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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: 16 TaBV 699/03
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
BetrVG § 18 Abs. 2
BetrVG § 19 Abs. 1
Wählen die Arbeitnehmer eines nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG eigenständigen Betriebsteils einen Betriebsrat, obwohl für den Gesamtbetrieb bereits ein Betriebsrat existiert und nahezu zeitgleich mit der Wahl im Betriebsteil neu gewählt wird, so ist die erstgenannte Wahl nichtig, die zweitgenannte anfechtbar (im Anschluss an BAG 6 ABR 22/77, AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972 sowie LAG Hamm, 3 TaBV 108/96, AP Nr. 10 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).

Das gilt jedenfalls dann, wenn der Wahlvorstand für die erstgenannte Wahl (im Betriebsteil) unter Verstoß gegen § 16 BetrVG von den dortigen Arbeitnehmern bestellt worden ist und sein Wahlausschreiben in mehrfacher Hinsicht gegen § 3 WahlO verstoßen hat.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Beschluss

16 TaBV 677/03 16 TaBV 699/03

Verkündet am: 30.10.2003

In dem Beschlussverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer, auf die mündliche Anhörung vom 11.09.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Hein und die ehrenamtliche Richterin Redlin

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1. (Arbeitgeberin) und des Beteiligten zu 3. (Betriebsrat R) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Januar 2003 - 16 BV 17745/02 - teilweise geändert:

1.1. Die am 08. März 2002 durchgeführte Wahl des Beteiligten zu 2. (Betriebsrat für die Arbeitnehmer des D. Berlin, D) ist von Anfang an unwirksam (nichtig).

1.2. Der am 15. März 2002 gewählte Beteiligte zu 3. (Betriebsrat für die Arbeitnehmer der R GmbH) ist für die Dauer der gegenwärtigen Amtszeit auch für die Arbeitnehmer des D. Berlin, D, zuständig.

1.3. Der Hilfsantrag des Beteiligten zu 2. - gerichtet auf Feststellung, dass der am 08. März 2002 gewählte Betriebsrat D bis zum Ablauf seiner Amtszeit als Betriebsrat anzuerkennen und in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zu beteiligen ist - wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die weitergehenden Beschwerden der Beteiligten zu 1. und 3. werden zurückgewiesen.

3. Der Antrag des Beteiligten zu 2. - gerichtet auf die Feststellung der Nichtigkeit der am 15. März 2002 durchgeführten Wahl des Beteiligten zu 3. (Betriebsrat R) - wird als unzulässig abgewiesen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird für alle drei Beteiligten zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Betriebsratsfähigkeit eines Betriebsteils nach § 18 Abs. 2 BetrVG und über die Kompetenzabgrenzung zweier im März 2002 gewählter Betriebsräte, im zweiten Rechtszug auch über die Nichtigkeit der beiden fraglichen Betriebsratswahlen.

1. Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1. wurde im Jahre 1993 von den Gesellschaftern A, Z, S, B. D. und Land B. gegründet und ist seit der Geschäftsaufnahme am 01.01.1994 Rechtsträgerin von (ursprünglich fünf, jetzt noch) vier Klangkörpern, nämlich dem R.S Orchester B. - RS. - (mit etwas über 100 Musikern), dem R.chor Berlin (mit etwa 60 Sängern/Musikern), dem R. K.chor (mit etwa 30 Sängern/Musikern) sowie dem D.- D - (mit 114 Musiker-Planstellen). Das D hieß früher (seit 1946) R.-S.Orchester, von 1956 bis 1994 R.Orchester - R., und war vor der Übernahme durch die Beteiligte zu 1. von einer eigenständigen GmbH getragen. Im Gesellschaftsvertrag der Beteiligten zu 1., auf dessen im Jahre 2002 geltende Fassung Bezug genommen wird (Anlage 3 zum Schriftsatz der Beteiligten zu 1. vom 25.10.2002, Bl. 130 ff. d. A.), war zunächst eine Option enthalten, das D wieder auszugliedern und rechtlich zu verselbständigen. Diese Regelung wurde im Jahre 1998 gestrichen, was den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 1. Anlass gab, erstmals (1998) einen gemeinsamen Betriebsrat zu wählen (während jedenfalls das D bis dahin einen eigenen Betriebsrat gehabt hatte). Im Jahre 2001 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den aus dem D stammenden Betriebsratsmitgliedern einerseits und den übrigen Betriebsratsmitgliedern andererseits. Unter dem 21.11.2001 lud der (aufgrund eines Tarifvertrages, Bl. 172 ff. d. A., gebildete) Orchestervorstand des D zu einer außerordentlichen Orchesterversammlung des D am 04.12.2001 ein. In der Einladung (Bl. 394 d. A.) war als einer von mehreren Tagesordnungspunkten vorgesehen: "Bericht der Betriebsräte des D zu den aktuellen Problemen". Auf der Orchesterversammlung wurde (nach Darstellung des Beteiligten zu 2. einstimmig) beschlossen, bei der bevorstehenden Betriebsratswahl im Frühjahr 2002 wieder einen eigenen Betriebsrat zu wählen. Gleichzeitig wurde (im welcher Weise ist, nicht vorgetragen) ein dreiköpfiger Wahlvorstand bestellt, der in der Folgezeit insgesamt 104 Arbeitnehmer (darunter vier Bürokräfte und drei Orchesterwarte, im Übrigen ausschließlich Musiker) in eine Wählerliste aufnahm und am 08. März 2002 eine Betriebsratswahl durchführte, bei der der (siebenköpfige) Beteiligte zu 2. gewählt wurde.

Etwa zeitgleich bereitete ein vom bisher amtierenden Betriebsrat eingesetzter Wahlvorstand eine Betriebsratswahl für sämtliche Arbeitnehmer der Arbeitgeberin vor und nahm die genannten 104 Arbeitnehmer des D ebenfalls in seine Wählerliste auf. Unter dem 13.02.2002 erhob der später in den D-Betriebsrat (Beteiligten zu 2.) gewählte Arbeitnehmer H. Einspruch gegen die letztgenannte Wählerliste (Kopie Bl. 403 d. A.), welchen der Wahlvorstand unter dem 15.02.2002 (Kopie Bl. 402 d. A.) zurückwies, da das D kein eigenständiger Betriebsteil sei und keine Veranlassung bestehe, dort einen eigenen Betriebsrat zu wählen. Am 15.03.2002 fand sodann die Betriebsratswahl für den Gesamtbetrieb statt, aus der der neunköpfige Beteiligte zu 3. hervorging. Keine der beiden Wahlen ist angefochten worden. Nach den Angaben im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer beteiligt die Geschäftsführung seither in Angelegenheiten des D beide Betriebsräte nebeneinander.

2. Die Verwaltung der vier Ensembles geschieht, mit insgesamt 19 Arbeitnehmern, von Büroräumen in der Ch.straße in B.-M. aus. Dort residiert die Geschäftsführerin, eine Personalleiterin, ein leitender Dramaturg und ein kaufmännischer Leiter; dort befinden sich Lohn- und Finanzbuchhaltung, das gemeinsame Notenarchiv und der gemeinsame Kartenverkauf. Das D wird künstlerisch von einem Chef-Dirigenten (Generalmusikdirektor) geleitet, der für das Programm, das in Berlin und auf Gastspielreisen dargeboten wird, allein verantwortlich ist. Bindeglied zwischen ihm und den Musikern ist, neben dem auf tariflicher Grundlage gewählten Orchestervorstand, ein Orchesterdirektor, dem, in einem örtlich von der zentralen Verwaltung getrennten Büro, vier Büromitarbeiter und drei Orchesterwarte unterstellt sind, disziplinarisch darüber hinaus sämtliche Musiker. Der Orchesterdirektor erstellt die Dienst- und die Urlaubspläne für die ihm unterstellten Verwaltungskräfte ebenso wie für die Musiker des D, er verwaltet die Arbeitszeitkonten, er verantwortet die Planung von Gastspielreisen unter Einschluss der dabei relevanten Arbeits- und Ruhezeiten und einschließlich der Musikerauswahl. Weder die Personalleiterin noch die Geschäftsführerin werden in diese Angelegenheiten einbezogen.

Für das Verfahren bei der Einstellung von Musikern existiert eine "Probespielordnung" (Bl. 77 ff. d. A.), die am 24.04.1998 zwischen Geschäftsführerin und damaligem Betriebsrat des D als Betriebsvereinbarung geschlossen worden ist. Die Geschäftsführerin und die Personalleiterin sind weder an der Auswahl der zu einem Probespiel eingeladenen Musiker beteiligt noch an der Entscheidung, welcher Musiker den "Zuschlag" erhält. Für den ausgewählten Musiker fertigt der Orchesterdirektor den formularmäßigen Arbeitsvertrag aus, der von der Geschäftsführerin nur auf seine Vereinbarkeit mit dem - im Bereich des D allgemein angewandten - Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern und den ergänzenden haustariflichen Bestimmungen sowie mit dem Stellenplan überprüft und sodann unterzeichnet wird. Abmahnungen und Kündigungen werden auf Initiative des Orchesterdirektors im Einvernehmen mit diesem von der Geschäftsführerin ausgesprochen. Ein einseitig angeordneter Austausch von Musikern der verschiedenen Klangkörper findet bislang nicht statt, da die Musiker vertraglich jeweils für ein bestimmtes Ensemble eingestellt werden. Erklären sich Musiker bereit, aushilfsweise in einem anderen Klangkörper zu spielen, erhalten sie hierfür Honorare wie Außenstehende. Betriebsvereinbarungen, die die Musiker betreffen, werden von der Geschäftsführerin im Einvernehmen mit dem Orchesterdirektor (mit-)verhandelt und - nach vorheriger Zustimmung des Kuratoriums der Gesellschafter - allein von der Geschäftsführerin unterzeichnet. Die Einstellung, Abmahnung oder Entlassung von Verwaltungsmitarbeitern im Bürobereich des D geschieht auf Initiative des Orchesterdirektors und im Einvernehmen mit ihm. Grundlage für diese von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragene Praxis ist die vom Kuratorium beschlossene "Geschäftsordnung für die Geschäftsführung", die aktuell auszugsweise wie folgt lautet:

" ...

§ 1 Geschäftsführung

... Der Geschäftsführer besorgt die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der Geschäftsordnung sowie seinem Anstellungsvertrag ...

Er ist gehalten, die künstlerische Eigenart der zur Gesellschaft gehörenden Klangkörper zu wahren unter Ausnutzung von Rationalisierungsmöglichkeiten.

§ 2 Aufgabenverteilung

(1) Der Geschäftsführer ist für die Leitung des Unternehmens und seine Vertretung nach innen und außen verantwortlich.

(2) Unbeschadet der Gesamtverantwortung des Geschäftsführers im Sinne von § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 obliegen folgende künstlerische Aufgaben und Verantwortlichkeiten den einzelnen Orchestern bzw. Chören:

a. Gestaltung des Spielplans und der Rollenbesetzung

b. Durchführung von Konzerten und Produktionen (u.a. Eigen-, Auftrags- und Coproduktionen von Tonträgern- bzw. Bildaufnahmen einschließlich Rechterwerb)

c. Entscheidung über Einstellung und Entlassung von Musikern und Chormitgliedern

d. Auswahl und Disposition des künstlerischen und technischen Personals (z.B. Musiker, Sänger, Dirigenten, Solisten und Tonmeistern) für Produktionen, Konzerte, Ton- und Bildaufnahmen und Proben

e. auf die Bereiche a. bis d. bezogene Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Publikumsbetreuung

Vorstehende Aufgaben nehmen die künstlerischen Leiter der jeweiligen Klangkörper in Zusammenarbeit mit ihrem jeweiligen Direktor/managing art director wahr.

(3) ...

(4) Die Zuständigkeit für den Abschluss von Verträgen durch die rechtliche Verpflichtungen für die Gesellschaft begründet werden, liegt grundsätzlich beim Geschäftsführer ...

Der Geschäftsführer unterzeichnet die von den künstlerischen Leitern der jeweiligen Klangkörper bzw. ihren Direktoren im Rahmen ihrer Zuständigkeit gemäß Abs. 2 vorbereiteten Verträge, sofern die finanziellen, rechtlichen und sonstigen Rahmenvorgaben, insbesondere auch die Vorgaben aus § 1 Abs. 2, letzter Satz dieser Geschäftsordnung beachtet wurden ...

(5) Der Geschäftsführer nimmt darüber hinaus, soweit Abs. 2 nichts anders regelt, den gesamten kaufmännischen-administrativen Geschäftsbereich unter Beachtung der Kosten-Center-Struktur wahr. Hierzu gehören insbesondere folgende Aufgaben:

a. Aufstellung und Einhaltung des jährlichen Wirtschaftsplanes

b. Finanz- und Rechnungswesen

c. Lohn- und Gehaltsabrechnungen

d. Einrichtung und Controlling der Kosten-Center

e. Liquiditätsplanung- und Kontrolle

f. Jahresabschluss und Geschäftsbericht

g. Stellen- und Personalplanung sowie Personalentwicklung

h. Betriebsorganisation und Ablaufplan

i. Rechtsangelegenheiten

j. Koordination des Kartenverkaufs

k. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der R-GmbH

§ 3 Zusammenarbeit mit den Gesellschaftsgremien

(1) Gemäß § 10 des Gesellschaftsvertrages bedürfen folgende Rechtsgeschäfte und Maßnahmen der vorherigen Zustimmung des Kuratoriums:

a. ...

d. Verträge oder sonstige Rechtsgeschäfte, die über einen Betrag von 75.000,00 EUR hinausgehen;

e. Auslandskonzertreisen;

f. Überschreitung von Ausgabenansätzen des Wirtschaftsplanes sowie die Verwendung von Mehreinnahmen;

g. Abschluss und Änderung von Sonderverträgen mit dem künstlerischen Personal sowie Anstellung, Entlassung und Höhe des Entgelts von AT-Angestellten

h. Abschluss und Änderung von Tarifverträgen

i. Abschluss von Betriebsvereinbarungen. ...

3. Mit der am 27.06.2002 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Antragschrift hat (zunächst nur) die Arbeitgeberin die Feststellung begehrt, dass das D keine betriebsratsfähige Organisationseinheit sei und der am 15.03.2003 für den Gesamtbetrieb gewählte Betriebsrat auch für das D zuständig sei. Zur Begründung hat sie sich auf ein Rechtsgutachten berufen, das Rechtsanwalt D.B., Berlin, am 23.04.1998 für den damaligen Wahlvorstand für die damalige Betriebsratswahl angefertigt hatte, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 20 ff. d. A.). Vor dem zweiten Anhörungstermin am 22.01.2003 hat das Arbeitsgericht versucht, auch den Beteiligten zu 3. in das Verfahren einzubeziehen, den eine Terminsladung jedoch nicht erreichte. Im Termin am 22.01.2003 hat die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1.) beantragt,

1. festzustellen, dass das D keine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt und dem Hauptbetrieb R zuzuordnen ist;

2. festzustellen, dass sich die Zuständigkeit des Betriebsrates R auch auf den Betriebsteil D erstreckt.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

diese Anträge zurückzuweisen,

hilfsweise festzustellen,

dass der am 28.03.2002 gewählte Betriebsrat des D bis zum Ablauf der Amtszeit als Betriebsrat anzuerkennen und in den vom Gesetz vorgesehen Fällen zu beteiligen ist.

Die Arbeitgeberin hat Zurückweisung dieses Hilfsantrages beantragt.

Der im Zuhörerraum anwesende stellvertretende Vorsitzende des Beteiligten zu 3. hat erklärt, er trete "nunmehr im Namen des Beteiligten zu 3." auf und schließe sich den Anträgen der Arbeitgeberin an.

Der Beteiligte zu 2. hat geltend gemacht, der Orchesterdirektor jedenfalls des D habe faktisch die Stellung eines Intendanten und übe das "personelle und administrative Weisungsrecht gegenüber den künstlerischen, administrativen und technischen Mitarbeitern des D" eigenverantwortlich aus, der Geschäftsführerin obliege nur bei einigen Maßnahmen der "juristische Vollzug" ohne nennenswerte Befugnisse in der Sache.

4. Durch Beschluss vom 22.01.2003 hat das Arbeitsgericht die Anträge der Beteiligten zu 1. und 3. zurückgewiesen.

Der Antrag zu 1. sei unbegründet. Das D sei betriebsratsfähig. Es erfülle infolge seiner vom Chefdirigenten geprägten künstlerischen Identität einen eigenständigen Aufgabenbereich. Es sei auch organisatorisch eigenständig i.S.d. § 4 S. 1 Nr. 2 BetrVG, da maßgebliche Bereiche aus dem Katalog der sozialen und personellen Mitbestimmung im Orchester, insbesondere durch den Orchesterdirektor entschieden würden. Der Antrag zu 2. sei dagegen unzulässig. Ein eigenes Feststellungsinteresse für diesen Antrag bestehe nur bei Erfolg des Antrages zu 1.; er hätte daher nur als unechter Hilfsantrag gestellt werden dürfen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe verwiesen (Bl. 184 ff. d. A.).

5. Dieser Beschluss ist den Beteiligten zu 2. und 3. jeweils am 06.03.2003, der Arbeitgeberin am 10.03.2003 zugestellt worden. Der Beteiligte zu 3. hat am 03.04.2002 Beschwerde eingelegt und diese am 19.05.2003 (nach entsprechender Fristverlängerung) begründet. Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1. hat am 07.04.2003 Beschwerde eingelegt und diese am 12.05.2003 (Montag) begründet.

Die Arbeitgeberin hat zunächst ihre erstinstanzlichen Anträge angekündigt, den Antrag zu 2. jedoch entsprechend der Beanstandung durch das Arbeitsgericht als unechten Hilfsantrag formuliert. Sie wiederholt ihre Auffassung, das D sei weder nach Aufgabenbereich noch nach Organisation eigenständig. Maßgeblich sei, dass die deutliche Mehrheit der mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen von der Geschäftsführerin getroffen würden; der Orchesterdirektor übe lediglich das Weisungsrecht bezüglich der einzelnen Musiker in Aufführungen und Proben und der täglichen Arbeitszeiten aus.

Der Beteiligte zu 3. hat in seiner Beschwerdebegründung ebenfalls den erstinstanzlichen Antrag zu 1. als Hauptantrag und den erstinstanzlichen Antrag zu 2. als unechten Hilfsantrag angekündigt, macht darüber hinaus aber weiter die Nichtigkeit der Betriebsratswahl des Beteiligten zu 2. (D-Betriebsrats) geltend, letzteres zunächst auf der Basis der (falschen) Annahme, diese Wahl habe - wie erstinstanzlich vom Beteiligten zu 2. selbst behauptet - am 28.03.2003 stattgefunden, zu einem Zeitpunkt also, zu dem bereits für den gesamten Betrieb ein Betriebsrat, nämlich der Beteiligte zu 3., gewählt gewesen sei; dies mache die Wahl zum D-Betriebsrat (Beteiligten zu 2.) nichtig. Zur Eigenständigkeit des D stellt der Beteiligte zu 3. zunächst die Eigenständigkeit des Aufgabenbereichs in Abrede, da das D keinen vom allgemeinen Gesellschaftszweck (nämlich Förderung der Musikkultur durch Aufführungen und Aufnahmen von Musikwerken in künstlerischer Vielfalt) unterscheidbaren Zweck verfolge. Auch bestreite er eine eigenständige Organisation. Die Mehrheit der der personellen und der sozialen Mitbestimmung unterliegenden Entscheidungen würden nicht vom Orchesterdirektor oder vom Chefdirigenten des D getroffen, sondern letztlich von der Geschäftsführerin, die in allen entscheidenden Fragen das letzte Wort habe, was sich insbesondere aus der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung ergebe.

Der Beteiligte zu 3. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts zu ändern und

1. festzustellen, dass das D keine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt und dem Hauptbetrieb der R GmbH zuzuordnen ist;

2. (nunmehr als weiteren Hauptantrag) festzustellen, dass sich die Zuständigkeit des Betriebsrats R auch auf den Betriebsteil D erstreckt;

3. festzustellen, dass die Wahl des Betriebsrats für das D. (D) vom 08.03.2002 nichtig ist und die Bildung des Betriebsrates des D von Anfang an unwirksam ist.

Die Beteiligte zu 1. hat im Anhörungstermin erklärt, sie schließe sich diesen Anträgen in vollem Umfang als eigenen Anträgen an.

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

1. die Beschwerden zurückzuweisen, hilfsweise festzustellen,

dass er für den Bereich des D bis zum Ablauf seiner Amtszeit als Betriebsrat anzuerkennen und in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zu beteiligen ist;

2. (im Anhörungstermin zu Protokoll erklärt) festzustellen, dass die Wahl des Beteiligten zu 1. vom 15.03.2002 nichtig und die Bildung des Beteiligten zu 1. von Anfang an unwirksam ist.

Die Beteiligten zu 1. und 3. beantragen

Zurückweisung des Hilfsantrages des Beteiligten zu 2.;

zum erstmals im Anhörungstermins formulierten Nichtigkeits-Antrag des Beteiligten zu 2. haben sie (versehentlich) keinen Antrag gestellt.

Der Beteiligte zu 2. vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen zur Eigenständigkeit des D. Die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 15.03.2003 leitet er daraus her, dass diese Wahl nach seiner eigenen stattgefunden hat.

Wegen weiterer Einzelheiten des Beschwerdevorbringens der Beteiligten wird auf die Beschwerdebegründung der Arbeitgeberin vom 12.05.2003 (Bl. 220 ff. d. A.), auf die Begründung des Beteiligten zu 3. vom 19.05.2003 (Bl. 226 ff. d. A.) sowie auf die Beschwerdeerwiderung des Beteiligten zu 2. vom 15.07.2003 (Bl. 281 ff. d. A.) und dessen weiteren Schriftsatz vom 09.09.2003 (Bl. 388 ff. d. A.) Bezug genommen, ferner auf das Protokoll vom 11.09.2003 und die im Anhörungstermin überreichten Wahlunterlagen des Beteiligten zu 2. (Bl. 394 ff. d. A.).

Nach Schluss der Anhörung hat der Beteiligte zu 2. einen Schriftsatz mit Datum 21.10.2003 eingereicht, der für die Entscheidung nicht mehr berücksichtigt wurde.

II.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Gegen die (erstmalige) Erhebung des Feststellungsantrags zu 3. (bezogen auf die Nichtigkeit der D-Wahl vom 08.03.2002) in der Beschwerdeinstanz bestehen keine prozessualen Bedenken (§§ 87 Abs. 2, 81 Abs. 3 S. 1 u. 2 ArbGG, 533 ZPO). Dies gilt auch deshalb, weil der Beteiligte zu 3. zum Anhörungstermin im ersten Rechtszug nicht ordnungsgemäß geladen war und nicht ersichtlich ist, weshalb der im Anhörungstermin zunächst nur als Zuhörer anwesende stellvertretende Betriebsratsvorsitzende befugt gewesen sein sollte, auf eine Ladung und auf eine schriftliche Einlassung ohne Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden und ohne Betriebsratsbeschluss zu verzichten (§ 26 Abs. 2 BetrVG).

2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. (Arbeitgeberin) ist ebenfalls form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es bestehen keine prozessualen Bedenken dagegen, dass die Beteiligte zu 1. den zweiten Feststellungsantrag zunächst, der Beanstandung des Arbeitsgerichts folgend, als Hilfsantrag und erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist als (weiteren) Hauptantrag formuliert hat, ferner nicht dagegen, dass sie den Feststellungsantrag zu 3. (bezogen auf die Nichtigkeit der D-Wahl vom 08.03.2002) erstmals im Anhörungstermin zu Protokoll gegeben hat (§§ 87 Abs. 2, 81 Abs. 3 S. 1 u. 2 ArbGG, 533 ZPO).

3. Die Beschwerden sind in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

3.1 Der auf § 18 Abs. 2 BetrVG gestützte Feststellungsantrag zu 1., für den ein Rechtsschutzinteresse - unabhängig von der Wirksamkeit einer der beiden Wahlen - nach dieser Vorschrift ohne weiteres gegeben ist, ist auch nach Auffassung der Beschwerdekammer unbegründet, da das D mit seinen Musikern und den ihm zugeordneten Verwaltungsmitarbeitern, die in einem von den Büroräumen der zentralen Verwaltung der Arbeitgeberin getrennten Büro arbeiten, einen betriebsratsfähigen Betriebsteil i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bildet.

3.1.1 Das D ist nach seinem Aufgabenbereich eigenständig. Zwar verfolgt auch das D den allgemeinen Gesellschaftszweck "Förderung der Musikkultur durch Aufführung und Aufnahme von Musikwerken". Nach den vom Beteiligten zu 2. im Schriftsatz vom 15.07.2003 gemachten, insoweit unstreitigen Ausführungen und dem mit diesem Schriftsatz als Anlage 8 eingereichten Konzertprogramm-Heft erscheint es aber nicht zweifelhaft, dass das D in der musikinteressierten Öffentlichkeit vollkommen eigenständig auftritt und wahrgenommen wird und dies auch soll. Das D tritt nicht als eines von mehreren Ensembles der Beteiligten zu 1. in Erscheinung, das (etwa bei einem angesetzten Konzert, einer CD-Aufnahme oder einer Rundfunksendung) gegen ein anderes ausgetauscht werden könnte, selbst wenn dieselben Musikwerke dargeboten würden. Es hat und soll haben ein eigenes künstlerisches Profil, und es soll genau damit Zuhörer werben oder Käufer einer CD anlocken. Es wirbt, ohne jede nennenswerte Mitwirkung der Beteiligten zu 1., Solisten und Gastdirigenten für seine Aufführungen an, es organisiert seine Konzertreisen eigenständig und wirbt auch dabei mit seinem Namen D. S. Berlin, nicht damit, dass es eines von zwei Symphonieorchestern der Beteiligten zu 1. ist. Dies reicht nach Auffassung der Kammer aus, um die Eigenständigkeit seines Aufgabenbereiches i.S.d. § 4 BetrVG zu bejahen.

3.1.2 Das D ist nach Auffassung der Beschwerdekammer auch durch seine Organisation eigenständig. Dazu ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, nicht erforderlich, dass ein Entscheidungsträger des Arbeitgebers "vor Ort" vorhanden ist, der sämtliche Entscheidungen auf dem Gebiet der sozialen Angelegenheiten i.S.d. §§ 87 ff. BetrVG und der personellen Angelegenheiten i.S.d. §§ 92 ff. BetrVG selbständig treffen könnte und auf diesen Gebieten dem Betriebsrat als Verhandlungspartner gegenüber stünde. Erforderlich (und ausreichend) ist nur, dass eine Person mit Leitungsmacht vorhanden ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt und auf einem nicht unerheblichen Teil der genannten Angelegenheiten entscheidungsbefugt ist (sog. "relative Eigenständigkeit", vgl. BAG 7 ABR 54/90 vom 29.05.1991, AP Nr. 5 zu § 4 BetrVG 1972; 7 ABR 27/91 vom 29.01.1992, AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972; 1 ABR 26/01 vom 19.02.2002, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972).

So ist es hier: Was zunächst die Einstellung eines Orchestermusikers angeht, wird die Einstellungsentscheidung nicht von der Geschäftsführerin, sondern vom Orchesterdirektor im Benehmen mit dem Chefdirigenten getroffen, nachdem das Verfahren der Probespielordnung durchlaufen ist, an dem die Geschäftsführerin keinen Anteil hat. Die Geschäftsführerin hat im Anhörungstermin vor der Kammer auf Befragen selbst angegeben, sie würde "es nicht wagen", einen Musiker, den sie für geeignet hält, am Orchester vorbei einzustellen oder auch nur von sich aus zu einem Probespiel einzuladen, und sie würde es auch nicht wagen, einen nach diesem Verfahren ausgewählten Musiker nicht einzustellen, wenn die betreffende Planstelle zu besetzen ist und die tariflichen Vorgaben für die Eingruppierung eingehalten sind. Sie gibt insoweit der Darstellung des Beteiligten zu 2. Recht, dass sie beim Abschluss des Arbeitsvertrages die auf der Ebene des Orchesters getroffene Entscheidung lediglich "juristisch vollzieht". Dies entspricht der Regelung in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung in § 2 Abs. 2 c sowie Abs. 4 S. 2, wonach die Geschäftsführerin zwar als gesetzliche Vertreterin der Arbeitgeberin die letztlich juristisch verbindliche Erklärung nach außen abgibt, dabei aber an die internen Vorgaben gebunden ist; wenn diese eingehalten sind, hat sie nicht einmal mehr die Freiheit nein zu sagen, sondern "hat" zu unterzeichen.

Die Geschäftsführerin hat weiter eingeräumt, dass sie auch Abmahnungen und Kündigungen in der Regel nur ausspricht, wenn dies vom Orchesterdirektor gewünscht wird. Zwar hat sie insoweit ein eigenständiges juristisches Prüfungsrecht, welches dazu führen kann, dass sie den Ausspruch einer Abmahnung oder auch einer Kündigung ablehnt, wenn sie zu der Auffassung kommt, dass die Maßnahme juristisch gegenüber dem Arbeitnehmer nicht durchsetzbar ist. Dies bedeutet aber auch bei den Sanktionen Abmahnung und Kündigung eine ganz weitgehende Eigenständigkeit des Orchesterdirektors bzw. des Chefdirigenten. Die Geschäftsführerin hat weiter eingeräumt, dass bislang ein einseitig angeordneter Einsatz eines Musikers des D in dem anderen Orchester (oder im Rahmen einer Aufführung eines der Chöre) nicht vorgekommen ist, weil die Arbeitsverträge bislang in der Tat, wie vom Beteiligten zu 2. vorgetragen, so ausgestaltet sind, dass die Musiker nur für ein bestimmtes Ensemble eingestellt werden. Zwar haben die Beteiligten im Anhörungstermin darüber gestritten, ob es nach der Gestaltung der Arbeitsverträge juristisch möglich wäre, einem Musiker Aufgaben in einem anderen als "seinem" Ensemble zu übertragen. Für die Frage der organisatorischen Eigenständigkeit kommt es nach Auffassung der Kammer aber hierauf letztlich nicht an, wenn die tatsächliche Handhabung seit vielen Jahren so ist, wie der Beteiligte zu 2. behauptet.

Weiter ist unstreitig geworden, dass Dienst- und Urlaubspläne allein vom Orchesterdirektor aufgestellt werden und dass die Geschäftsführerin oder die Personalleiterin hiervon nicht einmal routinemäßige Abschriften erhält, ferner, dass der Orchesterdirektor auch sonst das arbeitgeberseitige Direktionsrecht gegenüber den Musikern ausübt und, beispielsweise, Konzertreisen und Gastspiele (im Benehmen mit dem Chefdirigenten) vollkommen eigenständig organisiert und das dafür erforderliche Personal auswählt. Um die Einhaltung von Arbeitszeitbestimmungen (etwa bei intensiven Proben oder auf Gastspielreisen) kümmert sich die Geschäftsführerin oder Personalleiterin ebenfalls nicht. Dann aber ist auch ein erheblicher Teil der Angelegenheiten des § 87 BetrVG (Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5) in der Hand des Orchesterdirektors und nicht in der Hand der Geschäftsführerin.

Für die Eigenständigkeit des D spricht als weiteres Indiz schließlich, dass nur dort der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchesters (TVK) i.V.m. haustariflichen Regelungen angewandt wird, während für die Musiker und Sänger der übrigen Ensembles andere tarifliche Bestimmungen gelten (vgl. dazu GK-BetrVG-Kraft, 7. Auflage 2002, § 4 Rndziff. 61 m.w.N.).

Diese Umstände zusammengenommen reichen nach Auffassung der Kammer aus, um die "relative" Eigenständigkeit des Orchesters zu bejahen. Diese Eigenständigkeit mag dem Tendenzcharakter des "Betriebsteils Orchester" geschuldet sein. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um eine Eigenständigkeit i.S.d. Gesetzes handelt. Hiernach unterliegen die Feststellungsanträge zu 1. der Beteiligten zu 1. und des Beteiligten zu 3. der Abweisung. Das hat zur Folge, dass im Betriebsteil D dann, wenn sich an den dargestellten Verhältnisses nichts Wesentliches ändert (und wenn keine haustarifliche Regelung nach § 3 BetrVG geschaffen wird), bei der nächsten Betriebsratswahl ein eigenständiger Betriebsrat gewählt werden muss. Ob dies auch für das R.orchester Berlin, für den R.chor und den R-K.chor, darüber hinaus für die zentrale Verwaltung gilt, ist nach den gestellten Anträgen nicht Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.

3.2 Begründet ist dagegen der Feststellungsantrag zu 3. der Beteiligten zu 1. und des Beteiligten zu 3., gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit der am 08.03.2002 beim D durchgeführten Betriebsratswahl. Zwar hat der von der Orchesterversammlung am 04.12.2001 bestellte Wahlvorstand den Betriebsbegriff nicht verkannt. Die Wahl leidet aber an einem so schweren Mangel, dass ihre Nichtigkeit bejaht werden muss:

Von der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist dann auszugehen, wenn gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in einem so hohen Maße verstoßen worden ist, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gewahrt wird (vgl. etwa BAG 7 ABR 42/97 vom 29.04.1998, AP Nr. 58 zu § 40 BetrVG 1972 m.w.N.). Von der Nichtigkeit ist auch dann auszugehen, wenn die Wahl zur Folge hat, dass im Zuständigkeitsbereich eines existierenden, legitim gebildeten Betriebsrats ein weiterer Betriebsrat gebildet wurde. Denn es ist gesetzlich ausgeschlossen, dass für ein und denselben Betrieb oder Betriebsteil zwei konkurrierende Betriebsräte existieren (vgl. dazu etwa BAG 6 ABR 22/77 vom 11.04.1978, AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972 sowie LAG Hamm 3 TaBV 108/96 vom 18.09.1996, AP Nr. 10 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).

Bei der Wahl zum D-Betriebsrat (Beteiligten zu 2.) am 08.03.2002 sind ersichtlich gravierende rechtliche Fehler gemacht worden. So hätte die Orchesterversammlung am 04.12.2001 schon deshalb keinen Wahlvorstand bestellen dürfen, weil dies nach § 16 BetrVG das alleinige Recht des amtierenden Betriebsrats gewesen wäre und die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Wahl durch eine Betriebsversammlung nach § 17 BetrVG nicht vorlagen. Sie hätte es auch deshalb nicht gedurft, weil die Einladung zu dieser Versammlung (an der etwa 65 Musiker teilgenommen haben - so dass im Termin am 11.09.2003 überreichte Versammlungsprotokoll vom 06.12.2001, Bl. 395 f. d. A.) nicht einmal ansatzweise zu erkennen gegeben hatte, dass an die Wahl eines Wahlvorstandes für eine eigenständige Betriebsratswahl gedacht werde: Es heißt dort lediglich unter dem Tagesordnungspunkt 5: "Bericht der Betriebsräte des D zu den aktuellen Problemen", im Übrigen nur noch: "Verschiedenes". Weiter entspricht das in der Anhörung vor der Beschwerdekammer vom Vorsitzenden des Beteiligten zu 2. so bezeichnete "Wahlausschreiben" ("Kandidatenliste für die Betriebsratswahl" sowie "Terminplan" [Bl. 397 bis 399 d. A.]) inhaltlich ersichtlich nicht den Vorschriften über das Wahlausschreiben nach § 3 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz; es ist auch nicht ersichtlich, wann und wo es ausgehängt wurde.

Ob diese Verstöße bereits für sich genommen ausreichen, um von der Nichtigkeit der Betriebsratswahl am 08.03.2002 auszugehen, kann dahingestellt bleiben. Sie sind jedenfalls ursächlich dafür geworden, dass in dem Betrieb der Beteiligten zu 1., in dem ein wirksam gewählter Betriebsrat existierte, noch während dessen Amtszeit ein Betriebsrat gebildet wurde für einen Teil des Betriebes, für den der "alte" Betriebsrat unzweifelhaft zuständig war und der nahtlos gewählte neue Betriebsrat, der Beteiligte zu 3., wiederum schon deshalb zuständig ist, weil die Arbeitnehmerschaft des Betriebsteils D auf der Wählerliste der Betriebsratswahl am 15.03.2002 enthalten und somit wahlberechtigt war, und weil diese Wahl vom 15. März 2002 nicht angefochten worden ist. Dass hierbei der vom Beteiligten zu 3. eingesetzte Wahlvorstand seinerseits den Betriebsbegriff verkannt hat, ist dabei unerheblich. Denn die Verkennung des Betriebsbegriffs führt, für sich genommen, nicht zur Nichtigkeit der betreffenden Wahl (vgl. etwa BAG AP Nr. 3 zu § 1 BetrVG 1972; AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972; ferner LAG Hamm 3 TaBV 108/96 vom 18.09.1996, AP Nr. 10 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb).

Dabei soll nicht verkannt werden, dass der am 08.03.2002 gewählte D-Betriebsrat, der Beteiligte zu 2., dem R-Betriebsrat seine Zuständigkeit für das D erst für die kommende Wahlperiode streitig machen sollte. Dies ändert nichts daran, dass der neu gewählte D-Betriebsrat (Beteiligte zu 2.) in die Zuständigkeit des R-Betriebsrats unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen "eingebrochen" ist. Darauf, dass der D-Betriebsrat (Beteiligte zu 2.) eine Woche früher gewählt worden ist als der Beteiligte zu 3., kann es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend ankommen.

Das Recht, die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 08.03.2002 geltend zu machen, hat weder die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1.) noch der Beteiligte zu 3. verwirkt. Zwar hat die Geschäftsführerin, nach Ablauf der Anfechtungsfrist, dem Vorsitzenden des Beteiligten zu 2. unter dem 24.04.2002 (Bl. 310 d. A.) schriftlich mitgeteilt, die Wahl (vom 08.03.2002) sei nicht angefochten worden, was dahin interpretiert werden mag, dass dahinter eine bewusste Entscheidung gestanden hat (nicht nur die Erkenntnis, dass das vorherige Schreiben vom 20.03.2002 (Bl. 309 d. A.) juristisch wirkungslos war und man dann möglicherweise einfach nur die Anfechtungsfrist versäumt hat). Auf die Geltendmachung der Nichtigkeit der Wahl konnte aber die Geschäftsführerin gar nicht verzichten, weil die Existenz zweier Betriebsräte mit sich überschneidenden Kompetenzbereichen zu rechtlich unhaltbaren Zuständen führen würde. Denn die Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ist bei zwei Betriebsräten, die unterschiedliche Interessen verfolgen, faktisch nicht möglich. Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für eine etwaige Verwirkung der Geltendmachung der Nichtigkeit durch den Beteiligten zu 3. Selbst wenn der Beteiligte zu 3. sich nach den beiden Wahlen und dem Verstreichen der beiderseitigen Anfechtungsfristen zunächst mit dem Beteiligten zu 2. arrangiert und sich mit seiner Existenz abgefunden haben sollte, kann es doch nicht sein, dass der Beteiligte zu 3. eine Kompetenzabgrenzung nicht mehr sollte herbeiführen können, wenn denn die Wahl des Beteiligten zu 2. nichtig ist. Die Gefahr, dass sich einzelne Arbeitnehmer (etwa, wenn sie von personellen Maßnahmen betroffen sind) ihrerseits auf die Nichtigkeit berufen, besteht ohnehin, und es kann weder der Arbeitgeberin noch dem Beteiligten zu 3. verwehrt werden, diese Frage allgemein und im Vorgriff auf etwaige Konflikte zu klären.

3.3 Der Feststellungsantrag zu 2. der Beteiligten zu 1. (Arbeitgeberin) und des Beteiligten zu 3., gerichtet auf die Zuständigkeit des Betriebsrats R auch für das D, ist zulässig. Mit der Entscheidung über die Nichtigkeit der Wahl vom 08.03.2002 ist nicht automatisch eine Entscheidung darüber verbunden, ob der Beteiligte zu 3. eine Zuständigkeit für den Betriebsteil D in der nunmehr laufenden Wahlperiode hat oder nicht. Insbesondere wäre es denkbar, dass Arbeitnehmer des D, die von personellen Einzelmaßnahmen betroffen werden, geltend machen, der Beteiligte zu 3. sei für sie deshalb nicht zuständig, weil sie an seiner Wahl nicht beteiligt wurden oder sich faktisch nicht beteiligt haben. Die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl vom 08.03.2002 klärt deshalb nicht notwendigerweise, dass der Beteiligte zu 3. auch für das D zuständig ist. Und diese Zuständigkeit wird - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - auch nicht durch eine Entscheidung über den Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG (Antrag zu 1.) präjudiziert. Der Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG ist in die Zukunft gerichtet und dient im Wesentlichen der Vorbereitung der nächsten Betriebsratswahl. Sein Erfolg oder Misserfolg sagt unmittelbar nichts darüber aus, wie die Kompetenzabgrenzung zwischen zwei Betriebsräten in der Zeit zwischen der jüngsten und der nächst folgenden Betriebsratswahl aussieht. Die Beteiligten zu 1. und 3. haben den Feststellungsantrag zu 3. deshalb zu Recht als (weiteren) Hauptantrag gestellt. Im Übrigen berührt es die Zulässigkeit eines Antrages, dessen Erfolg vom Erfolg eines vorherigen Antrages abhängt, nicht, wenn der Antragsteller nicht ausdrücklich klarstellt, er wolle den (zweiten) Antrag nur für den Fall des Erfolgs des ersten Antrages stellen. Ein Arbeitnehmer etwa, der zwei zeitlich auseinander liegende Kündigungen in einem Verfahren angreift oder der eine Kündigung angreift und gleichzeitig seine tatsächliche Beschäftigung für die Zeit nach dem Kündigungstermin verlangt, hat die Wahl, ob er die Gerichts- und Anwaltskosten dadurch geringer hält, dass er den zweiten Antrag ausdrücklich in ein (unechtes) Hilfsverhältnis zum ersten Antrag stellt. Tut er dies nicht, ist der zweite Antrag nicht bereits unzulässig, sondern allenfalls unbegründet, falls der erste Antrag keinen Erfolg hat.

Der Feststellungsantrag zu 2. ist auch begründet. Nach übereinstimmendem Vortrag des Beteiligten zu 2. und des Beteiligten zu 3. sind die Arbeitnehmer des D in die Wählerliste zur Betriebsratswahl am 15.03.2002 aufgenommen worden, was auch der vom Beteiligten zu 2. in das Verfahren eingeführte Einspruch des Herrn H. gegen die Wählerliste belegt. Zwar konnte nicht geklärt werden, ob die Behauptung des Beteiligten zu 2. zutrifft, "die" Arbeitnehmer des D hätten an der Wahl tatsächlich nicht teilgenommen. Darauf kommt es aber nach Auffassung der Kammer nicht an, wenn sie die Möglichkeit tatsächlich gehabt haben. Dann ist der Beteiligte zu 3., dessen Wahl nicht angefochten worden ist, für die Dauer seiner Amtszeit für die fraglichen Arbeitnehmer auch zuständig. Das wäre nur dann anders, wenn auch die Wahl vom 15.03.2002 nichtig wäre. Dafür sind aber keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dass die Verkennung des Betriebsbegriffs kein Nichtigkeitsgrund, sondern lediglich ein Anfechtungsgrund ist, wurde bereits unter 3.2 ausgeführt. Im Übrigen hat aber keiner der Beteiligten etwas dazu vorgetragen, dass bei der Wahl am 15.03.2002 gegen Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden wäre.

3.4 Der vom Beteiligten zu 2. in erster und zweiter Instanz gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Ein Rechtsschutzinteresse dafür ist nicht gegeben. Der Antrag ist das "Spiegelbild" des Antrags zu 2. (der Beteiligten zu 1. und des Beteiligten zu 3.) aus der Sicht des Beteiligten zu 2. Die Frage der alleinigen Zuständigkeit eines der Betriebsräte für das D ist mit einer Entscheidung über den Antrag zu 2. und über die Nichtigkeit der Wahl vom 08.03.2002 geklärt. Einer weiteren Feststellung dazu bedarf es nicht.

4. Der erstmals im Anhörungstermin formulierte Gegenantrag des Beteiligten zu 2., gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 15.03.2002, ist ebenfalls unzulässig. Da der Beteiligte zu 2. durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht beschwert war, hätte er seinen Antrag nur im Wege einer Anschlussbeschwerde nach §§ 87 Abs. 2 ArbGG, 524 ZPO in das Verfahren einführen können, wozu die Wahrung der Schriftform zwingend erforderlich gewesen wäre (§ 519 ZPO). Zwar ist dieser Gesichtspunkt nicht nur vom Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2., sondern auch vom Kammervorsitzenden übersehen worden, weshalb auch ein diesbezüglicher rechtlicher Hinweis nicht gegeben wurde. Eine Neueröffnung der Anhörung erschien der Kammer dennoch nicht erforderlich. Der Mangel erscheint nämlich nicht mehr heilbar, da die Frist für eine Anschlussbeschwerde nach § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO verstrichen ist. Im Übrigen musste die Kammer die etwaige Nichtigkeit der Wahl vom 15.03.2002 in Zusammenhang mit der Entscheidung über den Antrag zu 2. ohnehin prüfen (und hat sie, wie ausgeführt, mangels erkennbarer Nichtigkeitsgründe verneint). In der stattgebenden Entscheidung über den Antrag zu 2. liegt deshalb auch die Feststellung, dass die Wahl vom 15.03.2002 nicht nichtig (und damit wirksam) ist.

5. Die Rechtsbeschwerde war nach §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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