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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 24.01.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 1854/02
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
BGB § 613 a
Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses bei Veräußerung eines Betriebsteils, entfällt sein Arbeitsplatz. Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer betriebsbedingten Kündigung sind Arbeitsplätze, die während der Kündigungsfrist oder später frei werden, zu berücksichtigen.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

2 Sa 1854/02

Verkündet am 24.01.2003

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 2. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 24.01.2003 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Germelmann als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Schaum und Dimmey

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. Juli 2002 - 24 Ca 4061/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Verfahren über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung. Von der Darstellung des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 130 bis 133 d.A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Durch Urteil vom 26. Juli 2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung (Bl. 129 bis 139 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 02. September 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02. Oktober 2002 Berufung eingelegt, die sie am 01. November 2002 begründet hat.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass am 31. Januar 2002 für die Beklagte eine anderweitige Möglichkeit ihrer Weiterbeschäftigung bestanden habe. Ab 12. Februar 2002 habe die Beklagte Stellenausschreibungen durchgeführt. Es sei davon auszugehen, dass die ausgeschriebenen Arbeitsplätze bereits am 31. Januar 2002 nicht besetzt gewesen seien. Hier sei auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und der Ausschreibung zu berücksichtigen. Sie besitze auch die Fähigkeit, sich in zunächst unbekannte Software zügig einzuarbeiten, sie habe die notwendigen Qualifikationen, sie habe auch bereits vorher ausdrücklich erklärt, dass sie bereit sei, Fortbildungsmaßnahmen, Umschulungsmaßnahmen oder einen Ortswechsel durchzuführen. Der Betriebsrat habe auch wegen der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Kündigung widersprochen. Im Übrigen habe sie am 24. Januar 2002 den Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 30. Januar 2002 nicht aufgelöst worden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet: Im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung am 31. Januar 2002 sei bei ihr weder ein vergleichbarer Arbeitsplatz noch ein in Anbetracht der Qualifikation der Klägerin geeigneter Arbeitsplatz frei gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei auch nicht absehbar gewesen, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2002 ein solcher Arbeitsplatz frei werden würde. Die Stellenausschreibungen seien erst ab dem 12. Februar 2002 möglich gewesen. Im Übrigen hätte die Klägerin auch nicht dem Anforderungsprofil der aufgeführten Stellen entsprochen. Sie habe auch nicht die Möglichkeit gehabt, die Klägerin unter geänderten Arbeitsbedingungen oder nach Durchführung von Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen auf einem freien Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Die von der Klägerin angeführten "Zielgebietserfahrungen" änderten hieran nichts, da sie, die Beklagte, seit 1997 keine eigenen Reiseleiter mehr beschäftige. Im Bereich der Hostessen/Fluggastabfertigerinnen auf den Flughafenstationen seien im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung und auch heute noch keine freien Arbeitsplätze vorhanden. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin nicht zu Schicht- und Wochenenddiensten bereit gewesen sei, dies sei aber die Voraussetzung für diese Tätigkeit. Dies gelte im Übrigen auch für die kaufmännischen Tätigkeiten im Bereich der EDV. Eine Rücknahme des Widerspruches gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses werde bestritten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 29. Oktober 2002 und 04. Dezember 2002 nebst den jeweiligen Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist statthaft, § 64 Abs. 2 Buchstabe c) ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

II.

Die gemäß § 4 KSchG zulässige Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund der seitens der Beklagten ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung geendet.

Das Berufungsgericht schließt sich zunächst in vollem Umfange den zutreffenden Ausführungen in dem arbeitsgerichtlichen Urteil an und sieht insoweit von einer Wiederholung der Gründe ab, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die in der Berufungsinstanz hiergegen erhobenen Angriffe sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.

1. Der Arbeitsplatz der Klägerin ist weggefallen. Der Betriebsteil, in dem die Klägerin zuletzt beschäftigt gewesen ist, ist mit Wirkung zum 01. Januar 2002 auf die P. AG übertragen worden. Die Klägerin hat diesem Betriebsübergang widersprochen. Den zunächst vorläufigen Widerspruch vom 28. Dezember 2001 hat sie am 08. Januar 2002 nochmals bestätigt. Zwar hat die Klägerin bereits in der ersten Instanz und nochmals in der zweiten Instanz behauptet, dass sie diesen Widerspruch am 24. Januar 2002 zurückgenommen habe.

Es kann offen bleiben, ob eine Rücknahme des Widerspruches rechtlich überhaupt möglich ist. Selbst wenn man eine solche Rücknahme für möglich halten würde, wäre Voraussetzung, dass sie eindeutig gegenüber demjenigen, dem gegenüber der Widerspruch erklärt worden ist, erfolgt. Der Sachvortrag der Klägerin in diesem Punkte ist jedoch unpräzise. Weder lässt sich erkennen, wem gegenüber die behauptete Rücknahme erfolgt sein soll, die Form der Rücknahme ist ebenfalls nicht erkennbar, auch gibt die Klägerin als einziges Beweismittel die eigene Parteivernehmung an. Dieses Beweismittel ist jedoch ungeeignet, zumal der Widerspruch gegenüber einer anderen Person hätte erfolgen müssen.

2. Die in der Berufungsinstanz erneut erhobenen Behauptungen hinsichtlich der Möglichkeit eines anderweitigen Einsatzes sind ebenfalls nicht geeignet, eine Sozialwidrigkeit der ausgesprochenen Kündigung zu rechtfertigen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Sozialwidrigkeit ist bei einer betriebsbedingten Kündigung der Zugang der Kündigungserklärung. Allerdings ist bei der Frage der anderweitigen Beschäftigung auch zu berücksichtigen, dass Arbeitsplätze, die während der Kündigungsfrist oder gegebenenfalls auch später frei werden, ebenfalls zu berücksichtigen sind (BAG AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Gleichwohl kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass am 12. Februar 2002, also noch während des Laufes der Kündigungsfrist, von der Beklagten Arbeitsplätze ausgeschrieben worden sind. Zum Einen ergibt sich nicht, dass bereits im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung zu erkennen gewesen ist, dass die bestehende Stellenbesetzungssperre bereits im Februar 2002 aufgehoben werden würde. Die Stellenbesetzungssperre, die nach dem 11. September 2001 von der Beklagten verhängt worden war, ist als unternehmerische Entscheidung ebenso wenig überprüfbar wie ihre spätere Aufhebung.

Zum Anderen ergibt sich jedoch nicht, dass ein Arbeitsplatz ausgeschrieben worden wäre, den die Klägerin hätte besetzen können. Hinsichtlich der Stellenausschreibung Nr. 0054/02 sind Erfahrungen in der Verkaufssteuerung erforderlich. Zwar hat die Klägerin in der Vergangenheit für die Beklagte auf verschiedenen Arbeitsplätzen gearbeitet. Sie war Reiseleiterin und verfügte als solche über Zielgebietserfahrungen, sie war im Innendienst als Hostess/Fluggastabfertigerin tätig und sie hat an einer Fortbildungsmaßnahme mit der Zielsetzung "EDV für Kaufleute-kaufmännische Sachbearbeitung im EDV-Bereich" teilgenommen. Diese Tätigkeiten und Kenntnisse ergeben jedoch noch nicht Erfahrungen im Bereich der Verkaufssteuerung. Auch hat die Klägerin weder eine Ausbildung als Reiseverkehrs- oder Luftverkehrskauffrau. Weiterhin war in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Stellenausschreibung für einen Vollarbeitsplatz erfolgt war, die Klägerin jedoch nur als Teilzeitbeschäftigte tätig war.

Die Stellenausschreibung 00067/02 erforderte Kenntnisse der Abläufe im Bereich eines Call-Centers. In einer solchen Tätigkeit ist die Klägerin bisher nicht eingesetzt worden. Auch war die Klägerin bislang nicht als Teamsachbearbeiterin tätig.

Für die Stellenausschreibung Nr. 00094/02 als Sachbearbeiterin Zahlungsverkehr war notwendig die Erfahrung mit bei der Beklagten eingesetzten Buchhaltungssystemen. Auch diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin trotz ihrer EDV-Ausbildung nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die EDV-Ausbildung der Klägerin 15 Jahre zurück lag, es ist gerichtsbekannt, dass sich im Bereich der Datenverarbeitung und insbesondere auch der Software erhebliche Veränderungen in diesem Zeitraum ergeben haben, so dass eine praktisch neue Ausbildung erforderlich werden würde.

Die Stellenausschreibung Nr. 00080/02 als Sachbearbeiterin PM Balearen konnte ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Hier waren spezielle Kenntnisse in dem in der Stellenausschreibung genannten Zielgebiet notwendig. Hinzu kam, dass für diesen Posten auch Kenntnisse im Bereich der Katalogherstellung erforderlich waren, derartige Kenntnisse insbesondere auch im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Bildern unter Anwendung der vorhandenen Software hatte die Klägerin nicht.

Die Stellenausschreibung 00274/02 konnte ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da diese Stelle eine mehrjährige Tätigkeit als Reiseverkehrskauffrau voraussetzte, die die Klägerin nicht besaß.

Auch die Stellenausschreibung 00271/02 betraf eine Stelle als Sachbearbeiterin Gruppenreisen. Voraussetzung für die Wahrnehmung einer solchen Stelle sind jedoch praktische Tätigkeiten und Kenntnisse im Bereich von Gruppenreisen. Über diese verfügte die Klägerin, die zuletzt als Ferienscout bzw. im Bereich der Flugabfertigung eingesetzt war, nicht.

Schließlich konnte auch die Stellenausschreibung Nr. 00299/02 für eine Sachbearbeiterin Flugdisposition Verkauf von der Klägerin nicht wahrgenommen werden. Die Tätigkeit in diesem Bereich setzt vertiefte Kenntnisse im Bereich der Flugdisposition voraus, entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan.

Insgesamt ergibt sich aus dem Sachvortrag der Klägerin auch nicht im Einzelnen, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sie die einzelnen genannten Arbeitsplätze, die von der Beklagten am 12. Februar 2002 ausgeschrieben worden sind, hätte wahrnehmen können.

In der Berufungsbegründung sind die Ausführungen des Arbeitsgerichts hinsichtlich der sozialen Auswahl nicht substantiiert angegriffen worden. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Ausführungen des Arbeitsgerichts bezüglich des Widerspruchs des Betriebsrates. Den Ausführungen des Arbeitsgerichts zu diesen beiden Punkten ist nichts Weiteres hinzuzufügen.

III.

Die Berufung der Klägerin gegen das arbeitsgerichtliche Urteil war daher in vollem Umfange zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, es ist nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vorliegen.

Ende der Entscheidung

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