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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 01.07.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 873/05
Rechtsgebiete: BerlHG, HRG, TzBfG, BGB, GG


Vorschriften:

BerlHG § 44 Abs. 5 Satz 1
HRG § 57b Abs. 4
TzBfG § 14 Abs. 4
TzBfG § 126 Abs. 2
TzBfG § 141 Abs. 2
BGB § 242
GG Art. 31
§ 44 Abs. 5 Satz 1 BerlHG, wonach u.a. befristet beschäftigte Verwaltungsangestellte an Hochschulen im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft in Hochschulgremien auf Antrag diese Zeiten zur Hälfte nicht auf ihre Dienstzeit angerechnet erhalten, erfordert den Abschluß eines den Anforderungen des § 14 Abs. 4 TzBfG i.V.m. § 126 Abs. 2 BGB entsprechenden Verlängerungsvertrags
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 873/05

Verkündet am 01.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeiitsgericht Berlin, 6. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie den ehrenamtlichen Richter Synowzik und die ehrenamtliche Richterin Szymanski

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 02.02.2005 - 86 Ca 23296/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin stand seit dem 01. Mai 2001 als Verwaltungsangestellte in den Diensten der Beklagten. Ihr Arbeitsverhältnis war bis zum 31. Dezember 2003 befristet. Unter Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zu diversen Schulgremien beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2003 (Abl. Bl. 9 d.A.) die Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses um die Hälfte ihrer Amtszeit (ca. 15 Monate). Mit Schreiben vom 20. Januar 2004 (Abl. Bl. 10 d.A.) teilte die Beklagte der bereits über den 31. Dezember 2003 hinaus weiter beschäftigten Klägerin mit, diesem Antrag für die Zeit bis zum 31. März 2005 stattzugeben.

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der mitgeteilten Befristung am 31. März 2005 enden werde, und die Beklagte zugleich verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne dahinstehen, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der Weiterbeschäftigung der Klägerin über den Ablauf der ursprünglich vereinbarten Befristung hinaus als auf unbestimmte Zeit verlängert gelte oder ob durch die Verlängerungsmitteilung der Beklagten vom 20. Januar 2004 ein Vertrag über die weitere Befristung bis zum 31. März 2005 zustande gekommen sei. Jedenfalls verstoße eine Verlängerung gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis für Befristungsabreden.

Gegen dieses ihr am 13. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. April 2005 eingelegte und am 13. Mai 2005 begründete Berufung der Beklagten. Sie meint, aufgrund § 44 Abs. 5 Satz 1 BerlHG komme es unter den dort genannten Voraussetzungen auf Antrag des Arbeitnehmers automatisch zu einer Verlängerung dessen Arbeitsverhältnisses. Diese Vorschrift sei zumindest für Verwaltungspersonal auch keinesfalls wegen Verstoßes gegen das Hochschulrahmengesetz nichtig und vom Berliner Gesetzgeber anlässlich wiederholter Novellierungen des BerlHG bewusst unverändert gelassen worden. Dementsprechend werde darauf gestützten Verlängerungsanträgen befristet beschäftigter Hochschulmitarbeiter mit Gremienzugehörigkeit von der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch regelmäßig stattgegeben. Für einen Vertragsschluss sei daher kein Raum. Schließlich handle die Klägerin widersprüchlich, wenn sie sich auf das Schriftformerfordernis für Befristungsabreden berufe, nachdem sie sich für Verlängerungsbegehren zunächst auf eine hochschulrechtliche Norm des Landes Berlin gestützt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung im Einzelnen entgegen und meint insbesondere, dass es für einen starren Verlängerungsautomatismus eindeutiger Anhaltspunkte bedurft hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist unbegründet.

1.1 Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder aufgrund Befristungsabrede noch kraft Gesetzes zum 31. März 2005 aufgelöst worden, wie die Klägerin gemäß § 17 Satz 1 u. 2 TzBfG fristgerecht ordnungsgemäß geltend gemacht hat.

1.1.1 Auf vertraglicher Grundlage ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht wirksam zum 31. März 2005 befristet worden. Gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrags - gemeint: Arbeitsverhältnisses - zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Eine nur mündlich getroffene Befristungsabrede ist gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig.

1.1.1.1 Die erst nachträgliche schriftliche Niederlegung einer mündlich vereinbarten Befristung vermag dieser auch nicht als Bestätigung zur Wirksamkeit zu verhelfen. § 141 Abs. 2 BGB, wonach die Parteien bei Bestätigung eines nichtigen Vertrags im Zweifel verpflichten, sich so zu stellen, als sei der Vertrag von Anfang an wirksam gewesen, ist auf einer formnichtig getroffene Befristungsabrede weder unmittelbar noch analog anwendbar, weil der mündlich geschlossene Arbeitsvertrag selbst wirksam ist und sich aus der Befristung als solcher keine Ansprüche ergeben, die schon für die Zeit vor der Bestätigung erfüllt werden könnten (BAG, Urteil vom 01.12.2004 - 7 AZR 198/04 - NZA 2005, 575 zu B I 4 a, aa der Gründe).

1.1.1.2 Auch wenn in dem Antrag der Klägerin und der Stattgabe der Beklagten keine bloße Bestätigung, sondern eine nachträgliche Befristungsabrede zu sehen wäre, änderte dies nichts. Damit wäre den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB nicht entsprochen worden. Danach muss bei einem Vertrag die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen (Satz 1) oder müssen zumindest gleich lautende Urkunden darüber aufgenommen werden (Satz 2).

1.1.2 Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Abschluss eines Verlängerungsvertrags auch nicht gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 BerlHG entbehrlich gewesen.

1.1.2.1 Auch wenn § 44 Abs. 5 Satz 1 BerlHG zumindest für Verwaltungsangestellte einer Hochschule nicht wegen Verstoßes gegen § 57b Abs. 4 HRG in der durch HdaVÄndG vom 31.12.2004 (BGBl. I S. 3835) wieder rückwirkend in Kraft gesetzten Fassung (dazu Löwisch NZA 2005, 321) gemäß Art. 31 GG nichtig sein sollte (so für wissenschaftliches Personal BAG, Urteil vom 31.02.2000 - 7 AZR 825/98 - AP HRG § 57b Nr. 4 zu II der Gründe), machte die dort getroffene Regelung den Abschluss eines arbeitsvertraglichen Verlängerungsvertrags nicht entbehrlich. Denn danach "erhalten" die davon begünstigten Angehörigen von Hochschulgremien diese Zeiten auf ihren Antrag zur Hälfte nicht auf ihre Dienstzeit angerechnet, was keine automatische Verschiebung des vereinbarten Befristungszeitpunkts bewirkt (BAG, Urteil vom 30.03.1994 - 7 AZR 229/93 - BAGE 76, 204 = AP HRG § 57a Nr. 1 zu IV 3 a der Gründe). Dementsprechend ist erst durch 5. HRÄndG vom 16.02.2002 (BGBl. I S. 693) für wissenschaftliche Mitarbeiter eine gezielte Änderung dahin vorgenommen worden, dass sich die Dauer eines befristeten Arbeitsvertrags - gemeint: Arbeitsverhältnisses - im Einverständnis mit dem Mitarbeiter (automatisch) um bestimmte Zeiträume verlängert (dazu KR/Lipke, 7.Aufl., 2004, § 57b HRG R. 52), weshalb eine solche Verlängerung jetzt nicht mehr dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG unterliegt (KR/Lipke, a.a.O., R 53).

1.1.2.2 Dass die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf § 44 Abs. 5 Satz 1 BerlHG gestützten Verlängerungsanträgen nach Darstellung der Beklagten regelmäßig stattzugeben pflegen, änderte nichts. Zum einen handelt es sich dabei offenbar um keine bloße Feststellung, und kann zum anderen ein landesgesetzlicher Kontrahierungszwang ein bundesgesetzliches Schriftformerfordernis nicht entfallen lassen.

1.1.3 Der Klägerin war es nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB versagt, sich auf die Unwirksamkeit der Befristung zu berufen. Sie hat ihren Antrag auf befristete Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses mehr als drei Monate vor Ablauf des ursprünglich vereinbarten Endzeitpunkts gestellt und die Beklagte auch nicht von einer rechtzeitigen schriftlichen Abrede darüber abgehalten. Dass sich die Klägerin dabei auf eine landesrechtliche Vorschrift gestützt hat, die nach dem Verständnis der Beklagten zu einer automatischen Verlängerung führte, ließ ihre spätere Berufung auf eine tatsächlich erforderliche vertragliche Verlängerung nicht als widersprüchlich erscheinen.

1.2 Mit Rücksicht auf den unbefristeten Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses konnte die Klägerin auch vertragsgemäße Beschäftigung verlangen. Ein solcher Anspruch ergibt sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB mit Rücksicht auf die dabei zu beachtende Menschenwürde des Arbeitnehmers und sein Persönlichkeitsrecht aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (ähnl. BAG, Beschluss vom 27.02.1985 - GS 1/84 - BAGE 84, 122 = AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14 zu C I 2 der Gründe). Einer Weiterbeschäftigung entgegenstehende Gründe hat die Beklagte nicht vorgebracht.

2. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, die aufgeworfenen Rechtsfragen vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung seit der herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.03.1994 einer höchstrichterlichen Beantwortung zuzuführen.

Ende der Entscheidung

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