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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 495/05
Rechtsgebiete: BGB, NachwG, StGB, ArbGG, ZPO
Vorschriften:
BGB § 612 Abs. 2 | |
BGB § 810 | |
BGB § 823 Abs. 2 | |
BGB § 853 | |
NachwG § 2 Abs. 1 | |
StGB § 253 Abs. 1 | |
ArbGG § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 | |
ZPO § 422 | |
ZPO § 423 | |
ZPO § 448 |
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 24.06.2005
In dem Rechtsstreit
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 6. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 24.06.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtliche Richterin Aue und den ehrenamtlichen Richter Scholz
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.02.2005 - 71 Ca 26171/04 - geändert
2. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger stand seit dem 01. Mai 2004 als Bauhelfer in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten.
Das Arbeitsgericht Berlin hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an den Kläger Lohn für die Zeit vom 01. Mai bis 18. September 2004 in Höhe von insgesamt 7.288,-- € brutto nebst Verzugszinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe durch seinen Vortrag, mit Wissen und Wollen des Beklagten von Montag bis Freitag jeweils mindestens elf Stunden und am Sonnabend regelmäßig mindestens sieben Stunden für diesen gearbeitet zu haben, das Zustandekommen einer Vereinbarung über eine Vollzeitbeschäftigung mit (mindestens) der tarifvertraglichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden (Sommerarbeitszeit) bei einem Stundenlohn von unstreitig 10,36 € dargetan. Da der Beklagte dem Kläger keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erteilt und damit gegen seine Nachweispflicht verstoßen habe, sei dem Kläger eine Beweiserleichterung zugute gekommen. Aufgrund des zur Akte gereichten Leistungsverzeichnisses für Trockenbauarbeiten des Bauvorhabens, auf dem der Kläger eingesetzt gewesen sei, erscheine der Vortrag des Klägers plausibel, weshalb der Beweis für die behauptete Vereinbarung als geführt angesehen werden könnte. Der Vortrag des Beklagten zum Einsatz des Klägers lediglich auf Abruf für maximal 48 Stunden monatlich sei unsubstantiiert, weil sich daraus nicht habe ersehen lassen, an welchen Tagen der Kläger jeweils wie viele Stunden gearbeitet habe. Auch sei der Vortrag des Beklagten angesichts diverser Termin-Protokolle (Abl. Bl. 28 - 39 d.A.) nicht glaubhaft gewesen.
Von dem sich errechnenden Lohnanspruch des Klägers seien lediglich für Mai und Juni 2004 unstreitig jeweils gezahlte 500,-- € brutto abzusetzen, während es hinsichtlich der Zahlungen für Juli und August 2004 an Angaben des Beklagten gefehlt habe, wann genau und wo diese erfolgt seien. Die sechsmonatige Verfallfrist gemäß § 2 Abs. 6 TV Mindestlohn sei gewahrt.
Gegen dieses ihm am 03. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 08. März 2004 eingelegte und am 03. Mai 2004 begründete Berufung des Beklagten. Er beruft sich auf eine von seinem Prozessbevollmächtigten entworfene "Prozessvereinbarung" (Abl. Bl. 130 u. 131 d.A.), nach deren § 1 Abs. 2 sich der Kläger durch Unterzeichnung am 04. März 2005 verpflichtet habe, seine Klage vollumfänglich zurückzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet, die "Prozessvereinbarung" sei ihm unter Androhung eines empfindlichen Übels für seine Gesundheit und Drohung mit Gefahren für ihn und seine Familie im Beisein mehrerer "Schutzmänner" des Beklagten mit dem Hinweis vorgelegt worden, andernfalls würde er überhaupt kein Geld erhalten. Tatsächlich habe der Beklagte ihm danach unstreitig 1.100,-- € gezahlt. Sein Bruder sei in gleicher Weise bedroht worden, habe aber überhaupt kein Geld erhalten.
Der Beklagte weist den Vorwurf einer Bedrohung des Klägers und dessen Bruders zurück und verweist auf eine eidesstattliche Versicherung des Klägers im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage gegen dessen Bruder (Abl. Bl. 154 u. 155 d.A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Berufung ist begründet.
Die Klage war, soweit sie nicht bereits durch das insoweit rechtskräftig gewordene Urteil des Arbeitsgerichts in der Sache abgewiesen worden ist, als unzulässig abzuweisen. Der Kläger hat sich durch die von ihm unterzeichnete "Prozessvereinbarung" zur Rücknahme seiner Klage verpflichtet.
1.1 Eine Verpflichtung zur Klagerücknahme kann auch im Anwaltsprozess von den Parteien selbst formlos vereinbart werden (BGH, Urteil vom 14. Mai 1986 - IVa ZR 146/85 - NJW-RR 1987, 307 zu 1 der Gründe). Wird die Klage abredewidrig weiter betrieben, ist sie auf Einrede des Beklagten als unzulässig abzuweisen (BGH, Beschuss vom 18.12.1963 - IV ZR 263/63 - NJW 1964, 549).
1.2 Die "Prozessvereinbarung" ist mit Unterzeichnung beider Parteien zustande gekommen (vgl. § 154 Abs. 2 BGB). Auch wenn der Kläger unterschrieben haben sollte, ohne den Text zuvor gelesen zu haben, wie er in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 06. April 2005 ausgeführt hat, stünde dies dem Zustandekommen der Vereinbarung nicht entgegen. Auch eine Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt seiner Erklärung gemäß §§ 119 Abs. 1, 121 Abs. 1 BGB hat der Kläger nicht erklärt.
1.3 Der Berufung des Beklagten auf das in der "Prozessvereinbarung" enthaltene Klagerücknahmeversprechen des Klägers stand nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, der auch ohne Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung gemäß § 123 Abs. 1 BGB zu beachten ist. Ein solcher Einwand hätte sich für den Kläger gemäß § 853 BGB ergeben, wenn er tatsächlich zur Abgabe seiner Erklärung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel bestimmt worden wäre, weil ihm daraus ein entsprechender Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 253 Abs. 1 StGB erwachsen wäre. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass es zu einer solchen Drohung gekommen ist.
1.3.1 Die vom Kläger beantragte Beiziehung der polizeilichen Ermittlungsakte kam ohne nähere Angabe, was sich daraus zu seiner behaupteten Bedrohung ergeben sollte, nicht in Betracht. Desgleichen brauchte der als Zeuge benannte Ermittlungsbeamte nicht dazu gehört zu werden, dass der Kläger ihm eine Bedrohung durch den Beklagten geschildert hat. Schließlich vermochte die Bezugnahme des Klägers auf den Sachvortrag der Parteien im Vollstreckungsverfahren, womit wohl die Vollstreckungsabwehrklage seines Bruders gemeint war, eigenen Sachvortrag nicht zu ersetzen.
1.3.2 Die Voraussetzungen des § 448 ZPO für seine vom Kläger außerdem noch angebotene Vernehmung als Partei waren nicht erfüllt. Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass bereits Einiges für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers hervorgegangen ist.
1.3.2.1 Dies hätte sich ergeben, wenn der Kläger ohne jegliche Gegenleistung auf die Rechte aus einem ohne nennenswerte Erfolgsaussicht angegriffenen Urteil verzichtet hätte, was indessen beides nicht der Fall war.
1.3.2.1.1 So ist nach der Präambel der "Prozessvereinbarung" Einigkeit über die vom Beklagten noch zu zahlende Vergütung erzielt worden. Dabei soll die Angabe des später gezahlten Betrags nach Schilderung des Beklagtenvertreters im Verhandlungstermin gerade auf Veranlassung des Klägers gestrichen worden sein, weil dieser Betrag noch offen gewesen sei.
1.3.2.1.2 Auch markierte das angefochtene Urteil keine sichere Rechtsposition für den Kläger.
1.3.2.1.2.1 So konnte zwar der Verstoß des Beklagten gegen § 2 Abs. 1 NachwG im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Soweit das Arbeitsgericht dabei aber Rückschlüsse aus dem Leistungsverzeichnis für Trockenbauarbeiten des Bauvorhabens gezogen hat, auf dem der Kläger vom Beklagten eingesetzt worden war, hat es den Hinweis des Beklagten übergangen, dass sich die darin angegebenen Mengen ausweislich der einleitenden Erläuterung auf das ganze Bauvorhaben bezogen, während die sich für den Beklagten zutreffenden Mengen aus den ihm zugeteilten Bereichen vom Grundrissplan zu entnehmen sein sollten.
1.3.2.1.2.2 Auch durfte der Umstand, dass der Beklagte sich geweigert hat, seine Schlussabrechnung für dieses Bauhaben offen zu legen, nicht zu seinen Lasten verwertet werden. Weder hatte sich der Beklagte auf diese Urkunde bezogen (§ 443 ZPO), noch bestand eine Vorlagepflicht nach bürgerlichem Recht (§ 422 ZPO), weil diese Urkunde nicht im Interesse des Klägers errichtet worden war und auch kein zwischen ihm und dem Auftraggeber bestehendes Rechtsverhältnis beurkundete (§ 810 BGB). Im Übrigen fehlte es auch für eine vorbereitende Anordnung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ArbGG zumindest an einer Bezugnahme des Klägers auf diese Urkunde (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, 5. Aufl., 2005, § 56 R 9a).
1.3.2.1.2.3 § 612 Abs. 2 BGB dient entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht dazu, eine Lücke im Arbeitsvertrag hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit zu schließen, sondern soll lediglich eine fehlende Vergütungsabrede ersetzen, die vorliegend indessen unstreitig getroffen war.
1.3.2.1.2.4 Weiterhin war der Erfüllungseinwand des Beklagten für Juli und August 2004 zu berücksichtigen. Für die behaupteten Zahlungen kam es nicht darauf an, wann genau und an welchem Ort diese erfolgt sein sollen. Dies wäre erst dann der Fall gewesen, wenn der Vortrag des Beklagten in diesem Punkt durch die Einlassung des Klägers unklar geworden wäre.
1.3.2.1.2.5 Auch hinsichtlich der Frage, ob der Kläger im September 2004 überhaupt noch für den Beklagten gearbeitet hat, hätte sich die Notwendigkeit einer Erhebung des dafür von ihm angebotenen Zeugenbeweises ergeben können, dessen Führung ungewiss war.
1.3.2.2 Gegen eine Parteivernehmung des Klägers von Amts wegen sprach auch, dass er über einen Zeitraum von viereinhalb Monaten wöchentlich mindestens 62 Stunden für den Beklagten gearbeitet, dafür aber lediglich Ende August 2004 für Mai und Juni jeweils 500,-- € brutto erhalten haben will. Selbst wenn der Kläger in dieser Zeit bei seiner Mutter gewohnt hatte, erschien es kaum nachvollziehbar, dass er sich über einen derartig langen Zeitraum ohne jegliche Zahlung für seine angeblich außergewöhnlich hohe Arbeitsleistung vom Beklagten mit dem schlichten Hinweis hat vertrösten lassen, der Arbeitsvertrag sei noch nicht geschrieben und es gebe Schwierigkeiten mit dem Steuerbüro.
1.3.2.3 Schließlich war zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass es gemäß seiner eidesstattlichen Versicherung vom 06. April 2005 nach dem Treffen beim Beklagtenvertreter, mithin nach Unterzeichnung der "Prozessvereinbarung", "zur Auszahlung des gesamten geschuldeten Geldbetrags, also 7.200,00 €" gekommen sein soll. Auch wenn der Beklagte dies selbst nicht einmal behauptet hat, warf es doch ein schlechtes Licht auf die Einstellung des Klägers bei der Abgabe prozessual erheblicher Erklärungen. Insoweit fiel auch auf, dass der Kläger der Anordnung seines persönlichen Erscheinens mit der Begründung nicht Folge geleistet hat, "aufgrund der Bedrohungssituation sich nicht getraut zu haben." Demgegenüber hatte er in seiner eidesstattlichen Versicherung bekundet, seit Unterzeichnung der "Prozessvereinbarung" und Auszahlung des geschuldeten Geldbetrags nicht mehr bedroht worden zu sein.
2. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.
Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.
Ende der Entscheidung
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