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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 16.08.2002
Aktenzeichen: 2 Sa 701/02
Rechtsgebiete: KSchG, ZPO


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 4
Das Bestreiten mit Nichtwissen ist nicht zulässig, wenn sich die Partei das fehlende Wissen in zumutbarer Weise verschaffen kann.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

2 Sa 701/02

Verkündet am 16.08.2002

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 2. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 16.08.2002 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Germelmann als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Schaum und Dimmey

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. März 2002 - 6 Ca 31425/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Verfahren über eine mit Schreiben vom 29.10.2001 von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene fristgemäße Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Von der Darstellung des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 48 - 50 d.A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG n.F. abgesehen.

Durch Urteil vom 12.03.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 47 - 57 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 27.03.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.04.2002 Berufung eingelegt, die er am 27.05.2002 begründet hat.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für ihn nicht nachgekommen sei. Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht sein Bestreiten mit Nichtwissen unbeachtet gelassen. Für ihn sei nicht erkennbar, welchen substantiierten Vortrag er hätte leisten müssen. Die Beklagte habe auch ihr unternehmerisches Konzept nicht hinlänglich substantiiert dargestellt. Die Kündigung sei auch aufgrund fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam. Zu den wichtigsten Gesichtspunkten sozialer Art im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zählten das Lebensalter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Der mit ihm vergleichbare Mitarbeiter R.S. weise eine geringere Betriebszugehörigkeit auf, außerdem sei er etwa 1 1/2 Jahre jünger als er.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.03.2002 - 6 Ca 31425/01 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2001 nicht aufgelöst worden sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass sie in der ersten Instanz die betriebsbedingten Gründe hinreichend konkret dargelegt habe. Der Kläger habe diesen Vortrag nicht substantiiert bestritten. Das pauschale Bestreiten mit Nichtwissen durch ihn sei unbeachtlich. Im übrigen würden ihre Berechnungen zur Gesamtarbeitszeit, für die noch Aufträge vorhanden seien, von dem Kläger nicht bestritten. Bei der Sozialauswahl seien auch Unterhaltspflichten zu berücksichtigen, dies habe dazu geführt, dass der Arbeitnehmer S sozial schutzbedürftiger sei als der Kläger.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 27.05.2002 und 04.07.2002 bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte Berufung ist gem. § 66 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

II.

1. Die Kammer schließt sich zunächst den zutreffenden Ausführungen in dem arbeitsgerichtlichen Urteil an, § 69 Abs.2 ArbGG n.F., und sieht insoweit von der Wiederholung der Begründung ab. Die gegen dieses Urteil erhobenen Angriffe sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.

2. In dem Schriftsatz vom 24.01.2002 hat die Beklagte im einzelnen die Gründe dargelegt, die die Kündigung des Klägers bedingen sollen. Sie hat behauptet, dass ihr Auftragsbestand auf Null zurückgegangen sei. Sie habe keine neuen Projekte mehr akquirieren können. Als dem Kläger die Kündigung zugegangen sei, seien fünf bisher vorhandene Projekte abgearbeitet gewesen. Ein Neuauftrag habe nicht mehr vorgelegen. Ein Nachfolgeauftrag sei nicht erkennbar gewesen. Sie habe sich entschlossen, die Eigenfertigung ganz einzustellen und ins Ausland zu verlagern. Sieben Projekte im Bereich der Eigenfertigung seien zum 08. November 2001 an eine Fremdfirma nach U. abgegeben worden, die notwendigen Werkzeuge seien Anfang November 2001 ebenfalls nach U. verbracht worden. Lediglich die Fertigung für die Firma M. sei in Berlin verblieben. Eine Anpassung des Personalbestandes sei notwendig geworden.

Mit diesem Vorbringen hat die Beklagte hinreichend substantiiert dargetan, dass dringende betriebliche Gründe zum Wegfall mindestens eines Arbeitsplatzes im Bereich der Aufbereitungsproduktion, in der der Kläger beschäftigt gewesen war, geführt haben sollen. Dies hat die Beklagte auch durch eine Berechnung hinsichtlich der noch vorhandenen Arbeitsmengen nach Stunden näher präzisiert.

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die von der Beklagten angebotenen Beweismittel hinreichend geeignet sind, die von ihr aufgestellten Behauptungen zu erweisen. Auf die Frage der Geeignetheit der Beweismittel kommt es erst an, wenn ein zulässiges Bestreiten seitens des Klägers vorliegt.

Der Kläger konnte das Vorbringen der Beklagten nicht mit Nichtwissen bestreiten. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über solche Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer Wahrnehmungen gewesen sind. Das Gesetz geht dabei von dem Grundsatz der Unzulässigkeit der Erklärung mit bloßem Nichtwissen aus. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist danach auch dann nicht zulässig, wenn sich die Partei das fehlende Wissen in zumutbarer Weise verschaffen kann (LAG Köln NZA RR 2000, 32, 33; vgl. LAG Frankfurt/Main NZA 1994, 1149; BAG vom 24.03.1992 - 1 AZR 215/91).

Dem Kläger ist die Kündigung am 29.10.2001 zugegangen. Die von der Beklagten behaupteten Veränderungen hinsichtlich der Auftragslage sollen im November 2001, als das Arbeitsverhältnis des Klägers noch fortbestand, stattgefunden haben. Da unmittelbar der Bereich des Betriebes betroffen sein sollte, in dem der Kläger beschäftigt war, hätte er die behaupteten Veränderungen hinsichtlich des Auftragsbestands und der zu erledigenden Arbeiten bemerken können. Insbesondere hätte der Kläger auch bemerken müssen, wenn, wie von der Beklagten behauptet worden ist, fünf vorhandene Projekte abgearbeitet gewesen sind und kein einziger Neuauftrag vorgelegen haben soll. Auch hätte der Kläger bemerken müssen, wenn Eigenproduktionen nach U. verlegt worden seien sollten. Grundsätzlich hätte daher der Kläger nicht die Behauptungen der Beklagten mit Nichtwissen bestreiten können. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn er im einzelnen vorgetragen hätte, warum er keine Kenntnis von den behaupteten Veränderungen hat erlangen können.

Da somit das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen nicht zulässig gewesen ist, war von der Richtigkeit der Behauptungen der Beklagten auszugehen.

3. Die Sozialauswahl ist von der Beklagten zutreffend durchgeführt worden. Gesichtspunkte, die bei der Sozialauswahl unter anderem in erster Linie zu berücksichtigen sind, sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten. Diese Auswahl der Gesichtspunkte gibt auch nach der Wiederherstellung der früheren Gesetzesfassung, die vor dem 01.10.1996 galt und seit dem 01.01.1999 wieder gilt, die wichtigsten, stets zu berücksichtigenden Gesichtspunkte bei der Sozialauswahl wieder (KR-Etzel, 6. Auflage, § 1 KSchG Rz. 644 m.w.Nachweisen).

Der Kläger ist am ....1965 geboren, er ist seit dem 02.08.1995 bei der Beklagten beschäftigt, er hat keine Unterhaltspflichten zu erfüllen. Der mit dem Kläger vergleichbare Arbeitnehmer R.S. ist am 20.12.1966 geboren, ist seit dem 07.08.1995 in dem Betrieb der Beklagten tätig, er ist verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit bei beiden betroffenen Arbeitnehmern differiert nur um wenige Tage. Allerdings ist der Arbeitnehmer S mehr als 1 1/2 Jahre jünger als der Kläger. Dies wird jedoch durch die Unterhaltspflicht für zwei Kinder und eine Ehefrau ausgeglichen. Wenn die Beklagte im Rahmen der von ihr erstellten Punktetabelle diesen Unterhaltspflichten einen gewissen Vorrang gegenüber dem Lebensalter einräumt, so ist dies nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber dem Arbeitgeber bei der Sozialauswahl nur eine ausreichende Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte auferlegt hat. Dem Arbeitgeber steht dabei ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BAG EzA Nr. 27 zu § 1 KSchG soziale Auswahl; KR-Etzel aaO Rz. 668).

Die Beklagte hat in ihrer Punktetabelle das Lebensalter deutlich geringer gewichtet als bestehende Unterhaltspflichten. Während für jedes Jahr des Lebensalters 0,5 Punkte vergeben wurden, ist die Unterhaltspflicht für jedes Kind mit fünf Punkten und die Unterhaltspflicht für einen Ehepartner mit drei Punkten berücksichtigt worden. Diese Bewertung berücksichtigt die besondere Schutzbedürftigkeit der Kinder, die im übrigen auch in Artikel 6 GG im Rahmen des besonderen Schutzes der Familie eine Grundlage gefunden hat.

Die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl ist daher nicht zu beanstanden.

Die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil war daher in vollem Umfange zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es ist nicht erkennbar, dass die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegen.

Ende der Entscheidung

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