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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 17 Ta 6031/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
Eine Partei ist auch unter Berücksichtigung als Kosteninteresse des Gegners in der Regel berechtigt, einen an ihrem Wohn- bzw. Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessführung zu betrauen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 16.10.2002 - VIII ZB 30/02 -)
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

17 Ta (Kost) 6031/05

In dem Beschwerdeverfahren

pp

in dem Kostenfestsetzungsverfahren

nach dem Rechtsstreit

pp

hat das Landesarbeitsgericht, 17. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dreßler am 24. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. April 2005 - 60 Ca 10031/03 - teilweise geändert:

Die Klägerin hat an die Beklagte weitere 375,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 7. Juli 2004 zu zahlen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet.

Die Beklagte kann von der Klägerin auf der Grundlage des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 2. Juli 2004 - 8 Sa 373/04 - die Erstattung der in Ansatz gebrachten Reisekosten sowie des Abwesenheitsgeldes (§ 28 BRAGO) verlangen.

1.

Welche Kosten die Klägerin im vorliegenden Fall zu erstatten hat, bestimmt sich nach § 91 Abs. 1 ZPO. Es ist daher maßgebend, ob es zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten notwendig war, ihren nicht in Berlin ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung vor dem hiesigen Landesarbeitsgericht zu beauftragen. Demgegenüber kommt § 91 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO als Rechtsgrundlage für die Festsetzung der streitigen Prozesskosten nicht in Betracht. Diese Bestimmungen beruhen auf dem sog. Lokalisationsprinzip, wonach jeder Rechtsanwalt bei einem bestimmten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugelassen sein muss (§ 18 Abs. 1 BRAO). Vor den Landesarbeitsgerichten ist jedoch jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt zur Vertretung berechtigt (§ 11 Abs. 2 ArbGG); eine ausdrückliche Zulassung für eine Vertretung vor einem Landesarbeitsgericht ist nicht vorgesehen. Die Befugnis eines jeden Rechtsanwalts, vor jedem Landesarbeitsgericht aufzutreten, bedeutet jedoch nicht, dass die Kosten der Beauftragung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten stets erstattungsfähig sind. Vielmehr sind die Parteien auch in den Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen verpflichtet, die Kosten der Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung möglichst gering zu halten. Eine obsiegende Partei kann deshalb nur einen Ausgleich der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts verlangen, sofern dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendig war.

2.

Der Bundesgerichtshof hat es für notwendig in dem genannten Sinne erachtet, dass die Partei, die einen Rechtsstreit vor einem auswärtigen Gericht zu führen beabsichtigt oder dort verklagt wird, einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts mit der Prozessführung beauftragt (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - MDR 2003, 233 ff.). Eine Partei, die ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen wissen wolle, werde in aller Regel wegen der räumlichen Nähe und der Möglichkeit eines persönlichen mündlichen Gesprächs einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsorts aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen. Für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung sei der Rechtsanwalt auf die Tatsacheninformation der Partei angewiesen, die in aller Regel nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen könne; auch werde häufig ein zweites Gespräch notwendig sein, weil der Rechtsanwalt weitere Informationen der Partei benötige oder später entstandene Missverständnisse auszuräumen seien. Zudem gingen einem Zivilprozess häufig außergerichtliche Auseinandersetzungen voraus, bei denen sich eine oder beide Parteien bereits anwaltlicher Hilfe durch an dem jeweiligen Wohn- oder Geschäftssitz ansässige Rechtsanwälte bedient hätten. Wäre eine der Parteien in dem dann sich entwickelnden Prozess vor einem auswärtigen Gericht zur Kostenersparnis gehalten, einen am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, müsste sie auf den bereits mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt verzichten und außerdem weitere Mühen zur Unterrichtung des neuen Rechtsanwalts auf sich nehmen; dies sei von einer kostenbewussten Partei auch im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei nicht zu erwarten. Etwas anderes könne gelten, wenn bereits im Zeitpunkt der Beauftragung feststehe, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sei, etwa weil eine Rechtsabteilung eines Unternehmens die Sache bearbeite; auch könne die Beauftragung eines Rechtsanwalts am Prozessgericht zumutbar sein, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubarem Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichere, nicht leistungsfähig zu sein und keine Einwendungen erheben zu wollen. Dass es sich um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handele, zwinge die Partei hingegen nicht ohne weiteres, von der Beauftragung eines am Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalts abzusehen. Denn es sei für eine rechtsunkundige Partei in der Regel nicht überschaubar und hänge darüber hinaus wesentlich vom Verhalten der Gegenpartei ab, welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreits aufwerfe.

3.

Die Beschwerdekammer schließt sich dieser Rechtsprechung - auch im Interesse einer einheitlichen Kostenrechtsprechung - im Grundsatz an (ebenso LAG Düsseldorf, MDR 2003 1321 f. m.w.N.). Wenn danach im Regelfall die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten am Wohn- oder Geschäftssitz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist, muss allerdings gleichwohl jeweils festgestellt werden, dass nicht ausnahmsweise die Beauftragung eines am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts ausreichend gewesen wäre. Ein derartiger Ausnahmefall ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es handelt sich nicht um eine einfach gelagerte Rechtsstreitigkeit, sondern um Fragen der Ein- bzw. Rückgruppierung, die unter Anwendung eines speziellen Tarifrechts zu beantworten waren. Hierzu waren auf jeden Fall mündliche Rücksprachen mit dem Prozessbevollmächtigten erforderlich. Auch hatte die Beklagte gleich gelagerte Rechtsstreitigkeiten nicht nur im Bezirk des Landesarbeitsgerichts Berlin, sondern auch im übrigen Bundesgebiet zu führen, was es angesichts der gebotenen Koordinierung der Prozessführung angezeigt sein ließ, nur einen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung aller Prozesse zu beauftragen. Auch kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, diese Prozesse von ihrer Zentrale aus zu betreuen und nicht jeweils ihre regionalen Geschäftsstellen mit dieser Angelegenheit zu befassen. Die Beklagte durfte angesichts der komplexen Sach- und Rechtslage schließlich wenigstens eine Informationsreise nach Berlin für erforderlich halten, wollte sie einen hier ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessführung betrauen; die hierdurch entstehenden Kosten wären ebenfalls nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig gewesen. Bei dieser Sachlage ist es insgesamt nicht zu beanstanden, dass die Beklagte einen an ihrem Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellte.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.



Ende der Entscheidung

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