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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.05.2003
Aktenzeichen: 3 Ta 733/03
Rechtsgebiete: ArbGG
Vorschriften:
ArbGG § 2 Abs. 1 Ziff. 36 | |
ArbGG § 2 Abs. 3 | |
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 3 |
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 3. Kammer durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Baumann als Vorsitzenden
am 27. Mai 2003
beschlossen:
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Februar 2003 - 36 Ca 38/03 und 36 Ca 4225/03 - abgeändert:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der dem Kläger erklärten außerordentlichen Kündigungen, die die Beklagte jeweils zugleich hilfsweise als ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, über die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung aus einem notariellen Schuldanerkenntnis und über die seitens der Beklagten erhobene Widerklage auf Rückzahlung der nach Ausspruch der Kündigungen geleisteten Vergütung.
Der Kläger trat am 1. Juli 2001 auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 12. April 2001 als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten, der W.-K.-B. Holding GmbH, in die Dienste der Beklagten.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2002, zugegangen am 23. Dezember 2002 kündigte die Beklagte dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2003; dem folgte eine außerordentliche Kündigung vom 30. Dezember 2002, ebenfalls verbunden mit einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung zum 31. März 2003.
Dagegen hat sich der Kläger mit der beim Arbeitsgericht am 2. Januar 2003 eingegangenen Klage mit der Begründung gewandt, die Kündigungen hätten das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht rechtswirksam aufgelöst. Die volle Rückzahlungsverpflichtung aus dem dem notariellen Schuldanerkenntnis zugrunde liegenden Arbeitnehmerdarlehen bestehe daher ebensowenig wie der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung nach dem 23. Dezember 2002.
Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer für sie tätig gewesen sei; sie hat die Rechtswegrüge erhoben.
Durch Beschluss vom 19. Februar 2003 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht gegeben erklärt und die Sache an das Landgericht Berlin verwiesen. Es hat sich dabei mit ausführlicher Begründung derjenigen Meinung angeschlossen, die entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch dann für anwendbar hält, wenn der Organvertreter, der Geschäftsführer der GmbH, zwar nicht zu dieser in einem Anstellungsverhältnis steht, dies aber im Fall der GmbH & Co. KG und des Bestehens der vertraglichen Beziehungen zur KG deshalb unerheblich ist, weil auch eine mittelbare Vertretungsbefugnis ausreicht. Dies ergebe sich vor allem aus dem Sinn und Zweck der Regelung, Personen, die im Betrieb einer juristischen Person oder Personengesamtheit als Organ oder verfassungsmäßig berufene Vertreter die Arbeitgeberfunktion wahrnähmen, nicht als Arbeitnehmer anzusehen und damit vom Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes auszunehmen. Da die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG keine Ausnahmeregelung sei, ergebe sich auch nichts anderes aus Gründen des in diesem Fall sonst geltenden Gebots der engen Auslegung. Wegen der Einzelheiten der Gründe - einschließlich der Übersicht zu Rechtsprechung und Literatur - wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen den dem Kläger am 13. März 2003 zugestellten Beschluss richtet sich seine beim Arbeitsgericht am 25. März 2003 eingegangene sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht in seinem Beschluss vom 2. April 2003 nicht abgeholfen hat.
Der Kläger verweist auf die für ihn zutreffende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und meint, die Vorschrift sei durchaus als Ausnahmeregelung zu betrachten, was der vom Arbeitsgericht vertretenen Auslegung entgegenstehe. Außerdem unterfalle die Kündigung eines Geschäftsführers einer GmbH anderen Regeln als die, die bei einer durch eine Kommanditgesellschaft erklärten Kündigung zu beachten seien. Gerade im Hinblick auf die "sic-non-Rechtsprechung" des Bundesarbeitsgerichts im Falle der sog. Doppelrelevanz des Vorbringens der klägerischen Partei, die darauf abstelle, dass in diesem Fall eine Verweisung sinnlos wäre, müsse es bei der engen Auslegung verbleiben.
Die Beklagte tritt den Ausführungen des Klägers entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in beiden Rechtszügen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 48 Abs. 1, 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG sowie § 567 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat der Kläger form- und fristgerecht eingelegt (§ 78 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 569 ZPO).
Das Rechtsmittel hat in der Sache auch Erfolg. Eine Verweisung ist nicht in Betracht gekommen; der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben.
1.
a)
Richtig ist, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die vorliegende Streitigkeit nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG hier einschlägig wäre.
Zum einen leitet der Kläger seine Kündigungsklage nicht aus einem anderweitigen, nicht seiner Organstellung als Geschäftsführer zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ab (vgl. dazu BAG 5 AZB 9/01 vom 23. August 2001, NZA 02, 52) oder macht geltend, nach seiner Abberufung als Geschäftsführer habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, worauf sich die ihm erklärten Kündigungen bezögen (vgl. dazu BAG 5 AZB 22/98 vom 6. Mai 1999, NZA 99, 839).
Zum anderen liegt hier entgegen der Auffassung der Beklagten in Bezug auf die Kündigungsklage ein sog. sic-non-Fall vor. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 17. Juni 1999 - 5 AZB 23/98 - (NZA 99, 1175) bei einer gegen eine außerordentliche Kündigung gerichteten Klage und einem zum Status des Beschäftigten in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen Sachvorbringen der Parteien die dazu erforderliche Doppelrelevanz nicht angenommen, da der Kläger insoweit auch Erfolg haben kann, ohne dass ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch in Fortführung seiner Rechtsprechung für diejenigen Fälle, in denen sich aus der Antragstellung des Klägers ergibt, er wende sich gegen die außerordentliche Kündigung mit der Maßgabe, dass zur Zeit der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, die Doppelrelevanz bejaht (vgl. BAG 5 AZB 16/00 vom 19. Dezember 2000, NZA 01, 285; vgl. auch BAG 5 AZB 18/00 vom 17. Januar 2001, NZA 01, 341). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Zudem wendet sich der Kläger hier auch gegen die jeweils hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen; und zwar mit der Begründung, sie seien nach § 1 KSchG unwirksam. Damit hängt der Klageerfolg auch von Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind (zur Doppelrelevanz in diesem Fall: BAG 5 AZB 37/02 vom 17. Februar 2003).
Damit hat insoweit im Gegensatz zum sog. et-et-Fall (vgl. dazu BAG 5 AZB 20/96 vom 10. Dezember 1996, NZA 97, 674) lediglich die Rechtsbehauptung des Klägers genügt, er sei als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, ohne dass das Vorbringen schlüssig sein muss (vgl. BAG 5 AZB 25/96 vom 18. Dezember 1996, NZA 97, 509).
Wie über den Rechtsweg zu entscheiden wäre, wenn es hinsichtlich der außerordentlichen Kündigungen auf Gründe ankommt, die nicht vom Arbeitnehmerstatus des Klägers abhängen, kann offen bleiben, da die Klage einen solchen (Hilfs-)Antrag nicht mit umfasst.
b)
Damit ist der Rechtsweg hinsichtlich des Antrags zu 2 und hinsichtlich der Widerklage schon nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben; in Bezug auf den Antrag zu 2 (Vollstreckungsabwehrklage hinsichtlich eines notariellen Schuldanerkenntnisses) kommt es deswegen nicht auf die Frage an, ob der Rechtsweg auch ungeachtet des § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben ist.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist vorliegend auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht hat sich der gegenteiligen Auffassung des Arbeitsgerichts und der der Beklagten nicht anzuschließen vermocht.
a)
Das Arbeitsgericht hat im Hinblick auf den nach seiner Auffassung nicht eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abgestellt, der in der Tat darin besteht, dass Personen, die im Betrieb einer juristischen Person oder Personengesamtheit als Organ oder verfassungsmäßig berufene Vertreter die Arbeitgeberfunktion wahrnehmen, nicht als Arbeitnehmer angesehen und damit vom Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes ausgenommen werden sollen. Nun kommt die Arbeitgeberrolle im Betrieb der Kommanditgesellschaft dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu. Dies spricht dafür, in der Sache auch diesen Geschäftsführer, der ein Anstellungsverhältnis zur Kommanditgesellschaft hat, dem Geschäftsführer mit Anstellungsverhältnis zur GmbH gleichzustellen (so auch noch ErfK-Koch 3. Aufl. ArbGG § 5 Rnr. 14; dagegen außer den vom Arbeitsgericht angegebenen Stimmen: Kamanabrou DB 02, 146, 148; Schwab NZA 87, 839, 840; Reinecke ZIP 97, 1525, 1529). Dennoch ist nach Auffassung des Beschwerdegerichts an der bislang vom Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung festzuhalten. Dazu sind folgende zwei Gesichtspunkte tragend.
b)
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kommt nur eine enge Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Betracht. Die Regelung stellt eine Ausnahmevorschrift und keine bloße "Definitionsnorm" dar (vgl. Schwab a.a.O.). Zwar kann auch eine Ausnahmenorm einer weiten Auslegung oder gar einer Analogie zugänglich sein. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts stellt dies aber nicht die Regel dar (vgl. dazu auch BAG 2 AZR 61/98 vom 29. Oktober 1998, NZA 99, 429, 430). Voraussetzung dazu ist jedenfalls, dass der Gesetzeszweck die erweiternde Auslegung zwingend erforderlich macht; dies ist hier aber nicht der Fall.
Die Regelung definiert für ihren Anwendungsbereich keinen bestimmten Personenkreis, der als solcher nicht in den Bereich des Arbeitsgerichtsgesetzes fallen soll. Sie fingiert vielmehr ohne Rücksicht auf die rechtliche Einordnung des für die Tätigkeit des gesetzlichen Vertreters maßgeblichen Rechtsverhältnisses für ihn die fehlende Arbeitnehmereigenschaft, da es der Gesetzgeber wegen der Organstellung und der damit verbundenen Arbeitgeberfunktion nicht für geboten erachtet hat, ihn auch in den "Schutz" des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu stellen. Für diese Personengruppe soll "ausnahmsweise" nicht ihr eigentlicher dienstrechtlicher Status von Bedeutung sein, sondern vielmehr ihre Eigenschaft als gesetzlicher Organvertreter die Frage beantworten, in welchem Rechtsweg Streitigkeiten zu entscheiden sind. Diese Betrachtungsweise lässt nicht die Annahme zu, allein der Gedanke, wegen des Sinns und Zwecks der Regelung müsse in sie auch der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, der bei der Kommanditgesellschaft angestellt ist, miteinbezogen werden. Es gibt in der gesetzlichen Regelung keine Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise auch die mittelbaren Organvertreter ohne Beachtung ihres dienstrechtlichen Status zum Dienstherrn von der Fiktion erfasst werden sollen (vgl. dazu LAG Köln 11 Ta 273/02 vom 14. Oktober 2002).
Ganz wesentlich gegen die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auf Rechtsstreitigkeiten des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft spricht, dass kein Bedürfnis besteht, ihn vom arbeitsgerichtlichen Verfahren auch dann auszunehmen, wenn er - was rechtlich nicht ausgeschlossen ist - für die Kommanditgesellschaft als Arbeitnehmer tätig ist. Dieser Geschäftsführer ist zwar für die Kommanditgesellschaft mittelbar die vertretungsberechtigte Person. Doch gibt es keinen überzeugenden Grund dafür, ihn ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung mit dem unmittelbaren Organvertreter gleichzubehandeln und ihm auch dann den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu verschließen, wenn er geltend macht, er sei für die Kommanditgesellschaft als Arbeitnehmer tätig gewesen, und seine Klage (zum Teil) nur dann Erfolg haben kann, wenn diese Rechtsbehauptung richtig ist, selbst wenn es zutreffend sein sollte, dass auch der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH regelmäßig nicht in einem Arbeitsverhältnis steht, sondern auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages tätig ist.
Es ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht erkennbar, dass dadurch bei der Rechtswegbestimmung größere Rechtsunsicherheit produziert werden würde. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den sog. sic-non-Fällen, in denen es allein auf die Rechtsbehauptung ankommt, es liege ein Arbeitsverhältnis vor, lässt diese Annahme nicht zu.
Im Hinblick auf den Erfolg der sofortigen Beschwerde hat es keiner Kostenentscheidung bedurft.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 17 a Abs. 4 Satz 4, 5 GVG i.V.m. §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Zwar kann auf eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen werden, die dazu zwischenzeitlich ergangene abweichende Rechtsprechung gibt aber unter Berücksichtigung der von ihr vorgebrachten Argumente Anlass, die Rechtsfrage erneut höchstrichterlich klären zu lassen.
Ende der Entscheidung
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