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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 399/03
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 263
1. Ist in einer anwaltlich verfassten Kündigungsschutzklage die (tatsächlich existierende) beklagte Partei (GmbH) eindeutig bezeichnet, kommt ein Auslegung dahin, dass eine andere (ebenfalls existierende) Partei (GmbH) gemeint ist, nur in Frage, wenn die Klagebegründung klar ergibt, dass nach Auffassung des Klägers nur zu dieser anderen Partei ein Arbeitsverhältnis bestanden hat; es genügt nicht, dass aus mitgesandten Unterlagen (Arbeitsvertrag, Kündigung) geschlussfolgert werden kann, der Kläger habe möglicherweise die falsche Partei verklagt.

2. Will der Geschäftsführer einer GmbH nach seiner Abberufung geltend machen, ein früher zur Muttergesellschaft der GmbH begründetes Arbeitsverhältnis sei wieder aufgelebt und durch deren (parallel zur Abberufung ausgesprochenen) Kündigung nicht beendet worden, muss er seine Kündigungsschutzklage gegen die Muttergesellschaft richten. Richtet er sie gegen die Tochter und erklärt zunächst, er habe zu dieser - trotz seiner formalen Stellung als Geschäftsführer - in einem Arbeitsverhältnis gestanden, kann er nicht das Rubrum berichtigen, sondern nur die Partei auswechseln. Ein derartiger Parteiwechsel kann sachdienlich sein, wirkt aber nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Klageeinreichung zurück.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

16 Sa 399/03

Verkündet am 26.06.2003

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 26.06.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hein und die ehrenamtliche Richterin Pitula

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2002 - 25 Ca 24221/02 - wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Abweisung des im Klageantrag zu 1 enthaltenen allgemeinen Feststellungsantrages ("...sondern über den 3. Juli 2002 ungekündigt fortbesteht") und gegen die Abweisung des Antrages zu 2 richtet.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine fristlose Kündigung vom 3. Juli 2002, die hilfsweise zum 31. Juli 2002 wirken soll und auf den Vorwurf finanzieller Unregelmäßigkeiten gestützt ist. Die Beklagte betreibt eine Spedition. Sie hat den Kläger am 28. Juni 2000 mit Wirkung ab 1. Oktober 2000 als Fahrlehrer eingestellt mit der Maßgabe, ihn zum Geschäftsführer einer in Gründung befindlichen Tochtergesellschaft zu berufen, die eine Fahrschule betreiben würde; diese wurde als U. A. GmbH am 21. November 2000 ins Handelsregister eingetragen. Gleichzeitig wurde der Kläger als allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer eingetragen.

Auf einem Schreiben der U. A. GmbH vom 3. Juli 2002 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen. Mit weiterem Schreiben der Beklagten vom 3. Juli 2002 wurde die streitgegenständliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen.

Mit seiner am 22. Juli 2002 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, zunächst gegen die U. A. GmbH gerichteten (und ihr am 31. Juli 2002 zugestellten) Klage, der der Arbeitsvertrag und die beiden genannten Schreiben beigefügt waren, hat der Kläger die Anträge angekündigt

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 03.07.2002 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 03.07.2002 ungekündigt fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände sein Ende gefunden hat, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Nach einer Rechtswegrüge und dem Bestreiten der Passivlegitimation durch die U. A. GmbH schrieb der Kläger unter dem 16. August 2002, bei Gericht eingegangen am 22. August 2002, er beantrage, das Passivrubrum dahin zu ändern, dass die jetzige Beklagte Beklagte sein solle, da sich aus der Klageschrift ergebe, dass sich die Klage gegen die Kündigung der Beklagten richte, was auch aus dem beigefügten Arbeitsvertrag folge. Im Gütetermin am 29. August 2002, zu dem (nur) die U. A. GmbH geladen war, erklärte der Kläger, die Klage richte sich jetzt gegen die U. GmbH, die jetzige Beklagte. Daraufhin stellte das Arbeitsgericht dieser eine Abschrift der Klage und des Schriftsatzes vom 16. August 2002 zu (Zustelldatum 07.10.2002).

Das Gericht nahm die jetzige Beklagte zunächst als Beklagte zu 2) in den Rechtsstreit auf. Im Kammertermin am 17. Dezember 2002, in dem beide Beklagte vertreten waren, bekräftigte der Kläger zunächst seine Auffassung, die Klage habe sich von Anfang an nur gegen die U. GmbH gerichtet; für den Fall, dass das Gericht dieser Auffassung nicht folge, solle die Klage gegen die U. A. GmbH nicht zurückgenommen werden, sondern gegebenenfalls eine Verweisung an das Landgericht erfolgen. Sodann nahm er Bezug auf "die Anträge aus der Klageschrift...in der Fassung des Berichtigungsantrages vom 16. August 2002".

Hierauf verkündete das Arbeitsgericht ein Teilurteil mit dem Tenor: Die Klage gegen die Beklagte zu 2. wird abgewiesen..., ferner einen Beschluss mit dem Tenor:

1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für das Verfahren gegen die Beklagte zu 1. unzulässig.

2. Der Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1. wird an das Landgericht Berlin verwiesen.

Gegen den Beschluss hat der Kläger zunächst sofortige Beschwerde eingelegt, und sodann erklärt, er nehme die Klage gegen die Beklagte zu 1. (U. A. GmbH) zurück.

Das Teilurteil ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Klagefrist der §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG versäumt sei. Der Klagebegründung sei nicht eindeutig zu entnehmen gewesen, dass sich die Klage statt gegen die U. A. GmbH gegen die jetzige Beklagte habe richten sollen; dies habe erst der Antrag auf Änderung des Passivrubrums vom 16. August 2002 ergeben. Eine rückwirkende Berichtigung des Passivrubrums komme hiernach nicht in Frage; der Kläger habe zunächst kein Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber als der ursprünglichen beklagten U. A. GmbH behauptet.

Auf die weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird verwiesen (Bl. 109 ff. d.A.).

Gegen dieses am 27. Januar 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Februar 2003 eingegangene und am 27. März 2003 begründete Berufung des Klägers.

Er vertieft seine erstinstanzliche Auffassung, bei richtiger Auslegung der Klageschrift, insbesondere bei Beachtung der mitgesandten Anlagen, sei erkennbar gewesen, dass er nur gegenüber der Beklagten die Unwirksamkeit der von dieser ausgesprochenen Kündigung habe geltend machen wollen, weshalb das Passivrubrum auch rückwirkend habe berichtigt werden können. Die Kündigungsvorwürfe seien unberechtigt, auch sei die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 3. Juli 2002 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 3. Juli 2002 ungekündigt fortbesteht;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände sein Ende gefunden hat, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich im Wesentlichen die Urteilsbegründung zu eigen und vertieft ihren Vortrag zu den Kündigungsgründen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange unzulässig. Das Arbeitsgericht hat die Klage, ohne dies im Tenor kenntlich zu machen, zum Teil als unzulässig, zum Teil als unbegründet abgewiesen. Für zulässig gehalten hat das Arbeitsgericht ausweislich seiner Begründung nur die "Kündigungsschutzklage".

Unter einer solchen wird allgemein eine Feststellungsklage verstanden, die sich in der Formulierung an § 4 Satz 1 KSchG orientiert. Der Kläger hat aber bereits in seinem Antrag zu 1. mit einer Kündigungsschutzklage in diesem Sinne eine allgemeine Feststellungsklage verbunden ("sondern über den 3. Juli 2002 ungekündigt fortbesteht"), für die das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse nicht ersichtlich ist, und er hat mit dem Antrag zu 2. ebenfalls eine allgemeine Feststellungsklage erhoben, für die dasselbe gilt. Die Berufungsbegründung beschäftigt sich mit keinem Wort damit, weshalb die Abweisung dieser allgemeinen Feststellungsanträge als unzulässig rechtsfehlerhaft sein soll. Die Berufungsbegründung ist insoweit unzulänglich (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

2. Im Hinblick auf den Kündigungsschutzantrag ist die Berufung unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klagefrist gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG mit Recht als versäumt angesehen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen wird zustimmend Bezug genommen. Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers weist die Kammer auf folgendes hin:

Wer beklagte Partei in einem Zivilprozess sein soll, bestimmt einseitig der Kläger mit seiner Klageschrift oder durch nachfolgende prozessuale Erklärungen. Die Klageschrift vom 22. Juli 2002 hat als Beklagte die U. A. GmbH mit deren (weiteren) Geschäftsführer und deren korrekter Anschrift eindeutig bezeichnet. Allerdings konnten sich beim Studium der Anlagen Zweifel ergeben, ob der Kläger die richtige Partei verklagt habe: Der Arbeitsvertrag vom 28. Juni 2000 war nicht mit der U. A. GmbH, sondern mit der U. GmbH geschlossen worden, und die Kündigung "des bestehenden Arbeitsverhältnisses" ist von dieser, nicht von der U. A. GmbH ausgesprochen worden. Auf der anderen Seite betont der Kläger, er sei "bei der Beklagten" (das heißt: bei der U. A. GmbH) "ausschließlich als angestellter Geschäftsführer tätig" gewesen, er sei "in vollem Umfange weisungsabhängig" und habe "weder Arbeitnehmer einstellen, noch ansonsten selbständige Entscheidungen treffen" können. Diese Begründung legt die Vermutung nahe, der Kläger wolle geltend machen, er sei trotz seiner formalen Stellung als Geschäftsführer der U. A. GmbH deren Arbeitnehmer gewesen, weil er, sei es unter Weisung des weiteren Geschäftsführers K.-W. U., sei es unter Weisung des oder der Gesellschafter, bei dieser Gesellschaft unselbständig wie ein Arbeitnehmer gearbeitet habe. Diese Annahme wird durch die anliegenden Urkunden nicht zwingend widerlegt; der Arbeitsvertrag ist zwei Jahre alt und kann seither geändert worden sein. Die Kündigung kann vom falschen Arbeitgeber oder auf dem falschen Briefpapier ausgesprochen worden sein, was bei gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen auf Arbeitgeberseite keineswegs selten vorkommt. Auch das der Klageschrift weiter beigefügte Schreiben vom 10. Juli 2002, mit dem der Kläger "gemäß § 174 BGB Ihre Kündigung vom 3. Juli 2002 wegen mangelnder Vollmacht..." zurückgewiesen hat, ist nicht etwa an die U. GmbH, sondern ausdrücklich an die U. A. GmbH gerichtet. Hiernach erscheint es möglich, jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Kläger seine Klage zunächst nicht versehentlich, sondern bewusst gegen die U. A. GmbH gerichtet hat. Dann aber konnte er nicht einfach das Passivrubrum berichtigen, sondern er musste die Partei auswechseln. Diese Auswechselung hat er mit seinem Schriftsatz vom 16. August 2002, dem er keine Abschrift der Klageschrift beigefügt hatte, zunächst nur eingeleitet; zu ihrer Vollendung war die Zustellung der Klageschrift an die neue Partei erforderlich, die erst am 7. Oktober 2002 stattgefunden hat. Diese Klageänderung war sachdienlich, und die (neue) Beklagte hat sich im Prozess auch eingelassen (§ 263 ZPO), so dass an der Wirksamkeit der Klageänderung keine Zweifel bestehen. Eine derartige Einbeziehung einer neuen Partei kann aber im Prozess nur von dem Zeitpunkt der Einbeziehung an wirken; sie wirkt, wenn es um die Wahrung materiell-rechtlicher Fristen (wie etwa der Verjährungsfrist oder eben auch der Klagefrist nach dem Kündigungsschutzgesetz) geht, nicht zurück auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Klageeinreichung. Damit kann aber der Kläger nicht mehr geltend machen, ein zur (jetzigen) Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis sei durch deren Kündigung nicht aufgelöst worden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nach Einschätzung der Kammer nicht vor.

Ende der Entscheidung

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