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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 15.11.2002
Aktenzeichen: 19 Sa 1454/02
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
BGB § 613a
Eine Aufkündigung eines Gemeinschaftsbetriebes zweier Unternehmen kann auch nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegen, ohne zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen einer fehlerhaften Sozialauswahl bezogen auf vergleichbare Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebes zu führen. Voraussetzung dafür ist, dass die Aufkündigung des Gemeinschaftsbetriebes zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits "greifbare Formen" i.S.d. Rechtsprechung des BAG zur beabsichtigten Betriebsstilllegung angenommen hat.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

19 Sa 1454/02

Verkündet am 15.11.2002

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 19. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 15.11.2002 durch den Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Fenski als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Bräuer und Niederberger

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Mai 2002 - 71 Ca 31286/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der am ..... 1951 geborene, verheiratete und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 23. Mai 1973 bei der Beklagten als Maler beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs sind sich die Parteien darüber einig, dass der Kläger ab 1. Juni 1999 einen Stundenlohn von 25,75 DM brutto oder entsprechenden Gegenwert in Euro erhält.

Die Beklagte ist ein mittlerweile in Liquidation befindliches Berliner Unternehmen des Maler- und Lackierergewerbes, bei dem seit Dezember 2000 nur noch 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt waren.

Gesellschafter der Beklagten sind der Kaufmann Dr. F.-P. M. mit einer Stammeinlage von 37.500,-- DM und der Kaufmann Th. M. mit einer Einlage von 12.500,-- DM. Herr M. ist gleichzeitig Leiter der Abteilung Maler in der Firma Berliner A. GmbH, deren Alleingesellschafter der Kaufmann Dr. F.-P. M. ist. Der Sitz beider Firmen befand sich in der K. Straße 96 in 13158 Berlin. Die Firma Berliner A. GmbH beschäftigt regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Sie beschäftigt ferner einen Handwerksmeister, der aufgrund einer Ausnahmegenehmigung der Handwerkskammer B. befugt ist, bei der Beklagten beschäftigte Auszubildende zu unterweisen. Die Beklagte selbst verfügte über keinen Meister.

Mit Datum vom 19. April 1996 schlossen die Beklage und die Berliner A. GmbH eine "Vereinbarung zur entgeltlichen Übernahme von Büro- und Dienstleistungsaufgaben der bzw. für die Firma Kö. GmbH ab 1. April 1996" (vgl. dazu die Vereinbarung vom 19.4.1996 in Kopie Bl. 99 ff. d.A. sowie den Nachtrag vom 18.6.2001 Bl. 102 d.A.).

Mit Gesellschafterbeschluss vom 4. Oktober 2001 beschloss die Beklagte, den Betrieb zum 31. März 2002 stillzulegen.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2001 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem bei der Beklagten bestehenden Betriebsobmann mit, die Gesellschafter hätten beschlossen, die Betriebstätigkeit zum 31. März 2002 einzustellen. Deshalb würden nunmehr gegenüber allen Arbeitnehmern und Auszubildenden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Gleichzeitig teilte der Geschäftsführer dem Betriebsobmann mit, dass auch die Kündigung des Klägers beabsichtigt sei, wobei die Kündigungsfrist fünf Monate zum Monatsende betrage. Er bat den Betriebobmann, der Kündigung zuzustimmen. Gleichzeitig erhielt der Betriebsobmann eine Liste der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer mit deren Sozialdaten (vgl. dazu das Anhörungsschreiben vom 23.10.2001 nebst Sozialdatenliste Bl. 34 - 36 d.A.).

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2001 äußerte sich der Betriebsobmann zu der Stilllegungsabsicht der Beklagten. Eine weitere Stellungsnahme erfolgte nicht.

Auf einer Betriebsversammlung wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass der Betrieb der Beklagten zum 31. März 2002 stillgelegt werden sollte.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2001, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2002.

Mit Schreiben vom 8. November 2001 kündigte die Beklagte die Vereinbarung mit der Firma Berliner A. GmbH vom 19. April 1996 zum 31. März 2002, wobei sie zur Begründung den Entschluss anführte, den Betrieb mit Wirkung zum 31. März 2001 stillzulegen (vgl. dazu das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 107 d.A.).

In der Folgezeit kündigte die Beklagte nicht nur den Mietvertrag mit der Firma Berliner A. GmbH, sondern auch andere relevante Verträge unter Hinweis auf die beabsichtigte Betriebsstilllegung, schickte Ausschreibungsunterlagen unbearbeitet unter Hinweis auf die beabsichtigte Schließung zurück und verwies auf die baldige Liquidation. Diese ist - wovon sich die 19. Kammer des LAG Berlin überzeugt hat -, wie vom Liquidator in der mündlichen Verhandlung am 15. November 2002 angegeben, im Bundesanzeiger Nr. 137 vom 26. Juli 2002, im Bundesanzeiger Nr. 138 vom 27. Juli 2001 und im Bundesanzeiger Nr. 139 vom 30. Juli 2002 veröffentlicht worden.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Berlin am 12. November 2001 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 31. Oktober 2001 gewandt.

Er hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam gehalten, weil das Kündigungsschutzgesetz auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung fände. Denn die Arbeitnehmer der Berliner A. GmbH seien zu den Arbeitnehmern der Beklagten hinzuzurechnen, da beide einen gemeinsamen Betrieb bildeten. Daher läge auch keine Betriebsstilllegung, sondern allenfalls eine Betriebsteilstilllegung vor, weshalb die Beklagte eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl hätte vornehmen müssen. Bei dieser Sozialauswahl wäre er gegenüber den bei der Berliner A. GmbH beschäftigten Malern schutzbedürftiger aufgrund seiner langen Betriebszugehörigkeit und seiner sonstigen sozialen Schutzdaten. Endlich verstieße die Kündigung gegen § 613 a Abs. 4 BGB, da ein Betriebsübergang von der Beklagten auf die Firma Berliner A. GmbH stattgefunden hätte.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die mit Schreiben der Beklagten vom 31. Oktober 2001 erklärte ordentliche Kündigung aufgelöst ist.

Die Beklaget hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar sei, weil sie regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt hätte. Die Berliner A. GmbH sei ein selbständiges Unternehmen, mit dem sie, die Beklagte, zwar kooperiert, nicht aber einen gemeinsamen Betrieb geführt hätte. Dies ergebe sich u.a. auch daraus, dass die Berliner A. GmbH für die von ihr erbrachten kaufmännischen und technischen Leistungen aufgrund der Vereinbarung vom 19. April 1996 eine Vergütung erhalten hätte. Außerdem habe es regelmäßig Submissionsverträge zwischen ihr und der Berliner A. GmbH gegeben. Jedenfalls sei aber durch den Stilllegungsentschluss ein gemeinsamer Betrieb, falls ein solcher denn bestanden hätte, entfallen, so dass eine übergreifende Sozialauswahl nicht in Betracht komme.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 2. Mai 2002 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde, da die Beklage und die Berliner A. GmbH einen gemeinsamen Betrieb gebildet hätten. Die Kündigung sei jedoch sozial gerechtfertigt, da sie durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt gewesen sei. Diese lägen darin, dass sich die Beklagte zur Auflösung des gemeinsamen Betriebes mit der Berliner A. GmbH und zur Stilllegung ihres Betriebes zum 31. März 2002 entschlossen hätte. Der Stilllegungsbeschluss der Beklagten habe auch die Stilllegung bzw. die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes zur Folge und sei nicht nur als Stilllegung eines Betriebsteils des Gemeinschaftsbetriebes anzusehen. Denn der Kündigungsentschluss gehe einher mit der Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Berliner A. GmbH vom 19. April 1996 durch das Schreiben vom 8. November 2001. Mit der Aufkündigung der Vereinbarung vom 19. April 1996 sei die rechtliche Klammer entfallen, die den gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der Berliner A. GmbH zusammengehalten hätte. Daher hätte auch keine Verpflichtung bestanden, die Arbeitnehmer der Berliner A. GmbH in die Sozialauswahl mit einzubeziehen. Endlich sei die Stilllegung des Betriebes und des Gemeinschaftsbetriebes auch nicht rechtsmissbräuchlich. Wegen der konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Parteivortrags erster Instanz wird auf das Urteil vom 2. Mai 2002 (Bl. 165 - 176 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 1. Juli 2002 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 1. August 2002 per Fax eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 1. Oktober 2002 am 1. Oktober 2002 per Fax begründete Berufung des Klägers.

Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag erster Instanz und meint nach wie vor, dass die Kündigung unwirksam sei. Das Kündigungsschutzgesetz fände Anwendung. Daher sei auch eine Sozialauswahl hinsichtlich aller Maler bei der Beklagten und der Firma Berliner A. GmbH anzustellen, welche zur Bevorzugung des Klägers und zur Wirksamkeit der Kündigung führe.

Das Arbeitsgericht wäre in seinen Urteilsgründen ersichtlich der Entscheidung des Bundesarbeitsgerrichts vom 13. September 1995 - 2 AZR 954/94 - AP Nr. 72 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung gefolgt, obwohl hier ein völlig anderer Fall vorliege. Im dortigen Fall wäre der Gemeinschaftsbetrieb vor der Kündigung aufgelöst worden, hier erst nach der Kündigung durch das Schreiben vom 8. November 2001.

Im Übrigen liege ein Fall des Betriebsübergangs vor, zumindest fände der Rechtsgedanke des § 613 a BGB analog Anwendung. Der Gemeinschaftsbetrieb bestehe nunmehr als alleiniger Betrieb der Berliner A. GmbH fort. Werde aber ein gemeinsamer Betrieb zweier Unternehmen durch eines fortgesetzt, so liege keine Betriebsstilllegung, sondern ein Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB vor (LAG Hamm NZA - RR 1998, 242).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Mai 2002 - 71 Ca 31286/01 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die mit Schreiben der Beklagten vom 31. Oktober 2001 erklärte ordentliche Kündigung aufgelöst ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Vortrag in erster Instanz. Sie meint nach wie vor, das bereits kein Gemeinschaftsbetrieb vorläge, jedenfalls bestünden aber betriebsbedingte Gründe im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG wegen der beabsichtigten Betriebsschließung. Ein Betriebsübergang hätte nicht stattgefunden.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 1. Oktober 2002 (Bl. 210 ff. d.A.) und der Beklagten vom 11. November 2002 (Bl. 247 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist gemäß § 8 Abs. 2; § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. c, Abs. 6; § 66 Abs. 1 Satz 1 und 5 ArbGG; § 519; § 520 Abs. 1 und 3 ZPO zulässig, insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dabei kann es jedoch dahinstehen, ob das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist oder nicht. Denn würde man mit der Beklagten davon ausgehen, dass ein Gemeinschaftsbetrieb mit der Firma Berliner A. GmbH nicht bestünde, wird das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung gelangen, da die Beklagte unstreitig nicht mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Würde man mit dem Arbeitsgericht und dem Kläger davon ausgehen, dass ein Gemeinschaftsbetrieb zum Zeitpunkt der Kündigung zwischen der Beklagten und der Berliner A. GmbH bestanden hätte, wäre das Kündigungsschutzgesetz zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nach der Rechtsprechung des BAG, dem sich die erkennende Kammer anschließt, anwendbar (vgl. nur BAG 5.3.1987, BAGE 55, 117 = EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 38 m.w.N. zu B II 2 a) d.Gr.). In diesem Fall wäre die Kündigung vom 31. Oktober 2001 jedoch wegen einer beabsichtigten Betriebsstilllegung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG. Dabei schadet es nicht, wenn die Aufkündigung der Führungsvereinbarung hinsichtlich eines gemeinsamen Betriebs zweier Unternehmen erst nach dem Zugang der Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegt, wenn die Auflösung des gemeinsamen Betriebs bereits greifbare Formen angenommen hat.

1.

a) Die Kündigung vom 31. Oktober 2001 ist aus dringenden betrieblichen Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Denn dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG kann auch eine beabsichtigte Betriebsstilllegung sein. Eine aus diesem Grund erklärte ordentliche Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die auf eine Betriebsstilllegung gerichtete unternehmerische Entscheidung zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen hat und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertigt, dass bis zum Auslaufen der Kündigungsfrist der Arbeitnehmer entbehrt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 19.6.1991 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70; BAG 18.1.2001 EzA a.a.O. Nr. 109; BAG 7.3.2002 EzA a.a.O. Nr. 116). In einem solchen Fall ist für eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG kein Raum, da alle Arbeitnehmer zum zukünftigen Zeitpunkt der Betriebsstilllegung spätestens entlassen werden (vgl. BAG 7.3.2002 a.a.O.).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung vom 31. Oktober 2001 sozial gerechtfertigt. Denn die Beklagte hatte am 4. Oktober 2001 den Gesellschaftsbeschluss gefasst, den Betrieb stillzulegen. Sie hatte dazu vor der Kündigung nicht nur die Arbeitnehmer auf einer Betriebsversammlung, sondern auch den Betriebsobmann informiert. Endlich hat sie diesen Beschluss auch nach außen getragen, indem sie ihn ihren Vertragspartnern und der Innung mitteilte (vgl. etwa das Schreiben vom 25.2.2002 an die Maler- und Lackiererinnung Berlin-Brandenburg, Anlage B 14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 14.3.2002, Bl. 116 d.A. und Schreiben an die Alte Leipziger Versicherung AG vom 26.2.2002, Anlage B 16, a.a.O. Bl. 118 d.A.). Sie hat in der Folge genau das getan, was sie am 4. Oktober 2001 beschlossen hatte. Sie hat sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt, sämtliche relevanten Verträge gekündigt, die Vereinbarung mit der Berliner A. GmbH gekündigt und die Liquidation der Beklagten betrieben, welche schließlich im Bundesanzeiger zu den angegebenen Tagen veröffentlicht wurde. Da allen Arbeitnehmern gekündigt wurde, kommt eine Sozialauswahl nicht in Betracht.

c) Daran ändert sich auch dann nichts, wenn wie hier die Aufkündigung eines zu Gunsten des Klägers angenommenen Gemeinschaftsbetriebes nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, nämlich hier unter dem 8. November 2001 erfolgt. Denn auch insofern sind die Grundsätze maßgebend und auf diese Fallkonstellation übertragbar, die das Bundesarbeitsgericht für die beabsichtigte Betriebsstilllegung aufgestellt hat (im Ergebnis ebenso LAG Bremen, 17.10.2002 - 3 Sa 147/02 - EzA SD 25/2002, S. 9 f.):

aa) Bereits in der zitierten Entscheidung vom 19. Juni 1991 hat das BAG ausgeführt, dass der Unternehmer nicht warten muss. bis der Betrieb stillgelegt worden ist, sondern er auch wegen einer künftigen Stilllegung kündigen kann. Für diesen Fall muss der Arbeitgeber noch nicht einmal zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit der Durchführung der Betriebsstilllegung begonnen haben, es reicht aus, dass die "greifbaren Formen" die Motivation der Betriebsstilllegungsabsicht erkennen lassen (vgl. BAG, a.a.O., zu II 2 b) a.E. d.Gr.). Dies ist auch auf die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes zu übertragen. Denn hier wie dort kann die Auflösung der Gemeinschaft auch in der Zukunft liegen. Im Hinblick auf das Unternehmensgrundrecht des Arbeitgebers aus Art. 12 und 14 GG muss er nicht abwarten, bis der gemeinsame Betrieb endgültig aufgelöst ist. Allerdings muss die Auflösung "greifbare Formen" angenommen haben. Da die Motivation ausreichen kann, reicht insofern bei einer beabsichtigten Auflösung des Gemeinschaftsbetriebes die nach außen kund getane Absicht, "den Betrieb stillzulegen". Denn damit zeigt der Arbeitgeber aus Sicht eines objektiven Dritten, dass er auch den Gemeinschaftsbetrieb "stilllegen", also auflösen will.

bb) Diesen Grundsätzen genügt das Handeln der Beklagten, die vor der Kündigung vom 31. Oktober 2001 beschlossen hatte, den Betrieb stillzulegen, damit konkludent auch den Gemeinschaftsbetrieb aufzulösen und diesen Entscheidung auch den Arbeitnehmern und dem Betriebsobmann mitteilte. Da die Kündigung des Gemeinschaftsvertrages in sehr viel kürzerer Zeit als die Kündigung der Arbeitsverträge möglich war - da die Leistungen der Berliner A. GmbH monatlich zu vergüten waren, konnte die Beklage gemäß §§ 675, 621 Nr. 3 BGB spätestens am 15. eines Monats für den Schluss des Kalendermonats kündigen -, reichte es aus, dass die Kündigung der Vereinbarung vom 9. April 1996 kurz nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 31. Oktober 2001, nämlich am 8. November 2001 erfolgte.

2. Die Kündigung erfolgte auch nicht wegen eines behaupteten Betriebsübergangs. Sie ist daher auch nicht gemäß § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam.

a) Nach ständiger Rechtsprechung von BAG und EuGH, denen sich die erkennende Kammer anschließt, liegt ein Betriebsübergang vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Zu den maßgeblichen Tatsachen hierfür zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen und die Dauer einer evtl. Unterbrechung der Betriebstätigkeit. Der Übergang durch Rechtsgeschäft erfasst alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher oder sonst rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen (ständige Rechtsprechung des BAG und des EuGH, vgl. nur BAG 25.5.2000 EzA § 613 a BGB Nr. 190, zu II 1 a) d.Gr.; EuGH 24.1.2002 EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 77/187 Nr. 1).

b) Danach hat der darlegungs- und beweispflichtige Kläger nichts Konkretes für einen Betriebsübergang vorgetragen.

aa) Die fünf Arbeitnehmer der Beklagten sind von der Berliner A. GmbH unstreitig nicht übernommen worden.

bb) Materielle Betriebsmittel sind ebenfalls nicht auf die Berliner A. GmbH übergegangen. Der Kläger hat selbst vorgetragen (vgl. Schriftsatz vom 12.4.2002, S. 7, 12, 15, Bl. 145, 150 und 153 d.A.), dass die Beklagte weder Lkw's noch Fahrer vorhielt, keinen eigenen Computer und nicht einmal ein eigenes Büro besaß. Ferner hätte die Beklagte keine eigenen Arbeitsmittel gehabt. Alles wäre von der Berliner A. GmbH gestellt worden. Wenn dies so war, konnten aber auch keine materiellen Betriebsmittel auf die Berliner A. GmbH übergehen, diese besaß diese Betriebsmittel bereits, nach dem Vortrag des Klägers waren dies ihre eigenen.

cc) Endlich sind auch keine Kundenbeziehungen übergegangen. Insofern steht lediglich fest, dass sich die Beklagte nicht mehr an Ausschreibungen beteiligt hat bzw. diese nach Betriebsstilllegungsbeschluss zurückgeschickt hat (s. Bl. 102 ff. d.A.). Eine Übertragung von Kundenbeziehungen von der Beklagten auf die Berliner A. GmbH ist nicht konkret vorgetragen worden.

dd) Schließlich reicht es nicht aus, dass der Geschäftsführer bzw. Liquidator der Beklagten Abteilungsleiter bei der Beklagten ist. Denn auch insofern liegt kein Übergang etwa des know hows in der Person des Herrn M. vor, dieser ist immer noch Arbeitnehmer der Berliner A. GmbH.

3. Da auch der Betriebsobmann der Beklagten ordnungsgemäß gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG angehört wurde und die Beklagte die Kündigungsfristen nach § 45 des allgemeinverbindlichen RTV für das Maler- und Lackiererhandwerk eingehalten hat, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2002 beendet worden.

III.

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war für den Kläger wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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