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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.11.2005
Aktenzeichen: 2 TaBV 1134/05
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG
Vorschriften:
ZPO § 256 | |
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3 |
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss
Verkündet am: 11.11.2005
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 2. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 11.11.2005 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Prof. Dr. Germelmann als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Langen und die ehrenamtliche Richterin Maier
beschlossen:
Tenor:
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 03. Mai 2005 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin - 5 BV 17190/04 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1), der Betriebsrat der Berliner Gebietsfiliale der C. AG, der Beteiligten zu 2), schloss im Jahre 1998 eine Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeitgestaltung. In § 3 dieser Betriebsvereinbarung sind bestimmte Bandbreiten für Arbeitszeiten vorgesehen. Diese erfassen für die Tage von Montag bis Donnerstag die Zeiten von 7.00 bis 22.00 Uhr und an Freitagen von 7.00 bis 20.00 Uhr. Für Abwesenheitszeiten und Fehlzeiten sind Sonderregelungen in § 12 der Betriebsvereinbarung vorgesehen. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung (Bl. 5 bis 12 d.A.) wird Bezug genommen. In § 12 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung heißt es:
"Soweit die tägliche Arbeitszeit außerhalb des Betriebes beginnt oder endet, (z.B. Dienstreise, Besprechungen, Kundenbesuche), wird die Differenz bis zum Beginn oder Ende der durch Zeiterfassungsgeräte nachgewiesenen Tätigkeit mittels Kontrollbeleg im Rahmen der bestehenden Bandbreiten (vgl. hierzu BV Zeiterfassung) erfasst. Bei Dienstreisen ist die jeweils für die Reise benötigte Zeit im Rahmen der Bandbreiten anzurechnen."
Beschäftigte der Berliner Filiale müssen Dienstreisen zum Sitz der Zentrale der Beteiligten zu 2) in F. antreten.
Die Beteiligten streiten in dem vorliegenden Verfahren darum, ob die Beteiligte zu 2) Beschäftigte anweisen kann, Dienstreisen auch ohne gesonderte Zustimmung des Beteiligten zu 1), des Betriebsrates, vor 7.00 Uhr morgens zu beginnen. Beispielsweise weist die Beteiligte zu 2) Beschäftigte an, bei Dienstreisen nach F. den sogenannten ICE-Sprinter der Deutschen Bahn zu benutzen, der um 6.13 Uhr von Bahnhof Zoo abfährt.
Der Beteiligte zu 1) hat in der ersten Instanz die Auffassung vertreten, dass eine Anweisung, die zu einem Dienstreisebeginn vor 7.00 Uhr führe, seiner Zustimmung bedürfe. Reisezeiten seien insoweit Arbeitszeiten. Ferner hat der Beteiligte zu 1) die Auffassung vertreten, dass Reisen zu außerhalb stattfindenden Betriebsversammlungen grundsätzlich Arbeitszeit seien. Zwar würden die Betriebsversammlungen seit Jahren in der U. stattfinden, die Anreise sei jedoch Dienstreise, so dass die dafür benötigte Zeit im Rahmen der Bandbreiten abzurechnen seien. Die Beteiligte zu 2) wolle die Fahrzeit in Abzug bringen, die Beschäftigte zum Erreichen des Arbeitsplatzes benötigten. Lediglich bei längerer Anreisezeit sollte die Differenz gutgeschrieben werden. Für das Feststellungsinteresse sei ausreichend, dass eine entsprechende Meinungsverschiedenheit bestehe.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
1. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, die Anordnung oder Duldung eines Dienstreisebeginns vor Beginn der Bandbreitenarbeitszeit gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeitgestaltung vom 02. November 1998 zu unterlassen, es sei denn, er habe dazu zuvor seine Zustimmung erteilt,
2. festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) die Reisezeiten zu einer Betriebsversammlung auch in dem Fall voll auf die Arbeitszeit anzurechnen habe, in dem der Arbeitnehmer die Betriebsversammlung an einem Arbeitstag von zu Hause aus unmittelbar aufsuche.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass Reisezeit jedenfalls dann keine Arbeitszeit sei, wenn in ihr von den Beschäftigten keine Arbeitsleistung erbracht werden müssten. Dem Feststellungsantrag stehe § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entgegen.
Durch Beschluss vom 03. Mai 2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag zu 2) als unzulässig und den Antrag zu 1) als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl. 119 bis 127 d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 26. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 06. Juni 2005 Beschwerde eingelegt, die er am 11. Juni 2005 begründet hat.
Der Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, dass seine Rechte betroffen seien. Er mache die Einhaltung der Betriebsvereinbarung geltend. Grundlage des Individualanspruches der Arbeitnehmer sei eine betriebsverfassungsrechtliche Norm, also eine Bestimmung mit kollektivem Bezug, so dass ein Feststellungsinteresse für den Antrag zu 2) gegeben sei. Hinsichtlich des Antrages zu 1) habe das Arbeitsgericht die Definition des Begriffes der Arbeitszeit nicht unter Bezugnahme auf europarechtliche Normen und europarechtliche Rechtsprechung durchgeführt. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass bei Dienstreisen regelmäßig Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Sitzungen erfolgten.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom 03. Mai 2005 - 5 BV 17190/04 - ,
1. der Beteiligten zu 2) aufzugeben, die Anordnung oder Duldung eines Dienstreisebeginns vor Beginn der Bandbreitenarbeitszeit gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeitgestaltung vom 02. November 1998 zu unterlassen, es sei denn, er, der Beteiligte zu 1), habe dazu zuvor seine Zustimmung erteilt,
2. festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) die Reisezeiten zu einer Betriebsversammlung auch in dem Fall voll auf die Arbeitszeit anzurechnen habe, indem der Arbeitnehmer die Betriebsversammlung an einem Arbeitstag von zu Hause aus unmittelbar aufsuche.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass der Antrag zu 2) unzulässig sei, zumindest aber unbegründet. Er verstoße gegen die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Dort sei eine eigenständige Regelung der Vergütung festgelegt.
Hinsichtlich des Antrages zu 1) sei die Anordnung der Dienstreise keine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Eine Anordnung zur Erbringung von Arbeitsleistung sei nicht erteilt worden.
II.
1. Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist gemäß § 87 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2.
a) Über die Anträge des Antragstellers und Beteiligten zu 1) ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden. Mit dem Antrag zu 1) macht der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht geltend, § 2 a Nr. 1 ArbGG. Auch bei dem Antrag zu 2) handelt es sich um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, da der Antragsteller geltend macht, dass er die Einhaltung der Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeit zu überwachen habe. Gegenstand des Verfahrens ist damit ebenfalls eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, § 2 a Nr. 1 ArbGG.
b) Der Antrag zu 1) ist als Unterlassungsantrag zulässig. Auch im Beschlussverfahren gilt die Grundregel des § 256 Abs. 1 ZPO. Für Feststellungsanträge ist danach ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich (BAG 15.12.1998, AP Betriebsverfassungsgesetz 1972, § 80 Nr. 56; vom 17. 08.1999, AP BetrVG 1972, § 77 Nr. 79). Es kann auch dann bestehen, wenn es um den Bestand und Inhalt einer Rechtsbeziehung zwischen den Betriebsparteien geht (BAG 15.12.1998, AP Nr. 56 zu § 80 BetrVG 1972). Erforderlich ist jedoch auch dann, dass es um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses geht.
An dieser Voraussetzung fehlt es bei dem Feststellungsantrag zu 2). Festgestellt werden soll nämlich nach dem Antrag des Antragstellers zu 2), ob die Reisezeiten zu einer Betriebsversammlung auch voll auf die Arbeitszeit anzurechnen sind. Dies ist eine Rechtsfrage. Selbst wenn eine entsprechende Feststellung erfolgen würde, würde damit keine präjudizielle Wirkung im Verhältnis zu den betroffenen Arbeitnehmern eintreten. Auch betrifft es keine Rechtsposition des Antragstellers.
Zwar hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter anderem die Aufgabe, auch die Einhaltung von Betriebsvereinbarungen zu überwachen. Er hat jedoch keine Befugnis, die Prozessvertretung für die betroffenen Arbeitnehmer zu übernehmen (BAG vom 17.10.1989 - 1 ABR 75/88). Er darf nur in besonders gesetzlich vorgesehenen Fällen für die Wahrnehmung der arbeitsvertraglichen Rechte einzelner Arbeitnehmer sorgen (BAG vom 31.08.1994 - 7 AZR 893/93).
Der Antrag zu 2) betrifft individuelle Rechte der Arbeitnehmer. Ihre Feststellung hat keine präjudizielle Wirkung im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Eigene Rechte des Antragstellers werden nicht betroffen. Dies gilt auch dann, wenn ein Mitglied des Antragstellers von der Rechtsfrage betroffen wird, auch dann bleibt es eine individualrechtliche Angelegenheit. Hinzu kommt, dass § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eine eigenständige Regelung enthält.
Die Feststellung individualrechtlicher Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber wäre darüber hinaus auch keine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG (BAG vom 17.10.1989 - 1 ABR 75/88).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass möglicherweise das Begehren des Betriebsrates, die zutreffende Durchführung einer in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG enthaltenen Regelung verlangen zu können, eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit sein könnte (BAG vom 10.06.1986, AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972; vom 17.10.1989 - 1 ABR 75/88). Eine solche Durchführungspflicht wird nämlich von dem Antragsteller im vorliegenden Falle nicht begehrt. Er begehrt lediglich die Feststellung, dass bestimmte Reisezeiten auf die Arbeitszeit anzurechnen seien, also nicht die Durchführung einer Betriebsvereinbarung, sondern nur die Entscheidung einer Rechtsfrage aus einer solchen.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht daher den Antrag zu 2) als unzulässig zurückgewiesen.
3. Der Antrag zu 1) ist nicht begründet. Ein Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG auf Unterlassung der Anordnung oder Duldung eines Dienstreisebeginns vor Beginn der Bandbreitenarbeitszeit gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung besteht nicht. Voraussetzung für einen solchen Unterlassungsanspruch wäre zunächst, dass eine Verpflichtung aus dem Betriebsverfassungsgesetz bestünde.
Eine solche kann nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hergeleitet werden. Die Anordnung einer Dienstreise außerhalb der regulären Arbeitszeit ist keine mitbestimmungspflichtige Regelung der betrieblichen Ordnung. Die Anordnung einer Dienstreise betrifft alleine das Arbeitsverhalten. Die Beschäftigten der Beteiligten zu 2), die zu Dienstgeschäften nach F. reisen müssen, erfüllen damit ihre Arbeitspflicht. Mit der Anordnung einer entsprechenden Dienstreise wird von der Beteiligten zu 2) unmittelbar die zu erbringende Arbeitsleistung konkretisiert (BAG vom 23.07.1996 - 1 ABR 17/96). Mit der Festlegung der Dienstgeschäfte in F. bestimmt die Beteiligte zu 2) nicht nur den Ort, an dem die Arbeitsleistung zu erbringen ist, sondern legt zugleich fest, dass die Beschäftigten zu bestimmten Zeiten anreisen müssen. Durch die Terminsbestimmung wird mittelbar auch die Festlegung der Reisezeiten betroffen. Auch wenn die Beteiligte zu 2) zusätzlich die Beschäftigten noch darauf hinweist, dass der Intercity-Express, der um 6.13 Uhr den Bahnhof Zoo verlässt, zu benutzen sei, so betrifft dies letztlich die Arbeitsleistung und nicht das betriebliche Zusammenleben.
Auch ein Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG besteht für den Antragsteller nicht. Der Begriff der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geht über die reine Zeit der tatsächlichen Arbeitsleistung hinaus. Er erfasst auch die Arbeitsbereitschaft, den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft, da bei allen diesen vertraglichen Verpflichtungen der Arbeitnehmer sich auf Anordnung des Arbeitgebers an einem von diesem bestimmten Ort bzw. zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme bereithalten muss. Aus dem Mitbestimmungsrecht ergibt sich nämlich, dass die Beteiligung des Betriebsrates auch die Interessen des Arbeitnehmers an einer sinnvollen Arbeitszeit- und Freizeiteinstellung und -gestaltung schützen soll (BAG vom 23.07.1996 - 1 ABR 17/96). Nicht zur Arbeitszeit wird jedoch die Reisezeit gezählt, obwohl der Arbeitnehmer durch den Zwang zur Anreise an einen auswärtigen Ort in der Gestaltung seiner Freizeit eingeschränkt wird (BAG vom 23.07.1996 - 1 ABR 17/96; vgl. vom 10.11.2004 - 7 AZR 131/04; OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 10.04.2002 - 8 L 120/00). Mit einer Dienstreise wird zwar in die Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers eingegriffen, jedoch wird kein vorübergehender zusätzlicher Arbeitsbedarf damit bewältigt, wenn der Arbeitgeber nicht verlangt, dass während der Dienstreise zusätzliche Arbeitsleistungen zu erbringen sind. Wenn auch die Anordnung einer Dienstreise dem Arbeitsverhalten und nicht dem Ordnungsbereich innerhalb eines Arbeitsverhältnisses zuzurechnen ist, so ist doch zu berücksichtigen, dass zwar die Zeit der Dienstreise durch die Anordnung einer bestimmten auswärtigen Arbeitsleistung unmittelbar beeinflusst wird, dass jedoch eine unmittelbare Arbeitsleistung selbst damit nicht erfüllt wird. Wollte man im übrigen die Dienstreisezeit als Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ansehen, so müsste die notwendige Übernachtung an einem auswärtigen Ort ebenfalls als Arbeitszeit angesehen werden (BAG vom 23.07.1996 - 1 ABR 17/96).
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung der Richtlinie 93/104 EG. In Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie ist der Begriff der Arbeitszeit bestimmt:
"Arbeitszeit: Jede Zeitspanne während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt; ...".
Aus der Regelung ergibt sich, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss und zusätzlich seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben im Interesse des Arbeitgebers wahrnimmt. Die alleinige Tatsache, dass ein Arbeitnehmer in seiner Freizeitgestaltung eingeschränkt wird, reicht damit nicht aus. Vielmehr muss eine unmittelbare Ausübung einer Tätigkeit oder die Wahrnehmung einer Aufgabe mit der Einschränkung der Freizeit im Interesse des Arbeitgebers verbunden sein. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 09. September 2003 (C-151/02). Auch in dieser Entscheidung ist der Begriff der Arbeitszeit dahingehend definiert worden, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und diesem zur Verfügung stehen muss, um ggf. sofort seine Leistungen erbringen zu können. Allerdings hat der Gerichtshof ebenfalls entschieden, dass bei Ärzten im Bereitschaftsdienst diese Zeit als Arbeitszeit anzusehen sei, weil sie während der Wartezeiten ihren Aufenthaltsort nicht frei bestimmen könnten, so dass der Bereitschaftsdienst als Bestandteil der Wahrnehmung ihrer Aufgaben anzusehen sei. Dies kann jedoch auf den Begriff der Reisezeit nicht übertragen werden. Die Reisezeit selbst ist nicht die Ausübung einer zur Arbeitsleistung gehörenden Tätigkeit oder eine entsprechende Wahrnehmung einer Aufgabe. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber seinerseits verlangt, dass während der Zeit der Dienstreise Vor- oder Nacharbeiten für den wahrzunehmenden Termin erledigt werden. Aus dem Sachvortrag der Beteiligten ergibt sich insoweit nicht, dass seitens der Beteiligten zu 2) konkrete Weisungen bestünden. Die Arbeitnehmer, die eine Dienstreise durchführen, stehen damit nicht der Arbeitgeberin zur Verfügung. Diese kann nicht jederzeit Anordnungen hinsichtlich der Ausübung einer dienstlichen Tätigkeit treffen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass möglicherweise durch die Ausweitung eines Zustellbezirks im Postzustellungsdienst unmittelbar Auswirkungen auf die Arbeitszeit eintreten können (vgl. dazu BAG vom 23.03.1999 - 1 ABR 33/98, wo allerdings kein Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte angenommen wurde). Im Gegensatz zu dem Fall der Anordnung einer Dienstreise wird bei der Veränderung eines Zustellbezirks unmittelbar die Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber gestaltet und damit auch eine Arbeitszeitregelung getroffen. Der Arbeitnehmer muss in diesem Falle tatsächlich Arbeit leisten. Dies ist bei einer Dienstreise gerade nicht der Fall.
Schließlich ergibt sich ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers auch nicht aus den Regelungen in § 12 Abs. 2 Satz 1 oder 2 der Betriebsvereinbarung. § 12 Abs. 2 Satz 1 Betriebsvereinbarung regelt nur, wie die Arbeitszeit zu erfassen ist. Satz 2 dieser Bestimmung setzt lediglich die für Dienstreisen aufgewendeten Zeiten im Rahmen der Bandbreiten des § 3 der Betriebsvereinbarung der Arbeitszeit gleich, regelt also ausdrücklich, dass eine Anrechnung außerhalb der Bandbreiten nicht vorzunehmen ist.
Die Anordnung von Dienstreisen, die auch vor den in § 3 festgelegten arbeitszeitlichen Bandbreiten beginnen, überschreitet damit nicht die mitbestimmte Arbeitszeitregelung. Sie ist vielmehr durch sie auch ermöglicht. Ob sie individualrechtlich zulässig ist, ist hier nicht zu entscheiden.
Da eine Verletzung eines Mitbestimmungsrechtes nicht gegeben ist, besteht auch kein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates. Auch der Antrag zu 1) ist daher zu Recht vom Arbeitsgericht zurückgewiesen worden.
III.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin war daher zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache war die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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