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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 3 TaBV 2386/02
Rechtsgebiete: SGB IX, BVG, PersVG Berlin, BPersVG, ZPO


Vorschriften:

SGB IX § 94 Abs. 1 Satz 1
SGB IX § 94 Abs. 7 Satz 4
SGB IX § 95 Abs. 1 Satz 4
SGB IX § 96 Abs. 2
SGB IX § 96 Abs. 3
SGB IX § 96 Abs. 4 Satz 4
SGB IX § 98
BVG § 78 Satz 1
PersVG Berlin § 28 Abs. 1
PersVG Berlin § 44
BPersVG § 107
ZPO § 256 Abs. 1
1. Die Regelung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX schließt es nach ihrem Sinn und Zweck nicht aus, dass die Schwerbehindertenvertretung im Falle der Verhinderung des stellvertretenden Mitglieds mit der höchsten Stimmenzahl (1. Stellvertreter) das verfügbare stellvertretende Mitglied mit der nächsthöchsten Stimmenzahl zur Erledigung bestimmter Aufgaben heranziehen kann.

2.Dieses Recht steht auch dem stellvertretenden Mitglied der Schwerbehindertenvertretung für die Dauer seiner Stellvertretung bei Verhinderung der Vertrauensperson zu.

3.Zur Frage der Behinderung der Vertrauensperson nach § 96 Abs. 2 SGB IX gelten dieselben Grundsätze, die zur Verbotsnorm des § 78 Satz 1 BVG entwickelt worden sind. Dies gilt auch zugunsten der Schwerbehindertenvertretung im Geltungsbereich des PersVG Berlin. Danach kann der Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Arbeitgeber ein Anspruch auf Unterlassung der Behinderung beim Einsatz von stellvertretenden Mitgliedern in Vertretungsfällen zustehen, wenn die Wiederholungsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann. Erklärungen von Fachvorgesetzten der stellvertretenden Mitglieder, die objektiv dazu geeignet sind, diese von der Vertretungstätigkeit abzuhalten, können eine unzulässige Behinderung darstellen.


Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

Geschäftszeichen 3 TaBV 2346/02 3 TaBV 2386/02

In dem Beschlussverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 3. Kammer, auf die Anhörung vom 18.03.2003 durch den Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baumann als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Goedecke und Schmidt

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Oktober 2002 - 93 BV 18270/02 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 1) berechtigt ist, im Falle der Verhinderung des ersten Stellvertreters der Vertrauensperson oder der Verhinderung der Vertrauensperson selbst den nächstverfügbaren Stellvertreter bzw. die nächst verfügbare Stellvertreterin mit der nächst höchsten Stimmenzahl zur Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bei Erforderlichkeit heranzuziehen.

II. Die weitergehende Beschwerde der Beteiligten zu 1) im Umfang der gestellten Anträge zu 1, 3, 5 und 6 und die Beschwerde der Beteiligten zu 2) werden im Übrigen zurückgewiesen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2) zugelassen. Für die Beteiligte zu 1) wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, soweit deren Anträge zu 1, 3 und 5 zurückgewiesen worden sind.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über den Inhalt und Umfang der Rechte der bei der Beklagten zu 2) in dem von ihr betriebenen Klinikum gebildeten Schwerbehindertenvertretung, der Beteiligten zu 1) in Bezug auf die Vertretung bei Verhinderung der Vertrauensperson oder des nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu bestimmten Aufgaben herangezogenen stellvertretenden Mitglieds.

Anlässlich der im Jahre 2000 durchgeführten Wahl wurden neben der Vertrauensperson (Vertrauensmann C.) das stellvertretende Mitglied (Herr R., "1. Stellvertreter") sowie nach Maßgabe der Anzahl der jeweils abgegebenen Stimmen fünf weitere stellvertretende Mitglieder der Beteiligten zu 1) gewählt. Diese ist für ihren Bereich, das Klinikum, für ca. 300 schwer behinderte Menschen zuständig.

Die Vertrauensperson ist für die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung freigestellt. Sie ist daneben Gesamtbehindertenvertrauensperson im Bereich der Beteiligten zu 2) und in diesem Rahmen für insgesamt 570 schwer behinderte Menschen zuständig. Der 1. Stellvertreter ist Mitglied im Personalrat des Klinikums und im Gesamtpersonalrat bei der Beteiligten zu 2).

Die Vertrauensperson zieht ihren 1. Stellvertreter gemäß § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ständig zur Erledigung bestimmter Aufgaben heran.

In der Zeit des Urlaubs des 1. Stellvertreters beabsichtigte die Vertrauensperson, das stellvertretende Mitglied I. für die Dauer vom 6. Juni bis zum 8. Juni 2001 zur Vertretung der Beteiligten zu 1) heranzuziehen, was sie der Pflegedirektion unter dem 5. Juni 2001 mitteilte; Frau I. sollte danach Aufgaben im Schwerbehindertenbüro erledigen, die die Vertrauensperson wegen anderer Tätigkeiten selbst nicht würde wahrnehmen können. Die Pflegedirektorin antwortete im Schreiben vom 5. Juni 2001 mit dem Hinweis darauf, dass Frau I. die Tätigkeit der Stellvertretung aus dienstlichen Gründen nicht mehr wahrnehmen könne. Dies führte dazu, dass Frau I. nur am 6. Juni 2001 das Amt der Stellvertreterin wahrnahm und sodann auf Weisung des Schwerbehindertenbeauftragten der Beteiligten zu 2) (Herr K.) seit dem 7. Juni 2001 wieder ihrer dienstlichen Tätigkeit nachging. In einem diesen Vorgang betreffenden Schreiben des Schwerbehindertenbeauftragten der Beteiligten zu 2) vom 5. Juni 2001 stellte sich dieser auf den Standpunkt, dass nur in Einzelfällen weitere stellvertretende Mitglieder herangezogen werden könnten, wenn die Vertrauensperson und deren 1. Stellvertreter verhindert seien (vgl. Bl. 51 - 52 der Akte 93 BVGa 22545/01 = Beiakte).

Das aus diesem Anlass von der Beteiligten zu 1) eingeleitete einstweilige Verfügungsverfahren ging u.a. deshalb für sie erfolglos aus, weil die Beteiligte zu 2) in der mündlichen Anhörung erklärte, dass keine Einwände dagegen bestünden, dass im Fall der Verhinderung der Vertrauensperson im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX deren 1. Stellvertreter oder im Falle dessen Verhinderung der nächstrangige Stellvertreter die Vertretungsaufgaben wahrnehme (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 10. September 2001, Bl. 68 der Beiakte). Dieses Verfahren brachte keine umfassende und endgültige Klärung der Streitpunkte.

Anlässlich des für die Zeit vom 29. April bis zum 7. Juni 2002 festgelegten Urlaubs des 1. Stellvertreters der Beteiligten zu 1) beabsichtigte die Vertrauensperson, das nächst verfügbare 3. stellvertretende Mitglied, Frau S., zu ihrer Vertretung "bei Abwesenheit durch andere Aufgaben" freistellen zu lassen. Dies teilte die Vertrauensperson unter dem 18. März 2002 jeweils dem Scherbehindertenbeauftragten und der Abteilungsleitung des stellvertretenden Mitglieds mit; an Letzterer erging der Hinweis, dass Frau S. jeden Tag ganztätig ihr Amt wahrnehmen solle. Darauf reagierte die für das 3. stellvertretende Mitglied der Beteiligten zu 1) zuständige Pflegeleitung mit Schreiben vom 4. April 2002 mit dem Hinweis, dass es aus personeller Hinsicht im Einsatzbereich von Frau S. nicht möglich sei, ihrer Freistellung zuzustimmen; dieses Schreiben leitete die Pflegeleitung auch dem betreffenden stellvertretenden Mitglied zur Kenntnisnahme zu. Mit Schreiben vom 18. April 2002 beschwerte sich die Beteiligte zu 1) durch ihren Vertrauensmann beim Schwerbehindertenbeauftragten der Beteiligten zu 2); darin gab er auch ein mit der Pflegedienstleitung am 11. April 2002 geführtes Gespräch wie folgt wieder:

"Frau Sch. äußerte sich mir gegenüber am 11.02.02 in einem persönlichen Gespräch sinngemäß: Frau S. sei eine wichtige, kompetente Mitarbeiterin, auf die man nicht verzichten könne - deshalb ihre Ablehnung. Auch gab sie zu bedenken, dass Frau S. noch nicht dauerhaft in ihrem jetzigen Arbeitsbereich beschäftigt sei. Darüber solle erst im Juni entschieden werden. Wenn allerdings Frau S. durch Vertretungsaufgaben in der Schwerbehindertenvertretung fehlen würde, müsste man auf die dauerhafte Übernahme verzichten, denn man bräuchte voll einsetzbare Mitarbeiter.

Für diese Äußerung hat sich Frau Sch. bei Frau S. am nächsten Tag persönlich entschuldigt."

Der Schwerbehindertenbeauftragte antwortete darauf mit Schreiben vom 18. April 2002 unter Bezugnahme auf die Gründe des im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 10. September 2001 u.a. folgendermaßen:

"Danach besteht kein Anspruch Ihrerseits, im Falle der Abwesenheit des 1. Stellvertreters weitere Stellvertreter zur Aufgabenerledigung heranzuziehen. ... In Anbetracht der überaus angespannten Personalsituation im Arbeitsbereich der Frau S., sehe ich mich daher grundsätzlich nicht in der Lage, der von Ihnen beabsichtigten Freistellung zuzustimmen.

Ich bin jedoch bereit, Frau S. in begründeten Einzelfällen in Abstimmung mit den dienstlichen Erfordernissen des Bereichs während der Abwesenheit des 1. Stellvertreters für die Dauer des unabweisbaren Bedarfs stundenweise freizustellen.

Entsprechende Anträge bitte ich, mir über die Pflegedirektion zur Entscheidung vorzulegen."

In Kenntnis der Äußerungen ihre Pflegedienstleitung trat das 3. stellvertretende Mitglied, Frau S., am 17.April 2002 von ihrem Amt zurück.

Unter dem 11. Juli 2002 unterrichtete die Beteiligte zu 1) die zuständige Pflegedirektorin und den Schwerbehindertenbeauftragen darüber, dass während der Urlaubsabwesenheit des Vertrauensmanns vom 18. Juli bis zum 7. August 2002 das einzig noch verfügbare stellvertretende Mitglied, die 5. Stellvertreterin, Frau I., im Falle der Verhinderung des 1. Stellvertreters durch Teilnahme an Sitzungen des Gesamtpersonalrats bzw. des örtlichen Personalrats jeweils am Dienstag und Mittwoch oder durch Wahrnehmung meist kurzfristig anfallender anderer Aufgaben diesen zu vertreten habe. Die Pflegedirektorin reagierte im Schreiben vom 18. Juli 2002 wie folgt:

"Das Schreiben von Herrn C. habe ich bereits mit diesem kommuniziert. Ebenfalls habe ich seinen Stellvertreter Herrn R. darüber informiert, dass Frau I. in den nächsten Wochen und Monaten für eine Vertretung der Schwerbehindertenbelange nicht in Betracht gezogen werden kann.

Frau I. wurde nach jahrelanger Tätigkeit außerhalb des direkten Patientenumfeldes wieder in den Pflegebereich integriert. Ihre Einarbeitungszeit sowie die Festigung pflegerischen Tätigkeiten wird einige Zeit beanspruchen. Sie sagt selbst, dass der Dienst anstrengend ist und die Station eine knappe Besetzung vorhält. Aus diesen Gründen möchte ich Ihnen hiermit nahe legen, Herrn C. und Herrn R. darüber zu informieren, und zwar in schriftlicher Form.

Meine mündlichen Gespräche mit beiden Mitarbeitern haben keine Einsicht hervorgebracht."

Dieses Schreiben leitete sie auch dem betreffenden stellvertretenden Mitglied der Beteiligten zu 1) und dem Schwerbehindertenbeauftragten zu. Dem folgte ein Schreiben des 1. Stellvertreters vom 29. August 2002 (richtig 29. Juli 2002, Bl. 171 d. A.). Zu einer Vertretungstätigkeit des 5. stellvertretenden Mitglieds kam es nicht; mit Schreiben vom 31. Juli 2002 trat dieses von ihrem Amt zurück.

Im November 2002 fand eine neue Wahl der Schwerbehindertenvertretung statt. Danach verblieben der Vertrauensmann und sein 1. Stellvertreter im Amt. Neben dem 1. Stellvertreter wurden erneut fünf weitere stellvertretende Mitglieder/innen gewählt.

Die Beteiligte zu 1) hat sich im Wege von drei Unterlassungsanträgen gegen eine Behinderung der stellvertretenden Amtsausübung im Falle der Verhinderung der Vertrauensperson oder ihres 1. Stellvertreters durch ein weiteres stellvertretendes Mitglied zur Wehr gesetzt und in vier Feststellungsanträgen die entsprechende Klärung der Streitigkeiten hinsichtlich des Einsatzes von weiteren Stellvertretern in den Fällen der Verhinderung der Vertrauensperson und/oder des 1. Stellvertreters nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX begehrt. Die Beteiligte zu 1) hat dazu vorgetragen, die Beteiligte zu 2) habe sie anlässlich der drei dargelegten Vertretungsfälle an der ordnungsgemäßen Ausübung der Vertretung gehindert; und zwar durch die unzutreffende Rechtsauffassung zur Heranziehung eines weiteren stellvertretenden Mitglieds und dadurch, dass die stellvertretenden Mitglieder durch ihre Fachvorgesetzten in Kenntnis und mit Duldung des Schwerbehindertenbeauftragten der Beteiligten zu 2) mit Hinweis auf entgegenstehende dienstliche Belange von der Amtsausübung abgehalten worden seien. Auch der Schwerbehindertenbeauftragte mache die Vertretung eines weiteren stellvertretenden Mitglieds von seiner in Abstimmung mit dienstlichen Erfordernissen erklärten Zustimmung abhängig, wie sein Schreiben vom 18. April 2002 zeige.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Durch einen am 25. Oktober 2002 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Beteiligten zu 1) (unter Einschluss des darauf bezogenen Antrags auf Androhung eines Ordnungsgeldes), der Beteiligten zu 2) zu untersagen, den Einsatz eines Stellvertreters der Vertrauensperson der Schwerbehinderten im Vertretungsfall gemäß § 94 Abs. 1 SGB IX gegenüber der Vertrauenspeson oder gegenüber dem vorgesehenen Stellvertreter zu behindern, insbesondere mit der Begründung, dass die Wahrnehmung der Vertretungstätigkeit wegen betrieblicher Belange, die eine Anwesenheit des Stellvertreters am Arbeitsplatz erforderlich machen, nicht erfolgen könne und dass daher einer Freistellung des Stellvertreters nicht zuzustimmen sei, (jetziger Antrag zu 2) stattgegeben und die übrigen Anträge zurückgewiesen. Soweit es um einen Vertretungsfall nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gehe, die Vertretungsperson also entweder abwesend oder durch andere Aufgabenerledigung in ihrer Eigenschaft als Schwerbehindertenvertretung verhindert sei, würden die Vertretungsperson und der jeweilige Stellvertreter/die jeweilige Stellvertreterin durch die jeweiligen Fachvorgesetzten und durch den Schwerbehindertenbeauftragten mit dem vom Gesetz nicht vorgesehenen Argument entgegenstehender dienstlicher Belange an der Amtsausübung behindert. Dies gehe aus den Schreiben vom 4. April 2002 und vom 18. Juli 2002 eindeutig hervor; auch der Schwerbehindertenbeauftragte habe in seinem Scheiben vom 18. April 2002 seine abweichende Auffassung nicht nur auf den Einsatz eines Vertreters für den zur Aufgabenerledigung herangezogenen, verhinderten 1. Stellvertreter bezogen. Auch die mündlich angekündigte Umsetzung des 3. stellvertretenden Mitglieds, Frau S., für den Fall der Amtsausübung stelle eine Behinderung dar. Insoweit bestehe auch eine Wiederholungsgefahr.

Die übrigen Anträge hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen deswegen zurückgewiesen, weil es keinen grundsätzlichen, generellen Anspruch der Schwerbehindertenvertretung auf Heranziehung eines weiteren Stellvertreters für den Fall der Verhinderung des gemäß § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogenen 1. Stellvertreters gebe. Nur dann, wenn es um die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Schwerbehindertenvertretung gehe, komme ein derartiger Vertretungsfall in Betracht; die gestellten Globalanträge seien deshalb unbegründet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den ihnen am 2. Dezember 2002 zugestellten Beschluss richten sich die am 18. Dezember 2002 (Beteiligte zu 1) bzw. am 23. Dezember 2002 (Beteiligte zu 2) eingegangenen Beschwerden, die die Beteiligten jeweils am Montag, dem 3. Februar 2003, begründet haben.

Die Beteiligte zu 1) verfolgt mit ihrer Beschwerde ihren ursprünglichen Unterlassungsantrag zu 1, gerichtet auf Untersagung der Behinderung bei der Heranziehung eines Stellvertreters bei Verhinderung des 1. Stellvertreters nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, und ihre vier Feststellungsanträge weiter. Die Beteiligte zu 2) wendet sich gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss, soweit darin dem Antragsbegehren stattgegeben worden ist.

Die Beteiligte zu 1) trägt vor: Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei sie berechtigt, bei Verhinderung des 1. Stellvertreters ein weiteres stellvertretendes Mitglied mit der nächsthöchsten Stimmenzahl heranzuziehen. Schon der Wortlaut des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX beschränke die Heranziehung keineswegs auf den 1. Stellvertreter, also auf dasjenige Mitglied der Schwerbehindertenvertretung, das nach der Vertrauensperson als stellvertretendes Mitglied mit der höchsten Stimmenzahl gewählt worden sei. Die Regelung habe ihren Sinn allein darin, das Auswahlermessen der Vertrauensperson zu beschränken. Alles andere würde zu einer durch nichts zu rechtfertigenden Erschwerung der Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben durch die Schwerbehindertenvertretung führen, wenn der 1. Stellvertreter verhindert und die Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auch in dieser Zeit erforderlich sei. Es gehe nicht an, die Vertretung des 1. Stellvertreters bei der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Aufgaben nur in Ausnahmefällen zuzulassen. Damit sei den Anträgen zu 1 und 3 stattzugeben.

Dieselbe Befugnis stehe auch dem 1. Stellvertreter in der Zeit der Vertretung der Vertrauenspeson zu. Das Gesetz spreche in § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX von der Schwerbehindertenvertretung, die durch ihren jeweiligen Amtsinhaber handele. Der Stellvertreter verfüge im Vertretungsfall über dieselben Rechte und Pflichten wie die Vertrauensperson, wie die Regelung des § 96 Abs. 3 Satz 2 SGB IX zeige; er habe also das Recht, während seiner Amtszeit das stellvertretende Mitglied mit der nächst höchsten Stimmenzahl zur Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX heranzuziehen, wenn dies erforderlich sei. Daran ändere es nichts, dass das Organ der Schwerbehindertenvertretung als "Ein-Personen-Gremium" ausgestaltet sei; dies schränke die Aufgabenstellung des Stellvertreters bei Verhinderung der Vertrauensperson nicht ein. Damit sei auch der Antrag zu 7 begründet.

Nähme nun die Vertrauensperson diejenigen Aufgaben wahr, die sie dem verhinderten 1. Stellvertreter übertragen habe, so sei sie insoweit selbst verhindert nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, so dass dafür das stellvertretende Mitglied mit der nächsthöchsten Stimmenzahl zur Vertretung freizustellen sei (Antrag zu 5).

Schließlich sei auch der Antrag zu 6 nicht unzulässig. Es müsse geklärt werden, dass der Schwerbehindertenvertretung ein Ermessen dahin zustehe, ob sie einen Vertretungsbedarf nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX oder einen solchen nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX annehme.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

unter Abänderung der Ziffer II des erstinstanzlichen Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin - 93 BV 18270/02 - vom 25. Oktober 2002

1) der Beteiligten zu 2) zu untersagen, die Heranziehung eines Stellvertreters mit der nächsthöchsten Stimmenzahl nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX durch Maßnahmen, die sich gegen die Vertrauensperson oder den vorgesehenen Vertreter richten, zu behindern, insbesondere mit der Begründung, dass die Wahrnehmung der Vertretungstätigkeit wegen betrieblicher Belange, die eine Anwesenheit des Stellvertreters am Arbeitsplatz erforderlich machen, nicht erfolgen könne und dass daher einer Freistellung des Stellvertreters nicht zuzustimmen sei;

3) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus der Ziffer 1) - bezogen auf jeden Tag und jeden Adressaten - ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, bis zu 250.000 Euro anzudrohen;

4) festzustellen, dass im Fall der Verhinderung des 1. Stellvertreters des Vertrauensmannes, der nächstverfügbare Stellvertreter mit der höchsten Stimmenzahl zur Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogen werden darf, wenn die Heranziehung erforderlich ist;

5) festzustellen, dass eine zur Stellvertretung berechtigende Verhinderung im Sinne von § 94 SGB IX auch dann vorliegt, wenn die Vertrauensperson im Fall der Verhindung des nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogenen Vertreters dessen Aufgaben selbst wahrnimmt;

6) festzustellen, dass es im Ermessen der Vertrauensperson steht, einen Stellvertreter zur Stellvertretung nach § 94 SGB IX oder im Rahmen der Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX einzusetzen, soweit die Stellvertretung oder die Heranziehung erforderlich ist und im Fall der Heranziehung es sich um den mit der nächsthöchsten Stimmenzahl verfügbaren Stellvertreter handelt;

7) festzustellen, dass im Fall der Verhinderung der Vertrauensperson nach § 94 SGB IX ein Stellvertreter in das Amt der Vertrauensperson mit allen Rechten und Pflichten einrückt und diesem insbesondere auch das Recht zusteht, den mit der nächsthöchsten Stimmenzahl verfügbaren weiteren Stellvertreter nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX heranzuziehen, wenn die Heranziehung erforderlich ist.

Die Beteiligte zu 1) beantragt weiter,

die Beschwerde der Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Oktober 2002 - 93 BV 18270/02 - abzuändern und die Anträge der Beteiligten zu 1) in vollem Umfang abzuweisen sowie die Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Der Unterlassungsantrag, dem das Arbeitsgericht stattgegeben habe, sei unbegründet, da es keine rechtserhebliche Behinderung der Beteiligten zu 1) gegeben habe. Insoweit komme es allein auf das Verhalten der leitenden Mitarbeiter im Personaldezernat an. Hingegen habe der Schwerbehindertenbeauftragte der Beteiligten zu 1) gar nicht die Heranziehung eines Vertreters nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, und sei es auch bei gleichzeitiger Verhinderung des 1. Stellvertreters, bei Verhinderung der Vertrauensperson verweigert. Im Schreiben vom 18. April 2002 sei es ihm nur darum gegangen, dass bei Verhinderung des 1. Stellvertreters kein weiteres Mitglied zur Vertretung bei der Erledigung der diesem übertragenen Aufgaben herangezogen werden könne.

Auf die Äußerungen der Fachvorgesetzten der stellvertretenden Mitglieder komme es nicht an. Im Übrigen seien bei der Frage, wer die Vertrauensperson zu vertreten habe, durchaus dienstliche Belange zu berücksichtigen. Auch sei die angekündigte Umsetzung von stellvertretenden Mitgliedern, die als Mitarbeiter zur Patientenversorgung unbedingt benötigt werden würden, keine benachteiligende Maßnahme.

Die mit der Beschwerde weiterverfolgten Anträge der Beteiligten zu 1) seien davon abhängig, ob diese nicht nur den 1. Stellvertreter zur Aufgabenwahrnehmung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, sondern auch ein anderweitiges stellvertretendes Mitglied heranziehen könne, wenn der 1. Stellvertreter verhindert sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Nach dem Gesetz gebe es nur die Vertretung der Vertrauensperson. Deren Amtsausübung solle als Ein-Personen-Gremium durch die Stellvertretung gewahrt sein. Die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sei eine Ausnahmeregelung und könne nicht erweiternd ausgelegt werden; es fehle an einer normativen Lücke. Die Regelung des § 96 SGB IX betreffe nur die Rechtsstellung der einzelnen Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung; der nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogene 1. Stellvertreter habe aber keinen Anspruch auf Vertretung bei seiner Verhinderung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in beiden Rechtszügen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die nach §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthaften befristeten Beschwerden haben die Beteiligten form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 89 Abs. 2 ArbGG).

In der Sache hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1) teilweise Erfolg. Die Feststellungsanträge zu 4 und 7 sind zulässig und begründet. Zu Recht hat hingegen das Arbeitsgericht den Antrag zu 1, verbunden mit dem jetzt unter Ziffer 3 gestellten Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes, sowie die Anträge zu 5 und 6 zurückgewiesen. Die Anträge zu 1 und 3 sowie 5 sind unbegründet, wohingegen der Antrag zu 6 unzulässig ist.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2), gerichtet gegen den Antrag zu 2 der Beteiligten zu 1) ist unbegründet. Diesem Antrag hat auch das Beschwerdegericht den Erfolg nicht versagen können.

Sowohl hinsichtlich der Frage des zulässigen Rechtswegs als auch hinsichtlich der zutreffenden Verfahrensart (Beschlussverfahren) ist eine eigene Prüfung seitens des Beschwerdegerichts gemäß §§ 88, 65 ArbGG nicht in Betracht gekommen.

2.

Beschwerde der Beteiligten zu 1)

a)

Der Unterlassungsantrag zu 1 (verbunden mit dem Antrag zu 3) und der Feststellungsantrag zu 4 betreffen denselben Streitgegenstand.

aa)

Beide Anträge sind zulässig.

Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO). Die Beteiligte zu 1) hat eine konkrete Fallgestaltung der von ihr gerügten Behinderung benannt. Soweit der Antrag sich auch auf sonstige Fälle der Behinderung bezieht, geht es der Beteiligten zu 1) erkennbar nur um Maßnahmen der Beteiligten zu 2), die bei der Hinzuziehung eines Stellvertreters mit der nächst höchsten Stimmenzahl im Falle der Verhinderung des 1. Stellvertreters im Rahmen der Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX gegen die im Antrag genannten Personen gerichtet sind. Dies ist keine Frage der mangelnden Bestimmtheit des Antrages, sondern ein Fall eines Globalantrages, der grundsätzlich zulässig ist (vgl. BAG 1 AZB 40/01 vom 28. Mai 2002).

Der Feststellungsantrag zu 4 dient der alsbaldigen Klärung der zwischen den Beteiligten bestehenden Streitigkeit über die Rechte der Beteiligten zu 1) in Bezug auf die Heranziehung eines weiteren stellvertretenden Mitglieds bei Verhinderung des 1. Stellvertreters und ist daher nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die Ergänzung im Antragswortlaut hinsichtlich der Erforderlichkeit der Heranziehung dient allein der Klarstellung des Antragsbegehrens und stellt keine Antragsänderung im Sinne der §§ 87 Abs. 2 Satz 3, 81 Abs. 3 ArbGG dar. Die Ergänzung macht den Feststellungsantrag auch nicht zu unbestimmt, wobei die Anforderungen an dieses Merkmal ohnehin im Rahmen eines Feststellungsantrages geringer sind (vgl. etwa BAG 4 AZR 432/91 vom 29. April 1992). Das Feststellungsinteresse fehlt nicht etwa deswegen, weil der Antrag auf die Klärung des Rechtsverhältnisses für die Zukunft gerichtet ist, der Anlass der Streitigkeit aber schon abgeschlossen ist (vgl. etwa BAG 4 ABR 40/97 vom 11. November 1998, NZA 99, 1056).

Schließlich steht beiden Anträgen - wie den sonstigen Anträgen auch - nicht die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Vorverfahren entgegen. Zwar sind die Entscheidungen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. etwa BAG 1 ABR 21/99 vom 6. Juni 2000, NZA 01, 156). Dies trifft aber auf solche Entscheidungen, die im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen sind, im Verhältnis zu einem nachfolgenden Hauptverfahren nicht zu (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann ZPO, 61. Aufl. § 322 Rnr. 30; LAG Sachsen-Anhalt AuR 98, 125).

bb) (1)

Dem Antrag zu 1 hat schon deshalb nicht stattgegeben werden können, weil insoweit nichts für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr ersichtlich ist. Außerhalb der Regelung des § 23 Abs. 3 BVG bedarf jeder Unterlassungsanspruch der Gefahr der Wiederholung der Zuwiderhandlung (vgl. etwa 7 ABR 60/94 vom 19. Juli 1995, NZA 96, 332). Erforderlich dazu ist eine ernstliche, sich auf Tatsachen gründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Anhörung, wofür grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung besteht (vgl. dazu BAG 1 ABR 4/99 vom 29. Februar 2000, NZA 00, 1066, 1068). Dies kann im Streitfall jedoch nicht angenommen werden.

Der Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1) hängt untrennbar von der Frage ab, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sie berechtigt ist, ein weiteres Mitglied anstelle des verhinderten 1. Stellvertreters nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX zu bestimmten Aufgaben heranzuziehen. Dieses Rechtsproblem ist - soweit ersichtlich - ungeklärt; es existiert dazu weder eine veröffentlichte höchstrichterliche Rechtsprechung noch eine festgefügte Meinung in der Literatur. Die Auffassung, die die Beteiligte zu 2) dazu vertritt, kann nicht als von vornherein unbeachtlich angesehen werden. Bei dieser besonderen Sachlage kann aus dem Verhalten der Beteiligten zu 2) in der Vergangenheit und aus dem im Verfahren eingenommenen Standpunkt nicht der Schluss gezogen werden, sie werde - auch wenn dem entsprechenden Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1) rechtskräftig stattgegeben werden wird - sich dennoch als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht dem dann feststehenden Recht der Beteiligten zu 1) beugen, sondern mit Maßnahmen der Behinderung in diesem Fall fortsetzen. Dies macht das Unterlassungsbegehren der Beteiligten zu 1) insoweit unbegründet (vgl. BAG NZA 00, 1066, 1068).

(2)

Anders ist die Rechtslage in Bezug auf den Feststellungsantrag zu 4 der Beteiligten zu 1).

Das nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX gegebene Recht der Beteiligten zu 1), das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied (1. Stellvertreter) zur Erledigung bestimmter Aufgaben heranzuziehen, besagt nicht, dass ihr im Falle dessen Verhinderung überhaupt nicht (so die Beteiligte zu 2)) bzw. nur von Fall zu Fall in Abstimmung mit den dienstlichen Erfordernissen nach ausdrücklicher Zustimmung durch den Schwerbehindertenbeauftragten (so dieser im Schreiben vom 18. April 2002) oder nur bei Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Schwerbehindertenvertretung (so das Arbeitsgericht) ein weiteres stellvertretendes Mitglied zur Verfügung stünde. Dieses Recht steht der Beteiligten zu 1) dagegen in jedem Fall einer Verhinderung des 1. Stellvertreters zu und steht allein unter der Maßgabe der Erforderlichkeit der Heranziehung, wie die Beteiligte zu 1) mit Recht ausführt.

Der Wortlaut des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ist nur insoweit eindeutig, als es die Frage zu beantworten gilt, welches stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung von der Vertrauensperson zur Aufgabenerledigung heranzuziehen ist; es ist in der Tat dasjenige stellvertretende Mitglied mit der höchsten Stimmenzahl (1. Stellvertreter); das Gesetz erwähnt nicht das Mitglied mit der nächst höchsten Stimmenzahl. Damit ist aber keine Aussage für den Fall getroffen, dass der 1. Stellvertreter wegen Verhinderung für die Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht zur Verfügung steht. Deshalb ist die gesetzliche Regelung auszulegen. Danach spricht für die seitens der Beteiligten zu 1) vorgenommene Auslegung ganz wesentlich der Sinn und Zweck der Befugnis der Schwerbehindertenvertretung zur Heranziehung zur Aufgabenerledigung.

Müsste ausschließlich darauf abgestellt werden, dass nur dasjenige stellvertretende Mitglied herangezogen werden darf, das bei der Wahl nach der Vertrauensperson selbst die höchste Stimmenzahl auf sich vereinigt hat, so käme bei einem Ausscheiden aus dem Amt für das stellvertretende Mitglied mit der nächst höchsten Stimmenzahl nur ein Nachrücken im Sinne des § 94 Abs. 7 Satz 4 SGB IX in Betracht, eine Inanspruchnahme im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX wäre aber - streng genommen - für alle gewählten weiteren stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung in diesem Falle ausgeschlossen. Dies überzeugt nicht.

Das Gesetz geht davon aus, dass bei zunehmender Anzahl der von der Schwerbehindertenvertretung zu betreuenden schwer behinderten Menschen das Ausmaß der ihr obliegenden Aufgaben ansteigt. Das Organ bleibt zwar stets ein sog. Ein-Personen-Gremium; bei in der Regel wenigstens 200 zu vertretenden schwer behinderten Menschen findet aber auf Wunsch der Vertrauensperson eine völlige Freistellung von der Arbeitspflicht statt (§ 96 Abs. 4 Satz 2 SGB IX), und zudem steht ihr das Recht zu, zu seiner Entlastung - allerdings unter seiner weiteren, alleinigen Verantwortung - einem stellvertretenden Mitglied bestimmte Aufgaben zu übertragen, wenn im Betrieb oder in der Dienststelle in der Regel mehr als 200 schwer behinderte Menschen beschäftigt sind. Ist dies erforderlich, ist auch eine ständige Heranziehung möglich, was sich aus der Regelung des § 96 Abs. 4 Satz 4 SGB IX ergibt. Mit diesem Regelungszweck ist es nicht zu vereinbaren, die Befugnis der Vertrauensperson zur Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX für den Fall auszuschließen, in dem der 1. Stellvertreter selbst verhindert ist. Dadurch wird die Schwerbehindertenvertretung nicht zu einem Kollegialorgan; die Amtsausübung obliegt in allen Fällen weiterhin der Vertrauensperson, die befugt ist, das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied, das die Aufgabenerledigung auch tatsächlich wahrnehmen kann, in Anspruch zu nehmen, wenn dies für die Wahrnehmung der Interessenvertretung und die Betreuung der schwer behinderten Menschen erforderlich ist (zum Merkmal der Erforderlichkeit vgl. Düwell in BB 00, 2570, 2573). Die Befugnis zur Heranziehung setzt nach dem Sinn und Zweck der Regelung die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Heranziehung voraus; insoweit beschränkt sich in der Tat die Bedeutung des Hinweises auf den 1. Stellvertreter in § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX auf eine Begrenzung des Auswahlermessens seitens der Vertrauensperson.

Die Heranziehung eines weiteren stellvertretenden Mitglieds im Falle der Verhinderung des 1. Stellvertreters nur unter bestimmten Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer und hinsichtlich des Grundes der Heranziehung zuzulassen, ist unpraktikabel und wäre eine durch nichts zu rechtfertigende "Zwischenlösung", wofür keine Anhaltspunkte aus der gesetzlichen Regelung heraus hergeleitet werden können.

Auch der Hinweis auf die Vertretungsmöglichkeit der Vertrauensperson bei Verhinderung durch Wahrnehmung anderer Aufgaben überzeugt nicht. Wenn diese Vertretungsregelung nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bei einer zu betreuenden Anzahl von mehr als 200 schwer behinderten Menschen genügt hätte, um die Wahrnehmung der Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung zu sichern, so hätte es nicht der Regelung des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bedurft. Die Regelung des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vermag also eine Benachteiligung der Schwerbehindertenvertretung im Falle der Heranziehung eines Mitglieds zur Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nicht auszugleichen, wenn dazu ausschließlich der 1. Stellvertreter in Betracht käme.

Auch das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Vertretung des herangezogenen 1. Stellvertreters bei der Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX ändert nichts am Auslegungsergebnis. Denn es geht - genau genommen - gar nicht um einen Fall der Vertretung. Es geht vielmehr darum, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX diese Regelung zur Heranziehung nicht dann leer laufen soll, wenn der 1. Stellvertreter verhindert ist, sie also nicht in diesem Sinne auf die Person des 1. Stellvertreters beschränkt ist. Das weitere stellvertretende Mitglied rückt keineswegs automatisch in die Aufgabenstellung des 1. Stellvertreters ein. Die Vertrauensperson muss in jedem Einzelfall prüfen, ob während der Verhinderung des 1. Stellvertreters für deren Dauer die Heranziehung eines weiteren stellvertretenden Mitglieds erforderlich ist; das Merkmal der Erforderlichkeit bestimmt stets dieses Recht der Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX.

Andererseits kann durchaus für die hier vertretene Auffassung die Regelungen über die Rechtsstellung des stellvertretenden Mitglieds herangezogen werden (§ 96 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Diese ist derjenigen der Ersatzmitglieder der Personal- bzw. Betriebsräte gleichgestellt. Nach § 28 Abs. 1 PersVG Berlin rückt ein Ersatzmitglied in das Amt des Personalratsmitglieds ein, solange das ordentliche Mitglied nach den Feststellungen des Personalrats verhindert ist. Zwar bleibt der 1. Stellvertreter für die Dauer seiner Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX stellvertretendes Mitglied der Schwerbehindertenvertretung; ein Kollegialorgan mit mehr als einem amtierenden Mitglied ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Jedoch kann der Gedanke des Nachrückens des Ersatzmitglieds nach § 28 Abs. 1 Satz 2 PersVG Berlin bei vorübergehender Verhinderung eines ordentlichen Mitglieds im Hinblick auf § 96 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX auf den Fall des nach § 95 Ab s. 1 Satz 4 SGB IX verhinderten 1. Stellvertreters durchaus unterstützend herangezogen werden. Sollen die stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung danach eine den Ersatzmitgliedern der Personalvertretungen entsprechende Rechtsstellung haben, so kann dies als Argument dafür verwandt werden, dass die stellvertretenden Mitglieder (in der nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vorgegebenen Reihenfolge) bei Verhinderung des jeweils vorrangigen stellvertretenden Mitglieds von der Vertrauensperson herangezogen werden können.

Ergibt sich ein nach den Grundsätzen zur Erforderlichkeit der Freistellung von Mitgliedern eines Personalvertretungsorgans zur beurteilender Heranziehungsbedarf für das weitere stellvertretende Mitglied bei Verhinderung des vorrangigen Mitglieds, so hat die Vertrauensperson nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX das Recht, nach Unterrichtung des Arbeitgebers diesem Mitglied für die Dauer der Verhinderung des vorrangigen Mitglieds diejenigen Aufgaben zu übertragen, die bislang Gegenstand der Aufgabenübertragung gewesen ist.

b)

Wie der Feststellungsantrag zu 4 ist auch der Feststellungsantrag zu 7 der Beteiligten zu 1 zulässig und begründet.

Danach ist bei Verhinderung der Vertrauensperson entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) das stellvertretende Mitglied, das die Vertrauensperson vertritt, für die Zeit der Vertretung berechtigt, ein nachrangiges stellvertretendes Mitglied zur Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX heranzuziehen. Insoweit kann auf die Ausführungen zu II 2 a bb (2) angeknüpft werden. Die Heranziehung ist danach nicht deshalb ausgeschlossen, weil das stellvertretende Mitglied nicht dasjenige ist, das mit der höchsten Stimmenzahl gewählt worden ist.

Kein vernünftiger Streit kann darüber bestehen, dass das stellvertretende Mitglied mit allen Rechten und Pflichten in das Amt der Vertrauensperson bei deren Verhinderung einrückt. Dies ergibt sich eindeutig aus der Regelung des § 94 Abs. 1 Satz 1, 96 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz SGB IX. Ist dem so, so gibt es keinen Grund, dem Stellvertreter im Amt der Vertrauensperson die Befugnis abzusprechen, bei Erforderlichkeit, die er im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes bejahen kann, ein nachrangiges, stellvertretendes Mitglied, also dasjenige mit der nächst höchsten Stimmenzahl, zur Aufgabenerledigung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX heranzuziehen. Das die Vertrauensperson nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vertretende stellvertretende Mitglied ist für die Dauer seiner Vertretung an der Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben verhindert; hat es die Vertrauensperson zu vertreten, so kann ihm die Heranziehung nach § 95 Abs. 1 Satz 4 IX nicht mit dem Argument verwehrt werden, es selbst sei nach dem Gesetz zur Aufgabenerledigung vorgesehen.

c)

Der Feststellungsantrag zu 5 ist unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch diesen Feststellungsantrag als einen zulässigen Globalantrag der Beteiligten zu 1) angesehen (vgl. BAG 1 ABR 40/01 vom 28. Mai 2002; BAG 1 ABR 40/98 vom 21. September 1999, NZA 00, 781). In Bezug auf jede denkbare Fallgestaltung will die Beteiligte zu 1) festgestellt wissen, dass die Vertrauensperson stets dann im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX verhindert ist (und damit durch ein weiteren stellvertretendes Mitglied mit der nächst höchsten Stimmenzahl zu vertreten ist), wenn sie Aufgaben erledigt, die sie zur Wahrnehmung des verhinderten Stellvertreters nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX diesem vorher übertragen hat. Dies hat zur Folge, dass der Antrag schon dann unbegründet ist, wenn es eine denkbare Fallgestaltung gibt, die den Ausspruch der begehrten Feststellung nicht rechtfertigt. So ist es hier.

Ob die Vertrauensperson durch die Wahrnehmung anderer, ihr in ihrer Eigenschaft als Organ der Schwerbehindertenvertretung obliegenden Aufgaben oder durch sonstige Aufgaben verhindert ist, die ihr im Übrigen zugewiesenen Amtstätigkeiten, die gleichzeitig anfallen und sonst nicht pflichtgemäß erfüllt werden könnten, zu erledigen, hängt von der jeweiligen Arbeitssituation der Beteiligten zu 1) ab. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Vertrauensperson ihre Amtsausübung während der Verhinderung des herangezogenen Stellvertreters so organisieren kann, dass die Erledigung dieser Aufgaben zu keiner Verhinderung in Bezug auf die Erledigung der übrigen, jeweils anfallenden Aufgaben führt. Würde dem Feststellungsbegehren der Beteiligten zu 1) stattgegeben werden, so würde dies im Ergebnis für die Dauer der Verhinderung des nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogenen Vertreters der Einrichtung der Schwerbehindertenvertretung als Kollegialorgan gleichkommen, was der gesetzgeberischen Ausgestaltung der Schwerbehindertenvertretung als ein Ein-Personen-Organ widerspräche. Es gäbe dann für diese Zeit zwei jeweils für ihre Tätigkeit selbst verantwortliche Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung. Dagegen ist für den Fall der Überlastung der Vertrauensperson bei Betrieben oder Dienststellen mit in der Regel mehr als 200 schwer behinderten Menschen für die Schwerbehindertenvertretung nur die Heranziehung eines "Helfers" vorgesehen, wovon die Vertrauensperson nach eigener Beurteilung der Erforderlichkeit Gebrauch machen kann. Ist das nach Maßgabe des § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogene, stellvertretende Mitglied selbst verhindert, so kann die Vertrauensperson - wie ausgeführt - ein weiteres stellvertretendes Mitglied mit der nächst höchsten Stimmenzahl heranziehen. Sieht die Vertrauensperson davon ab, so ist sie durch die eigene Wahrnehmung der Aufgaben je nach Lage des Einzelfalls nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX verhindert. Eine generelle Regelung, wie sich dies die Beteiligte zu 1) mit ihrem Feststellungsantrag zu 5 für den Fall der Verhinderung des nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogenen stellvertretenden Mitglieds vorstellt, gibt die gesetzliche Regelung nicht her.

d)

Der Antrag zu 6 ist unzulässig.

Der Antrag betrifft nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ein Rechtsverhältnis stellt eine rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person dar. Vorliegend muss es sich also um eine aus den §§ 94 - 96 SGB IX folgende Beziehung zwischen den Beteiligten handeln. Einzelne Vorfragen oder einzelne Elemente dieser Rechtsbeziehung stellen kein Rechtsverhältnis dar, wenn es sich nicht um eine der Feststellungsklage zugängliche Teilrechtsbeziehung handelt (vgl. etwa Zöller-Greger ZPO, 23. Aufl. § 256 Rnr. 3).

Die Frage, ob der Beteiligten zu 1) ein Ermessen dabei zusteht, ob sie einen Stellvertreter nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX oder ein weiteres Mitglied nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX einsetzen will, stellt aber keine sich aus den §§ 94 ff. SGB IX ergebende (Teil-)Rechtsbeziehung der Beteiligten dar. Sie ist lediglich eine Vorfrage für die Entscheidung, ob die Beteiligte zu 1) bei Verhinderung eines stellvertretenden Mitglieds ein weiteres stellvertretendes Mitglied als Stellvertreter für die Vertrauensperson nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX oder als "Stellvertreter" nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX einsetzen kann. Dem Gericht wird hier die Erteilung eines Gutachtens abverlangt, was unzulässig ist.

3.

Beschwerde der Beteiligten zu 2)

Der Unterlassungsantrag zu 2 der Beteiligten zu 1) ist zulässig und begründet. Zur Zulässigkeit des Antrages kann auf die Ausführungen zu II 2 a aa verwiesen werden.

Der Beteiligten zu 1) steht gegen die Beteiligte zu 2) gemäß § 96 Abs. 2 SGB IX ein Anspruch auf Unterlassung der Behinderung der Vertrauensperson bei der Amtsausübung in den Fällen zu, in denen sie wegen Abwesenheit oder wegen Wahrnehmung anderer Aufgaben gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vertreten werden muss. Dies hat das Arbeitsgericht richtig entschieden; das Beschwerdegericht nimmt auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug und macht sie sich, soweit es nicht in den folgenden Ausführungen davon abweicht, zu eigen (§§ 91, 69 Abs. 2 ArbGG); eine Bezugnahme ist auch im Falle der statthaften Rechtsbeschwerde zulässig (vgl. etwa BAG 4 AZR 761/93 vom 14. September 1994, NZA 95, 537). Die Angriffe der Beteiligten zu 2) in ihrer Beschwerdebegründung dringen nicht durch.

a)

Die in § 96 SGB IX ausgestaltete Rechtsstellung der Vertrauensperson rechtfertigt die Annahme, dass sie derjenigen der Mitglieder der Personalvertretungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder nach den der Personalvertretungsgesetze gleichzusetzen ist (vgl. Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX, 10. Aufl. § 96 Rnr. 1). Die Regelung des § 44 PersVG Berlin steht dem nicht entgegen; sie schließt einen Anspruch des Personalratsmitglieds auf Unterlassung der Behinderung seiner Amtsausübung nicht aus.

Verstößt der Arbeitgeber gegen das Verbot der Behinderung nach § 96 Abs. 2 SGB IX so kann sowohl der Schwerbehindertenvertretung als auch dem einzelnen Mitglied ein Unterlassungsanspruch zustehen. Die Behinderung bei der Frage der Freistellung des einzelnen stellvertretenden Mitglieds zur Ausübung der Stellvertretertätigkeit ist stets auch eine solche der Vertrauensperson selbst. Im Übrigen kann auf die zum Behinderungsverbot des § 78 Satz 1 BVG ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwiesen werden, die den Unterlassungsanspruch des Betriebsrates aus der Verbotsnorm selbst herleitet (vgl. BAG 7 ABR 14/97 vom 12. November 1997, NZA 98, 559; BAG 7 ABR 60/94 vom 19. Juli 1995, NZA 96, 332; FKHES BVG 21. Aufl. § 78 Rnr. 13; ErfK-Hanau-Kania, 3.Aufl. BVG § 78 Rnr. 5).

Das Beschäftigungsverbot bezieht sich auf jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Amtstätigkeit, ohne dass es auf ein Verschulden oder gar auf eine Behinderungsabsicht des Arbeitgebers ankommt. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) kann aus der Spezialvorschrift des § 44 PersVG Berlin nicht hergeleitet werden, dass das Personalratsmitglied im Anwendungsbereich des PersVG Berlin und damit die Beteiligte zu 1) nur gegen personalrechtliche Maßnahmen, nicht aber gegen sonstige "einfache Störungen" geschützt ist. Der Schutz der Organmitglieder wird durch § 44 PersVG Berlin erweitert, nicht aber eingeschränkt. Für sie gilt die generelle Regelung der Verbotsnorm des § 107 BPersVG (vgl. Altvater u.a. 4. Aufl. BPersVG § 107 Rdn. 1).

b)

Sowohl im Falle der angekündigten Vertretung durch das weitere stellvertretende Mitglied, Frau S., in der Zeit der Verhinderung des 1. Stellvertreters vom 29. April bis zum 7. Juni 2002 als auch im Falle der angekündigten Vertretung des stellvertretenden Mitglieds I. in der Zeit der Verhinderung des Vertrauensmanns vom 18. Juli bis zum 7. August 2002 liegt eine unzulässige Behinderung seitens der Beteiligten zu 2) vor.

aa)

Das Schreiben der Pflegeleitung vom 4. April 2002 macht nicht nur auf entgegenstehende betriebliche Belange aufmerksam, die Pflegeleitung bringt darüber hinaus darin zum Ausdruck, dass eine Freistellung von Frau S. zur Ausübung der Stellvertretung von ihrer Zustimmung abhängig ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dazu ausgeführt, dass durch die Zuleitung dieses Schreibens an die Betroffene ein Druck auf diese ausgeübt worden ist, der objektiv dazu geeignet gewesen ist, sie von der Vertretungstätigkeit abzuhalten.

Auf die gegenüber dem Vertrauensmann abgegebenen Erklärungen der Pflegeleitung in Bezug auf die dienstlichen Folgen einer längeren Abwesenheit des stellvertretenden Mitglieds S. kommt es danach nicht an. Schon das Schreiben vom 4. April 2002 stellt die Behinderung im Sinne des § 96 Abs. 2 SGB IX dar.

Das dem Schwerbehindertenbeauftragten der Beteiligten zu 2) bekannte Schreiben hat dieser in seinem eigenen Schreiben vom 18. April 2002 nicht korrigiert. Der Schwerbehindertenbeauftragte mag sich in seiner Stellungnahme subjektiv aus seiner Sicht an die von ihm vertretene und ihm vom Arbeitsgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren bestätigte Auffassung orientiert haben, wonach bei Verhinderung des nach § 95 Abs. 1 Satz 4 SGB IX herangezogenen 1. Stellvertreters durch die Schwerbehindertenvertretung kein weiteres Mitglied ersatzweise zur Aufgabenerledigung herangezogen werden kann. Der durch das Schreiben vom 4. April 2002 auf das stellvertretende Mitglied, Frau S., ausgeübte Druck dahin, es könne die vertretungsweise Amtsausübung nur übernehmen, wenn die Dienststelle zustimme, ist aber bestehen geblieben.

bb)

Der Vorgang der angekündigten Vertretungstätigkeit des stellvertretenden Mitglieds I. ergibt einen noch eindeutigeren Verstoß gegen das Behinderungsverbot in Bezug auf eine Vertretung der verhinderten Vertrauensperson nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Danach ging es vornehmlich um die durch die Teilnahme an Personalratssitzungen bedingte Verhinderung des 1. Stellvertreters, der in der Zeit der Abwesenheit des Vertrauensmanns nachrücken würde; dazu sollte das stellvertretende Mitglied I. herangezogen werden. Obwohl es nur zunächst einmal um eine tageweise Vertretungstätigkeit ging, lehnte die Pflegedirektorin nicht nur wegen einer angeblichen Einarbeitungszeit des stellvertretenden Mitglieds, die im Übrigen auch hätte nachgeholt werden können, sondern auch wegen der knappen Besetzung der Station die Erteilung der Erlaubnis zur stellvertretenden Tätigkeit ihrer Mitarbeiterin ab; erneut wurde ein entsprechender Druck durch Zuleitung dieses Schreibens an die Betroffene ausgeübt. Der Schwerbehindertenbeauftragte reagierte nicht, sondern bat - wie sich mittelbar aus dem seitens der Beteiligten zu 1) in der mündlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht vorgelegten Schreiben vom 29. Juli 2002 (Bl. 171 d. A.) ergibt - lediglich um Erläuterungen. Die Folge war die mit Schreiben vom 31. Juli 2002 erklärte Amtsniederlegung seitens des stellvertretenden Mitglieds.

c)

Der Hinweis der Beteiligten zu 2) auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung auch dienstlicher Belange des Arbeitgebers beim Einsatz eines weiteren stellvertretenden Mitglieds der Beteiligten zu 1) in Vertretungsfällen hilft ihr im Ergebnis nicht weiter. Zwar kann in Ausnahmefällen ein Mitglied einer Personalvertretung - also auch ein weiteres stellvertretendes Mitglied einer Schwerbehindertenvertretung im Falle eines Vertretungseinsatzes - zeitweise wegen der von ihm zu erbringenden Arbeitsleistung an der Amtsausübung selbst verhindert sein; in Konfliktsituationen können in besonders gelagerten Fällen die dienstlichen Interessen, die ansonsten gegenüber Belangen der Schwerbehindertenvertretung in Bezug auf eine ordnungsgemäße Besetzung des Amts der Vertrauensperson auch in Vertretungsfällen nachrangig sind (vgl. FKHES BVG § 78 Rnr. 12 m.w.N.), ausnahmsweise den Interessen der Schwerbehindertenvertretung vorgehen. Soweit das Arbeitsgericht dies nicht berücksichtigt hat, ist insoweit von seiner Auffassung abzuweichen.

Eine derartige, den Vorwurf der Behinderung im Sinne des § 96 Abs. 2 SGB IX ausschließende, extreme Konfliktsituation lag aber gemäß den Schreiben der Fachvorgesetzten vom 4. April und vom 18. Juli 2002 den beiden Vorgängen nicht zugrunde. Es ging schlicht um den Bedarf an jeder Arbeitskraft (Schreiben vom 4. April 2002) bzw. um die knappe Besetzung der Station (Schreiben vom 18. Juli 2002) ohne Berücksichtigung des Umstandes, dass im letzten Fall in erster Linie nur eine tageweise Vertretungstätigkeit zu erwarten war. Auch ein Krankenhausbetrieb muss in der Lage sein, seinen Dienstbetrieb so zu organisieren, dass die stellvertretenden Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung als Stellvertreter auch tatsächlich eingesetzt werden können. Dadurch wird der von der Beteiligten zu 2) herangezogene Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Patientenversorgung nicht in Frage gestellt.

Im übrigen liegt die Behinderung - wie ausgeführt - vornehmlich darin, dass die Fachvorgesetzten durch den Inhalt ihrer Schreiben gegenüber den betroffenen stellvertretenden Mitgliedern einen unzulässigen Druck mit der Folge ausgeübt haben, dass in beiden Fällen Amtsniederlegungen erfolgten.

Es wird die Aufgabe des Schwerbehindertenbeauftragten der Beteiligten zu 2) sein, in der Zukunft dafür zu sorgen, dass Behinderungen dieser Art nicht mehr eintreten werden. Deshalb ist auch der Einwand der Beteiligten zu 2) ohne Bedeutung, es komme nur auf das Verhalten der leitenden Mitarbeiter im Personaldezernat an. Unterbindet die Beklagte zu 2) über ihren Schwerbehindertenbeauftragten die Vorgehensweisen der Fachvorgesetzten der stellvertretenden Mitglieder nicht, so muss sie sich deren Verhalten zurechnen lassen.

d)

Im Gegensatz zur Beurteilung des Unterlassungsantrages zu 1 der Beteiligten zu 1) hatte das Beschwerdegericht hier von dem Bestehen einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Anhaltspunkte, die etwas für die Annahme hergeben könnten, es sei hier ausnahmsweise eine erneute Zuwiderhandlung nicht mehr zu erwarten, sind nicht ersichtlich (vgl. dazu BAG NZA 00, 1066, 1068). Im Gegenteil, der Umstand, dass ein erneuter, gleichgelagerter Verstoß gegen das Behinderungsverbot kurz nach Zustellung der Antragsschrift der Beteiligten zu 1) am 7. Juni 2002 zu verzeichnen ist, spricht dagegen, dass keine Behinderungen seitens der Beteiligten zu 2) im Falle der Freistellung von weiteren stellvertretenden Mitgliedern der Schwerbehindertenvertretung zwecks Vertretung der Vertrauensperson mehr zu befürchten sind.

e)

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auf Antrag der Beteiligten zu 1) insoweit der Beteiligten zu 2) die Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Falle der Zuwiderhandlung angedroht (§§ 85 Abs. 1 Satz 3, 62 Abs. 2 ArbGG, § 890 Abs. 2 ZPO). Die Höhe des angedrohten Ordnungsgeldes ist nicht zu beanstanden; gegenteiliges wird von der Beteiligten auch nicht vorgebracht.

Mit Ausnahme der Entscheidung über den Antrag zu 6 war für die Beteiligten im Umfang ihres Unterliegens jeweils die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§§ 92 Abs. 2, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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