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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 05.03.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 2269/02
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 611 Abs. 1 | |
BGB § 623 |
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 05.03.2003
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Frenzel und Teuscher
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Oktober 2002 - 88 Ca 24467/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten erklärten Anfechtung und Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung für die Monate August bis Oktober 2002. Dabei ist zwischen den Parteien vor allem streitig, ob das Arbeitsverhältnis durch eine mündliche Vereinbarung in ein freies Mitarbeiterverhältnis umgewandelt worden ist und ob eine Vereinbarung von 7.500,-- EUR oder 7.500,-- DM vereinbart worden war.
Das Arbeitsgericht hat durch ein am 25. Oktober 2002 verkündetes Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung und Anfechtungserklärung vom 23. September 2002 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Dezember 2003 fortbestehen wird. Es hat die Beklagte ferner auf der Grundlage einer monatlichen Vergütung von 7.500,-- EUR zur Zahlung der eingeklagten Vergütung nebst Zinsen verurteilt. Das Arbeitsverhältnis sei nicht in einen freien Dienstvertrag umgewandelt worden, da die in diesem Zusammenhang von der Beklagten behauptete mündliche Abrede gemäß § 623 BGB formunwirksam sei. Der Beklagten stehe weder ein Anfechtungsgrund noch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Seite. Die Parteien hätten eine monatliche Vergütung von 7.500,-- EUR vereinbart; dem entgegenstehenden Sachvortrag der Beklagten könne nicht gefolgt werden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihr am 11. November 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. Dezember 2002 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie mit einem am Montag, dem 13. Januar 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte hält die Klage unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin für unbegründet. Die Parteien hätten sich zunächst auf eine monatliche Vergütung von 7.500,-- DM geeinigt; dass der schriftliche Anstellungsvertrag vom 27. Mai 2002 in § 3 ein Gehalt von 7.500,-- EUR vorsehe, gebe die tatsächlich getroffene Vereinbarung der Parteien nicht wieder. Da sie - die Beklagte - sich das Gehalt des Klägers nicht mehr habe leisten können, habe sie mit dem Kläger am 30. Juli 2002 ein freies Mitarbeiterverhältnis mit einer monatlichen Vergütung von 4.500,-- EUR vereinbart. Ab dem Monat August 2002 habe daher ein Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden; jedenfalls habe sie - so meint die Beklagte - das Arbeitsverhältnis wirksam angefochten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Oktober 2002 - 88 Ca 24467/02 - in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Parteien hätten von Beginn an eine monatliche Vergütung von 7.500,-- EUR vereinbart. Dies zeige sich auch daran, dass die Beklagte die entsprechende Vergütungsklage für den Monat Juli 2002 (Arbeitsgericht Berlin 89 Ca 21338/02) anerkannt und gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Dezember 2002 - 14 Ca 32600/02 -, mit dem sie zur Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung für die Monate November und Dezember 2002 verurteilt worden sei, keinen Einspruch eingelegt habe. Eine Vereinbarung über die Umwandlung des Arbeitsvertrages in einen freien Dienstvertrag sei nicht getroffen worden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte hat die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 66 Abs. 1 ArbGG).
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht in ein freies Dienstverhältnis umgewandelt worden. Es wurde nicht durch die außerordentliche Kündigung und die Anfechtungserklärung vom 23. September 2002 aufgelöst, sondern wird bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2003 fortbestehen. Die Beklagte ist schließlich verpflichtet, an den Kläger für die Monate August bis Oktober 2002 die eingeklagte Vergütung nebst Zinsen zu zahlen.
1.
Zwischen den Parteien bestand im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung bzw. Anfechtungserklärung vom 23. September 2002 ein Arbeitsverhältnis. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob die von der Beklagten behaupteten Gespräche zwischen dem Zeugen K. und dem Kläger tatsächlich stattgefunden haben. Denn selbst wenn sich der Kläger damit einverstanden erklärt haben sollte, das Arbeitsverhältnis in einen freien Dienstvertrag umzuwandeln, wäre diese mündlich getroffene Abrede gemäß § 623 BGB rechtsunwirksam. Die von der Beklagten behauptete Vereinbarung hätte zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Sie bedurfte daher zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, die nicht beachtet wurde.
Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz sich nicht mehr darauf berufen, ihr habe ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 23. September 2002 zur Seite gestanden. Ein derartiger wichtiger Grund lässt sich zudem schon deshalb nicht feststellen, weil der Sachvortrag der Beklagten nicht den Schluss rechtfertigt, dass sie die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten hat.
Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 23. September 2002 aufgelöst worden. Soweit sich die Beklagte auf einen Irrtum im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB bezogen hat, steht der Wirksamkeit der Anfechtung bereits entgegen, dass die Anfechtungsfrist des § 121 BGB nicht eingehalten wurde. Im Falle eines Erklärungs- oder Inhaltsirrtums muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Der Beklagten war spätestens am 29. August 2002 - dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses der Vergütungsklage für den Monat Juli 2002 - bekannt, dass der Arbeitsvertrag eine Vergütung von 7.500,-- EUR vorsah; die Anfechtungserklärung vom 23. September 2002 wahrte die genannte Anfechtungsfrist daher nicht.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe sie bei Abschluss des Arbeitsvertrages arglistig getäuscht. Es ist schon nicht erkennbar, worin eine Täuschungshandlung des Klägers bestanden haben soll. Selbst wenn er - wie von der Beklagten behauptet - den Arbeitsvertrag mit einem Gehalt von 7.500,-- EUR gefertigt haben sollte, obwohl er zuvor mit dem Zeugen K. eine andere Vergütung besprochen hatte, so hat er den Geschäftsführer der Beklagten doch mit der Vorlage des Arbeitsvertrages nicht im Unklaren darüber gelassen, welche Vergütung er - der Kläger - begehrt. Vor allem aber ist die Berufungskammer wie auch das Arbeitsgericht davon überzeugt, dass auch die Beklagte am 27. Mai 2002 eine Vergütung von 7.500,-- EUR vereinbaren wollte. Dies zeigt sich zum einen darin, dass die Beklagte sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Vergütung von 7.500,-- EUR (abzüglich an den Kläger erbrachter Sozialhilfeleistungen) für die Monate Juli sowie November und Dezember 2002 nicht gewandt hat. So ist es in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Beklagte gegen ein Versäumnisurteil, das auf der Grundlage einer monatlichen Vergütung von 7.500,-- EUR ergeht, keinen Einspruch einlegt, wenn tatsächlich lediglich 7.500,-- DM bzw. im Nachhinein 4.500,-- EUR vereinbart worden waren. Auch zeigt letztlich die Behauptung der Beklagten über die Umwandlung des Arbeitsvertrages in einen freien Dienstvertrag mit einer monatlichen Vergütung von 4.600,-- EUR, dass die Parteien zuvor tatsächlich 7.500,-- EUR vereinbart hatten. Die genannte Abrede war nach der Behauptung der Beklagten wegen ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfolgt, die die vereinbarte Gehaltszahlung an den Kläger angeblich nicht mehr zuließen. Wenn die Parteien jedoch eine Vergütungsabrede über 7.500,-- DM getroffen hätten, hätte dies unter Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge zu einer monatlichen Belastung für die Beklagte von ca. 4.600,-- EUR geführt. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wenn die Beklagte vor dem Hintergrund der angeführten wirtschaftlichen Belastungen eine Herabsetzung der Vergütung um lediglich 100,-- EUR vereinbaren wollte. Schließlich nimmt die Berufungskammer der Beklagten ebenso wenig wie das Arbeitsgericht ab, ihr Geschäftsführer habe noch Ende Mai 2002 Vergütungsabsprachen in "Deutscher Mark" treffen wolle, obwohl der Euro bereits nahezu fünf Monate gesetzliches Zahlungsmittel war. Dass die meisten Deutschen weiterhin noch in "Deutscher Mark" rechnen, bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass nicht allen Beteiligten im Rechtsverkehr - und damit auch dem Geschäftsführer einer am Markt tätigen GmbH - bewusst ist, dass die Währung der Bundesrepublik Deutschland der Euro ist.
2.
Die Beklagte ist gemäß § 611 Abs. 1 BGB zur Zahlung der geforderten Vergütung nebst Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB) verpflichtet. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger eine Arbeitsleistung für die Beklagte seit dem 5. August 2002 nicht mehr erbrachte, weil der Kläger zu dieser Leistungsverweigerung in Ausübung seines Zurückbehaltungsrechtes (§ 273 BGB) berechtigt war. Im Übrigen befand sich die Beklagte seit dem Zugang des Kündigungsschreibens vom 23. September 2002 in Annahmeverzug (§ 615 BGB). Die außerordentliche Kündigung beinhaltet die Erklärung der Beklagten, sie werde dem Kläger zukünftig einen funktionsfähigen Arbeitsplatz nicht mehr zur Verfügung stellen und damit eine für die Arbeitsleistung des Klägers erforderliche Mitwirkungshandlung im Sinne des § 296 BGB unterlassen.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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