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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 337/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 292
ZPO § 416
ZPO § 419
ZPO § 440 Abs. 2
Macht ein Arbeitnehmer geltend, ein von ihm unterzeichneter Arbeitsvertrag, der in der Überschrift als "Befristeter Arbeitsvertrag" bezeichnet war, sei unbefristet, weil bei seiner Unterschrift nur das Anfangsdatum, nicht aber das Beendigungsdatum (handschriftlich) eingetragen gewesen sei, muss er dies beweisen, wenn die Vertragsurkunde keine Mängel i.S. des § 419 ZPO aufweist (§§ 440 Abs. 2, 292 ZPO).

Ein Schriftgutachten kommt dazu in Frage, wenn das handschriftliche Beendigungsdatum ausreichende Individualisierungsmerkmale aufweist, um auf einen anderen Urheber als den des übrigen handschriftlich ausgefüllten Vertragstextes hinzuweisen.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

16 Sa 337/03

Verkündet am 06.05.2003

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 06.05.2003 durch den Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hein und die ehrenamtliche Richterin Redlin für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Januar 2003 - 12 Ca 25266/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das am 19. August 2002 begründete Arbeitsverhältnis wirksam zum 30. August 2002 (zur Erprobung) befristet worden ist, ferner über den (Prozess-)Beschäftigungsanspruch des Klägers und über Annahmeverzugslohn für die Zeit 1. September bis 30. November 2002. Der Streit geht insbesondere darum, ob die im vorgedruckten Arbeitsvertrag (Hülle Bl. 117 d. A.) enthaltenen, handschriftlich eingesetzten Beendigungsdaten "30.08.2002" bzw. "30.08.02" vom Vater des Beklagten vor der Unterschrift des Klägers am 19. August 2002 oder erst am 30. August 2002 vom Beklagten selbst eingefügt worden sind, nachdem der Beklagte an letztgenanntem Tag dem Kläger telefonisch mitgeteilt hatte, das Arbeitsverhältnis werde nicht verlängert (so die Behauptung des Beklagten) bzw. der Kläger sei "gekündigt" (so die Behauptung des Klägers). Der Kläger hatte zunächst beim Arbeitsgericht Berlin Klage erhoben mit dem Antrag

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigungserklärung des Beklagten vom 30.08.2002 beendet wird.

Mit am 13. Dezember 2002 eingegangenem Schriftsatz hat er sodann folgende Anträge formuliert

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch durch die Kündigungserklärung des Beklagten vom 30.08.2002 noch durch Befristung zum 30.08.2002 beendet worden ist,

2. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens als Dachdecker weiterzubeschäftigen,

3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.940,00 EUR brutto abzüglich 2.239,50 EUR netto sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem.. § 1 DÜG auf je 1.233,50 EUR ab dem 01.10.2002, 01.11.2002 und 01.12.2002 zu zahlen.

Durch Urteil vom 28. Januar 2003, auf dessen Tatbestand wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 62 ff. d. A.), hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Soweit der Feststellungsantrag sich gegen eine vom Beklagten bestrittene Kündigung wende, sei er unbegründet, da der Kläger eine Kündigungserklärung nicht substantiiert vorgetragen und jedenfalls nicht unter Beweis gestellt habe. Soweit der Antrag sich gegen die Befristung wende, habe der Kläger die Klagefrist des § 17 TzBfG versäumt, die auch bei Streit darüber einzuhalten sei, ob überhaupt eine Befristung vereinbart worden sei. Im übrigen sei der Kläger hinsichtlich der abredewidrigen Ausfüllung des (von ihm selbst unstreitig unterzeichneten) Arbeitsvertrages durch den Beklagten darlegungs- und beweispflichtig. Sein eigener Vortrag - nämlich, dass er zunächst eine Art Vorvertrag und erst nach zwei bis drei Wochen einen endgültigen Vertrag habe erhalten sollen - ergebe jedoch keine abredewidrige Ausfüllung, zumal der Vertrag deutlich hervorgehoben als "befristeter Arbeitsvertrag" bezeichnet gewesen sei. Sei hiernach von einer wirksamen Vertragsbefristung auszugehen, fehle es an einer Grundlage für die übrigen Klageanträge. Auf die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird verwiesen (Bl. 66 ff. d. A.).

Gegen dieses am 7. Februar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Februar 2003 eingegangene und gleichzeitig begründete Berufung des Klägers.

Er macht geltend, die Klagefrist nach § 17 TzBfG habe er schon deshalb eingehalten, weil er in seiner ursprünglichen Klagebegründung bemerkt habe, er wende sich "gegen alle Beendigungstatbestände, auf die sich der Beklagte im Zusammenhang mit der Kündigungserklärung vom 30.08.2002 beruft". Im Übrigen könne § 17 TzBfG keine Anwendung finden, wenn die Befristung nicht vereinbart, sondern durch eine Fälschung des Arbeitgebers in die Vertragsurkunde aufgenommen worden sei. Das Beendigungsdatum 30.08.2002 sei in der Vertragsurkunde bei seiner, des Klägers, Unterschrift nicht eingetragen gewesen, und er habe weder den Vater des Beklagten (M. S.), der den schriftlichen Vertrag am 19. August 2002 ausgefüllt habe, noch den Beklagten selbst dazu ermächtigt, das offen gebliebene Beendigungsdatum nach seinem Belieben später einzutragen. Ein Schriftgutachten werde ergeben, dass das Anfangsdatum und das Datum der Vertragsunterschrift (19.08.2002) von einer älteren Person, nämlich M. S., die beiden Beendigungsdaten 30.08.2002 aber von einer jüngeren Person, nämlich dem Beklagten, geschrieben worden seien; die Behauptung des Beklagten, alle handschriftlichen Eintragungen in den Arbeitsvertrag habe sein Vater M. S. am 19. August.2002 vorgenommen, könne dadurch widerlegt und der Beklagte einer Fälschung überführt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts zu ändern und seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entsprechen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und macht sich die Urteilsbegründung zu Eigen.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 85 ff. d. A.) und die Berufungserwiderung (Bl.. 105 ff. d. A.) nebst Beweisangeboten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Berufung ist insoweit unzulässig, als sie sich auch gegen die Abweisung der Lohnzahlungsklage für die Zeit 2. bis 6. September 2002 in Höhe von anteiligen 471,40 EUR brutto (5 Arbeitstage von möglichen 21 im Monat September) nebst Zinsen richtet. Das Arbeitsgericht hat diesen Teil der Klage auch unter Hinweis auf § 3 Abs. 3 EFZG abgewiesen, was die Entscheidung für sich genommen trägt. Damit hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

2.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Nach dem vom Kläger unstreitig unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag ist davon auszugehen, dass der Kläger einer Befristung (die zum Zwecke der Erprobung unbedenklich zulässig ist, § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG) zum 30. August 2002 zugestimmt hat. Dafür, dass das Beendigungsdatum nicht bei Vertragsschluss, sondern erst deutliche Zeit später vom Beklagten eingefügt worden ist, hat der Kläger kein taugliches Beweisangebot gemacht:

2.1

Nach § 416 ZPO begründet eine vom Aussteller unterschriebene Privaturkunde, die nicht mit Mängeln (§ 419 ZPO) behaftet ist, vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben sind. Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest (wie hier die des Klägers unter dem Vertrag), so hat nach § 440 Abs. 2 ZPO die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich, was hier konkret bedeutet, dass zu vermuten ist, dass die Unterschrift des Klägers auch das (unstreitig nicht von ihm selbst geschriebene) Beendigungsdatum abdeckt, m.a.W.: dass der Kläger mit seiner Unterschrift der von der Beklagten gewünschten und in den Vertrag aufgenommenen Befristung zum 30. August 2002 zugestimmt hat.

Hiernach hat der Unterzeichner (der Kläger) die Last des Beweises des Gegenteils (vgl. etwa Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 440 Rz. 3 m.w.N.). Er hat sich dazu nicht auf die mögliche Vernehmung des M. S. als Zeugen oder auf die Vernehmung des Beklagten als Partei berufen, sondern ausschließlich auf das Gutachten eines Schriftsachverständigen, der nach seiner Auffassung beweissicher feststellen können soll, dass die beiden Daten 30.08.2002 bzw. 30.08.02 von anderer Hand, nämlich des Beklagten selbst geschriebenen worden seien als die übrigen handschriftlichen Eintragungen in den Arbeitsvertrag.

Nach ihrer bisherigen Befassung mit Schriftgutachten hält es die Kammer für unmöglich, dass ein seriöser Gutachter diese Feststellung im vorliegenden Fall treffen kann: Der Kläger folgert die unterschiedliche Urheberschaft allein aus den seiner Meinung nach "glatten und homogenen Schriftzügen" der beiden Daten 30.08.2002 bzw. 30.08.02 im Vergleich zu den übrigen "geschwungenen Schriftzeiten", die von Manfred Siedler stammen. Ein Blick auf das Original des Arbeitsvertrages zeigt aber, dass eine (kleine) Abweichung allein bei der Ziffer 2 vorkommt: Während diese im Geburtsdatum des Klägers am Anfang des Vertrages, im Datum des Beginns des Arbeitsvertrages und im Datum der Vertragsunterschrift einen rundlichen Anfangsbogen und eine (jeweils unterschiedlich ausgeprägte) Biegung auch im auslaufenden Basisstrich zeigt, wirken sowohl die Eingangsbögen als auch die auslaufenden Basisstriche der drei Zweien in den Beendigungsdaten jeweils etwas gerader, wenn auch diese drei Formen der Zwei wiederum nicht vollkommen übereinstimmen. Das kann aber nicht genügen, auch nur einen brauchbaren Grad an Wahrscheinlichkeit für die eine oder andere Urheberschaft zu ermitteln.

Ziffern bieten von ihrer Art her und von der quantitativen Eingrenzung der Grundformen "0" bis "9" her weniger Möglichkeiten der Ausbildung von Schreibereigentümlichkeiten, zumal, wenn sie nicht in einem fortlaufenden handgeschriebenen Text erscheinen, sondern gesondert und hervorgehoben geschrieben werden (wie etwa auf einer Banküberweisung oder eben auch in einem vorgedruckten Arbeitsvertrag). Ein derartiger bewussterer Schreibvollzug führt zu häufigen Allgemeinähnlichkeiten und dadurch zu einer geringeren Qualität der Handschrift, wie sie für eine deutliche Urheberidentifizierung notwendig ist. Die insgesamt vier Ziffern in dem Beendigungsdatum, die nicht von M. S., sondern vom Beklagten selbst stammen sollen (0, 2, 3 und 8), können hiernach nicht ausreichen, um eine Urheberschaft des M. S. auch nur mit Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte eine Unterbrechung des M. S. bei der Ausfertigung des Arbeitsvertrages von bis zu fünf Minuten nicht ausgeschlossen hat, darüber hinaus auf mündliche Befragung ferner nicht die Verwendung zweier verschiedener Stifte (wofür der optische Eindruck nicht einmal Anhaltspunkte bietet). Es gilt erst recht, nachdem der Kläger nicht bestritten hat, dass M. S. nur etwa zwei Wochen vor dem hiesigen Vertrag einen Arbeitsvertrag mit einem anderen Arbeitnehmer ausgefertigt hat, in dem die Zweien in der Jahreszahl 2002 (dreimal) unterschiedlich ausgeformt worden sind, darunter auch so wie hier in den Beendigungsdaten.

Hiernach erschien der Kammer die Einholung eines Sachverständigengutachtens von vornherein unergiebig, weshalb sie von der vom Kläger begehrten Beweisaufnahme abgesehen hat.

2.2

Hiernach kann offen bleiben, ob der Auffassung des Arbeitsgerichts und der von ihm zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 18. Januar 2000 (NZA 200, 1071) zu folgen wäre, auch bei Befristung eines Vertrages im Wege der Fälschung sei die dreiwöchige Klagefrist des § 17 TzBfG ab vereinbartem (?) Ende (oder wenigstens ab dem Zeitpunkt, zu dem sich der Arbeitgeber auf eine Befristung beruft) einzuhalten. Weiter kann offen bleiben, ob die "salvatorische Klausel" im vierletzten Satz der Klageschrift ausreicht, um die vom Beklagten behauptete Befristung noch nach Ablauf von drei Wochen zum Gegenstand eines geänderten Klageantrages zu machen. Denn auch wenn man die erstgenannte Frage zugunsten des Klägers verneint und die zweite bejaht, hätte der Kläger die in der eingereichten Vertragsurkunde enthaltene Befristung gegen sich. Deshalb kann schließlich auch dahingestellt bleiben, ob es rechtlich möglich wäre, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag schließen, in dem das genaue Ende zunächst offen bleibt und der Arbeitgeber ermächtigt wird, dieses in einem vorbestimmten Rahmen selbst festzulegen, und ob der Vortrag des Klägers ("Vorvertrag - endgültiger Arbeitsvertrag nach zwei bis drei Wochen") für eine derartige Annahme in tatsächlicher Hinsicht ausreicht.

3.

Ist hiernach von einem Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem 30. August 2002 auszugehen, haben die weiteren Klageanträge ersichtlich keine Rechtsgrundlage.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO.

5.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nach Einschätzung der Kammer nicht vor.

Ende der Entscheidung

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