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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 03.09.2003
Aktenzeichen: 17 Sa 808/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 615
Unterläßt es der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Kündigung, sich arbeitslos zu melden, rechtfertigt dies für sich genommen nicht, einen hypothetischen Zwischenverdienst auf den Annahmeverzugslohn anzurechnen (Anschluss an BAG AP Nr. 3 u. § 11 KSchG 1969).
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

17 Sa 808/03

Verkündet am 03.09.2003

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 17. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 03. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Löhr und die ehrenamtliche Richterin Möhl

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2003 - 63 Ca 35339/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin für den Monat Dezember 2000 zu vergüten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil vom 30. Januar 2003 entsprochen und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.533,88 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Es hat auf den Einspruch der Beklagten die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil durch ein am 6. März 2003 verkündetes Urteil aufrechterhalten. Die Beklagte sei zur Zahlung der geforderten Vergütung verpflichtet, weil sie mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug gekommen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 19. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am Dienstag nach Ostern, dem 22. April 2003 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. Juni 2003 mit einem am30. Mai 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte hält eine Zahlungsverpflichtung weiterhin nicht für gegeben. Die Klägerin habe gegen die von ihr selbst entworfene Kündigung nicht protestiert, was zur Begründung eines Annahmeverzuges erforderlich sei. Auch sei die Klägerin ab dem 1. Dezember 2000 nicht mehr arbeitswillig gewesen, da sie sich nicht arbeitslos gemeldet und auch sonst nicht um Arbeit bemüht habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2003 - 63 Ca 35339/02 - und Aufhebung der Entscheidung aus dem Versäumnisurteil vom 30. Januar 2003 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 66 Abs. 1 ArbGG).

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil vom 30. Januar 2003 zu Recht aufrechterhalten, weil die Beklagte gemäß § 615 Satz 1 BGB verpflichtet ist, der Klägerin die geforderte Vergütung für den Monat Dezember 2000 zu zahlen.

1. Es steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Oktober 2001 (16 Ca 35466/00) zwischen den Parteien fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 6. November 2000 nicht zum 30. November 2000 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Dezember 2000 fortbestanden hat.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerät der Arbeitgeber auch ohne ein tatsächliches oder wörtliches Arbeitsangebot des Arbeitnehmers in Annahmeverzug, wenn er es unterlässt, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen (vgl. nur BAG AP Nr. 79 § 615 BGB m.w.N.). Der Arbeitgeber nimmt in diesem Fall eine für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers notwendige Mitwirkungshandlung i.S.d. § 296 BGB nicht vor; ein Arbeitskraftangebot ist daher entbehrlich. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch den Ausspruch der Kündigung vom 6. November 2000 zum Ausdruck gebracht, dass sie nach dem 30. November 2000 - dem in dem Kündigungsschreiben bezeichneten Ende der Kündigungsfrist - eine Arbeitsleistung der Klägerin nicht mehr entgegennehmen werde, was zur Begründung des Annahmeverzuges ab dem 1. Dezember 2000 ausreicht.

Die Beklagte kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, die Klägerin habe ihre Arbeit selbständig einteilen können und zudem das Kündigungsschreiben vom 6. November 2000 selbst formuliert. Selbst wenn die Klägerin bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keinen unmittelbaren Weisungen der Beklagten unterlag, konnte sie ihre Arbeit doch nicht außerhalb der betrieblichen Organisation der Beklagten ausüben; die Zuweisung eines Arbeitsplatzes war daher für die Arbeitsleistung der Klägerin erforderlich. Auch hat die Beklagte für die Rechtsfolgen der Kündigung vom 6. November 2000 einzustehen, da sie die Kündigung ausgesprochen hat. Wenn sie sich dabei eines von der Klägerin gefertigten Entwurfs eines Kündigungs-Schreibens bedient, oblag es ihr als Arbeitgeberin, sich ggf. Klarheit von der einzuhaltenden Kündigungsfrist zu verschaffen.

3. Es kann ferner nicht angenommen werden, die Klägerin sei im Dezember 2000 nicht bereit gewesen, eine Arbeitsleistung für die Beklagte zu verrichten. Dass die Klägerin ab dem 1. Dezember 2000 nicht mehr am Arbeitsplatz erschien, hatte seine Ursache in der nicht fristgerecht ausgesprochenen Kündigung vom 6. November 2000. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich schließen ließe, die Klägerin hätte unabhängig von der genannten Kündigung eine Arbeitsleistung im Dezember 2000 nicht mehr erbringen wollen. Dass sie sich im Dezember 2000 nicht beim Arbeitsamt gemeldet hat, bedeutet nicht, dass sie eine Arbeitsleistung für die Beklagte zu dieser Zeit verweigert hätte.

4. Der Anspruch der Klägerin ist schließlich nicht gemäß § 615 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil sie im Dezember 2000 bei der Arbeitsverwaltung nicht um eine Stelle nachgesucht hat. Eine Anrechnung eines hypothetischen Verdienstes ist nur vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer böswillig den anderweitigen Erwerb unterlässt. Hierzu ist Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich grundlos Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Das Unterlassen einer Meldung beim Arbeitsamt steht dem nicht gleich. Denn der Arbeitnehmer ist in Bezug auf den Annahmeverzugslohnanspruch nicht gehalten, eigene Anstrengungen zu unternehmen, um eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber zu finden; eine Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers besteht insoweit nicht (BAG AP Nr. 3 zu § 11 KSchG 1969 = NJW 2001, 243 f.).

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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