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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: 8 Ta 1987/05
Rechtsgebiete: GVG, BSHG


Vorschriften:

GVG § 17a
BSHG § 19 Abs. 3
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für Rechtsstreitigkeiten nach § 19 Abs. 2 2. Alt. BSHG nicht eröffnet.
Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

8 Ta 1987/05

In dem Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 8. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Albrecht-Glauche als Vorsitzende

am 02. Dezember 2005

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. August 2005 - 75 Ca 10146/05 - geändert: 1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig.

2. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Berlin verwiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren darüber, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die am 03. Mai 2005 erhobene Klage auf Feststellung, dass die Vereinbarung der Parteien vom 11. Oktober 2004 nicht durch die Willenserklärung der Beklagten vom 06.04.2005 mit Wirkung zum 06. April 2005 beendet worden ist, sondern bis zum 10. Juli 2005 fortbesteht, eröffnet ist.

Unter dem 11. Oktober 2004 schlossen der Kläger, der arbeitslos war und ein monatliches Arbeitslosengeld von zuletzt 540,46 EUR bezog, die "Vereinbarung über die Bereitstellung/Annahme einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne des § 19 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)", nach der der Kläger die von der Beklagten bereitgestellte Arbeitsgelegenheit "Umweltbildung für Kinder" im Zeitraum vom 11. Oktober 2004 bis zum 10. Juli 2005 annahm.

Durch den Beschluss vom 25. August 2005 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es handele sich bei der Rechtsbeziehung zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Maßnahmeträger bei Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II - anders als unter der Geltung von § 19 BSHG - um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Der Hilfebedürftige sei in diesem Rechtsverhältnis arbeitnehmerähnliche Person, die als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes anzusehen sei (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

Gegen den der Beklagten und Beschwerdeführerin am 14. September 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27. September 2005 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde gleichen Datums, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Sie ist nach § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft und innerhalb der Frist des nach § 78 Satz 1 ArbGG anwendbaren § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bei dem Arbeitsgericht formgerecht eingelegt worden.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschusses.

2.1 Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet.

Die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Vereinbarung der Parteien über die Bereitstellung/Annahme einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung ist am 11. Oktober 2004 unter der Geltung des § 19 BSHG (in der Fassung vom 23. Dezember 2003, gültig bis 31. Dezember 2004) geschlossen worden. Für die Zeit nach dem 31. Dezember 2004 ordnen die §§ 65b Abs. 1 SGB II, 134 SGB XII eine Weitergeltung des § 19 BSHG bis zum Ende der Bewilligung, längstens bis zum 31. Dezember 2005 an.

Bei einer Beschäftigung nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BSHG, bei der - wie im vorliegenden Fall - Hilfe zum Lebensunterhalt und eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt wird, besteht nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich das Beschwerdegericht anschließt, kein bürgerlich-rechtliches sondern ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis, denn die Normen, die das Rechtsverhältnis zwischen dem Maßnahmeträger und dem Hilfebedürftigen regeln, gehören zum öffentlichen Recht. Die Vereinbarungen dienen - anders als im Fall der Beschäftigung nach § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 1 BSHG - allein der Ausgestaltung der sozialhilferechtlichen Arbeitspflicht des Hilfebedürftigen, die in § 18 Abs. 1 BSHG als Konkretisierung des Selbsthilfegebots nach § 2 Abs. 1 BSHG als Obliegenheit des Hilfebedürftigen geregelt ist (vgl. BAG, Urteile vom 14.01.1987, - 5 AZR 166/85 - EzA Nr. 1 zu § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis; vom 14.12.1988 - 5 AZR 661/86 - n.v.; BVerwG, Beschluss vom 10.12.1992 - 5 B 118/92 - Buchholz 436.0 § 19 BSHG Nr. 9, BVerwG, Urteil vom 22.03.1990 - 5 C 63/86 - NVwZ 1990, 1170; Oestreicher/Schelter/Kunze/Decker, BSHG, § 19 Rdnr. 11).

Ob diese rechtliche Bewertung - wie vom Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss verneint - auch für Streitigkeiten aus einem Rechtsverhältnis über eine unter der Geltung des am 01.01.2005 in Kraft getretenen § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II begründete Arbeitsgelegenheit gilt, hat hier als nicht entscheidungserheblich dahinzustehen (vgl. zur neuen Rechtslage aber den rechtskräftigen gegenteiligen Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 12.09.2005 - L 3 ER 79/05 AS - SuP 2005, 726).

2.2 Im vorliegenden Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet, die gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 a SGG für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständig sind.

2.3 Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin folgt aus § 57 Abs.1 SGG.

3. Die Entscheidung ist außerhalb der mündlichen Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergangen (§ 78 Satz 3 ArbGG).

4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Die durch die erfolgreiche Beschwerde entstandenen Kosten bilden einen Teil der Gesamtkosten des Rechtsstreits.

5. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 17a Abs. 4 S. 4 und 5 GVG i.V.m. § 78 Satz 2 ArbGG besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, da die der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsnormen längstens bis zum 31.12.2005 anwendbar sind.

Ende der Entscheidung

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