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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 05.11.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 1378/04
Rechtsgebiete: BGB, NachwG, TVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 305 c Abs. 2
NachwG § 2
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 1 Satz 1
1. Zur mangelnden Tarifbindung einer ARGE, deren sämtliche Gesellschafter Mitglied im Arbeitgeberverband sind.

2. Zur Auslegung einer Erklärung "unter Tarif geht nichts".


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 1378/04

Verkündet am 05.11.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 6. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 05.11.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtlichen Richter Köster und Bräuer

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 18.05.2004 - 55 Ca 3542/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der gewerkschaftlich organisierte Kläger stand auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09. Dezember 2002 (Ablichtung Bl. 34 d.A.) bis zum 30. September 2003 als Zimmermann in den Diensten der Beklagten, deren Mitglieder sämtlich dem Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg e.V. angehörten.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein tarifvertraglicher Anspruch des Klägers scheitere daran, dass sich aus der Tarifbindung ihrer Gesellschafter keine eigene Tarifbindung der Beklagten ergebe. Der schriftliche Arbeitsvertrag des Klägers enthalte keine generelle Bezugnahme auf den einschlägigen Tarifvertrag. Selbst wenn man unterstelle, dass mit der Verhandlungsführung betraute Kolonnenmitglied sei zu einem mündlichen Vertragsschluss bevollmächtigt gewesen, ergebe sich der erhobene Anspruch nicht. Es sei nicht plausibel, dass der kaufmännische Leiter der Beklagten auf die Erklärung "unter Tarif geht nichts" nicht nur von der Vorstellung eines geringeren Mindestlohns nebst einer Prämienregelung Abstand genommen, sondern zusätzlich noch die Gewährung eines 13. Monatseinkommens zugesagt habe.

Gegen dieses ihm am 03. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Juni 2004 eingelegte und am 3. August 2004 begründete Berufung des Klägers. Da der Vertragsurkunde u.a. Angaben zum Arbeitsort, der Arbeitszeit, der Urlaubsdauer und der Kündigungsfristen fehlten, diese mithin nicht den Anforderungen des Nachweisgesetzes entsprochen habe, könne ihm nicht die Beweislast für dort ebenfalls nicht aufgenommene Vertragsbedingungen auferlegt werden. Handele ein Gewerkschaftsmitglied mit dem Arbeitgeber aus, dass nur Lohn nach Tarif akzeptiert werde, so sei darin bei lebensnaher Auslegung die Erklärung zu sehen, dass sämtliche Tarifverträge seiner Gewerkschaft für das von ihm ausgeübte Gewerk auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollten. Das 13. Monatseinkommen sei Teil der zu zahlenden Vergütung. Die Mitglieder seiner Kolonne seien alle gewerkschaftlich organisiert gewesen. Ob dies für die seinerzeit ebenfalls eingestellten Mitglieder anderer Kolonnen teilweise nicht zugetroffen habe, entziehe sich seiner Kenntnis.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 996,03 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass sich die vom Kläger als fehlend monierten Angaben ohne weiteres dem allgemeinverbindlichen BRTV Bau entnehmen ließen. Der Arbeitsort habe sich aus der Natur der Sache ergeben. Weder habe es die Forderung einer "Zahlung nach Tarif" gegeben, noch wäre eine solche Forderung so zu verstehen gewesen, dass damit auch ein 13. Monatseinkommen gemeint gewesen sei. Dementsprechend habe sie dem Kläger auch keine vermögenswirksame Leistung gezahlt, wie im Verhandlungstermin unstreitig geworden ist. Diese Zahlung habe sie mit Rücksicht auf die Allgemeinverbindlichkeit des zugrunde liegenden Tarifvertrags lediglich an einen Arbeitnehmer erbracht, der dies auch beantragt gehabt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens für 2003.

1.1 Ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 des Tarifvertrags über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe (TV 13. ME/Arb) musste an mangelnder Tarifbindung der Beklagten als einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. §§ 705 ff. BGB scheitern (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Dass sämtliche Mitglieder der Beklagten tarifgebunden waren, genügte nicht, weil nicht diese selbst Arbeitgeber des Klägers waren, sondern das Arbeitsverhältnis allein zu der insoweit teilrechtsfähigen Beklagten bestand (zur Teilrechtsfähigkeit einer ARGE BGH, Urteil vom 29.01.2001 - II ZR 331/00 - BGHZ 146, 341 zu A I 2 der Gründe; zur Arbeitgebereigenschaft der Außen- GbR Diller NZA 2003, 401; zur GbR als Arbeitgeber i.S.d. Lohnsteuerrechts bereits BFH Urteil vom 17.02. 1995 - VI R 41/92 - BFHE 177, 105 = NZA 1995, 822 zu 1 b, cc der Gründe). Etwas anderes hätte sich nur ergeben können, wenn sämtliche Gesellschafter der Beklagten ihre Mitgliedschaft allein in deren Interesse und mit deren Billigung erworben hätten (vgl. dazu BAG, Urteil vom 04.05.1994 - 4 AZR 418/93 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Elektrohandwerk Nr. 1 zu A I 2 a, bb der Gründe), was indessen offensichtlich nicht der Fall war.

1.2 Der Kläger hat auch keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung eines 13. Monatseinkommens in tarifvertraglicher Höhe erworben.

1.2.1 Ein Urkundenbeweis gemäß § 416 ZPO war dem Kläger nicht möglich. Die Vertragsurkunde vom 09. Dezember 2002 enthielt keine Bezugnahme auf den TV 13. ME/Arb). Dort war lediglich ein Stundenlohn von 14,28 € nach "Berufsgruppe Z 4" angegeben, was dem damaligen Gesamttarifstundenlohn (GTL) in Lohngruppe 4 entsprach. Dass darüber hinaus auch ein 13. Monatseinkommen gezahlt werden sollte, war daraus nicht zu entnehmen.

1.2.2 Daraus, dass in der Fußleiste der Vertragsurkunde die fünf tarifgebundenen Gesellschafter der Beklagten mit ihren Firmenlogos aufgeführt waren, ließ sich nichts herleiten. Damit ist weder ein gemäß § 305c Abs. 2 BGB für die Auslegung des formularmäßigen Vertragstextes bedeutsamer Zweifel geweckt worden, noch hat die Beklagte damit entgegen der Ansicht des Klägers den Eindruck eigener Tarifbindung erweckt. Dass der Verhandlungsführer des Klägers dies gleichwohl gemeint haben mag, ließe eher darauf schließen, dass er die Erbringung aller tarifvertraglichen Leistungen für selbstverständlich hielt und lediglich darauf Wert legte, keine an ihn herangetragenen untertariflichen Bedingungen zu akzeptieren, mögen solche auch gemäß § 4 Abs. 3 TVG unter beiderseits Tarifgebundenen nicht wirksam vereinbart werden können.

1.2.3 Eine Pflicht der Beklagten zur Zahlung eines 13. Monatseinkommens ergab sich auch nicht aus einer entsprechenden mündlichen Erklärung des Verhandlungsführers des Klägers.

1.2.3.1 Zwar waren dessen Erklärungen durchaus beachtlich, auch wenn ihm keine Abschlussvollmacht zukam. Auch für den bloßen Verhandlungsbevollmächtigten gilt § 166 Abs. 1 BGB, wonach es auf die Person des Vertreters ankommt, soweit rechtliche Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis gewisser Umstände beeinflusst werden. Hätte der als Verhandlungsführer agierende Kolonnenführer mit dem kaufmännischen Leiter der Beklagten mithin die Zahlung eines 13. Monatseinkommens ausgehandelt, wäre eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten durch Unterzeichnung des Vertragsentwurfs durch den Kläger auch dann Vertragsinhalt geworden, wenn der Kläger davon nichts gewusst hätte.

1.2.3.2 Die Äußerung des Verhandlungsführers, "unter Tarif geht nichts" genügte mit Rücksicht auf die Gesamtumstände nicht, um damit die Zahlung eines 13. Monatseinkommens angesprochen zu sehen (§ 133 BGB). Dagegen sprach der Gesamtzusammenhang, in dem diese Äußerung gefallen sein soll, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat. Wenn nach der insoweit unwidersprochenen Darstellung der Beklagten zuvor gerade bloß der Mindestlohn plus Prämien angeboten worden war, konnte das Nachgeben des kaufmännischen Leiters der Beklagten auch nur darauf bezogen werden, durfte dagegen nicht dahin verstanden werden, darüber hinaus auch noch das tarifliche 13. Monatseinkommen zahlen zu wollen. Dies jedenfalls vor dem Hintergrund, dass der Kläger und seine Kollegen bei ihrem im Arbeitsvertrag vermerkten Vorarbeitgeber, einem in Insolvenz gefallenen Subunternehmer der Beklagten, mangels dessen Tarifbindung ebenfalls kein 13. Monatseinkommen erhalten hatten. Dass der Verhandlungsführer des Klägers darauf achtete, dass es bei der Fortsetzung der Arbeit nicht zu einer Verschlechterung der Entlohnung kommen sollte, lag nahe. Dagegen hätte es für eine Verbesserung einer entsprechenden deutlichen Erklärung bedurft.

1.2.4 Es konnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass unabhängig vom objektiven Verständnis der Vertragsurkunde und der Begleiterklärungen hierzu Willensübereinstimmung der Parteien bestand, dass der Kläger sämtliche tariflichen Leistungen erhalten sollte (sog. unschädliche Falschbezeichnung), was auch in einer ständigen Vertragspraxis noch Ausdruck hätte finden können. Dagegen sprach indessen bereits, dass die Beklagte gerade nicht an den Kläger und alle neu eingestellten Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen erbracht hat, sondern allein mit Rücksicht auf die Allgemeinverbindlichkeit des einschlägigen Tarifvertrags an einen Kollegen, der dies auch beantragt hatte. Auch hat die Beklagte nicht ab 01. April 2003 den Stundenlohn des Klägers um 34 Cent auf 14,64 € erhöht, wie dies aber in § 2 Abs. 8 TV Lohn/Berlin. vom 04.07.2002 vorgesehen war, ohne dass der Kläger dies im Übrigen reklamiert hat. Die Gewährung einzelner tariflicher Leistungen ist zudem nur bei tarifgebundenen Arbeitgebern im Zweifel dahin zu verstehen, dass alle einschlägigen Tarifverträge gelten sollen (dazu BAG, Urteil vom 19.01.1999 - 1 AZR 606/98 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 9 zu III 3 der Gründe).

1.3 Soweit unter anderem Angaben über Arbeitszeit, Urlaubsdauer und Kündigungsfrist in der Vertragsurkunde fehlten und diese auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG durch Bezugnahme auf den allgemeinverbindlichen BRTV Bau ersetzt waren, ergab sich daraus entgegen der Ansicht des Klägers doch keine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Vereinbarung eines 13. Monatseinkommens. Abgesehen davon, dass dies den Kläger keinesfalls von der Last zu entsprechendem schlüssigen Vortrag entheben konnte, war für ihn aus der Vertragsurkunde zu ersehen, dass damit eine Pflicht zur Zahlung eines 13. Monatseinkommens nicht dokumentiert war, sondern dass er (nur) einen bestimmten Stundenlohn erhalten sollte. Wenn er meinte, dass damit sein Anspruch auf einen den Mindestanforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG entsprechenden Nachweis nicht gemäß § 1 Abs. 4 NachwG ersetzt worden war, hätte er nach vorheriger Ankündigung ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung gemäß § 273 Abs. 1 BGB ausüben können, wäre aber auch dann für seine entsprechende Behauptung beweisbelastet gewesen.

2. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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