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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 14.11.2002
Aktenzeichen: 16 Sa 970/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 630 (analog)
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 1004 Abs. 1 (analog)
1. Weigert sich ein Arbeitnehmer, eine vertraglich geschuldete Arbeit auszuführen, mit dem Bemerken, die Arbeit schade seiner Gesundheit, und legt er nachträglich eine noch am selben Tag ausgestellte ärztliche AU-Bescheinigung vor, kann der Beweiswert des Attestes für den Konfliktzeitpunkt erschüttert sein.

Im Prozess über die Entfernung der Abmahnung hat jedoch auch dann der Arbeitgeber die Beweislast für die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Entbindet der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht, kann sich der Arbeitgeber auf den Arzt als Zeugen berufen; tut der Arbeitgeber dies nicht, ist für den Prozess von der vom Arbeitnehmer behaupteten Arbeitsunfähigkeit auszugehen.

2. Die Korrektur eines bereits zweieinhalb Jahre alten Zwischenzeugnisses kann im allgemeinen nicht mehr verlangt werden.

3. Zu den Anforderungen an einen Schmerzensgeldanspruch wegen "Mobbing".


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

16 Sa 970/02

Verkündet am 14.11.2002

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 17.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hans und die ehrenamtliche Richterin Redlin

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 07. März 2002 - 41 Ca 20059/01 - teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die Abmaahnung vom 29.03.1999 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, soweit über sie nach der teilweisen Berufungsrücknahme noch zu entscheiden war.

III. Die Kosten der ersten Instanz werden - bei einem Streitwert von 9.400,00 EUR - zu 13 % der Beklagten, zu 87 % dem Kläger auferlegt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger allein zu tragen, und zwar auch insoweit, als er die Berufung teilweise zurückgenommen hat.

(Streitwert bis zur teilweisen Berufungsrücknahme 8.400,00 EUR, danach 7.800,00 EUR)

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten - in zweiter Instanz noch - über eine Abmahnung, die Korrektur eines Zwischenzeugnisses, ein Schmerzensgeld wegen "Mobbing" sowie einen vom Kläger (der seit 18.6.1991 als Arbeiter, zuletzt als Briefsortierer beschäftigt ist) angenommenen Anspruch darauf, dass die Beklagte "Übergriffe" von Vorgesetzten gegen ihn verhindert.

Durch Urteil vom 7. März 2002, auf dessen Tatbestand wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 155 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage mit den Anträgen

1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 29.03.1999 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen;

2. die Beklagte zu verurteilen, das dem Kläger unter dem 20.11.2000 erteilte Zwischenzeugnis zu korrigieren und auszuhändigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 30.06.1998 auferlegte Attestpflicht aufzuheben;

4. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, an den Kläger Glückwunschsendungen (Oster- und Weihnachtsgrüße sowie Geburtstagsglückwünsche) zu übersenden;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, welches jedoch den Betrag von 2.400,00 EUR nicht unterschreitet, zu zahlen;

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gegenüber Vorgesetzten arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ergreifen für den Fall, dass diese gegenüber dem Kläger Übergriffe vornehmen,

abgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen (Bl. 157 ff. d.A.).

Gegen dieses am 24. April 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Mai 2002 eingegangene und am 23. Juli 2002 (nach Fristverlängerung bis 24. Juli 2002) begründete Berufung des Klägers.

Zur Abmahnung vom 29. März 1999 (Kopie Bl. 22 f. d.A.) macht der Kläger geltend: Zwar sei er von September 1997 bis Januar 1999 als Servicekraft an der Groß-Brief-Sortieranlage eingesetzt gewesen. Die dortige Vorgesetzte habe aber am 8. Januar 1999 erklärt, er sei für den dortigen Einsatz zu hektisch, weshalb ihm diese Tätigkeit nicht mehr übertragen werde, seither habe er diese Tätigkeit auch nicht mehr ausgeübt (was unstreitig ist). Er sei deshalb auch am 24. März 1999 trotz Vorliegen eines personellen Engpasses nicht verpflichtet gewesen, die dortige Arbeit wieder auszuführen, weshalb seine Weigerung, dies zu tun, berechtigt gewesen sei und nicht hätte abgemahnt werden dürfen. Im Übrigen sei die Dreijahresfrist nach § 16 Abs. 3 MTV-Arb verstrichen. Zum Zwischenzeugnis macht er geltend, dasjenige mit Datum 20. November 2000 sei in Wirklichkeit ein in der Personalakte verbliebener Entwurf; ausgehändigt worden sei ihm ein Zwischenzeugnis mit Datum vom 19. April 2000, welches die sich aus dem Antrag ergebenden Unrichtigkeiten und Auslassungen enthalte. Zum Feststellungsantrag führt er aus, seine Vorgesetzten, insbesondere der Vorgesetzte F., hätten sich durch zahlreiche Äußerungen ihm gegenüber schikanös verhalten, was er näher ausführt. Die Beklagte sei verpflichtet, gegen diese Vorgesetzten seinem Antrag entsprechend einzuschreiten ferner, wegen der näher ausgeführten fortgesetzten Kränkungen und Schikanen ein Schmerzensgeld (mindestens 1.400,-- EUR) an ihn zu zahlen. Der ursprüngliche Klageantrag zu 3. ("Aufhebung der Attestpflicht vom 30.6.1998") war zunächst ebenfalls Gegenstand der Berufung; in mündlicher Verhandlung hat die Beklagte diese Attestpflicht für die Zukunft aufgehoben, woraufhin der Kläger insoweit seine Berufung zurückgenommen hat.

Der Kläger beantragt zuletzt noch

das Urteil des Arbeitsgerichts zu ändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 29.03.1999 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen;

2. die Beklagte zu verurteilen, das dem Kläger unter dem 19.04.2000 erteilte Zwischenzeugnis wie folgt zu korrigieren und auszuhändigen:

a) Im ersten Absatz ist einzufügen: "als Teilzeitkraft" beschäftigt;

b) im fünften Absatz ist das Wort "bisher" zu streichen;

c) die Tätigkeitsbeschreibung im vierten Absatz wie folgt zu ergänzen: "Des weiteren war Herr Sch. von September 1997 bis Januar 1999 als Servicekraft an seinem Modul tätig und dort mit allen anfallenden Tätigkeiten selbständig betraut".

d) die Verhaltensaussage im letzten Satz durch folgende Formulierung zu ersetzen: "Sein Verhalten zu Vorgesetzten und Mitarbeitern ist einwandfrei".

3. pp ("Aufhebung Attestpflicht" - insoweit Berufung zurückgenommen);

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, welches jedoch den Betrag von 1.400,00 EUR nicht unterschreitet, zu zahlen;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, gegenüber Vorgesetzten arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ergreifen für den Fall, dass diese gegenüber dem Kläger Übergriffe vornehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich die Urteilsbegründung zu eigen. Die Dreijahresfrist nach § 16 Abs. 3 MTV-Arb für die Entfernung der Abmahnung sei noch nicht verstrichen, weil sie, die Beklagte, mit Schreiben vom 27. Juni 2001 den Kläger zu Recht wegen verspäteter Arbeitsaufnahme am 5. Juni 2001 ermahnt habe. Zu den vom Kläger gewünschten Änderungen des Zwischenzeugnisses macht sie Kompromissvorschläge in Anlehnung an das Zwischenzeugnis mit Datum vom 20. November 2000, auf die der Kläger jedoch nicht eingegangen ist. Die vom Kläger in der Berufungsbegründung so bezeichneten "Übergriffe" von Vorgesetzten seien sämtlich gerechtfertigte Arbeitgeberreaktionen auf mehr oder weniger vertragswidrige Verhaltensweisen des Klägers; ein Einschreiten gegen diese Vorgesetzten komme daher ebenso wenig in Frage wie die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

In einem sieben Tage vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz hat der Kläger zur Abmahnung vom 29. März 1999 noch behauptet, er sei am 24. März 1999 nervlich derart stark belastet gewesen, dass er in einem schockähnlichen Zustand von der Arbeit aus seinen Hausarzt aufgesucht habe, der ihm Arbeitsunfähigkeit noch für den 24. März 1999 bescheinigt habe (Beweis: Zeugnis Dr. Schn., der von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden werde).

In einem nachgelassenen Schriftsatz hat die Beklagte hierauf entgegnet, der Kläger habe bei seiner Arbeitsverweigerung am 24. März 1999 gegenüber der Vorgesetzten Frau M. nichts von einer Arbeitsunfähigkeit erwähnt (Beweis: Zeugnis M.), lediglich bei seiner Entfernung aus dem Betrieb gegenüber Herrn F. geäußert, er wolle den Erfolg der bevorstehenden Kur nicht gefährden, die Tätigkeit "als Service" sei zu stressig und zu hektisch für seine Gesundheit (Beweis: Zeugnis F.). Sie gehe deshalb davon aus, dass der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der Arbeitsverweigerung noch nicht krank gewesen sei; die Krankmeldung habe er erst am Folgetage abgegeben.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 185 ff. d.A.), auf die Berufungserwiderung (Bl. 230 ff. d.A.), auf den Schriftsatz des Klägers vom 10. Oktober 2002 (Bl. 240 ff. d.A.) und auf den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 1. November 2002 (Bl. 256 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Berufung ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet. Die Abmahnung vom 29. März 1999 hat zwar einen berechtigten Kern; sie kann aber nicht mit ihrem gesamten Inhalt aufrechterhalten werden und ist deshalb so, wie sie ist, zu entfernen. Der Antrag zu 5 (Feststellungsantrag) ist unzulässig, die übrigen Anträge sind unbegründet.

1.1

Der auf Entfernung der Abmahnung vom 29. März 1999 gerichtete Klageantrag ist im Ergebnis begründet. Der Kläger hat einen aus der Fürsorgepflicht der Beklagten sowie aus einer analogen Anwendung des § 1004 BGB folgenden Anspruch darauf, dass die Abmahnung mit diesem Inhalt nicht in seiner Personalakte verbleibt. Zwar ist die Dreijahresfrist nach § 16 Abs. 3 MTV-Arb (der kraft vertraglicher Bezugnahme zwischen den Parteien gilt) schon deshalb nicht verstrichen, weil der Kläger wegen eines Verhaltens vom 26. März 2002 (d.h. innerhalb von drei Jahren nach der streitigen Abmahnung) gekündigt worden ist, was Gegenstand der Klage 42 Ca 11824/02 vor dem Arbeitsgericht ist, so dass es auf die Berechtigung der Ermahnung vom 27. Juni 2001 in diesem Zusammenhang nicht ankommt. Die Abmahnung kann aber mit ihrem konkreten Inhalt nicht insgesamt als gerechtfertigt angesehen werden.

Allerdings war der Kläger am 24. März 1999 nicht berechtigt, die angesonnene Arbeit als Servicekraft an der GSA mit der Begründung zu verweigern, die Beklagte selbst habe zuvor - am 8. Januar 1999 durch Frau M. - erklärt, er werde aus der fraglichen Tätigkeit herausgenommen, weil er hierfür zu hektisch sei, und weil er seither dort tatsächlich auch nicht eingesetzt worden ist. Hierdurch ist der Kreis der Arbeiten, zu denen der Kläger arbeitsvertraglich verpflichtet ist, - selbstverständlich - nicht eingeengt worden. Abgesehen davon, dass der Kläger nichts dafür vorträgt, weshalb Frau M. berechtigt gewesen sein sollte, für die Beklagte verbindlich Willenserklärungen mit rechtlicher Relevanz für das Arbeitsverhältnis des Klägers abzugeben, ist eine derartige (tatsächliche) Rücksichtnahme auf psychische Befindlichkeiten des Klägers nicht geeignet, den rechtlichen Rahmen seines Arbeitsvertrages zu seinen Gunsten und zu Lasten der Beklagten einzuengen. Der Kläger ist nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet, nach Weisung der Beklagten sämtliche Arbeiten auszuführen, die im Rahmen seiner Vergütungsgruppe liegen. Er hat nichts dafür vorgetragen, dass die Tätigkeit als Servicekraft, die er über ein Jahr ausgeübt hatte, dazu nicht gehören würde. Die Beklagte durfte den Kläger daher nach freiem Ermessen am 24. März 1999 zu der fraglichen Arbeit heranziehen, zumal der Kläger selbst einräumt, dass an dem Tage ein Personalengpass bestanden hat. Mit der Begründung, die der Kläger verbal gegeben hat, durfte er deshalb keinesfalls die Arbeit ablehnen; sein Hinweis darauf, er wolle den Erfolg der bevorstehenden Kur nicht gefährden, die Arbeit sei zu stressig und schade seiner Gesundheit, musste der Beklagten, für sich genommen, keine Veranlassung zu einer Überlegung geben, der Kläger sei tatsächlich und objektiv gesundheitlich derart beeinträchtigt, dass er die Arbeit nicht ausführen könne. (statt: nicht wolle). Selbst die nachträgliche Stellungnahme des Klägers vom 3. April 1999 gab dazu keine Veranlassung.

Jedoch hat der Kläger in der Berufungsinstanz mit seinem eine Woche vor der mündlichen Verhandlung nachgereichten Schriftsatz einen Sachverhalt behauptet ("Schockzustand", unmittelbarer Gang zum Arzt, Krankschreibung bereits für diesen Tag) der die Beurteilung des Verhaltens des Klägers als reine Arbeitsverweigerung in Frage stellt. Zwar ist dieser Vortrag nicht in der Berufungsbegründung enthalten gewesen und deshalb nach § 67 Abs. 3 und 4 ArbGG grundsätzlich verspätet; er ist jedoch nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG zuzulassen, da er die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert: Zwar hat die Beklagte in ihrem nachgelassenen Schriftsatz bestritten, dass der Kläger bereits bei seinem Weggang von der Arbeitsstelle arbeitsunfähig krank war, und es ist ihr auch einzuräumen, dass der tatsächliche Hergang Zweifel am Beweiswert des am nächsten Tag vorgelegten ärztlichen Attestes mit Datum vom 24. März 1999 weckt. Beweispflichtig für das Nichtvorliegen einer Arbeitsunfähigkeit schon zum Zeitpunkt der fraglichen Auseinandersetzung ist aber - angesichts des nunmehr substantiierten Vortrags des Klägers - die Beklagte, die dem Kläger eine (nicht gesundheitsbedingte) Arbeitsverweigerung vorwirft. Die Beklagte hat sich in ihrem nachgelassenen Schriftsatz aber nicht vorsorglich auf den Arzt des Klägers, den dieser von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hatte, berufen. Eine weitere Sachaufklärung (insbesondere: Die Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des fraglichen Arztes oder seine Vernehmung in mündlicher Verhandlung) kam bei dieser Sachlage nicht in Frage. Wenn aber ein weiterer Verhandlungstermin oder ein Beweistermin nicht erforderlich erschien, liegt (dies ist allgemeine Meinung) eine Verzögerung im Sinne der Präklusionsvorschriften nicht vor; die bloße Notwendigkeit, eine Entscheidung erst nach Ablauf der Schriftsatzfrist zu verkünden, gilt nicht als derartige Verzögerung.

Ist hiernach im Rahmen der vorliegenden Entscheidung dem Kläger nicht zu widerlegen, dass er bereits während der Auseinandersetzung darüber, ob er die fragliche Arbeit auszuführen habe, arbeitsunfähig krank gewesen (oder geworden) ist, und hat der Kläger, wenn auch nur in sehr allgemeiner Form, darauf hingewiesen, dass sein Gesundheitszustand die Ausführung möglicherweise nicht erlaube (dies ergibt die Abmahnung selbst - im vorletzten Satz auf Seite 1 -), kann die Abmahnung so nicht aufrechterhalten werden. Denn ihr ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger bereits am Tag nach der Auseinandersetzung ein ärztliches Attest vorgelegt hat, welches ihm Arbeitsunfähigkeit bereits für den Konflikttag bescheinigt. Die Beklagte war, wie bereits ausgeführt, berechtigt, den Beweiswert dieses Attestes anzuzweifeln und den Kläger gegebenenfalls aufzufordern, vor Erteilung der Abmahnung den Arzt von der Schweigepflicht ihr gegenüber zu entbinden, um sich selbst ein Bild zu machen, ob die Krankschreibung bereits den Konfliktzeitpunkt mit abdeckt oder nicht. Nachdem sie dies weder vorprozessual noch im Prozess selbst (durch entsprechenden Beweisantritt) getan hat, kann die Abmahnung mit diesem Inhalt nicht aufrechterhalten werden. Für den Fall, dass der Kläger geltend machen will, er könne die Arbeit als Servicekraft aus gesundheitlichen Gründen generell nicht mehr ausüben, wäre er aufzufordern, dies durch eine entsprechende konkrete ärztliche Bescheinigung zu belegen. Sein Vortrag im Prozess lässt aber eine derart eingeschränkte Arbeitsfähigkeit als möglich erscheinen. Solange dies der Fall ist, kann von einer Arbeitsverweigerung im klassischen Sinne nicht gesprochen werden.

1.2

Ein Anspruch auf Korrektur des Zwischenzeugnisses vom 19. April 2000 besteht nicht. Dabei mag zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass der in der Berufungsinstanz formulierte "Korrekturanspruch" einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, nämlich, dass die Beklagte verurteilt werden soll, dem Kläger das fragliche Zwischenzeugnis mit demselben Datum und grundsätzlich demselben Wortlaut, jedoch mit den gewünschten Änderungen neu zu erteilen. Die Klägervertreterin ist jedoch schon in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass das Gesetz in § 630 BGB nur einen Anspruch auf Erteilung eines Abschlusszeugnisses regelt und dass der von der Rechtsprechung entwickelte Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses zumindest eine sachliche Begründung dafür verlangt, wozu das Zwischenzeugnis benötigt wird; auch außerhalb des Bereichs des öffentlichen Dienstes (vgl. insoweit § 61 Abs. 2 BAT) wird im Allgemeinen sogar ein "triftiger" Grund verlangt (vgl. etwa Schleßmann, das Arbeitszeugnis, 15. Aufl. 1998, S. 43 ff. m.w.N. sowie Schaub, Arbeitsrechtshandbuch 10. Aufl. 2002, S. 1601 m.w.N.). Dass auch der für die Parteien geltende MTV-Arb den Anspruch auf ein Zwischenzeugnis an sachliche Voraussetzungen knüpft, ergibt § 10 Abs. 2 MTV-Arb ("... im Einzelfall, insbesondere bei Kündigung, Arbeitsvertragsauflösung und bei Wechsel des bisherigen Vorgesetzten ..."). Ein sachlicher Grund dafür, weshalb der Kläger jetzt noch ein bereits zweieinhalb Jahre altes Zwischenzeugnis korrigiert haben will, ist jedoch seinem Vortrag nicht zu entnehmen. Er mag, insbesondere solange der Kündigungsrechtsstreit noch nicht entschieden ist, einen Anspruch auf Erteilung eines neuen Zwischenzeugnisses unter jetzigem Datum haben, das allein schon wegen des Zeitablaufs inhaltlich anders formuliert werden müsste als das Zeugnis vom 19. April 2000. Ein Grund dafür, das längst veraltete Zeugnis aus dem Jahre 2000 jetzt noch zu korrigieren, ist aber nicht ersichtlich; insbesondere taugt dieses Zeugnis jetzt nicht mehr zur Vorlage für eine Bewerbung auf einen anderen Arbeitsplatz.

1.3

Der auf die "Aufhebung der Attestpflicht" gerichtete Antrag hat sich durch die teilweise Berufungsrücknahme erledigt.

1.4

Der auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 1.400,-- EUR gerichtete Klageantrag zu 4 ist unschlüssig. Als Anspruchsgrundlage kommt insoweit die analoge Anwendung der §§ 847, 823 Abs. 1 BGB in Frage. Die Beklagte hat aber mit Recht darauf hingewiesen, dass dies einen schwerwiegenden, rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers voraussetzen würde, welcher auf andere Weise nicht befriedigend ausgeglichen werden könnte (vgl. etwa BAG vom 18.12.1984, 3 AZR 389/83, NZA 1985, 811 sowie Urteil der erkennenden Kammer vom 15.2.1996, 16 Sa 108/95, n.v.). Dazu reicht der Vortrag des Klägers auch nicht annähernd aus. Die insoweit ab Seite 15 der Berufungsbegründung geschilderten Vorgänge und Verhaltensweisen einiger Vorgesetzter des Klägers belegen durchweg, dass die handelnden Personen vom Weisungsrecht der Beklagten, das sie als Arbeitgeberin hat, in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht haben oder aber, soweit sie es im Einzelfall einmal objektiv überschritten haben sollten, dabei jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt haben. Die Schriftsätze des Klägers, die er selbst in erster Instanz eingereicht hat, zeigen, dass, soweit es sich überhaupt um klare Äußerungen handelt, der Kläger ein vollkommen übersteigertes Bewusstsein seiner vermeintlichen Rechte als Arbeitnehmer hat und dabei, wie allein schon der ursprüngliche Klageantrag zu 4. (gerichtet auf Unterlassung der Übersendung von Glückwünschen) zeigt, starke querulatorische Züge aufweist. Einen solchen Arbeitnehmer während der täglichen Arbeit stets (objektiv) rechtlich fehlerfrei zu behandeln, ist einem durchschnittlichen Vorgesetzten kaum möglich, wenn nicht ständig ein arbeitsrechtlich (und womöglich psychologisch) besonders geschulter Mitarbeiter zur Verfügung steht und um Rat gefragt werden kann. Dies kann der Kläger billigerweise von der Beklagten nicht erwarten. Der Kläger sei darauf hingewiesen, dass er bei dem von ihm selbst praktizierten Stil der Auseinandersetzung mit der Beklagten den Bestand seines Arbeitsverhältnisses sogar dann gefährden kann, wenn seine Verhaltensweisen jeweils für sich genommen als Kündigungsgründe im engeren Sinne nicht ausreichen.

1.5

Der Feststellungsantrag ist, wie das Arbeitsgericht richtig geurteilt hat, unzulässig. Für ihn fehlt das nach § 256 ZPO stets erforderliche besondere "Feststellungsinteresse". Wenn so, wie der Kläger formuliert hat, tenoriert werden würde, würde eine inhaltlich vollkommen unbestimmte Verpflichtung der Beklagten festgestellt. Es ist nämlich weder ersichtlich, was "Übergriffe" im Sinne des Klageantrages sein sollen, noch ergibt der Antrag, welche Vorgesetzte konkret gemeint sind, noch ist schließlich klar, was der Kläger unter "arbeitsrechtlichen Konsequenzen" versteht. Ein Urteil mit dem vom Kläger gewünschten Inhalt wäre nicht geeignet, auch nur einen einzigen Streitpunkt zwischen den Parteien für die Zukunft zu klären.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 2 ZPO. Die Kammer hielt es nach der letztgenannten Bestimmung für angezeigt, dem Kläger auch die Kosten für den (auf Entfernung der Abmahnung gerichteten) Klageantrag zu 1. in der Berufungsinstanz aufzuerlegen. Denn der Kläger hat den Aspekt der am 24. März 1999 nach seiner Behauptung bereits bestehenden Arbeitsunfähigkeit erstmals in seinem Schriftsatz vom 10. Oktober 2002 in den Prozess eingeführt, obwohl ihm die Umstände von Anfang an bekannt gewesen sind. Da der Kläger nicht einmal in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 3. April 1999 zu der Abmahnung auf eine Arbeitsunfähigkeit hingewiesen hatte, hatte der Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts auch keine Veranlassung, danach zu fragen.

Bei den im hiesigen Urteil angegebenen Streitwerten ist für die erste Instanz von denselben Werten wie im erstinstanzlichen Urteil ausgegangen worden; der Klageantrag zu 3. (Aufhebung der Attestpflicht) erschien jedoch für beide Instanzen mit 600,-- EUR (etwa einem halben Monatslohn des Klägers) angemessen bewertet. Den in zweiter Instanz geänderten Klageantrag zu 2. (Zwischenzeugnis) hat die Kammer unverändert mit 1.200,-- EUR bewertet, den auf Schmerzensgeld gerichteten Antrag zu 4. nur noch mit 1.400,-- EUR und den Antrag zu 5. unverändert mit 4.000,-- EUR.

3.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nach Einschätzung der Kammer nicht vor.

Ende der Entscheidung

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