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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.11.2005
Aktenzeichen: 6 Ta 2005/05
Rechtsgebiete: ArbGG, DVO-ErzG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a
DVO-ErzG § 2 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1
Das sich an die schulische Ausbildung anschließende Berufspraktikum für Erzieher im Lande Berlin, für das gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 DVO-ErzG von der Praxisstelle mit dem Praktikanten ein schriftlicher Vertrag auf der Grundlage von § 19 BBiG abgeschlossen werden muss, ist ein Rechtsverhältnis privatrechtlicher Natur, weshalb für den Streit über die Erteilung eines Zeugnisses gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist.
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

6 Ta 2005/05

In der Beschwerdesache

hat das LAG Berlin, Kammer 6, am 18.11.2005 durch den VRiLAG Corts beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des ArbG Berlin vom 10.10.2005 - 96 Ca 11505/05 - aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Der Kläger besuchte ab dem 12. September 2001 die F.-F.-Schule, Fachschule für Sozialpädagogik, im Vollzeitstudium zwecks Ausbildung zum Erzieher. Unter dem 23. Juni 2003 wurde ihm nach bestandener Prüfung ein Abschlusszeugnis erteilt. Zur Erlangung der staatlichen Anerkennung als Erzieher absolvierte er auf der Grundlage eines Praktikantenvertrags vom 07. September 2004 (Ablichtung Bl. 9 u. 10 d.A.) in der Zeit vom 16. September 2004 bis 15. März 2005 ein Berufspraktikum in der H.-Grundschule, die ebenfalls eine Einrichtung des Beklagten ist. Hierüber erhielt der Kläger eine Beurteilung vom 01. März 2005 (Ablichtung Bl. 12 d.A.).

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

Das ArbG Berlin hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das VerwG Berlin verwiesen, weil es sich nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 2 ArbGG handele. Vielmehr sei die fachpraktische Ausbildung nach der Ausbildungsordnung als eine schulische Veranstaltung Teil der Ausbildung.

Gegen diesen ihm am 12. Oktober 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 22. Oktober 2005 eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers, der das ArbG nicht abgeholfen hat.

2. Die gemäß §§ 569 Abs. 1 Hs. 1 und Abs. 2 S. 1, 577 Abs. 2 S. 1 ZPO, §§ 48 Abs. 1, 78 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 17a Abs. 4 S. 3 GVG fristgemäß und formgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet.

Die Gerichte für Arbeitssachen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG ausschließlich zuständig.

2.1 Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit.

2.1.1 Die Beurteilung, ob eine bürgerliche oder eine öffentlichrechtliche Streitigkeit vorliegt, richtet sich nach der rechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der erhobene Anspruch hergeleitet wird (GemS, Beschluss vom 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 - BSGE 102, 280 = AP GVG § 13 Nr. 1 zu III 1 der Gründe). Worauf der Kläger sein Begehren stützen möchte, ist demgegenüber unerheblich. Auch steht es den Parteien nicht frei, eine verbindliche Vereinbarung über die rechtliche Natur ihrer Beziehung zu treffen.

2.1.2 Das Begehren des Klägers ist nicht auf Berichtigung der ihm erteilten Beurteilung gerichtet, sondern auf Erteilung eines Zeugnisses gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 19 BBiG. Entscheidend ist deshalb, ob er vom Beklagten als Praktikant eingestellt worden ist, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen zu erwerben.

2.1.3 Praktika, die sich als Bestandteil einer Hochschulausbildung darstellen, sollen nicht von § 19 BBiG erfasst werden (dazu BAG, Urteil vom 19.06.1974 - 4 AZR 436/73 - BAGE 26, 198 = AP BAT § 3 Nr. 3; Urteil vom 03.09.1998 - 8 AZR 14/97 zu B III der Gründe; krit. Weber, Anm. zu AP BAT § 3 Nr. 3 und zu BBiG § 19 Nr. 1). Dementsprechend haben die Parteien des Tarifvertrags über die Regelung der Arbeitsbedingungen der Praktikantinnen/Praktikanten (TV Prakt) vom 22. März 1991 in ihren Redaktionsverhandlungen über neue Entgelttarifverträge am 18. Januar 1972 Einvernehmen erzielt, dass diese Tarifverträge nur für Praktikanten gelten, die nach Abschluss ihrer theoretischen, schulischen Ausbildung ein echtes Berufspraktikum ableisten. Dass die praktische Tätigkeit nach den geltenden Ausbildungsordnungen der Länder der staatlichen Anerkennung "als Erzieherin" vorauszugehen hat, hindert dagegen gemäß § 1 lit. d TV Prakt nicht, sie unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fallen zu lassen.

2.1.4 Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Berufspraktikum und die staatliche Anerkennung von Erziehern und Kinderpflegern (ErzG) vom 30. Juni 1988 (GVBl. S. 979), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08. Februar 2001 (GVBl. S. 33), schließt sich das Berufspraktikum an die schulische Ausbildung an und ermöglicht dem Praktikanten, die in der Schule erworbenen Kenntnisse unter Anleitung von erfahrenen Fachkräften in der Praxis anzuwenden sowie zunehmend eigenverantwortlich in dem gewählten Beruf tätig zu werden, gehört mithin nicht mehr zur schulischen Ausbildung. Diese muss vielmehr gemäß Abs. 4 abgeschlossen sein.

Dass die Durchführung des Berufspraktikums nach § 2 Abs. 1 Satz 3 ErzG als Teil der Gesamtausbildung eine Zusammenarbeit von Schule und Praxisstellen erfordert, macht es nicht zu einer schulischen Veranstaltung. Diese beschränkt sich vielmehr gemäß § 5 Abs. 1 ErzG auf ein praxisbegleitendes Seminar, das nach Nr. 22 der Ausführungsvorschriften über die Ausbildung in den staatlichen Fachschulen für Sozialpädagogik (Ausbildungsordnung Erzieher/Erzieherin - AusbOErz) vom 02. Dezember 2003 (ABl. S. 5150) in der Regel an einem Wochentag stattfindet und zu Unterrichtsblöcken gebündelt werden kann.

Das Berufspraktikum nicht mehr als Teil der fachschulischen Ausbildung anzusehen, wird noch durch § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Abschlussprüfung für Erzieher und Erzieherinnen an den staatlichen Fachschulen (PrüfVO-Erzieher) vom 18. Dezember 1986 (GVBl. S. 2102), zuletzt geändert durch VO vom 16. März 2005 (GVBl. S. 210), bestätigt. Danach ist in der Prüfung festzustellen, ob der Kandidat das Ziel des Bildungsganges erreicht hat und damit befähigt ist, am Berufspraktikum teilzunehmen, worüber ihm gemäß § 21 Satz 1 PrüfVO-Erzieher ein Abschlusszeugnis zu erteilen ist.

Dieser Trennung von schulischer und praktischer Ausbildung entsprechend, sieht die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Berufspraktikum und die staatliche Anerkennung von Erziehern und Kinderpflegern (DVO-ErzG) vom 17. Mai 1990 (GVBl. S. 1058), zuletzt geändert durch VO vom 08. Februar 2001 (GVBl. S. 33), in § 2 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 vor, dass die Praxisstelle, die nach Nr. 18 AusbOErz auch in freier Trägerschaft im Land Berlin durchgeführt werden kann, mit dem Praktikanten einen schriftlichen Praktikantenvertrag auf der Grundlage von § 19 BBiG abschließt, wie es vorliegend in § 4 Abs. 1 UAbs. 1 des Praktikantenvertrags vom 07. September 2004 auch ausdrücklich geschehen ist.

Dass nach Nr. 20 Abs. 2 Satz 1 AusBOErz die Studierenden - gemeint: Studenten - im Praktikum nicht im Rahmen eines arbeitsrechtlichen Grundsätzen unterliegenden Ausbildungsverhältnisses ausgebildet - zu ergänzen: werden - und tätig werden und keine Praktikanten im Sinne des BBiG sein sollen, steht nicht entgegen. Diese auf § 10 Abs. 2 ErzG gestützte Verwaltungsvorschrift vermag die Regelungen der gemäß § 10 Abs. 1 ErzG erlassenen DVO-ErzG als einer Rechtsverordnung nicht zu verdrängen, sondern muss sich ihrerseits an dieser messen lassen.

2.2 Die Rechtsstreitigkeit besteht zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gehören auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigen zu den Arbeitnehmern im Sinne dieses Gesetzes. Darunter fällt jede Maßnahme, die berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten auf betrieblicher Ebene vermittelt und aufgrund privatrechtlicher Grundlage erfolgt, mithin auch ein Praktikantenverhältnis (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge; ArbGG, 5. Auflage, 2004, § 5 R 10 und 10a).

3. Über die Kosten der erfolgreichen Beschwerde war nicht zu befinden, weil diese Teil der Kosten des Rechtsstreits sind.

Die Rechtsbeschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, bestand kein Anlass. Auch liegt keine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor.

4. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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