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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: 16 Sa 1698/03
Rechtsgebiete: UmwG, TzBfG
Vorschriften:
UmwG § 2 Nr. 1 | |
TzBfG § 14 Abs. 2 S. 1 | |
TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2 |
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 29.01.2004
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Dorny und Herrn Streim
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Juni 2003 - 40 Ca 372/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die zwischen ihnen vereinbarte (erstmalige und sachgrundlose) Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes unwirksam ist.
Die Klägerin war vom 01. November 1998 bis 31. Oktober 2000 bei der Deutschen P.gewerkschaft e.V. als Bildungsreferentin beschäftigt und wurde von der Beklagten durch Vertrag vom 08. Januar 2002 (Bl. 7-9 d.A.) für die Zeit 15. Januar 2002 bis 14. Januar 2003 wiederum als Bildungsreferentin (in einer anderen Bildungseinrichtung als zuvor) eingestellt. Die Beklagte ist durch Verschmelzungsvertrag vom 19. März 2001 (Auszug Bl. 99 ff. d.A.) nach § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (Übertragung des Vermögens als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung) aus fünf Gewerkschaften, darunter die DPG, hervorgegangen und am 02. Juli 2001 ins Vereinsregister eingetragen worden. Der Streit der Parteien geht darum, ob die Beklagte als "dieselbe Arbeitgeberin" im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG anzusehen ist wie die DPG.
Durch Urteil vom 24. Juni 2003 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 14. Januar 2003 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht, abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die DPG und die Beklagte seinen unterschiedliche juristische Personen. Die vorliegende Fallgestaltung sei mit derjenigen des § 613 a BGB vergleichbar; dazu sei anerkannt, dass im Zusammenhang der Abschlussverbote im Rahmen der Befristungskontrolle Betriebsveräußerer und -erwerber verschiedene Arbeitgeber seien.
Gegen dieses am 19. August 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. August 2003 eingegangene und am 20. Oktober 2003 (Montag) begründete Berufung der Klägerin.
Sie macht geltend, aus den Rechtsgrundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzungsfällen ergebe sich, dass der das gesamte Vermögen übernehmende Rechtsträger, der umfassend in die Rechtsstellung des Vorgängers eintrete, als identisch mit dem übertragenden Rechtsträger anzusehen sei; die DPG sei nicht untergegangen, sondern, als Folge des § 2 Nr. 1 UmwG, in der Beklagten aufgegangen.
Die Klägerin beantragt,
dass Urteil des Arbeitsgerichts zu ändern und wiederholt ihren erstinstanzlichen Antrag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht sich die Urteilsbegründung zu Eigen. Sie sei zwar in die am 02. Juli 2001 (Eintragungsdatum) bestehenden Arbeitsverhältnisse mit den Gründungsgewerkschaften eingetreten, sei aber mit diesen nicht identisch und jedenfalls nicht "dieselbe Arbeitgeberin" im Zusammenhang der Befristungskontrolle.
Entscheidungsgründe:
1.
Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1.1
Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG konnte der auf ein Jahr abgeschlossene Vertrag zwischen den Parteien ohne Vorliegen eines Sachgrundes wirksam befristet werden. Das ist hier geschehen.
1.2
Diese Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG unwirksam, weil die Klägerin von November 1998 bis Oktober 2000 bei der DPG in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat und es sich hierbei um "denselben Arbeitgeber" im Sinne der Norm gehandelt hätte.
1.2.1
Gegen diese Annahme spricht bereits der Wortlaut der Bestimmung, die eindeutig auf die Identität der (natürlichen oder juristischen) Person des Arbeitgebers abstellt, nicht dagegen auf diejenige einer bestimmten Vermögensmasse, eines Betriebes oder eines Arbeitsplatzes. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass zu den insoweit gleich lautenden Vorgängerbestimmungen in § 1 der Beschäftigungsförderungsgesetze von 1985 und 1996 die Auffassung vorgeherrscht hat, dass es ausschließlich auf die Identität des Vertragsarbeitgebers ankommt, und zwar sowohl in Fällen des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs nach § 613 a BGB als auch im Fall der Einstellung eines zuvor als Leiharbeiters beschäftigten Arbeitnehmers als auch im Falle des "Tausches" unter mehreren Arbeitgebern, die einen Gemeinschaftsbetrieb führen (vgl. etwa BAG vom 8.12.1988, 2 AZR 308/88, NZA 1989, 459; vom 25.04.2001, 7 AZR 376/00, ZIP 2001,1511; Meinel/Heyn u.a., TzBfG 2002, § 14 Rn. 82 - 84 m.w.N.; KR-Lüttke, 6. Aufl. 2002, § 14 TzBfG Rn. 305 m.w.N.). Mit dem Arbeitsgericht geht auch die Berufungskammer davon aus, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass das Teilzeit und Befristungsgesetz den bereits zuvor eingeführten Begriff "derselbe Arbeitgeber" anders gemeint haben könnte, als dass es auf die Identität des Arbeitgebers ankommt, und zwar unabhängig davon, ob der erste Arbeitgeber, mit dem das frühere Arbeitsverhältnis bestanden hat, im Zeitpunkt der Begründung des neuen befristeten Arbeitsverhältnisses noch existiert oder nicht, und unabhängig davon, ob der Arbeitsplatz, der Beschäftigungsbetrieb oder das gesamte Vermögen des früheren Arbeitgebers beim neuen Arbeitgeber noch oder wieder vorhanden sind.
Darauf, dass die Verschmelzung nach § 2 Nr. 1 UmwG dazu geführt hat, dass die Deutsche Postgewerkschaft als juristische Person untergegangen ist und ihr gesamtes Vermögen zunächst in die Gründungsorganisation ver.di e.V. und sodann in die Beklagte eingebracht hat, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Die DPG ist ein anderer Arbeitgeber gewesen, als es die Beklagte jetzt ist.
1.2.2
Sinn und Zweck der Regelung veranlassen nicht zu einer Auslegung im Sinne der Klägerin über den Wortlaut hinaus. § 14 ff. TzBfG wurden zur Umsetzung der Richtlinien 1999/70/EG des Rates der Europäischen Union geschaffen, um den Schutz befristet beschäftigter Arbeitnehmer vor Diskriminierung zu verbessern, die Aufeinanderfolge befristeter Arbeitsverträge einzuschränken und die Chancen befristet beschäftigter Arbeitnehmer auf eine Dauerbeschäftigung zu verbessern (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 1; BAG v. 15.1.2003, 7 AZR 535/02, DB 2003, 2787).
Dabei steht bei § 14 Abs. 2 Satz 1 der Anreiz an die Arbeitgeber im Vordergrund, überhaupt neue Arbeitsplätze zu schaffen (oder illegale Arbeitsverhältnisse zu legalisieren), während bei Satz 2 die Motivation im Vordergrund stehen dürfte, unerwünschte Befristungsketten zu vermeiden und den einmal beschäftigten (oder beschäftigt gewesenen) Arbeitnehmern unbefristete Dauerarbeitsverhältnisse zu verschaffen.
Ersteres leuchtet ein: Da dass Kündigungsschutzgesetz in seiner bis Ende 2003 bestehenden Fassung (und in der durch die Rechtssprechung vorgenommenen Ausformung) von vielen Arbeitgebern als "Fessel" empfunden wurde, die, ebenso wie die zur Unterstützung des Kündigungsschutzgesetzes vorgenommene Befristungskontrolle, die Anpassung des Personalbestandes an sich schnell verändernde wirtschaftliche Verhältnisse erschwert hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Erleichterung von Befristungen in Abs. 2 Satz 1 zur Schaffung des einen oder anderen tatsächlich neuen Arbeitsplatzes führt.
Es darf aber bezweifelt werden, dass der durch Satz 2 verfolgte gesetzgeberische Zweck, unerwünschte Befristungsketten zu vermeiden, mit dieser Regelung erreichbar ist. Wenn der Arbeitgeber auf einem (langdauernd) freien Arbeitsplatz lieber einen befristet eingestellten als einen unbefristet eingestellten Arbeitnehmer einsetzt, wird er dies auch faktisch tun, soweit überhaupt geeignete Bewerber vorhanden sind. Der rechtlich beratene Arbeitgeber wird deshalb zunächst feststellen, ob der Bewerber schon einmal bei ihm beschäftigt war, und er wird ihn, falls dies zutrifft, ablehnen, wenn er einen anderen geeigneten Bewerber hat, um dessen Vertrag zunächst wirksam zu befristen; und er wird gegen Ende dieser Befristung dasselbe noch einmal tun. Dann aber führt das Anschlussverbot des Abs. 2 Satz 2 nicht zu Dauerarbeitsverhältnissen, sondern lediglich zu einer größeren Fluktuation, die weder den gewünschten beschäftigungspolitischen Effekt hat noch die Chance des früher beschäftigten Arbeitnehmers auf einen Dauerarbeitsplatz in irgendeiner Weise vergrößert, und zwar unabhängig davon, ob man das Anschlussverbot auf sämtliche Arbeitsverhältnisse ausdehnt, die jemals zu demselben Arbeitgeber bestanden haben (wie der Wortlaut der Bestimmung nahezulegen scheint), oder ob man es zeitlich begrenzt, was nach dem Wortlaut nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. dazu insbes. Löwisch, DB 2001,254 sowie Rolfs, TzBfG 2002 § 14 Rn. 75 m.w.N.). Der einmal beschäftigt gewesene Arbeitnehmer wird es im Gegenteil sogar stets als nachteilig empfinden, wenn ihm bei seiner Bewerbung gesagt wird, er könne (allein) deshalb nicht eingestellt werden, weil er schon einmal beim Arbeitgeber beschäftigt war. Auch die Klägerin hätte es vermutlich kaum verstanden, wenn die Beklagte ihre Einstellung ganz abgelehnt hätte, statt ihr wenigstens eine Beschäftigung für die Dauer eines Jahres zu gewähren.
Bestehen hiernach erhebliche Zweifel am Sinn des Befristungsverbots im Falle einer Vorbeschäftigung, sieht die Kammer jedenfalls keinen Grund, die Bestimmung über ihren Wortlaut hinaus auszudehnen. Es verbleibt hiernach bei der Regel, dass mit den Worten "derselbe Arbeitgeber" auf die Identität des Vertragsarbeitgebers abgestellt wird. Diese Identität ist in Verschmelzungsfällen nach § 2 Nr. 1 UmwG nicht zu bejahen (ebenso im Ergebnis Annuß/Thüsing, TzBfG, § 14 Rn. 76 sowie Bauer, BB 2001, 2473, 2476). Die Beklagte ist nicht "dieselbe Arbeitgeberin" wie zuvor die Deutsche P.gewerkschaft, und dies nicht nur, weil die Vermögensmassen, die Entscheidungsstrukturen und die handelnden Personen andere geworden sind als zur Zeit der Beschäftigung der Klägerin bei der DPG.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
3.
Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da der Kammer ein obergerichtliches Präjudiz zu der streitigen Rechtsfrage nicht bekannt ist.
Ende der Entscheidung
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