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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 24.07.2003
Aktenzeichen: 16 Sa 850/03
Rechtsgebiete: VTV Bau, ZPO


Vorschriften:

VTV Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 5
VTV Bau § 15
VTV Bau § 20
VTV Bau § 21
VTV Bau § 32
VTV Bau § 36
ZPO § 359 Nr. 1
Macht ein Kläger (hier: ZVK Bau) tarifliche Ansprüche geltend und behaupet zur Tarifunterworfenheit des Arbeitgebers, "jeder" der (mit Namen, Anschriften und Beschäftigungszeiten benannten) Arbeitnehmer im Arbeitgeberbetrieb habe im Klagezeitraum "zu mehr als 50% seiner persönlichen Arbeitszeit" bestimmte, abstrakt umschriebene Tätigkeiten verrichtet, die im Katalog des betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages aufgeführt sind, ist ein derartiger Beweisantritt in der Regel unzulässig, wenn weder die konkreten Tätigkeiten der Arbeitnehmer (etwa: Maurer, LKW-Fahrer, Baggerführer) vorgetragen werden noch irgendwelcher Sachvortrag zu den konkreten betrieblichen Verhältnissen im Betrieb des in Anspruch genommenen Arbeitgebers gegeben wird. Ein derartiger Beweisantritt ist in Wahrheit auf eine Betriebsprüfung gerichtet, zu der die Gerichte für Arbeitssachen zivilprozessual nicht befugt sind.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

16 Sa 850/03

Verkündet am 24.07.2003

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 24.07.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Ziefle-von Jagow und Erdmann

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.Februar 2003 - 62 Ca 64507/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt als tariflich bestimmte Einzugsstelle die Beklagte nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986 in der jeweils aktuellen Fassung auf "Mindestbeiträge" sowie auf Auskunft, hilfsweise Entschädigung in Anspruch, und zwar in mehreren vom Arbeitsgericht Berlin verbundenen Klagen für die Zeiträume Dezember 1997 bis November 1998 (Mindestbeiträge) und Dezember 1998 bis August 2002 (Auskunft, hilfsweise Entschädigung). Wegen der Berechnung der Mindestbeitragsklage wird auf Seite 2 und 3 der Klage 62 Ca 65508/02 (dort Bl. 2 und 3 d.A.) verwiesen; die mit den Auskunftsklagen hilfsweise verlangten Entschädigungssummen sind nicht vorgerechnet, in den Klagen befindet sich aber jeweils der (unwidersprochene) Hinweis, die verlangten Summen entsprächen etwa 80% der von der Beklagten zu meldenden Beiträge.

Die Beklagte ist im Handelsregister mit folgenden Geschäftsgegenständen eingetragen: Baubedingte Altlastenentsorgung, Erd- und Tiefbauleistungen, Industrieabbrüche, Asbestbetonentsorgung, Containerdienst, Baustoff-Recycling, Deponieverbau sowie Handel mit Bauwertstoffen.

In den im Jahre 2002 erhobenen Klagen hat der Kläger zunächst behauptet, die Beklagte unterhalte einen "Pflastererbetrieb" und dazu ein Schreiben des von Januar 1993 bis November 1999 beschäftigten Arbeitnehmers P. und ein Schreiben des von März bis Oktober 1998 beschäftigten Arbeitnehmers L. vorgelegt (Kopien Bl. 9-12 d.A.), in denen diese von dem Kläger formulierte Fragen dahin beantwortet hatten, der Betrieb der Beklagten führe "Pflasterarbeiten, Tiefbauarbeiten und alles was dazu gehört" (P.) bzw. "Straßen/Tiefbau" (überwiegend) sowie "Abriss" (L.) aus. Er hat sodann die Behauptung aufgestellt, die im beklagten Betrieb beschäftigen gewerblichen Arbeitnehmer hätten im Klagezeitraum zu mehr als 50% ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmache, folgende Tätigkeiten ausgeführt:

- Aushub von Baugruben, Anschütten von Abbruchmaterial für den Untergrund von Straßen und Wegen sowie anschließendes Verdichten und Planieren des Erdreiches,

- Verlegen von Verbundsteinpflaster an Straßen, Plätzen und Wegen einschließlich das Setzen von Bordsteinen, Verlegen von Waschbetonplatten,

- Setzen von Zäunen auf Betonfundamente

- Betonarbeiten und Verputzarbeiten im Zusammenhang mit der Erstellung von Außenanlagen, z.B. Außentreppen,

- Kanalbauarbeiten: Aushub von Kanalschächten, der Einbau von Entwässerungsrohren aus Beton sowie anschließendes Verfüllen der Schächte mit Erdreich, Verdichten und Planieren der Erdoberfläche.

Zum Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung hat er sich auf das Zeugnis von insgesamt 53 mit Namen, Anschriften und Beschäftigungszeiten bezeichneten Arbeitnehmern bezogen und dazu, von der Beklagten nicht bestritten, behauptet, es handele sich um sämtliche im Klagezeitraum beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer. Gleichzeitig hat er angegeben, einziges Indiz für die von ihm vorgetragene Betriebstätigkeit der Beklagten seien die vorgelegten schriftlichen Auskünfte der Arbeitnehmer P. und L..

Der Kläger hat beantragt,

1. dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen wie viel gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Dezember 1998 bis August 2002 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsummen und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind.

2. Für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger eine Entschädigungssumme in Höhe von 204.600,00 EUR zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 91.475,00 EUR zu zahlen (Mindestbeiträge Dezember 1997 bis November 1998).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie betreibe ein reines Abbruchunternehmen, d.h., sie beseitige Gebäude und Anlagen, Verarbeite den Schutt zu Recyclingmaterial und verkaufe dieses; bis auf Kleinigkeiten wie Zaunsetzen oder Wiederherstellung einer abgerissenen Pflasterfläche baue sie nichts neu auf, wobei sie für das Pflastern Subunternehmer beauftrage. Die Angaben der ehemaligen Arbeitnehmer P. und L. seien inhaltlich falsch; Herr P. sei als LKW-Fahrer und mit dem Aufbauen von Schuttcontainern beschäftigt gewesen, zu keinem Zeitpunkt jedoch als Pflasterer. Der Arbeitnehmer L. habe Abbrucharbeiten und damit zusammenhängende Transportleistungen ausgeführt.

Durch Urteil vom 27. Februar 2003, auf dessen Tatbestand wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 32 ff. d.A.), hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine ausreichenden Indizien für das arbeitszeitliche Überwiegen von Pflasterarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 32 VTV vorgetragen. Die Indizwirkung der Auskünfte der Arbeitnehmer P. und L. habe die Beklagte durch Vorlage der Änderungsverträge bezüglich des Mitarbeiters P. und der Wochenlohnberichte des Mitarbeiters L. beseitigt. Die Vernehmung der 53 als Zeugen benannten Arbeitnehmer würde auf eine unzulässige Ausforschung des Sachverhaltes hinauslaufen.

Gegen dieses am 26. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. April 2003 (Montag) eingegangene und am 26. Mai 2003 begründete Berufung des Klägers.

Er macht geltend, die beantragte Vernehmung der 53 Zeugen über das arbeitszeitliche Überwiegen der behaupteten Arbeiten (Aushub von Baugruben, Verlegen von Verbundsteinpflastern usw.) sei keine unzulässige Ausforschung, sondern schlichte Beweiserhebung über schlüssigen Sachvortrag. Hinsichtlich der Arbeitnehmer P. und L. habe das Arbeitsgericht unzulässigerweise eine Beweiswürdigung vorweggenommen. Auch die dem Handelsregister zu entnehmenden Geschäftsgegenstände Erd- und Tiefbau sowie Asbestbetonentsorgung stützten den Klägervortrag.

Der Kläger überreicht nunmehr Kopie eines Prüfberichtes des Arbeitsamts M. vom 27. März 1995 über eine am 2., 16. und 28. Februar 1995 durchgeführte Betriebsprüfung zur Winterbauförderung nach §§ 75 Abs. 1 und 76 Abs. 2 AFG. In diesem Prüfbericht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 93-96 d.A.), sind als "bauliche Leistungen" der Beklagten im Sinne von § 75 Abs. 1 Nr. 3 AFG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 27, 9, 35 der Baubetriebe-Verordnung festgehalten:

- Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten mit Entsorgung;

- Erdbewegungsarbeiten (Abbruchmaterial für den Unterbau von Straßen und Wegen anschütten).

Dazu behauptet der Kläger nunmehr, seit der Betriebsprüfung habe die Beklagte jedenfalls im Klagezeitraum ihre betriebliche Tätigkeit "in unveränderter Form, allerdings mit dem Schwergewicht auf Pflasterarbeiten" fortgeführt (Beweis: Zeugnis der 53 benannten Arbeitnehmer). Auch habe die Beklagte "die" Arbeitnehmer bei der AOK mit den Schlüsselzahlen für Maurer (441), Baumaschinenführer (546), Bauhilfsarbeiter (472), sonstige Tiefbauer (466) gemeldet. "Merkwürdig" sei, dass die Beklagte nicht Mitglied des Abbruchverbandes sei, obwohl sie in erheblichem Umfange Abbrucharbeiten auszuführen behaupte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts zu ändern und seinen erstinstanzlichen Anträgen zu entsprechen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil auch damit, die Behauptungen des Klägers über die arbeitszeitlich überwiegend ausgeführten Tätigkeiten seien offensichtlich "ins Blaue hinein" aufgestellt und erkennbar willkürlich und ohne jede Kenntnis des Betriebes. Der Arbeitnehmer P. sei im Übrigen nach mehr als sechsjähriger Kraftfahrertätigkeit noch kurze Zeit mit dem Bedienen der Recycling-Anlage beschäftigt worden. Die angeblichen Feststellungen des Arbeitsamts M. bestreite sie ebenso wie die Behauptungen hinsichtlich der der AOK gemeldeten Schlüsselzahlen.

Mit einem drei Tage vor der Berufungsverhandlung eingegangenen Schriftsatz gibt der Kläger die wöchentliche Arbeitszeit der als Zeugen benannten Arbeitnehmer unwidersprochen mit 39,5 Stunden (1997 und 1998) bzw. mit 39 Stunden (1999) und 38,5 Stunden (2000) an. 50% dieser Arbeitszeit hätten die als Zeugen benannten Arbeitnehmer "mit den vom Kläger behaupteten Tätigkeiten erbracht". Dies werde bestätigt durch zwischenzeitlich eingegangene schriftliche Auskünfte von neun der benannten Zeugen.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 56 ff. d.A.), auf die Berufungserwiderung (Bl. 73 ff. d.A.), auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10. Juli 2003 (Bl. 79 f. d.A.) und auf die weiteren Schriftsätze des Klägers vom 21. und 23. Juli 2003 (Bl. 81 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen; insbesondere hat es zu Recht abgelehnt, die 53 vom Kläger benannten Zeugen zu vernehmen. Der erstinstanzliche Tatsachenvortrag des Klägers dazu, weshalb der Betrieb der Beklagten unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV fallen soll, ist für die begehrte Beweisaufnahme zu allgemein gehalten ("unsubstantiiert"); die Vernehmung wäre auf eine prozessual unzulässige Ausforschung der Zeugen im Hinblick auf den klagerelevanten Sachverhalt hinausgelaufen. Der zweitinstanzliche Sachvortrag ist darüber hinaus auch widersprüchlich und schon deshalb für eine Beweisaufnahme ungeeignet.

1.1

Anspruchsgrundlagen für die mit der Klage verfolgten Ansprüche sind allein die allgemeinverbindlichen Bestimmungen des Verfahrenstarifvertrages (§§ 48-50 in den bis zum 31.12.1999 geltenden Fassungen, §§ 18-22 in den seit 1.1.2000 geltenden Fassungen). Sie setzen voraus, dass die Beklagte im Klagezeitraum mit ihrem Betrieb unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV gefallen ist.

Ein Betrieb wird dann vom VTV erfasst, (vgl. BAG 10 AZR 507/01 vom 20.3.2002, NZA 2002, 759) wenn arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschn. I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst bzw. auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (BAG 26.9.2001 - 10 AZR 669/00 - EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 110; 22.4.1987 - 4 AZR 496/86 - BAGE 55, 223 m.w.N.). Ebenfalls unerheblich ist, ob für die Beklagte die gesetzlichen Vorschriften über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft (§§ 209 ff. SGB III) zur Anwendung kommen. Aus den Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen des Arbeitsamtes für die Teilnahme der Beklagten an der Winterbauförderung können keine maßgeblichen Folgerungen für den vorliegenden Streit gezogen werden (BAG 15.11.2000 - 10 AZR 621/99 - n.v.). Ob ein Betrieb der gesetzlich geregelten Winterbauförderung unterfällt, ist für die Frage, ob dieser Betrieb zugleich nach tarifvertraglichen Gesichtspunkten von den Normen der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes erfasst wird, nicht entscheidend. Die Gerichte für Arbeitssachen sind bei ihrer Beurteilung nicht an die rechtliche und tatsächliche Würdigung der Verwaltungsbehörden über die Geltung oder Nichtgeltung der §§ 209 ff. SGB III gebunden.

Führt ein Betrieb überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Tätigkeiten aus, wird er vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschn. I bis III zusätzlich geprüft werden müssen (BAG 18.1,.1984 - 4 AZR 41/83 - BAGE 45, 11).

1.2

Der Sachvortrag des Klägers zur Tarifgeltung auf Seite 1 und 2 des Schriftsatzes vom 14. November 2002 (Bl. 6 f. d.A.) ist zwar denkbar allgemein gehalten; er mag aber in dem damaligen Stadium des Rechtsstreits als schlüssig angesehen werden: Der Aushub von Baugruben fällt als erstes Stadium von Hochbauarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 20), von Straßenbau- (Nr. 32) oder sonstigen Tiefbauarbeiten (Nr. 36) an. Das Anschütten von Abbruchmaterial für den Untergrund von Straßen und Wegen, ebenso das Verlegen von Verbundsteinpflaster an Straßen, Plätzen und Wegen ist Straßenbau (Nr. 32), das Verlegen von Waschbetonplatten fällt unter Nr. 15, Betonarbeiten unter Nr. 5, Kanalbauarbeiten unter Nr. 21 bzw. 22 und das Setzen von Zäunen auf Betonfundamenten unter Nr. 5 sowie unter § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV.

1.3

Den Sachvortrag des Klägers hat die Beklagte mit der Behauptung bestritten, sie betreibe ganz überwiegend den Abbruch von Gebäuden und Anlagen, verarbeite den Schutt zu Recyclingmaterial und verkaufe dieses. Damit hat sie die Tarifgeltung in ähnlich allgemeiner Form bestritten, wie der Kläger sie behauptet hat. Zwar sind Abbrucharbeiten in Abschnitt V Nr. 29 VTV ebenfalls aufgeführt; sie sind aber von der Allgemeinverbindlicherklärung ausdrücklich ausgenommen, soweit sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen baulichen Leistungen stehen (vgl. die Bekanntmachung über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 9.2.1996, Bundesanzeiger Nr. 36 vom 21.2.1996, Erster Teil, A., II. sowie die nachfolgenden Bekanntmachungen über die Allgemeinverbindlicherklärung, u.a. vom 17.01.2000, BAnz Nr. 20 v. 29.01.2000, Erster Teil, III Nr. 5).

1.4

Über schlüssigen Sachvortrag des Klägers, der bestritten ist, ist zwar im allgemeinen Beweis zu erheben, wenn ein Beweisangebot vorliegt. Dies setzt aber nach § 359 Nr. 1 ZPO voraus, dass der Tatsachenvortrag des Klägers vor Beweisantritt so substantiiert ist, dass der maßgebliche Sachverhalt (im Falle der Benennung von Zeugen) nicht erst von den Zeugen erfragt werden muss. Die Beweisaufnahme darf nicht dazu dienen, die Grundlage für schlüssige Tatsachenbehauptungen erst zu erhalten (sog. "Ausforschungsbeweis", vgl. BAG 1 AZR 269/96 vom 23.10.1996, NZA 1997, 397 zu III. 2. der Gründe; 6 AZR 618/96 vom 28.5.1998, NZA 1999, 96 zu II. 1. b, cc der Gründe; Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 21. Aufl. 1997, Rz. 40 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). So aber wäre es hier. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe "Schlüssigkeit" und "Substantiiertheit" nicht deckungsgleich sind. Sachvortrag, der in einem frühen Stadium des Prozesses schlüssig sein mag (etwa vor der ersten Einlassung des Beklagten oder bei seiner Säumnis), kann dennoch in einem späteren Stadium des Prozesses für eine Beweisaufnahme nicht substantiiert genug sein, zumal die "Substantiierungslast" zwischen den Parteien hin und her wechseln kann (vgl. dazu u.a. MünchKomm-Prütting, ZPO, 2000, § 286 Rz. 133 m.w.N.).

Der Sachvortrag des Klägers, zu dem die Zeugen vernommen werden sollen, umschreibt in völlig abstrakter Form bestimmte, im Katalog des VTV aufgeführte bauliche Tätigkeiten kaum weitergehend als in der tariflichen Norm selbst, ohne jeden konkreten Bezug zur konkreten betrieblichen Realität bei der Beklagten. Weder beschreibt er einzelne Baumaßnahmen näher, noch gibt er die konkreten beruflichen Tätigkeiten der als Zeugen benannten Arbeitnehmer an. Er geht deshalb kaum über die "Rechtsbehauptung" hinaus, der Betrieb der Beklagten falle unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 5, 15, 20, 21, 32 und 36 VTV in den dortigen tariflichen (bzw. durch die Rechtsprechung verfeinerten) Definitionen. Wollte man hierzu die benannten Zeugen vernehmen, würde der eigentliche Sachverhalt, der eine Subsumtion unter die Tarifnormen ermöglichte, erst von den Zeugen zu erfragen sein. Der Zeuge müsste zunächst gefragt werden, für welche Tätigkeiten er eingestellt ist und welche er ausführt (etwa: Maurer, LKW-Fahrer, Baggerführer, Maschinenbediener), und er müsste gefragt werden, auf welchen Baustellen er mit welchen Arbeiten tatsächlich eingesetzt worden ist. Ohne derartige Angaben wäre eine Zeitangabe des Zeugen (etwa: "20% meiner Arbeitszeit Herausreißen von Pflaster, 20% Abtransport des Pflasters zur Recyclinganlage, 60% Aushub von Baugruben") vollkommen unbrauchbar. Ein Kraftfahrer etwa müsste zunächst gefragt werden, was und wen er transportiert; fährt er beim Abbruch gewonnenen Schutt zur Recyclinganlage und anschließend Recyclingmaterial zu Käufern desselben, wäre diese Tätigkeit - wegen der Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit - keiner baulichen Tätigkeit im Sinne des VTV zuzurechnen. Fährt er dagegen eine Fuhre Pflaster oder eine Rüttelmaschine zu einer Straßenbaustelle, an der ein neues Pflaster angelegt wird, würde es sich um Tätigkeiten im Zusammenhang mit Straßenbauarbeiten handeln. Erst wenn dies alles abgefragt worden wäre, wäre eine Einschätzung von Zeitanteilen in plausibler Weise möglich. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um Randumstände zum Beweisthema, sondern um die eigentlichen zu beweisenden Tatsachen. Der Vortrag des Klägers enthält hierzu nichts. Dasselbe gilt etwa für den oder die Arbeitnehmer, die die Recyclinganlage bedienen: Sie mögen dies zu 100% ihrer Arbeitszeit tun. Dies würde aber überhaupt nichts darüber aussagen, ob ihre Tätigkeit dem Geschäftsgegenstand "Abbruch" oder aber Straßenbauarbeiten oder sonstigen Bauarbeiten zuzurechnen wären. Dazu müssten die Arbeitnehmer erst einmal befragt werden, von welcher Art Baustellen das zu verarbeitende Material kommt und wohin es sodann wieder geliefert wird. Diese entscheidungserheblichen Tatsachen befinden sich aber nicht im Sachvortrag des Klägers.

Dass es sich vorliegend um Ausforschung handeln würde und nicht um (von jedem Zeuge zu erwartende) Konkretisierung des Beweisthemas und Mitteilung von Begleitumständen, wird auch an folgender Überlegung deutlich: Die Tatsachenbehauptungen des Klägers können so, wie aufgestellt, in keinem Falle bewiesen werden. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass in einem Mischbetrieb wie dem der Beklagten sämtliche Arbeitnehmer jeweils zu mehr als 50% ihrer individuellen Arbeitszeit eine oder mehrere abstrakt beschriebene bauliche Tätigkeiten ausführen. Ebenso, wie es Arbeitnehmer geben mag, die zu 100% ihrer Arbeitszeit Pflasterarbeiten ausführen, gibt es Arbeitnehmer, die zum überwiegenden Teil Tätigkeiten ausführen, die nicht zum vom Kläger behaupteten Katalog gehören (hier insbesondere: Abbruch). Der Kläger weiß dies auch ganz genau; er hofft lediglich, dass sich bei einer Vernehmung aller Arbeitnehmer herausstellen möge, bei einer Zusammenrechnung aller baulichen Arbeitszeitanteile werde sich ein zeitliches Überwiegen der betreffenden Tätigkeiten ergeben, so dass unklare Zuordnungen (wie etwa beim Kraftfahrer oder beim Bediener der Recyclinganlage) letztlich dahingestellt bleiben können. Die Behauptung, jeder der benannten Arbeitnehmer führe zu mehr als 50% seiner persönlichen Arbeitszeit die genannten Tätigkeiten aus, wird in dem Wissen aufgestellt, dass diese Behauptung jedenfalls so nicht stimmt und so auch nicht bewiesen werden wird. Sie entspricht lediglich der ab- strakt-logischen Überlegung, dass dann, wenn es so wäre, die gesamtbetriebliche Arbeitszeit in der Tat überwiegend baulich bestimmt wäre. Mit den tatsächlichen Verhältnissen im Betrieb des beklagten Arbeitgebers hat dies aber nichts zu tun. In Wahrheit ist deshalb der unter Beweis gestellte Vortrag die Bitte an das Gericht, beim beklagten Arbeitgeber eine Betriebsprüfung vorzunehmen und als Ermittlungsrichter tätig zu werden. Dazu sind die Arbeitsgerichte aber nach der Zivilprozessordnung nicht berufen (so ausdrücklich auch der Beschluss des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 16.01.1991, 4 AS 7/90, NZA 1991, 364).

Es mag einer klagenden Partei unbenommen sein, auch nur von ihr vermutete Tatsachen zu behaupten, sofern sie dies nicht mutwillig und ohne jegliche Anhaltspunkte ("ins Blaue hinein") tut (vgl. BAG 1 AZR 269/96 v. 23.10.1996, NZA 1997, 399 sowie BGH NJW 1986, 246 sowie NJW-RR 1996, 1212; NJW 1995, 2111; Stein-Jonas-Leipold a.a.O. § 284 Rz 47 und 48 m.w.N.). Es muss sich dann aber immer noch um Tatsachenbehauptungen handeln, an deren Erweislichkeit der Kläger selber glaubt, und sie müssen darüber hinaus auch substantiiert sein. An beidem fehlt es im Streitfall: An die Behauptung, jeder der benannten Arbeitnehmer führe zu mehr als 50% seiner persönlichen Arbeitszeit bauliche Tätigkeiten im Sinne des VTV aus, glaubt der Kläger selber nicht. Und die Behauptung ist auch nicht substantiiert, wenn weder die beruflichen Tätigkeiten der benannten Zeugen noch die konkreten Verhältnisse im Betrieb des beklagten Arbeitnehmers geschildert werden, sondern von den Zeugen erst erfragt werden müssen. Es mag sein, dass der Kläger tatsächliche Anhaltspunkte für einen vagen Verdacht hat, ein Betrieb unterfalle dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV (wie etwa nach Auskünften einzelner Arbeitnehmer). Dies allein berechtigt ihn aber noch nicht dazu, mit einer abstrakten und keinesfalls stimmigen Tatsachenbehauptung eine umfangreiche Prüfung durch die Arbeitsgerichte zu veranlassen.

Dabei soll nicht verkannt werden, dass der Kläger allgemein Schwierigkeiten hat, Informationen darüber zu erlangen, ob ein Betrieb auskunfts- und beitragspflichtig ist oder nicht. Zwar wird in jüngerer Zeit gelegentlich die Auffassung vertreten, aus Artikel 2 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folge ein auf Wahrheitsfindung angelegtes Rechtsschutzverfahren auch im Zivilprozess, welches auch der nicht beweisbelasteten Partei auferlege, die ihr zumutbaren Aufklärungsbeiträge zu leisten, wenn der Gegner bestimmte Kenntnisse nicht haben könne. Daraus folgt aber keinesfalls, dass die Beklagte zu mehr Sachvortrag im Hinblick auf ihr Bestreiten verpflichtet wäre, als sie im Rechtsstreit geleistet hat. Die "Lehre von der allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht" hat sich nicht durchgesetzt. Die Frage, welche Auskünfte eine Partei der anderen zu geben hat, richtet sich ausschließlich nach materiellem Recht; wenn dort eine entsprechende Auskunftspflicht nicht geregelt ist, bleibt es bei dem Grundsatz, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für seinen Prozesssieg zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt (vgl. etwa BGH MDR 1991, 226 = NJW 1990, 3151). Das Zivilprozessrecht ist nicht dazu da, Auskunftsverpflichtungen zu begründen, die nach materiellem Recht nicht bestehen. Die Kammer wiederholt insoweit ihre mehrfach geäußerte Auffassung, dass es ausschließlich Sache des Gesetzgebers ist, etwa in das Tarifvertragsgesetz eine allgemeine Auskunftsverpflichtung einzuführen, um in Zweifelsfällen Aufschluss darüber herbeizuführen, ob eine Tarifunterworfenheit besteht oder nicht.

1.5

Auch wenn man den Beweisantritt des Klägers ("jeder der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu mehr als 50% seiner persönlichen Arbeitszeit...") im Allgemeinen für zulässig halten wollte, gilt dies nach Auffassung der Berufungskammer jedenfalls nicht mehr unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers:

Zwar hat der Kläger zunächst seinen erstinstanzlichen Vortrag mit Beweisantritt schlicht wiederholt. Er hat sodann jedoch den Prüfbericht des Arbeitsamts M. vom 27. März 1995 in den Prozess eingeführt und dazu (unter Bezugnahme auf dieselben Zeugen, von denen die meisten im März 1995 noch gar nicht beschäftigt waren) behauptet, seit der Prüfung habe sich die betriebliche Tätigkeit nicht verändert, "allerdings mit dem Schwergewicht auf Pflasterarbeiten". Damit hat er sich, möglicherweise ohne dies zu merken, in direkten Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen und in große Nähe zu dem Beklagtenvorbringen begeben: Das Arbeitsamt hat als "bauliche Leistungen" in erster Linie "Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten mit Entsorgung" angenommen, ohne dies arbeitszeitlich von den im Übrigen angenommenen "Erdbewegungsarbeiten" abzugrenzen; von Pflasterarbeiten oder sonstigen Straßenbauarbeiten ist überhaupt nicht die Rede. "Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten" sind aber solche, mit denen der betriebliche Geltungsbereich des VTV nicht begründet werden kann, da die Beklagte nicht Mitglied der tarifvertragschließenden Arbeitgeberverbände ist und da der VTV insoweit nicht allgemeinverbindlich ist. Lässt aber das eigene Vorbringen des Klägers es als möglich erscheinen, dass die Beklagte in ihrem Betrieb überwiegend Arbeiten ausführt, mit denen sie nicht tarifunterworfen ist, bedürfte der bisherige Sachvortrag des Klägers und der bisherige Beweisantritt einer eingehenden Begründung. Daran fehlt es. Sie kann insbesondere nicht in dem drei Tage vor dem Berufungstermin eingereichten Schriftsatz vom 21. Juli 2003 gefunden werden, zumal dort die Auskünfte einiger weiterer Arbeitnehmer außerordentlich vage und teilweise sogar im Sinne der Beklagten dargestellt werden, letzteres insoweit, als wiederum Abbrucharbeiten (Arbeitnehmer St.) bzw. "Abbruch und Recycling" (Arbeitnehmer K.) genannt werden, ferner "Holzarbeiten, Entsorgen" (Arbeitnehmer Ku.). Bei der Erörterung dieses Schriftsatzes wurde die Klägervertreterin darauf aufmerksam gemacht, dass bei einigen Arbeitnehmern (K., W., Lei., La. und Ku.) nicht von einem "Überwiegen" die Rede ist. Sie antwortete darauf, dies habe sie "natürlich" so gemeint. Eine Erklärung dafür, weswegen die entsprechenden Schreiben (im Gegensatz zu den Schreiben der Arbeitnehmer P. und L.) nicht vorgelegt würden, gab sie nicht. Auf die weitere Frage, ob es denn weitere Antworten gegeben habe, antwortete sie zwar mit ja. Die Frage, weshalb diese Antworten nicht in den Prozess eingeführt würden, beantwortete sie sodann dahin, es habe sich um Arbeitnehmer gehandelt, die außerhalb des Klagezeitraums beschäftigt gewesen seien. Die weitere Frage, weshalb diese Arbeitnehmer überhaupt angeschrieben worden seien, hat sie nicht beantwortet. Dies alles hat bei der Kammer den Eindruck verstärkt, dass der Kläger vom Gericht letztlich nichts anderes als eine Betriebsprüfung erwartet. Dazu fehlt eine prozessrechtliche Grundlage.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

3.

Die Revision hat die Kammer nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zugelassen. Die Sachvortrags-Varianten des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit tauchen in zahlreichen anderen Rechtsstreitigkeiten so oder ähnlich auf. Die Kammer sieht sich zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. insbesondere den zitierten Beschluss vom 16.01.1991 - 4 AS 7/90 -). Der für ZVK-Klagen seit langem zuständige 10. Senat hat aber in mehreren jüngeren Entscheidungen zu erkennen gegeben, dass er den Sachvortrag des Klägers für ausreichend für eine unter Umständen sehr aufwändige Beweisaufnahme hält (vgl. etwa 10 AZR 507/01 vom 20.3.2002 a.a.O.; 10 AS 1/01 vom 23.1.2001, NZA 2001, 2196; 10 AS 5/99 vom 26.10.1999, NZA 2000, 791), ferner in dem Zulassungsbeschluss 10 AZN 175/03 gegenüber einem Urteil der Kammer 11 des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 11. Februar 2003, 11 Sa 1799/02. Eine Abweichung der vorliegenden Entscheidung von Entscheidungen des 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts ist deshalb nicht auszuschließen.

Ende der Entscheidung

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