde lediglich das Leistungsspektrum dargestellt. Zu weiten Teilen beschreibe das Konzept lediglich die tatsächliche Situation wie etwa bei der finanziellen Beteiligung an der Haushaltsführung. Die Verwahrung des Geldes durch den Betreuer sei nur ein Angebot der Beklagten. Es stehe der Wohngemeinschaft frei, andere Regelungen zu treffen. Die Konzeption sei auch nicht einer Heimordnung vergleichbar. Es spiegelten sich darin nur die allgemein akzeptierten Grundbedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens wider.
Die tatsächliche Lebenssituation in den Wohngemeinschaften der Beklagten spiegelten entsprechend der Konzeption vor allem die Grundsätze Normalisierung, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Integration wider. Der Betreuer solle zwar die notwendige Hilfestellung geben aber der Selbstentfaltung des Betreuten den größtmöglichen Raum lassen. Die Bewohner der Wohngemeinschaften seien auch tatsächlich fähig, den Anforderungen an ein Leben, das sich durch ein gesteigertes Maß an Selbstbestimmung und Eigenverantwortung auszeichne, gerecht zu werden. Sei dem nicht so, müsse nach 2.2 der Konzeption die WG verlassen werden. Der Betreuer solle den schwierigen Prozess der Integration der Bewohner in die Gesellschaft unterstützen ohne ihn zu bestimmen. Die Bewohner unterlägen keinen Vorgaben zur persönlichen Lebensführung. Die Behauptung des Klägers, dass die Bewohner der WG ... keine eigenen Regeln aufstellen könnten sei offensichtlich unzutreffend. Solches widerspräche dem Konzept des betreuten, aber selbst bestimmten Lebens in Wohngemeinschaften. Im Übrigen gingen die Bewohner seit Jahren einer Beschäftigung nach und würden den Großteil des Tages ohne Betreuung verbringen. Sie seien zu tiefgehenden, jahrelangen Beziehungen in der Lage. Selbstverständlich seien die Bewohner in der Lage, einfachste Regeln für den täglichen Umgang und die Haushaltsführung aufzustellen und einen Haushalt zu organisieren.
Die Tatsache, dass die Bewohner wie alle Menschen im Zuge des Zusammenlebens Konflikte und Probleme bewältigen müssten, könne nicht dazu führen, ihnen ein selbst bestimmtes Leben abzusprechen. Die vom Kläger behaupteten Regeln entsprächen dem Maß dessen, was ohnehin für alle am gesellschaftlichen Leben teilnehmenden Menschen gelten würde. Die Bewohner seien in der Gestaltung ihres Tagesablaufs frei. Selbst wenn der Bewohner sich entscheide nicht zur Arbeit zu gehen und eine Hilfestellung des Betreuers keine Verhaltensänderung nach sich ziehe, sei das die autonome Entscheidung des Bewohners. Der Betreuer habe weder die Aufgabe noch die Mittel zur Sanktionierung.
Die Entscheidungen der Bewohner erfolgten autonom. Dieses beziehe sich auf den Umgang mit dem Geld und die Verwendung des Geldes. Soweit die Beklagte hierbei Aufgaben übernehme erfolge das nur aufgrund vertraglicher Regelungen. Es gebe keine Verpflichtung, gemeinsam Essen zuzubereiten, gemeinsam zu essen oder ähnliches. Der Betreuer solle nur dann Hilfestellung leisten, wenn die Betreuten dies wünschten. Einen Dienstplan mit verschiedenen Diensten gebe es nicht und sei auch nicht vom Kläger zu überwachen. Der Betreuer habe zwar Absprachen zu fördern, weil diese angesichts der Notwendigkeit der Organisation der WG .. üblich und notwendig seien. Die Bewohner der WG ... wie alle WG-Bewohner bei der Beklagten seien aber grundsätzlich frei in der Entscheidung, wann sie sich wo aufhalten und wann sie die WG aufsuchen und verlassen. Auch das Mitbringen von Besuch stehe ihnen uneingeschränkt frei. Dass die Betreuer ungeachtet dieser Freiheiten über bestimmte außergewöhnliche Abwesenheiten informiert werden wollten, sei ausschließlich Folge ihres Fürsorgeauftrags. Diesen hätten die Betreuer selbstverständlich im Rahmen ihrer Unterstützungsleistungen wahrzunehmen. Eine Überwachungsfunktion gehe damit nicht einher.
Die Angaben in Ziffer 5.2 der Konzeption seien die Wiedergabe der tatsächlichen Verhältnisse der WG .... Die dort beschriebene Haushaltsführung unterscheide sich nicht von den alltäglichen Aufgaben eines sonstigen WG-Lebens. Die vom Kläger behaupteten Regeln seien nicht von der Beklagten aufgestellt. Die Beklagte habe vielmehr eine klare Anweisung erteilt, dass jedenfalls die Betreuer keine eigenen Ordnungsvorschriften oder Regeln in den Wohngemeinschaften erlassen dürften. Diese widerspräche den in der Konzeption festgelegten Prinzipien. Sofern die Bewohner eine WG-Ordnung wünschten, könnten sie sie natürlich aufstellen.
Sofern die Betreuer ihre Aufgaben in der WG anders interpretieren sollten, sei das rechtlich unerheblich. Ihre Aufgaben seien ausschließlich durch die Stellenbeschreibung festgelegt. Die darin genannte Aufsichtspflicht beziehe sich ausschließlich auf die der Beklagten obliegenden Fürsorgepflicht. Der Betreuer habe bei auftretendem Pflegebedarf externe Hilfe einzuschalten. Es bestehe auch die Aufgabe, die Bewohner vor Verwahrlosung zu schützen. Und wenn ein Bewohner nicht die für ein Leben in der WG erforderliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit mehr besitze, sei ein Wechsel in eine andere Einrichtung zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf ihren Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 4. Mai 2006 (Bl. 233-264 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 c ArbGG statthaft und frist- und formgerecht i.S.d. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
1.
Der Antrag zu 1. ist - auch im Umfang der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz - zulässig.
Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz zulässig, wenn erstens der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und zweitens diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
Durch rügelose Einlassung hat die Beklagte der Klageerweiterung zugestimmt (§§ 525, 267 ZPO). Die Klageerweiterung ist auch sachdienlich, da sie geeignet ist, den Streit zwischen den Parteien endgültig und alsbald bis einschließlich Januar 2006 auszuräumen. Über die Klageerweiterung kann auch aufgrund von Tatsachen entschieden werden, die die erkennende Kammer ihrer Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen hat. Die Entscheidung über die Klageerweiterung beruht nämlich auf dem gleichen Sachverhalt wie der übrige Streit. Die Klageerweiterung bezieht sich nur auf die unstreitig auch in den Monaten September 2005 bis Januar 2006 unverändert gebliebenen Arbeitsbedingungen des Klägers.
2.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 2. zu Recht als zulässig angesehen.
Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO setzt eine zulässige Feststellungsklage voraus, dass die klagende Partei ein rechtserhebliches Interesse daran hat, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zur beklagten Partei alsbald feststellen zu lassen. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Feststellungsinteresse ist aber nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird (Urteil des BAG vom 14. Dezember 2005 - 4 AZR 522/04).
Das Feststellungsinteresse ist in der Regel nicht gegeben, soweit die Klage auf die Feststellung einer Zahlungsverpflichtung gerichtet ist. Grundsätzlich ist einer Leistungsklage Vorrang vor einer Feststellungsklage eingeräumt, wenn der Kläger den Anspruch beziffern kann (Urteil des BAG vom 16. November 2005 - 10 AZR 383/05 mwN). Der Kläger hat allerdings ein gesondertes Feststellungsinteresse, wenn er die Zahlungsanträge, wie hier, für die Zukunft nicht beziffern kann und deshalb ein Leistungsantrag ausgeschlossen ist (Urteil des BAG vom 16. November 2005, a.a.O. mwN).
II.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger auch für die Zeit ab Oktober 2002 Anspruch auf die Zulage nach der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT (Heimzulage), da die Wohngemeinschaft 15 eine vergleichbare Einrichtung im Sinne der Protokollnotiz ist.
Die seit dem 1. Januar 1991 gültige Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT lautet (soweit hier relevant):
"Der Angestellte erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120 DM [das entspricht 61,36 EUR], wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind."
Anspruchsvoraussetzungen für die Heimzulage sind - soweit hier relevant - folgende:
- Tätigkeit als Angestellter im Sozial- oder Erziehungsdienst
- Tätigkeit in einer einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim vergleichbaren Einrichtung (Heim)
- überwiegend behinderte Menschen im Sinne des § 39 BSHG (bzw. seit 1. Januar 2005 im Sinne des § 53 SGB XII) als Bewohner in dem Heim
- Erziehung, Ausbildung oder Pflege als Unterbringungszweck für die behinderten Menschen
- ständige Unterbringung der behinderten Menschen
1.
Der Kläger ist seit Oktober 2002 wie bereits auch zuvor unstreitig Angestellter mit einer Tätigkeit nach Fallgruppe 5 der Vergütungsgruppe Vb des Abschnitts G im Teil II der Anlage 1a zum BAT. Damit ist er Angestellter im Sozial- und Erziehungsdienst, so dass er grundsätzlich anspruchsberechtigt für die Zulage nach Protokollnotiz Nr.1 ist.
2.
Der Kläger ist auch unstreitig ununterbrochen in der Wohngemeinschaft ... eingesetzt. In der Wohngemeinschaft ...sind unstreitig ausschließlich und damit auch überwiegend behinderte Menschen im Sinne des § 53 SGB XII untergebracht.
3.
Die Bewohner der WG .. sind in der Wohngemeinschaft auch "ständig" untergebracht, denn diesem Erfordernis steht nicht entgegen, dass der behinderte Mensch das Heim zur Ausübung einer Arbeit oder Ausbildung bei täglicher Rückkehr stundenweise verlässt (so auch Urteil des BAG vom 20. April1994 - 10 AZR 276/93, zitiert nach juris; Urteil des LAG Nürnberg vom 25. Juni 2004 - 9(8) Sa 23/03).
4.
Die Unterbringung der Bewohner in der WG ....dient mindestens einem Erziehungszweck. Deshalb kann dahinstehen, ob sie auch noch - wofür einiges spricht - einem pflegerischen Zweck dient.
Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird unter Erziehung verstanden, die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen, mündigen Menschen, wobei unter Mündigkeit die Fähigkeit verstanden wird, selbständig und verantwortlich die Aufgaben des Lebens zu bewältigen. Erziehung erfasst damit alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Erziehungsvorgang (Entwicklungsvorgang) beeinflussen. Zur Erziehung gehören außer der - regelmäßig im Wege des Unterrichts dargebotenen - Wissensvermittlung die Willensbildung und die Charakterbildung (Wissensbildung; Tätigkeiten, die darauf zielen, dass sich der Erzogene selbst zu sehen und zu beurteilen lernt; Bildung der Entscheidungsfähigkeit; das Lernen, Entscheidungen als rationale Akte zu steuern, Folgen zu bedenken usw.) (Urteil des BFH vom 21. November 1974 - II R 107/68, BStBl. II 1975, 389). Erziehung ist nicht nur gegenüber Kindern und Jugendlichen möglich. Auch Erwachsene können in ihrer Persönlichkeit noch geformt und ihre Entwicklung zu einem Glied der menschlichen Gesellschaft noch weiter gefördert werden (Beschluss des BAG vom 9. Dezember 1992 - 7 ABR 3/92, zitiert nach juris). Erziehung im engeren Sinne ist die im praktischen Umgang durch Einwirkung, Übung und Gewährung bewirkte innere Formgebung des Charakters. Dem steht es inhaltlich gleich, wenn unter "Erziehen" die Bildung und Entwicklung von Geist und Charakter verstanden wird (Urteil des BAG vom 2. April 1981 - 2 AZR 963/78, zitiert nach juris).
In der Stellenbeschreibung des Klägers ist in Ziffer 7 Abs.2 festgelegt, dass der Kläger den Bewohnern soviel Unterstützung wie nötig bei sowenig Einflussnahme wie möglich anzubieten habe, um so bei den geistig behinderten Menschen die Entwicklung eines Höchstmaßes an Kompetenz zu fördern. Dieses dient - auch unter dem Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe - dem Entwicklungsvorgang sowie der Bildung der Entscheidungsfähigkeit und damit der Erziehung der behinderten Menschen in der WG ....
5.
Bei der Wohngemeinschaft .... handelt es sich auch um eine einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim vergleichbare Einrichtung (Heim) im Sinne der tariflichen Regelung der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teil II der Anlage 1a zum BAT.
Die Tarifvertragsparteien haben den unbestimmten Rechtsbegriff "vergleichbare Einrichtung (Heim)" im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 nicht definiert. Was sie unter einem Heim verstehen, ist durch Auslegung des Tarifvertrags und der dazu vereinbarten Protokollnotizen zu ermitteln.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (Urteile des BAG vom 23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02 und vom 20. April 1994 - 10 AZR 276/93 mwN).
5.1
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem "Heim" eine Wohnung, einen Haushalt bzw. einen Ort, an dem jemand lebt und zu dem er eine gefühlsmäßige Bindung hat (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt Urteil des BAG vom 14. Januar 2004 - 10 AZR 188/03 mwN.). Diese Voraussetzung erfüllt die WG 15 für ihre vier Bewohner.
5.2
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Heimzulage ist ein weiteres charakteristisches Merkmal für die Annahme ein Heimes im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1, dass die dort - in der Regel in größerer Zahl - lebenden Menschen in eine nicht durch sie selbst, sondern - typischerweise - durch die Heimleitung gesetzte Ordnung eingebunden sind. Diese Ordnung muss darauf gerichtet sein, die mit der ständigen Unterbringung verfolgten Zwecke zu verwirklichen (Urteil des BAG vom 14. Januar 2004 - 10 AZR 188/03 mwN).
5.2.1
Abgesehen davon, dass die Tarifvertragsparteien bei der Formulierung der Protokollnotiz Nr.1 nicht auf das Vorliegen einer fremdbestimmten Ordnung abgestellt haben, ist dieser Begriff nach Ansicht der Berufungskammer auch nicht geeignet, die Vielfältigkeit der Organisationsformen der Betreuung und Erziehung in der heutigen Zeit abschließend zu kategorisieren.
An die Grenzen der Relevanz einer fremdbestimmten Ordnung als Auslegungskriterium für die Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teil II der Anlage 1a zum BAT ist das Bundesarbeitsgericht bereits mehrfach gestoßen, wenn es entschieden hat, dass auch dann, wenn sich die Heimbewohner in kleineren Einheiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst versorgen und ihr Zusammenleben in begrenztem Maße teilweise selbst organisieren, der Heimcharakter nicht verloren geht. (Urteile des BAG vom 27. September 2000 - 10 AZR 640/99 und vom 23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02).
5.2.2
Soweit das Bundesarbeitsgericht auf "in der Regel" eine größere Anzahl von Bewohnern und auf eine nur "typischerweise" von der Heimleitung gesetzte Ordnung abstellt, ging die erkennende Kammer davon aus, dass es sich bei dieser Auslegung zwar noch um eine im Einzelfall vernünftige und sachgerechte Lösung handelt, dass diese sich aber nur noch bedingt am Zweck der Heimzulage orientiert und wie gerade der hier zu entscheidende Fall und die zahlreichen Parallelverfahren beim Landesarbeitsgericht Berlin zeigen, nicht mehr geeignet ist, eine praktisch brauchbare und damit berechenbare Lösung zu erreichen.
Nach der ausführlichen Erörterung im Termin am 18. Mai 2006 ging die Kammer davon aus, dass die Beklagte sich zwar bemüht, ohne - vorgegebene - Ordnung im klassischen Sinne die Wohngemeinschaft 15 (und die anderen Wohngemeinschaften) zu organisieren, dass dieses aber aufgrund der beschränkten Fähigkeiten der Bewohner - jedenfalls in der Wohngemeinschaft 15 - gar nicht möglich ist.
Sowohl die Konzeption wie auch der Vertrag für einen Wohnplatz in einer Wohngemeinschaft und die Stellenbeschreibung des Klägers beinhalten gewisse Ordnungselemente bzw. setzen diese voraus. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine klassische Heimordnung.
5.2.2.1
Wenn in der Konzeption geregelt ist, dass für alle die Teilnahme an hauswirtschaftlichen Arbeiten wie Einkaufen, Kochen, Küchendienst, Putzen der Gemeinschaftsräume u.a.m. verbindlich sei, und diese Aufgaben in der Regel in der Woche an bestimmten Tagen mit individueller Unterstützung und Hilfestellung der BetreuerInnen erledigt würden, ist es Aufgabe des Klägers, dieses entsprechend 8.3.2 seiner Stellenbeschreibung "mit einem Höchstmaß an qualifizierter Arbeit" umzusetzen. Dass er dabei keine klassischen Sanktionen, sondern "pädagogische Tricks" anwendet, ist nach Ansicht der Kammer Teil der qualifizierten Arbeit des Klägers. Er hat danach diese verbindlichen Aufgaben zu organisieren und - gemeinsam mit den Bewohnern - durchzuführen. Dieses ist ein Ordnungselement für das Zusammenleben in der WG .....
5.2.2.2
Wenn in der Konzeption der WG ... einerseits formuliert ist, dass sich jede/r BewohnerIn anteilig an den Haushaltskosten der Wohngemeinschaft beteiligt und am Monatsanfang einen festgesetzten Betrag auf das Haushaltskonto der WG einzahlt und andererseits die Gruppenkasse von den BetreuerInnen verwaltet wird und Einnahmen und Ausgaben transparent dokumentiert werden, ist das auch ein gewisses Ordnungselement. Wenn die Beklagte ausführt, dass die Bewohner dieses auch anders regeln könnten, beachtet sie einerseits nicht die konkreten Probleme der Bewohner der WG .... mit Geld, wie sie zwischen den Parteien unstreitig sind und andererseits hat die Beklagte dieses in der Anlage zu § 2 des Vertrages für Wohngemeinschaften verbindlich mit dem Bewohner bzw. seinem rechtsgeschäftlichen Vertreter so vereinbart.
Auch wenn der Maßnahme eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liegt, handelt es sich um deutlich mehr als beispielsweise die Verwalterpflichten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Denn das Haushaltskonto der WG beeinflusst tagtäglich das Leben in der WG, gerade auch im Zusammenhang mit den hauswirtschaftlichen Aufgaben.
5.2.2.3
In § 9 des Wohnplatzvertrages hat die Beklagte mit dem Bewohner bzw. seinem rechtsgeschäftlichen Vertreter vereinbart, dass sich die Vertragspartner den Grundsätzen für Wohneinrichtungen der Beklagten in ihrer jeweiligen aktuellen Fassung verpflichtet fühlen und sich bemühen, diese anzustreben.
Hierbei handelt es sich nicht um eine klassische Heimordnung etwa in Form der "12 Gebote". Aber dennoch verpflichtet sich der Bewohner, die Einhaltung von von der Beklagten - in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Soziales - festgelegten Grundsätzen anzustreben. Dass dieses vom Kläger grundsätzlich nicht durch Sanktionen, sondern "mit einem Höchstmaß an qualifizierter Arbeit" umzusetzen ist, steht der Annahme eines Ordnungselementes nicht entgegen.
Im übrigen hat sich die Beklagte selbst die Sanktionen in § 8 des Wohnplatzvertrages vorbehalten, indem dort vereinbart ist, dass die Fachgebietsleitung aus pädagogischen oder sonstigen schwerwiegenden Gründen einen Umzug des Bewohners veranlassen kann. Soweit die Beklagte im Kammertermin darauf verwiesen hat, dass es sich insoweit um Fälle des Wegfalls der Einrichtung o.ä. handeln solle, hielt die Kammer das für eine Schutzbehauptung, da zum einen dieser Fall bereits in § 7 des Wohnplatzvertrages geregelt ist und zum anderen diesen jedenfalls nicht unter den Begriff des "pädagogischen Grundes" subsumiert werden kann.
5.3
Wenn aber danach ein Puzzle verschiedener Ordnungselemente, die teilweise vertraglich vereinbart sind, teilweise einer allgemeinen Konzeption und teilweise, wie die Beklagte in der Berufungserwiderung ausgeführt hat, der Fürsorge sowie der Unterstützung der Bewohner bei Angelegenheiten, die ohnehin für alle am gesellschaftlichen Leben teilnehmende Menschen gelten würden, entspringen, keine klassische Heimordnung ergeben, muss es ein anderes Abgrenzungskriterium für die Annahme eines Heimes im Sinne der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT geben.
5.3.1
Nach der bis zum 31.12.1990 gültigen Protokollnotiz Nr.14 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT erhielten Angestellte in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim, in dem überwiegend körperlich, seelisch oder geistig gestörte oder gefährdete oder schwer erziehbare Kinder oder Jugendliche zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht waren, für die Dauer der Tätigkeit in einem solchen Heim eine Zulage in Höhe von 90 DM.
Vor dem 1.1.1991 war es somit tätigkeitsbezogen erforderlich, dass der Arbeitsbereich des Zulagenberechtigten
- eine bestimmte Gruppen-Wohnform
- einer bestimmten Klientel (überwiegend)
- mit pädagogischer oder pflegerischer Betreuung umfasste.
Die Erweiterung des Anwendungsbereichs, der zum 1. Januar 1991 in der Protokollnotiz Nr.1 formuliert wurde, bezog sich allein auf die Wohnform. Sie war nach Ansicht der Kammer begründet mit einem offeneren Begriffsverständnis der Betreuungsformen seit den 70er Jahren. Die Tarifvertragsparteien wollten mit der erweiterten Regelung anerkennen, dass es zwischen klassischer Heimerziehung einerseits und dem betreuten Einzelwohnen andererseits mittlerweile auch Wohn-Zwischenformen gibt, die ebenfalls eine erhebliche zusätzliche Belastung für das pädagogische Personal bedeuten. Dabei haben die Tarifvertragsparteien einen offenen Begriff gewählt, um den Anwendungsbereich der Protokollnotiz Nr.1 auch auf zukünftige Veränderungen der Betreuungsformen ausdehnen zu können.
Während das klassische Heim zweifelsfrei unter die Protokollnotiz zu subsumieren ist, ist dieses beim echten betreuten Einzelwohnen ebenso eindeutig nicht der Fall. Denn wenn die Protokollnotiz die Zulagenberechtigung davon abhängig macht, dass "überwiegend" die besondere Klientel in der Wohnform untergebracht sein muss, müssen es zwangsläufig mindestens zwei Bewohner sein. Auch greift beim betreuten Einzelwohnen der Zweck der Heimzulage nicht ein (vgl. dazu unten 5.4).
Zwischen diesen beiden Wohnformen befinden sich die neueren Betreuungsformen (teilweise Grenzfälle genannt, vgl. dazu Urteil des BAG vom 23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02), die sowohl der einen wie der anderen Form zugerechnet werden können und seit der Änderung der Protokollnotiz die Rechtsprechung beschäftigt haben.
5.3.2
Ausgehend von dieser Betrachtung kommt es für die Anspruchsberechtigung dann darauf an, ob die neuartigere Wohnform eher einem Heim oder eher einem betreuten Einzelwohnen entspricht. Maßstab ist, ob es sich um eine reine Wohnform handelt, in der die erforderliche Hilfe - organisatorisch abgeschottet - durch außen stehende soziale Dienste erbracht werden kann. In diesem Fall ist der Heimcharakter nicht mehr gegeben. Wenn aber das Wohnen Teil eines Einrichtungsganzen ist, in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht einem Einrichtungsträger zugeordnet werden kann und dieser die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfebedürftigen übernimmt, ist der Heimcharakter im Sinne der Protokollnotiz Nr.1 zum Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT gegeben.
5.3.2.1
Das Wohnen in der Wohngruppe ... ist Teil eines Einrichtungsganzen, denn die Wohngruppe ... ist eine von 42 Wohngruppen der Beklagten. Wenn auch die Konzeptionen für die einzelnen Wohngruppen individuell gestaltet werden, sind sie doch durch die Vorgaben der Senatsverwaltung für Soziales strukturell identisch. Die Tatsache, dass es einrichtungsübergreifende "Versetzungen" der Bewohner geben kann (§ 8 des Wohnplatzvertrages) dokumentiert ebenfalls dass das Wohnen in der einzelnen Wohngemeinschaft Teil eines Einrichtungsganzen der Beklagten ist.
5.3.2.2
Diese 42 Wohngruppen werden einheitlich von der Beklagten betrieben, wie die jeweils angewandten Formularverträge und die nicht auf die konkrete Wohngemeinschaft ausgerichtete allgemeine Stellenbeschreibung des Klägers zeigt. Damit können die Wohngemeinschaften nicht nur formal, sondern auch rechtlich und organisatorisch einheitlich der Beklagten zugeordnet werden.
5.3.2.3
Die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner in der Wohngruppe ... hat die Beklagte. Zwar hat die Beklagte im Kammertermin auf entsprechende Nachfrage des Gerichts behauptet, dass diese bei den Bewohnern liege, doch hielt die Kammer dieses für eine Schutzbehauptung.
Abgesehen davon, dass es absolut unglaubwürdig erscheint, dass zwei Betreuungskräfte ausschließlich für vier Bewohner eingesetzt werden und dann keine Verantwortlichkeit für Lebensführung der Bewohner gegeben sein soll, ergibt sich die Verantwortlichkeit auch aus den von den Parteien eingereichten Unterlagen.
Der Vertrag für einen Wohnplatz regelt in § 1 Ziffer 2 die konkrete Verantwortlichkeit der Beklagten für die Bewohner. Gleiches ergibt sich aus dem außerordentlichen Kündigungsrecht des Bewohners nach § 7 Ziffer 2 im Hinblick auf eine grob fahrlässige Vernachlässigung der Aufsichtspflicht und die bereits erwähnten einrichtungsübergreifenden "Versetzungen" nach § 8 des Vertrages für einen Wohnplatz.
Die Stellenbeschreibung des Klägers enthält neben den oben bereits erwähnten Verpflichtungen des Klägers, die Konzeption durch ein Höchstmaß an qualifizierter Arbeit umzusetzen in Ziffer 8.3.4 auch die Verpflichtung zur Erstellung individueller Förderpläne für die Bewohner und deren Fortschreibung. Konkret sind in 8.1 die pädagogischen/organisatorischen Aufgaben wie
- Sicherstellung der Ernährung,
- Unterstützung bei der Körperpflege,
- Erledigung der Einkäufe unter Einbeziehung der behinderten Menschen,
- Beobachtung des Gesundheitszustandes,
- Verabreichung von Medikamenten und deren Dokumentation,
- Wahrnehmung der Aufsichtspflicht
geregelt.
All diese Punkte ergeben die Gesamtverantwortung der Beklagten für die tägliche Lebensführung der Bewohner in der Wohngruppe .....
5.4
Das Ergebnis, dass es sich um ein Heim im Sinne der Protokollnotiz Nr.1 handelt, wird bestätigt durch den Zweck der Heimzulage.
Die Zulage nach der Protokollnotiz Nr.1 des Abschnitt G des Teil II der Anlage 1a zum BAT wird allein wegen besonderer Erschwernisse im Zusammenhang mit dem Wohnen und der Wohnform gewährt. Denn nach der Fallgruppe 5 der Vergütungsgruppe Vb im Abschnitt G des Teils II der Anlage 1a zum BAT sind u.a. Angestellte in der Tätigkeit eines Erziehers eingruppiert, weil sie besonders schwierige fachliche Tätigkeiten ausüben. Nach der insoweit maßgeblichen Protokollnotiz Nr.8 sind besonders schwierige fachliche Tätigkeiten unter anderem Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG (seit 1.1.2005 ist das § 53 SGB XII) oder von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten.
Wenn danach die Klientel des Klägers - auch als Gruppe - sowie die diesbezügliche pädagogische Betreuung bereits durch die Protokollnotiz Nr.8 und damit mit der Eingruppierung des Klägers vergütet ist, muss mit der Erschwerniszulage nach der Protokollnotiz Nr.1 ein Ausgleich für zusätzliche Belastungen gemeint sein, die im Gegensatz zum betreuten Einzelwohnen oder in einer ambulanten Einrichtung in einer Dauerwohngruppe anfallen.
Wie das Bundesarbeitsgericht in dem Urteil vom 20.3.2002 - 10 AZR 518/01 zutreffend ausführt, ist die besondere Belastung der Tätigkeit in einem Heim in der Konfrontation mit durch das Zusammenleben Mehrerer entstehenden Konflikten zu sehen. Ähnlich hatte das Bundesarbeitsgericht den Zweck auch in der Entscheidung vom 23.10.2002 - 10 AZR 60/02 - mit Konflikten und Belastungen durch das Zusammenwohnen in einem Haus definiert.
Die Kammer hielt es allerdings für zu weit gehend, dass erst beim "Aufeinanderprallen" mehrerer Gruppen in einem Wohnheim in zulagenrelevantem Umfang "mehr und andere Konflikte" entstehen als innerhalb der relativ überschaubaren Einheit Wohngemeinschaft, wie die Entscheidungsgründe des Urteils vom 20.3.2002 - 10 AZR 518/01 andeuten. Denn die Tarifvertragsparteien haben insoweit weder für das Erziehungsheim noch für das Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder die dem vergleichbare Einrichtung ein quantitatives Moment formuliert. In der Entscheidung vom 23.10.2002 - 10 AZR 60/02 hat das Bundesarbeitsgericht diesen Aspekt auch nicht mehr fortgeführt.
Deshalb kann der Zulagenanspruch nach der Protokollnotiz Nr.1 auch in einer Wohngemeinschaft mit vier behinderten Menschen entstehen. Maßgeblich ist allein, dass der Einrichtungsträger, also hier die Beklagte, die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfebedürftigen übernimmt.
5.5
Mit diesem Ergebnis besteht eine vernünftige, sachgerechte, zweckorientierte und praktisch brauchbare Lösung, die insbesondere vermeidet, dass etwa erst durch eine Begutachtung der behinderten Menschen der Grad des notwendigen Einflusses der Betreuer auf Ordnungsfragmente in der Wohngemeinschaft festgestellt werden kann oder aber der Anspruch auf die Zulage von der eher zufälligen Zusammensetzung der Bewohner der Wohngemeinschaft bestimmt wird. Die Tarifnorm stellt nämlich - soweit für diesen Rechtsstreit relevant - auch nur auf das abstrakte Merkmal des § 39 BSHG (bzw. jetzt § 53 SGB XII) und nicht auf irgendwelche individuellen Fähigkeiten oder Nicht-Fähigkeiten der Betreuten ab.
III.
Da der Kläger im bezifferten streitigen Zeitraum zwischen Oktober 2002 und Januar 2006 nicht vollbeschäftigt war, erhält er nach § 34 Abs.2 in Verbindung mit § 34 Abs.1 BAT die Zulage in der Höhe, die seinem Arbeitszeitanteil gegenüber Vollbeschäftigten entspricht. Die Arbeitszeit für Vollbeschäftigte betrug in dem streitigen Zeitraum nach § 15 BAT durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. 33,68 Stunden entsprechen 87,5% von 38,5 Stunden, 24,06 Stunden entsprechen 62,5% von 38,5 Stunden. Die Zulage beträgt für Vollbeschäftigte 61,36 EUR. Bei einem Arbeitszeitanteil von 87,5% sind das 53,69 EUR, wobei der Kläger nur jeweils 53,68 EUR geltend gemacht hat. Bei einem Arbeitszeitanteil von 62,5% sind das 38,35 EUR.
In den 28 Monaten vom Oktober 2002 bis Januar 2005 betrug der Arbeitszeitanteil des Klägers 87,5% eines Vollbeschäftigten entsprechend einer Monatssumme von 53,69 EUR bzw. einem Gesamtbetrag von 1.503,32 EUR. Da der Kläger aber nur 53,68 EUR monatlich verlangt, steht ihm für diesen Zeitraum insgesamt ein Betrag von 1503,04 EUR zu.
In den 12 Monaten von Februar 2005 bis Januar 2006 betrug der Arbeitszeitanteil des Klägers 87,5% eines Vollbeschäftigten entsprechend einer Monatssumme von 38,35 EUR bzw. einem Gesamtbetrag von 460,20 EUR.
Insgesamt stehen dem Kläger danach 1.963,24 EUR für die Zeit vom Oktober 2002 bis einschließlich Januar 2006 zu.
Die Nebenentscheidung über den Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288, 247 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert bemisst sich nach dem 36fachen Monatsbetrag der dem Kläger zustehenden Heimzulage in Höhe von jeweils 53,69 EUR (§ 42 Abs.3 GKG). Die im Antrag zu 1 bezifferten Beträgen waren nicht hinzuzurechen (§ 42 Abs.5 Satz 1, 2. Halbsatz GKG).
V.
Die Kammer hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen. Sie hat sie auch wegen Divergenz zu den letzten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Heimzulage vom 14. Januar 2004 - 10 AZR 188/03, vom 23. Oktober 2002 - 10 AZR 60/02 und vom 20. März 2002 - 10 AZR 518/01 zugelassen, da die Kammer davon ausgeht, dass es für die Anwendbarkeit der Protokollnotiz Nr.1 des Abschnitt G des Teil II der Anlage 1a zum BAT nicht auf das Vorliegen einer typischerweise durch die Heimleitung fremdbestimmten Ordnung, sondern darauf ankommt, wer die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner hat.
Ende der Entscheidung
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