Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.01.2007
Aktenzeichen: 2 Ta 2161/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 2
1. Die Frage, ob eine Kapitallebensversicherung unmittelbar, im Wege der Realisierung des Rückkaufwertes oder durch Beleihung als "Vermögen" i. S. v. § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzen ist, ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu entscheiden.

2. Dabei ist zu prüfen, ob die Kapitallebensversicherung erkennbar gerade (nur) der Alterssicherung dient. Weiter ist zu prüfen, inwieweit Beleihungen oder sonstige Schaffungen von geldwerten Positionen aus solchen Lebensversicherungen erfolgen können. Schließlich ist die konkrete Vermögenssituation des Antragstellers (Alter, bereits vorhandene Alterssicherungen etc.) zu berücksichtigen.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss

2 Ta 2161/06

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 2. Kammer, am 04. Januar 2007 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. B. als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 13. November 2006 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. September 2006 - 18 Ca 8055/06 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seine beim Arbeitsgericht am 21. April 2006 eingegangene Klage auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 1 und (Klageerweiterung) auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2.

In seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er angegeben, 3 Lebensversicherungen abgeschlossen zu haben (1984, 1991 und 1993), die jeweils das 65. Lebensjahr als Ablaufdatum tragen. Die 1984 abgeschlossene Lebensversicherung ist auf eine Versicherungssumme von 2.034,00 EUR angelegt und besitzt derzeit einen Rückkaufswert von 2.990,00 EUR, die 1991 abgeschlossene auf eine Summe von 729,00 EUR mit einem derzeitigen Rückkaufswert von 636,00 EUR, die 1993 abgeschlossene auf eine Summe von 14.912,00 EUR mit einem derzeitigen Rückkaufswert von 10.995,00 EUR.

Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 1. September 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe gemäß § 115 Abs. 3 ZPO sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar sei. Gemäß § 90 SGB XII zähle eine Lebensversicherung, insbesondere wenn bereits ein erhebliches Kapital angespart sei, zum verwertbaren Vermögen. Dem Kläger sei daher zuzumuten gewesen, die Lebensversicherung zu beleihen oder auf ihren Rückkaufwert zurückzugreifen, um die Prozesskosten zu finanzieren. Eine Verpflichtung der Allgemeinheit, dem Kläger mit Prozesskostenhilfe für die Begleichung der Kosten des Rechtsstreites beizustehen, bestehe nicht. Auf den Beschluss vom Bundesarbeitsgericht vom 5. Mai 2006 - 3 AZB 62/04 - wurde hingewiesen.

Gegen diesen am 12. Oktober 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 13. November 2006, bei Gericht am gleichen Tage (Montag) eingegangen. Der Kläger und Beschwerdeführer wendet ein, dass er versucht habe, die Lebensversicherung zu beleihen, dass dies aber von der B. S. abgelehnt worden sei. Demzufolge könne nicht die Rede davon sein, dass er die Prozesskosten allein finanzieren könne.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14. November 2006 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn die Lebensversicherung des Klägers nicht beleihbar sein sollte, es nach den in dem zitierten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Grundsätzen ihm zumutbar gewesen sei, die Lebensversicherung zu verwerten. Anhaltspunkte für Umstände, die eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

II.

1.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch sonst form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig.

2.

Die sofortige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf die vorhandenen Lebensversicherungen abgelehnt.

2.1

Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass gemäß § 115 Abs. 2 ZPO die Partei, die Prozesskostenhilfe begehrt, ihr Vermögen einzusetzen hat, soweit es ihr zumutbar ist.

Zum Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO zählen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie geldwerte Forderungen und Rechte. Auch eine Lebensversicherung zählt zum verwertbaren Vermögen. Insbesondere sind Lebensversicherungen nicht durch § 88 Abs. 2 BSHG vom Einsatz oder von der Verwertung ausgenommen worden. Auch gemäß § 90 Abs. 2 SGB XII muss (nur) Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10 a oder des Abschnittes XI des Einkommenssteuergesetzes dient, nicht eingesetzt werden, wenn seine Ansammlung staatlich gefördert wurde. Angesprochen ist damit im Wesentlichen die sogenannte "Riester-Rente".

2.1.1

Die vom Kläger vorliegend angeführten Lebensversicherungen zählen nicht zu dem Kreis der "staatlich geförderten" Lebensversicherungen, wie sie in den soeben genannten Rechtsvorschriften festgelegt sind. Die diesbezügliche Unterscheidung zwischen solchen und anderen Formen von Lebensversicherungen ist auch nicht verfassungswidrig (vgl. BAG vom 05.05.2006 - 3 AZB 62/04 - NZA-RR 2006, 616).

2.1.2

Inwieweit Lebensversicherungen anderer Art als Vermögen im Rahmen des § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzen sind, ist umstritten.

In einer Entscheidung vom 20. Dezember 2005 hat das Hessische Landesarbeitsgericht (Hess. LAG vom 20.12.2005 - 14 Ta 324/04 - NZA-RR 2006, 268) die Auffassung vertreten, im Streitfalle sei der Einsatz seines Vermögens in Form einer Lebensversicherung dem Kläger nicht zumutbar gewesen. Denn seine Inanspruchnahme habe die Kündigung der Lebensversicherung vorausgesetzt, was zur Folge gehabt habe, dass lediglich der geringere Rückkaufswert hätte realisiert werden können. Eine vorzeitige Kündigung sei damit mit erheblichen Vermögensnachteilen verbunden gewesen; diese seien in der Regel nicht zumutbar gemäß § 115 Abs. 2 ZPO. Etwas anderes könne dann gelten, wenn die Altersversorgung bereits anderweitig gesichert sei, wovon allerdings im Streitfalle angesichts der konkret zu erwartenden Renteneinkünfte des dortigen Klägers nicht ausgegangen wurde (so auch OLG Sachsen/ Anhalt vom 19.05.2006 - 14 WF 54/06 - NJ 2006 567).

Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm vom 04.04.2005 - 18 Ta 129/05 -) entschieden, dass der Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung zum Vermögen nach § 115 Abs. 2 ZPO gehöre und einzusetzen sei, sofern er das sogenannte Schonvermögen im Sinne des § 88 BSHG übersteige. Falls die Kündigung der Kapitallebensversicherung dem Antragsteller unzumutbar erscheine, bliebe es ihm überlassen, zur Aufbringung der Prozesskosten den einsatzpflichtigen Rückkaufswert durch Belastung bzw. Beleihung zu verwerten. Auch das Brandenburgische Oberlandesgericht (Brandenburgisches OLG vom 08.03.2006 - 9 UF 229/05 - NJW-RR 2006, 1301) vertritt die Auffassung, dass eine vorhandene Lebensversicherung einer Verwertung zugeführt werden muss, sei es auch im Wege der Beleihung, sei es auch im Wege der Realisierung des Rückkaufwertes, bevor die Solidarität der Allgemeinheit durch Gewährung von Prozesskostenhilfe in Anspruch genommen werde. Daran ändere auch nichts, dass dieses Kapital - möglicherweise - der Alterssicherung diene, da auch ein solches Kapitalvermögen einzusetzen sei. Dabei könne sich die Partei auch nicht darauf berufen, dass mit der vorzeitigen Realisierung der Versicherung Verluste verbunden seien.

2.2

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Frage, ob eine Kapitallebensversicherung unmittelbar, im Wege der Realisierung des Rückkaufwertes oder durch Beleihung als "Vermögen" im Sinne von § 115 ZPO für die Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen ist, im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu entscheiden (in diesem Sinne auch OLG Frankfurt vom 09.11.2004 - 5 WF 190/04). Dabei wird zum einen zu prüfen sein, ob die Kapitallebensversicherung erkennbar der Alterssicherung, insbesondere der zusätzlichen Alterssicherung des Antragsstellers dient. In diesem Zusammenhang hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 05.05.2006 - 3 AZR 72/04 - NZA RR 2006, 616) knapp und treffend darauf hingewiesen, dass aus Privatmitteln bestrittene Kapitallebensversicherungen der Altersvorsorge dienen können, aber nicht müssen. Weiterhin wird zu prüfen sein, inwieweit Beleihungen oder sonstige Schaffung von geldwerten Positionen aus solchen Lebensversicherungen erfolgen können. Schließlich wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob die Vermögenssituation des Antragsstellers insgesamt, unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren, den Einsatz dieser Lebensversicherung als "billig" erscheinen lassen oder ob eine besondere Härt im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII entstehen würde.

2.3

Unter Beachtung und in Anwendung dieser Grundsätze war im Streitfalle davon auszugehen, dass der Kläger wenigstens eine der drei Lebensversicherungen als Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 2 ZPO zur Bestreitung der vorliegend entstandenen Prozesskosten einzusetzen hat.

Dabei ist das Beschwerdegericht zunächst davon ausgegangen, dass sämtliche Lebensversicherungen mit einer Ablaufzeit bemessen sind, die auf das 65. Lebensjahr des Klägers abstellt. Dies spricht dafür, dass sie wenigstens grundsätzlich der späteren Altersversorgung, insbesondere der Aufstockung einer Rentenleistung, dienen sollen.

Auf der anderen Seite sind zwei dieser Lebensversicherung auf Versicherungssummen von rund 2.000,00 EUR und rund 700,00 EUR abgeschlossen. Bereits von der Versicherungssumme her erscheint damit ein Zusammenhang mit einer realistischen Alterssicherung oder zumindest der Verbesserung derselben nicht ohne weiteres gegeben. Es liegt nicht auf der Hand, dass eine Lebensversicherung mit dieser Versicherungssumme maßgeblich darauf gerichtet wäre, für die Altersvorsorge zu dienen. Vielmehr handelt es sich um Beträge, die bei Versicherungsablauf ein - zweifellos willkommenes - weiteres Vermögen in einem Zeitpunkt darstellen, in dem durch den Eintritt in die Rente üblicherweise eine Verringerung des laufenden Einkommens erfolgt.

Dieser Charakter rechtfertigt es indes nicht, diese Art von Lebensversicherung von dem im Rahmen des Antrages von Prozesskostenhilfe einzusetzenden Vermögen auszunehmen. Denn im Rahmen der Prozesskostenhilfe geht es um eine Leistung des Staates mit Hilfscharakter. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in ihrer subsidiären Funktion ist nur gerechtfertigt, wenn der Antragsteller seinerseits keine Mittel hat, um den Prozess unter anwaltlichem Beistand führen zu können. Prozesskostenhilfe ist daher nicht schon unter dem Gesichtspunkt zu bewilligen, dass dem Antragsteller vorhandene, realisierbare und angemessene Vermögensbestandteile verbleiben sollen, wenn denn diese jeweils als Lebensversicherung angelegt sind. Denn hierbei bliebe außer Acht, dass auch Lebensversicherungen bei ihrem Ablauf zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden, und zwar gelegentlich auch als Kapitaleinsatz für Zwecke, die nicht der "Daseinsvorsorge" dienen. Insofern kann nicht bereits die Kennzeichnung eines Vermögensbestandteiles als "Lebensversicherung" dazu führen, diese Vermögensbestandteile aus dem Katalog des einzusetzenden Vermögens herauszulösen. Etwas anderes wird - wie gezeigt - für Lebensversicherungen gelten, die von Ablaufzeit Versicherungssumme und Leistungen her erkennbar auf eine zusätzliche Altersversorgung, und nur auf eine solche, gerichtet sind.

Dies war im Streitfalle zumindest bei den beiden Lebensversicherungen mit einer geringeren Versicherungssumme (700,00 EUR, 2000,00 EUR) nicht zu erkennen.

Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 3 SGB XII lagen ebenfalls nicht vor.

3.

Mithin war davon auszugehen, dass der Kläger sein diesbezügliches Vermögen im Sinne des § 115 ZPO mit einzusetzen hatte.

III.

Die sofortige Beschwerde des Klägers war mithin mit entsprechender Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Zulassung einer weiteren Beschwerde kam nicht in Betracht.

Ende der Entscheidung

Zurück